Die Bullaugen! Ach ja, eines der ganz großen Probleme, schon in der ersten Phasse der Restaurierung. Es handelte sich um kurze Röhrchen aus ziemlich dünnem Messing, denen ein "Kragen" aufsaß, ich glaube, mann nennt das Verfahren, in dem er hergestellt wird, bördeln (kann mich aber täuschen). Dieser Kragen saß auf der Bordwand auf, das Röhrchen war also nicht ganz versenkt, auch die Überlackierung hatte das nicht vermocht. Gefüllt waren diese Röhrchen mit einer grünlichen Masse, die an Seife erinnerte. Hab's nicht analysieren lassen. Die Röhrchen ließen sich nicht entfernen, ohne sie zu beschädigen, was insbesondere der geringen Wandstärke geschuldet war. Ich habe dann beschlossen, sie vorerst in der Bordwand zu lassen - um nämlich beim Schleifen die Bullaugenlöcher zu schützen. Ein dauerndes Schleifen über die "nackten" Löcher hinweg hätte unweigerlich ihre Kanten "abgeflacht". Ich bin sicher nicht der Welt größter Schleifexperte, aber ich denke, man kann sich vorstellen, dass die Kanten der Löcher gelitten hätten. So habe ich schließlich die Röhrchen, denen mittlerweile der dünne Kragen abgeschliffen war, erst entfernt, als der Rumpf fertig geschliffen und von der alten Farbe weitgehend befreit war. Dazu bin nich mit einem T-förmigen Fräser durch die "Seife" gefahren und habe die Röhrchen damit herausgezogen. Kein Loch ist dabei ausgeschlagen. Ein böseres Kapitel war die Neubeschaffung der 600 Bullaugen. Ich habe viel versucht, könnte lustige Geschichten erzählen, belasse es aber besser beim Ergebnis: no way! Denn natürlich hatten die Bullaugen auch ein ganz schräges, vermutlich englisches Maß. Schließlich habe ich eine Firma zur Herstellung von Präzisions-Dreh- und -Frästeilen für den Automobilbau um Hilfe gefragt. Dort hat man mir exakte Nachbauten der Kragenröhrchen hergestellt, allerdings nicht durchs Bördeln eines dünnen Röhrchens, sondern durch das Abfräsen eines etwas dickeren in dem Bereich, der in der Bordwand versenkt wird. (Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht...) Ein automatisches Präzisionsgerät kann, nachdem es programmiert ist, solche Teile zu Hunderten in wenigen Minuten herstellen, eines so schön wie das andere. Natürlich hätte ich das niemals bezahlen können! Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich einen unliebsamen Konkurrenten des Unternehmer aus dem Weg schaffen sollte. Auf mich als Unbeteiligten würde ja kein Verdacht fallen, und der Unternehmer konnte sich ein Alibi beschaffen. Kostete mich dann etwas Überwenidung, aber was tut man nicht alles für 600 Bullaugen mit dem exakt richtigen Durchmesser! Schmidt
Ein faszinierendes Projekt. Mein Interesse ist jedenfalls geweckt. Die Bauweise mit Lindenholzbrettern war früher(vor 50 Jahren) durchaus üblich. Da war noch nichts mit Spanten und Beplankung. Allerdings war die Baukasten-Auswahl auch noch nicht richtig groß. Vor etwa 45 Jahren hab ich mal die Gorch Fock gebaut. War ein Balsa-Fräsrumpf. Die Bullaugen hab ich damals noch mit Ösen vom Schuster für die Schnürsenkel realisiert. Sie waren auf einer Seite aufgebördelt, ähnlich den Nieten, die man heute bekommt. War damals für mich eine gute Lösung. Der Anspruch war natürlich auch ein ganz anderer als heute. Freue mich auf weitere Fortschritte und Bilder. Gruß Hubert
Nachgetragen ein Foto von den Bullaugen: ein paar "gerettete", erkennbar an den ausgefransten Rändern. Darunter neue, praktisch nicht von den Originalen zu unterscheiden. In die neuen habe ich Plexischildchen gepresst, die von der Rückseite lackiert sind. Die Schildchen sind nicht verklebt. Plan: Man soll sie von vorne eindrücken und dann das ganze Röhrchen mit einem geeigneten Werkzeug herausholen können, ohne die Bordwand zu beschädigen. Man muss ja auch hundert Jahre weiterdenken...
