Ich gehe mal wieder ein paar Jahre in der Zeit zurück. Die Besitzer des Modells hatten es mehrfach umgestaltet, immer in Anlehnung an das Original. In den 30er Jahren wurde das Modell daher auch weiß überlackiert. Außerdem wurden die Schornsteine gekürzt und in den neuen Farben der Reederei angemalt. Nett, aber nicht schön. Am vorderen Schlot erkennt man nach dem Abschliff die alten Farben (und dass ein Stück fehlt). Leider waren damit auch die Schornsteinstage verlorengegangen.
Das musste natürlich geändert werden. Es begann bei dem "Podest", auf dem die Schlote stehen. Es war, weil der Verwitterung besonders ausgesetzt, stark beschädigt und verdreckt.
Sah aber auch schlimmer aus, als es war. Leim, Schleifpapier, Farbe und Tinten-Beplankung konnten hier (im Gegensatz zum Deck des Kartenhauses) den Bestand komplett retten:
Als schwieriger erwies sich die Rekonstruktion der Schornsteine. Zunächst habe ich einen Schlot abgeformt und die beiden Stummel mit den Gussteilen verlängert. Dazu wurde das Gussteil angeschient, der Zwischenraum mit Resin ausgegossen und schließlich alles verschliffen.
Für die Konstruktion der Schornsteinkappe hatte ich Fotos vom "Schwestermodell". Sie ist aus Polystyrol und Spachtelmasse aufgebaut, oben liegt ein dünnes, geflochtenes Messinggitter.
Hier sitzt die Kappe bereits probeweise auf dem Schlot. Der wurde zuerst weiß, dann rot, dann schwarz lackiert. Leider gab es einen Patzer beim Abkleben; vielleicht verschwindet der noch hinter den Anbauten des Schlots.
Ein Test am Modell, um zu sehen, ob die ausgemessenen Abstände stimmen. Es ist eine Teufelsarbeit, an sphärischen Körpern identische Punkte zu definieren!
Die profilierten Schornsteinringe waren am Originalmodell sicher aus Messing. Ich habe sie aus Polystyrol nachgeahmt und abgegossen. Die frischen Abgüsse habe ich um einen Schlot-Dummy gewickelt und aushärten lassen. So vorgebogen, ließen sie sich leichter positionieren und wie beim Original mit Messingstiften befestigen.
Wer denkt, der macht nix mehr, der Schmidt - der irrt. Nach zwei Wochen in der Probevitrine ist die KFJI. wieder zurück in der Werkstatt und nimmt dort ordentlich Platz ein:
Allerdings standen und stehen jetzt wieder langwierige Routinearbeiten an. Eine Höhepunkt war dabei sicherlich noch, die restlichen Beschlagteile rund um die Schornsteine anzubringen. Auch dabei durfte ich wieder sehen, dass, weil alles an diesem Modell Handarbeit ist, nichts genormt ist. Oder schlichter formuliert: Kaum ein Teil passt an die Stelle eines ähnlichen. Da heißt es suchen und probieren. Sollte ich noch einmal ein solches Modell zerlegen (dürfen), werde ich die Einzelteile noch genauer beschriften und katalogisieren.
Die Arbeit an den Schornsteinen und den Booten muss momentan pausieren, da ich auf Beschlagteile (Spannschrauben) warte. Zeit also. das letzte große Teilstück der Restaurierung anzugehen, den Neuaufbau der Masten und des Ladegeschirrs. Als kleine Erinnerung: So sah das vor sechs Jahren aus!
Hier war gar nichts heil geblieben. Allerdings waren die allermeisten Teile noch vorhanden, fast alle!. So z.B. alle Ladebäume, obwohl die meisten (mehrfach) gebrochen waren. Ich habe sie (teils mit innen liegenden Messingschienen) zusammengeklebt, geschliffen und neu lackiert. Dabei mussten auch die schönen Messingrollen und ihre Befestigungen einzeln gereinigt werden. Ob ich jemals die kleinen Partikel des Glasfaserradierers aus meinem Handballen wieder heraus bekommen werde?
