10. März 2013: Der große Tag, an dem das letzte Deck aufgelegt und befestigt werden soll. Ich habe mich entschlossen, zwar nicht die alten Stützen zu verwenden, sondern neue, runde, die später verblendet werden sollen. Allerdings will ich sie auch nicht kleben, sondern bei dem alten Verfahren des "Drucks von oben" bleiben. Ich habe ein paar Stellproben gemacht und war danach guter Hoffnung, dass das obere Deck (Bootsdeck) über die Relingstützen auch das mittlere Deck in der Mitte etwas nach unten drücken wird. Und sollte das ganze dann doch den einen oder anderen Millimeter Differenz zeigen - dann wird das einfach akzeptiert. Besser als es im Oktober 1912 war, werde ich das Teil eh nicht bekommen. Also an die Arbeit. Zuerst die Reling des vorletzten Decks:
Dann das vordere Schanzkleid. Handlauf und Schanzkleid sind getrennte Teile, die wieder verstiftet werden:
Es folgen der letzte Aufbau und einige wenige Anbauteile: Lüfter, die durch zwei Decks reichen; Bänke: vier Treppen mit ihren Geländern:
Und dann das Bootsdeck. 34 Stützen müssen in 34 Löcher passen, die vor allem nicht zu tief aufgebohrt sein durften, damit sie über die Stützen Druck auf das darunter liegende Deck ausüben können. Eine nackenverrenkte halbe Stunde später:
Fertig. Eine Orgie des rechten Winkels ist es nicht geworden, obwohl ich hier und da noch einige leichte Begradigungen werde vornehmen und v.a. durch die Verblendung der Stützen dem Auge noch ein wenig werde schmeicheln können. Das war's also. Davor habe ich gezittert. Was wäre gewesen, wenn die ganze Chose sich so verzogen hätte, dass sie nicht mehr aufeinander gepasst hätte? Nicht auszudenken. Nach sechs Jahren alles in die Tonne?! Jetzt kann eigentlich nichts wirklich Schlimmes mehr passieren. Oder doch?
Klasse geworden. Der getriebene Aufwand hat sich wirklich gelohnt
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Und nochmal gratuliere ich Dir für diese bemerkenswerte Arbeit, wirklich super! Und ich hoffe, dass Du weiterhin die Geduld für die restliche Strecke aufbringst! Viele Grüsse, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
Danke für die Kommentare und Glückwünsche! Hat mich sehr gefreut. Ich selbst kann es noch kaum so recht begreifen, dass jetzt das Hauptstück der Arbeit getan sein soll. Noch gestern habe ich mir die kleinen Aufbauten des Bootsdecks angesehen und mit einer ersten Stellprobe begonnen. Unfassbar, ich bin wirklich oben angekommen. Daneben habe ich die großen Lüfter ein weiteres mal geschliffen und poliert und anschließend zaponiert. Sie haben jetzt einen etwas gläsernen Glanz, den sie auch für die nächsten 100 Jahre behalten sollen. (Sorry, kein Foto. Kommt nächstens.) Als nächstes werde ich die KFJI wieder mal aus der Werkstatt schaffen und mich der Boote und Davits widmen. Die Davits sind eine Sache für sich: Denn leider gibt es davon große einfache, große doppelte, kleine einfache und kleine doppelte und die einfachen noch als linke und rechte. Und natürlich fehlt von jeder Art mindestens einer! So sehen die Teile aus, nachdem ich sie (vor Jahren schon) von der Überlackierung befreit habe:
Ich habe dann versucht, ein Teil zu demontieren. Das gelang!! Der Davidarm war mit dem Rahmen nur schlecht verlötet, die Gewindestange war mit einer winzigen Mutter gesichert und ließ sich tatsächlich entfernen. Den Davidarm, der aus sehr weichem Messing besteht, habe ich dann vorsichtig flachgeklopft:
In diesem Zustand konnte ich ihn und seine Kollegen abformen. Die noch etwas weichen Abgüsse können frisch aus der Form vorsichtig in die richtige Form gebogen werden. Das war allerdings ein schneller Versuch. Jetzt muss ich herausbekommen, welche Davits und wie viele davon ich werde nachbauen müssen. Das Gerüst wird wohl aus Polyplatten Stück für Stück von Hand gebaut werden müssen.