Und damit wieder einen Schritt zurück, nämlich zur Restaurierung des Rumpfes. Ein Abschleifen reichte für eine Neulackieung leider nicht aus. Das Modell war in den letzten Jahrzehnten unfachgemäß gelagert worden, na ja, es hatte auf einem Dachboden gestanden, der feucht war; und schließlich hatten, wie mir der Vorbesitzer gestand, schwere Sachen darauf gelegen. Sprich: das Modell war (obwohl das Holz nicht eben weich ist) voller Kratzer und Dellen. Vorne war der Kiel zerbrochen und musste rekonstruiert werden. Ich habe das mit einer eingeschnittenen Leiste gemacht, die Spalten habe ich später mit Spachtelmasse gefüllt. Eleganter wäre es gewesen, eine entsprechende Leiste zu sägen. Aber da der Rumpf sowieso an Hunderten von Stellen gespachtelt werden musste, habe ich es so gemacht:
Hinten fehlte eine Art Flosse, die die Schrauben schützt.
Ja, und dann mussten besagte 5 Fantastillarden Kratzer und Dellen gespachtelt werden. Hier zeigte sich erstmals, dass ein Modell von 160 cm Länge definitiv mehr Arbeit macht als eines von 60.
Aber irgendwann war es soweit, dass ich bloß noch auf einen warmen und windstillen Tag warten musste und darauf, dass die Spraydosen mit meinem Lieblingsgrundierer gründlich durchgeschüttelt waren. Erst sah es so aus:
Und eine halbe Stunde später so:
Das war ein großer Moment, aber ich bekam auch einen gelinden Schock. Zum ersten Mal nach drei Jahren (ich hatte nicht kontinuierlich an der Restaurierung gearbeitet) war die historische Anmutung des Rumpfes verschwunden. Stattdessen sah er aus wie frisch aus dem Laden. Daran musste ich mich gewöhnen. Diese Gewöhnung wurde allerdings "erleichtert" durch eine genaue Kontrolle des Ergebnisses: Viele Kratzer waren verschwunden, aber nun wirklich nicht alle!!
Weiter ging es, mit immer feineren Schleifmitteln, bis ich den Rumpf so glatt glaubte wie diese Sachen, mit denen man glatte Rümpfe immer vergleicht.
Freilich trat in diesem Zustand auch schonungslos zu Tage, dass sich die Modellbauer vor 100 Jahren nicht die allergrößte Mühe gegeben hatten, alle 520 Bullaugen genau in Fluchtlinie zu bohren. Mich stellte das vor die Frage, was tun: streng den Urzustand rekonstruieren, oder auch den zu verändern/verbessern. (Diese Frage ist später immer wieder aufgetaucht!) Ich entschied mich für den berühmten Mittelweg und korrigierte ein paar gar zu aktive "Ausreißer".
Stunden habe ich seinerzeit damit verbracht darüber nahzugrübeln, ob und wenn ja wie ich den Rumpf lackieren sollte. Nun, die Farbgebung war natürlich klar; aber wie solle ich, der ich bislang bloß armlange Objekte aus der Hand mit der Airbrush lackiert hatte, einen schweren, 160 cm langen Rumpf gleichmäßig spritzen?? Beim Lackieren kommt es ja auf zügige und vor allem gleichmäßige Arbeit an. 160 cm sind schwer zu überblicken! Und meine Airbrush gab eigentlich nicht genug Farbe ab. Ich machte Versuche mit Spraydosen, die recht vielversprchend waren. Dennoch war ich kurz davor, die Arbeit an einen professionellen Lackierer zu übergeben. Ich hätte das wahrscheinlich auch getan, wenn es sich um eine einfarbige Lackierung gehandelt hätte, aber es musste ja zwei Mal abgeklebt werden, einmal für das rote Unterwasseschiff, dann für den weißen Teil der Aufbauten, der noch mit dem Rumpf verbunden war. Diese Abklebesarbeiten, das ahnte ich bereits, würden sich aufgrund des Deckssprunges etc. womöglich sehr schwierig gestalten. Und das sollte ich dann in einer fremden Werkstatt leisten, unter Zeit- und anderem Druck? Dabei geht doch allzu leicht die Präzision flöten. Später sollte ich erfahren, wie sehr ich damit Recht hatte bzw. gehabt hätte. Schließlich baute ich mir eine Vorrichtung, die es mir erlaubte, um den Rumpf (zur Erinnerung: 1,60 und so schwer, dass nur 2 Mann ihn tragen können) herumzugehen und ihn in Maßen auch zu drehen. Ach ja, natürlich musste diese Arbeit draußen stattfinden; meine Werkstatt ist dafür zu klein. Und so sah es schließlich aus (erinnert ein bisschen an den Wildschweingrill bei den Galliern, oder?):