Hier noch ein Blick auf einen Teil der Beschlagteile, die ich aus dem Wust der Mastentrümmer herausschneiden konnte. Alles müssen sie gesäubert werden:
Die Spannschrauben müssen überdies wieder gängig gemacht werden. Das ist bei allen gelungen.
Hab zwar jetzt nicht alles durchgelesen. Aber auf jeden Fall mal den Beginn und dann stichprobenartig bis zum letzten Beitrag. Einfach wahnsinn was du bis jetzt geleistet hast. Werde auf jeden Fall jetzt öfter hier erischauen.
Also, wenn man da diese verstaubten und kaputten Teile sieht, kriegt man schon eine Gänsehaut.... Unvorstellbar, was Du draus gemacht hast !
Grüsse, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
Im Gegensatz zu den Ladebäumen ließen sich die Masten selbst nicht reparieren. Ich hab's versucht. Sie waren mehrmals gebrochen und es fehlten Stücke. Ich habe die Reste geschient und die Fehlteile ersetzt, aber das Ergebnis hatte eine erkennbare Spiralform. Das ging so nicht. Also habe ich die Masten aus Raminstäben neu hergestellt und zurechtgeschliffen. Die alten Masten waren allerdings noch dafür gut, die Positionen der Beschlagteile zu vermitteln. Meine erklärten Lieblinge sind die Lampen (weiß lackiertes Messing), direkt gefolgt von den filigranen Leitern. Die schwarzen Querträger halten die Rollen für das Ladegeschirr.
Die Signalrah am vorderen Mast war natürlich verschwunden. Ich habe sie nach dem Vorbild des Schwestermodells nachgebaut. Alle Holzteile sind mit derselben Revellfarbe gestrichen wie u.a. die Handläufe, die Barkhölzer und die Borde der Rettungsboote.
Hier die massiven (Messing)Sockel für die Ladebäume, die auch die Neigung der Masten bestimmen. Diese Teile brauchten nur eine neue Lackierung:
Und wieder einmal zu den Mühen der Ebene. Zwei Befestigungen für die Wanten am hinteren Mast mussten repariert werden. Es sind kleine Holzschrauben, in deren Schlitz (clever!) kleine Ösen sitzen. Die waren weg und mussten ersetzt werden.
Die fertigen Teile wurden mit einem extrem differenzierten Werkzeug (Stab mit Schlitz) an ihren Platz gedrillert.
mein lieber Scholli, der Bericht ist eine echte Augenweide.
Ich habe auch mal so einen "Koffer" restauriert. Man kann regelrecht den 100 Jahremief riechen, den so ein altes Modell ausströmt.
Super gemacht, allererste Sahne das Teil..........................Bootsmann...........aye Sir..........Eine extra Portion Rum für den Matrosen...........aye Sir.........................................................na looooos Bursche..........
Grüße
Robert
Und wenn mich dann die Arbeitswut packt,....setze ich mich ganz still in eine Ecke und warte bis der Anfall vorüber ist.
In der Werft: Knochenmodell "Royal Caroline" 1749 M 1: 50 Spantmodell Engl. 74 Kanonenschiff 1781 M 1: 50 nach M. Stalkartt Projekt Phantom M 1: 50
Mit Rum als Anerkennung für diese umwerfende Puzzle-Arbeit ist es wohl nicht getan. Die "Vorher-Nachher-Bilder" sind unglaublich! Apropo, was geschieht mit dem Modell nach der Fertigstellung? Eigenbehalt, Museum? Oder Buch darüber schreiben?