Was das Foto zeigt: Auch die erhaltenen Bootsdavits müssen sämtlich komplett demontiert werden, um sie so richtig sauber zu bekommen. Die 80 Jahre der Übermalung haben selbst nach dem Acetonbad noch heftige Spuren hinterlassen. Natürlich kommt einen passionierten Abformer jetzt die Frage an, ob sich nicht auch die Gerüste der Davits abformen lassen? Man wird sehen.
Respekt vor Deiner Restauration! Wenn ich mir so die letzten Dinge mal anschau, die Du teilweise ersetzen musst .... da wüsste ich wirklich nicht, wie ich das hinbekommen sollten. Bin Dir da leider auch keine Hilfe und kann nicht wirklich einen Tipp geben. Andererseits bin ich echt gespannt, wie Du das machst (und ich bin mir sicher, Du wirst einen guten Weg finden).
Grüsse, Joachim
Schöne Grüße Joachim
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Während ich seit Tagen an den Davits sitze, hat sich quasi unter der Hand ein anderes Problem gelöst. In einem anderen Forum erhielt ich den Hinweis auf diese (zugegeben sehr schlichte) Reeperbahn. Da kann man wenig falsch machen, dachte ich mir und bestellte:
Gestern Abend zusammengesetzt und ausprobiert: Damit kann man aus drei Messingdrähten à 0,2 mm einen sauber geschlagenen Draht von 0,45 mm herstellen, also genau was ich brauche. Freilich ist es eine schrecklich langweilige Kurbelei. Der erste Versuch, meinen Akkubohrschrauber in die Pflicht zu nehmen, ist leider gescheitert. Schmidt
Ich schulde noch die Fotos zum Thema selbst geschlagener Draht. Hier ist ein fertiges Stück:
Wie gesagt: 3 Drähte a 0,2 mm. Ein weiterer Vorteil des Produkts ist, dass es die Konstitiution von halbhartem Draht erhält. Es wird sich also hoffentlich ohne Verwerfungen und Schlingenbildung steifsetzen lassen. Vielleicht auch eine Alternative beim Bau von Wanten in kleinerem Maßstab??
Hier eine weitere Anwendung beim akuten Projekt. Auch hier zeigt sich der Draht sehr willig, genau die schönen Bögen zu werfen, die man von ihm erwartet. Zu den Booten aber später erst Ausführliches.
Das kommt ziemlich sauber raus, bin echt überrascht, dass auch Draht sich so prima 'schlagen' lässt Wie machst Du das dann eigentlich mit der Farbe des geschlagenen Drahts, der soll ja wohl auch Seile imitieren... malst Du den an oder verwendest Du dann eingefärbten Draht?
Grüsse, Joachim
Schöne Grüße Joachim
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Ich war auch sehr angenehm überrascht. Zur Farbgebung: Ich rekonstruiere ja sklavisch das Werftmodell. Und dessen Schwestermodell zeigt unbehandelten Messingdraht. Werftmodelle dieser Zeit sollten natürlich das Vorbild wiedergeben, aber sie sollte auch besonders edel aussehen. Auch die Reling ist ja beim Original lackiert, ebenso die Lüfter. Am Modell prunken sie aber in Messing. Bei der Gelegenheit: Ich habe einen Hinweis auf den Namen der (schottischen?) Modellbauwerkstatt, in der das Modell gebaut wurde. Hat jemand eine Ahnung, wer sich mit diesem Kapitel des historischen Modellbaus auskennt? Eine Anfrage an das NMM in London wäre sicher nicht falsch, bleibt aber erfahrungsgemäß gerne ohne Antwort. Schmidt
Hier wieder etwas aus der Reihe konstruktivistischer Kleinkunstwerke: 20 Davits, Messing, Resin, Polystyrol.
Da steckt jetzt wirklich eine Menge Arbeit drin. Die Rahmen und die Arme sind abgegossen, die Rahmen mussten mit Polyteilen ergänzt werden. Die Gewindestangen sind wie beim Original aus Messing, die Kurbeln sind aus Draht geformt. Die winzigen Muttern sind für die Nachbauten aus 1,2 mm Muttern zurechtgefeilt, die Rollen aus jeweils 3 Polyscheiben gebaut. Insgesamt musste ich nur 6 von 20 Davits nachbauen, aber auch die anderen mussten gesäubert, repariert und teilweise ergänzt werden.
Hier ein restaurierter Davit neben einem Neubau. Who is who?:
Ich bin echt froh, dass das geschafft ist. Ich weiß noch, wie ich vor 6 Jahren beim Sortieren der Teile fetstellte, dass ausgerechnet Davits fehlten. Die kriegst du niemals hin, dachte ich. (Never say never...)