Mit einem Rundholz, das sich in die Aufnahmelöcher für den Ständer stecken ließ, konnte der Rumpf angehoben werden: um ihn besser zu sehen und um das Ablaufen evtl. Lackiernasen zu verhindern:
Dann konnte ich nur noch auf einen windstillen Sommersamstagnachmittag warten. Die Angst, jetzt alles zu versauen, wurde gebändigt durch meine Vorbereitungen: Immerhin war der Rumpf noch so glatt und frei von Anbauteilen, dass ein Neuschliff nach misslungener Lackierung nichts beschädigt hätte. Und dann gings los: 2 Spraydosen meines Lieblingslackes (Marke Brillux - ich krieg nix für die Werbung!) hat der Rumpf gefressen. Dabei habe ich deckend nur in den seitlichen Bereichen lackiert, die schwarz bleiben sollten. 2 Wochen habe ich den Rumpf anschließend trocknen lassen. Auch die extrem schnell trockenden Farbe aus den Spraydosen härtet noch Tage lang weiter aus. Dann begann das Abkleben für die Lackierung des Unterwasserbereichs.
Da es für das Unterwasserrot keine Spraydosenfarbe gab und es daher mit der Airbrush lackiert werden musste und weil das Wetter dauernd ungünstig war, musste die Lackierung in der Werkstatt vorgenommen werden, wobei der Rumpf mehrmals gedreht werden musste. Die Handriffe dazu habe ich vorher mehrmals geübt. Mit dem Ergebnis war ich wieder recht zufrieden. Dabei hatte es vorher nach einem Desaster ausgesehen! Und zwar beim beim Anzeichnen der Wasserlinie. Die war, wie sich dabei zeigte, am Modell keineswegs so streng gezogen, wie wir das bei Modellen machen, wenn wir sie sauber aufständern und dann mit einem Höhenreißer daran vorbeifahren. Ich hatte mir eigens ein solches Teil besorgt, um dann sehen zu müssen, dass die "korrekte" Linie nicht mit der Position der Bullaugen und anderen feststehenden Markierungen am Rumpf korrespondierte. Etwa eine Stunde habe ich um einen Kompromiss gerungen, dabei schließlich das Schiff an einer Seite um etwa 3 mm angehoben. Nun, Hauptsache, die WL "wirkte" stimmig. Blieb noch der weiße Teil. Fortsetzung folgt.
Ein letztes Mal musste angezeichnet und verpackt werden. Die schwarz/weiß-Trennkante verläuft dem Decksprung entsprechend. Ich hatte mir ein kleines Werkzeug gebaut, mit dem ich die Linie von der Oberkante des Rumpfes übertragen konnte.
Dann ging's ans Einpacken. Wieder ganz besonders vorsichtig, denn ein weißer Schleier über einem schwarzen Rumpf sieht nicht so gut aus.
Und los ging's. Das war jetzt ein etwas überschaubarerer Bereich. Außerdem ist Weiß leichter zu spritzen als Schwarz, weil entschieden heller.
"Ich gibs so gut / als ichs errang / Drumb ist mir vor keim Momo bang. Wer bessers waist / und kans erweisen / Der gebs herfür: Ich will ihn preisen." (Joseph Furttenbach 1591-1667)
Zitat von Schmidt im Beitrag #1So fing alles an: ein grobpixeliges Foto auf einer digitalen Versteigerungsplattform, das mich aufmerksam werden ließ:
Natürlich der berühmte "Dachbodenfund", bei dem es immer nicht so ganz unwahrscheinlich ist, dass die Sachen völlig zu Recht beim Gerümpel gelandet sind. Ich war dennoch angef.., Pardon! Ich war interessiert und bot mit. Es wurde nicht ganz billig, zwei oder drei andere Interessenten witterten wohl auch etwas Lohnenswertes; aber ich erhielt den Zuschlag. ..............................