Danke! Nach der Fertigstellung erst mal: Eigenbehalt. Ein Schreiner baut uns gerade eine Regalwand fürs Wohnzimmer mit einer Vitrine darin, massgeschneidert für die KFJI. Museum vielleicht, wenn ich in die ewigen Fischgründe eingehe. Ein Buch werde ich zumidest für mich selbst machen, als Fotobuch (Auflage ein Exemplar), mit einer nochmals geordneten Fassung des Bauberichts, wie er hier gepostet wurde. Vielleicht mit noch mehr Fotos. Ein befreundeter Fotograf hat mir gezeigt, wie man das macht bzw. machen lässt. Oder ich mache eine website dafür auf. Vielleicht findet sich darüber jemand, der mir noch so ein Teil überlässt. Ich fürchte ja, nach der Fertigstellung in ein schwarzes Loch zu fallen. Übrigens habe ich damals kurz nach dem Erwerb des Modells ein weiteres Werftmodell im Ebay ersteigert: Leichter Kreuzer Königsberg, einer der ersten deutschen Kriegsschiffneubauten nach dem 1. WK. Das Modell war ebenso stark beschädigt, vielleicht noch mehr als die KFJI. Ich habe es einem Modellbaukollegen überlassen, der sich mit Modellen dieser Epoche besser auskennt. Er hat ein Meisterwerk an der Restaurierung abgeliefert, ist daran aber auch fast verzweifelt. Schmidt
Ich glaube nicht an das "große Loch"; dafür sind vermutlich ausreichende Initiativen und Ideen im Hintergrund. Napier hat mit seinem Buch über eine ähnliche Arbeit (Legacy of a Ship Model), glaube ich, einen Coup gelandet. Gut, das Modell war 150 Jahre älter, aber überlegenswert wäre es durchaus. Bin gespannt wie es weitergeht.
Ich kann mich da @achilles nur anschliessen. Wo gibt es denn wirklich so ein Projekt, das mit einem so beklagenswerten Modell begann und in so einem glanzvollen Schiff endet!
Viele Grüsse, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
Vielen Dank für den Hinweis auf das Buch von Robert Napier. Ich fürchte, einer solchen Leistung nichts Wesentliches hinzufügen zu können. Immerhin hat Napier ein echtes Dockyard Modell restauriert, also eines, das auch im "Innenleben" dem Original entspricht. Aber mal sehen, wohin mich das Projekt einer Überarbeitung dieses Bauberichtes noch bringt... Einstweilen weiter im Schiff: Der achtere Aufbau der KFJI. beherbergte insbesondere die Krankenstation. Dieser Bereich musste möglichst getrennt von den anderen Unterkünften sein, da die Auswandererschiffe regelmäßig mit Passagieren konfrontiert waren, die ansteckende Krankheiten hatten. Tatsächlich waren die Reedereien verpflichtet, Passagiere, die wg. solcher Krankheiten in den USA abgewiesen wurden, wieder zurück auf den Kontinent zu bringen. Am Modell war dieser Aufbau besonders beschädigt:
Die hintere Brücke war an Backbord regelrecht zersplittert.
An Steuerbord war ein Teil des obersten Decks abgebrochen.
Hier hatte ich schon in einer frühen Phase der Restaurierung versucht, das Teil zu retten, zunächst mit einer Ergänzung der Brückennock:
Dann durch ein Wiederankleben des abgebrochenen Deckstückes. Die erste Arbeit war aufwändig, die zweite heikel. Nach mehreren Versuchen habe ich aber eine belastbare Verbindung hinbekommen.
Und dann habe ich ein paar Jahre gewartet, bis das Decke weiter behandelt und an seinem Platz in Form gebracht wurde. Zunächst die bekannten Stadien der Oberflächenveredelung. Zuerst die Laibhölzer einzeichnen.
Dann die Planken. Dabei immer wieder messen, messen, messen, damit sich ein gleichmäßiges oder wenigstens stimmiges Bild ergibt.
Das vollständig "beplankte" Deck wirkt dann übrigens wesentlich "sauberer" als das rohe Holzteil, von dem sich die Spuren der Beschädigungen nicht vollständig wegschleifen ließen.
Fortsetzung achterer Aufbau. Über das Problem, das leicht verzogene Deck möglichst stimmig auf den Aufbau zu bekommen, hatte ich ja schon geschrieben. Hier musste viel getrickst werden, u.a. mit Stützen aus Messing, die das Dk wieder nach oben bogen. Schließlich aber kam ich doch nicht umhin, zwei kleinere Bereiche des Decks an den hinteren Brücken mit dem Aufbau zu verkleben. Das war eine schmerzliche Abweichung vom origialen Baukonzept, in dem ja Klebstoff eigentlich nicht vorkommt. Um eine Verklebung zu vermeiden, hätte ich allerdings ein neues, unverzogenes Deck bauen müssen; und diese Abweichung wäre ja ungleich gravierender gewesen.
Schließlich fehlte nur noch die Reling, die allerdings im Bereich der Brücke nict ganz leicht zurechtzubiegen war, insbesondere da ich den Ehrgeiz entwickelt hatte, ganz wie beim Oriiginal das Geländer der Treppe aus dem oberen Relingdurchzug übergangslos zu formen. Auch das gelang, nachdem ich es endlich geschafft hatte, mir zwei weitere Arme wachsen zu lassen. (Dr. Frankenstein lässt grüßen.)
Sehr hübsch: das Steuerrad und die Maschinentelegraphen, die sich übrigens neben vielen anderen Teilen in dem Kasten fanden, in dem der Vorbesitzer lose Teile gesammelt hatte.
Die Boote sind für eine Stellprobe in Position gegangen. Ich finde, der achtere Aufbau hat etwas sehr Filigran-Pagodeskes.
An den Schloten fehlten noch die Leitern sowie (am vorderen) eine kleine Plattform für Horn und Pfeife. Die Leitern erwiesen sich als Problem. Fertig zu kaufen gab's natürlich nichts, die Teile sollten ja in der Machart den am Modell noch vorhandenen möglichst ähnlich sehen. Dazu hätte ich also in regelmäßigen Abständen und mittig Löcher in einen 2 mm Messingstreifen bohren müssen. Bei meiner technischen Ausstattung ein Ding der Unmöglichkeit. Ich habe mir nicht einmal einen 2 mm Messingstreifen beschaffen können! Vom gleichmäßigen Bohren zu schweigen. Ein Versuch, eine Lochleiste aus dem Handel aufzulöten und als Bohrmaß zu verwenden, scheiterte krachend. Das Material war zu dünn.
Dann hatte ich eine Idee. Ich besorgte mir ein 2 mm L Profil (im Gegensatz zu den Streifen im Handel erhältlich!) und benutzte den einen Schenkel als Führung für den Bohrer. Geklappt! Die Löcher waen mittig und fluchteten (so einigermaßen...). Dann lötete ich je zwei L Profile zusammen, um identische (nun ja: ähnliche) Teile zu erhalten.
Um so eine Leiter wie die im Hintergrund zu erhalten, mussten die Teile natürlich wieder getrennt und die "Führungsschenkel" abgeschliffen wrden. Dann 0,5 mm Messingdraht durchstecken und einzeln verlöten.
Und hier die fertige Leiter am Schlot. Zwei überlange Messingdrähte, umgebogen, dienen als Befestigung. Ich bin auf dieses Teil sehr stolz, es hat mich viel Hin- und Herdenken gekostet
Die Plattform am vorderen Mast habe ich aus Messingprofilen, einem Drahtgeflecht und Rundmaterial hergestellt. Das Horn ist ein 1:100 Zubehörteil für die Kaiserliche Marine, das ich passend gefeilt habe, die Pfeife ein bescheidener Eigenbau. Vorbild waren natürlich wieder die Fotos vom Schwestermodell.