Da gehört schon einiger Mut dazu, so ein vergammeltes Modell nur nach dem Bild im ersten Posting zu kaufen, scheint sich aber rentiert zu haben. Gute Arbeit bisher, wird sicher ein Spitzenmodell
Das Modell hatte ursprünglich wahrscheinlich einen weißen Wasserpass; beim Abschleifen war da jedenfalls ein weißer Farbbereich in Höhe KWL. Ich wollte es aber mit der Vorbildtreue nicht auf die Spitze treiben (und mir dann mein Modell ruinieren). Daher ist der neue Wasserpass aus einer hauchdünnen Folien gefertigt, die ich mir in einem Laden habe plottern lassen, wo man Werbebeklebungen für Autos etc. herstellt. Das hatte zudem den Vorteil, dass sich die "Farbhöhenkante" zwischen Rot und Schwarz wunderbar kaschieren ließ. Das Folienmaterial ist allerdings nicht nur hauchdünn, sondern auch sehr empfindlich; und über 160 cm eine gerade Linie zu "verlegen", war nicht einfach. Die Folie ist sehr biegsam, was aber auch heißt, dass man sie durch ein paar falsche Bewegungen nicht mehr gerade bekommt, und die längste Strecke soll sie ja gerade sein. Die Arbeit war nervenraubend, und das Ergebnis atmet eine gewisse Perfektion, an die ich mich erst gewöhnen musste.
Der nächste Schritt war die Anbringung von schmalen Hölzern an der Bordwand. (Ob man sie Barkhölzer nennen kann? Nun ja.) Beim Modell waren diese Hölzer ebenso wie die Kanten der Decks braun lackiert, um ein einheitliches Bild zu erzielen. Ich wollte aber die restaurierten Decks (davon später mehr) nicht an den Kanten mit Farbe überdecken. Deshalb galt es, Leisten in der entsprechenden Stärke mit ähnlicher Holzstruktur und -farbe zu finden. Ich habe schließlich Leisten von 1,5 x 0,8 mm Nussbaum gefunden und in einer speziellen Halterung befestigt, um so die Kanten etwas brechen zu können, ohne dass die sehr empfindlichen Leisten zersplitterten. Sie ohne Klebe-Sauerei auf die Bordwand zu bekommen, war die nächste Herausforderung. Ich habe dann entschieden, gar keinen Klebstoff zu verwenden, sondern die Leisten wie beim Vorbild in vorgebohrte Löcher zu nageln. Hier eine Klebeband-Probe. Danach wurden die Leisten durchbohrt und mit 0,5 mm Messingstiften befestigt.
Für den oberen Abschluss des Oberdecks habe ich eine etwas breitere Halbrundleiste (2 mm) verwendet, nachdem ich sie vorher farblich leicht an die Farbe der Decks angepasst habe. Sie ist ebenfalls nicht geklebt, sondern gestiftet. Dort, wo sie mit der Rumpfoberkante eine Einheit bilden soll, wurde sie zusätzlich mit dickflüssigem Sekundenkleber fixiert, den ich vorsichtig von oben aufgeträufelt habe. Danach wurden Leiste und Rumpf zu einer Einheit verschliffen.
Das folgende Foto zeigt die Wirkung der Leiste auf der Schwarz-Weiß-Kante im Bugbereich. Ein paar Bullaugen sind schon eingesetzt. Konnte ich nicht abwarten....
Die Türen und Ladeklappen auf der Bordwand waren beim Modell im Urzustand eingraviert. Das wollte ich nicht reproduzieren. Ein falscher Schnitt, und ich hätte Wochen und Monate Arbeit ruiniert!! Also habe ich Türen und Klappen aus 0,2 mm Messing geschnitten und mit den Originalscharnieren aus Messing versehen, die vorher ausgiebig in Aceton hatten baden dürfen. Nach dem Lackieren will ich die Scharniere wieder frei kratzen. Zwei Stellproben:
Zitat von Schmidt im Beitrag #28 Der nächste Schritt war die Anbringung von schmalen Hölzern an der Bordwand. (Ob man sie Barkhölzer nennen kann? Nun ja.)
Was das angeht: Bei der WSP und in der Binnenschifffahrt sind sie aus Stahl, Aluminium, Gummi, aus allen möglichen Werkstoffen eben, aber immer werden sie Berg-holz genannt.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
sehr gut gezeigt, wie Du Schritt für Schritt bei der Restauration vorgehst. Das Modell wird ein Juwel, das kann man jetzt schon mit Sicherheit feststellen, vor allen Dingen, bei dem meisterhaften Modellbauer, wie Du einer bist.
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner