Zitat von archjofo im Beitrag #3219[b]Das gleichmäßige Einfärben der Taue gelingt nicht immer und ist insbesondere bei den dunklen Farbtönen noch verbesserungswürdig.
Aber kommt so etwas nicht dem Original am nächsten? Wenn man sich anschaut, wie in Seilereien die Taue geteert werden und immer bedenkt, dass es sich sowohl beim Tauwerk als auch beim Stockholmteer um Naturprodukte handelt, finde ich solche leichten Farbnuancen richtig gut.
Man kommt da in das alte Dilemma: wir wissen, daß im richtigen Leben nicht alles gerade und gleichmäßig war. Wenn wir das aber so an einem Modell darstellen, das in erster Linie eine handwerkliche 'tour-de-force' sein soll, sieht es schnell nach schludriger Arbeit aus ...
Zitat von wefalck im Beitrag #3227Man kommt da in das alte Dilemma: wir wissen, daß im richtigen Leben nicht alles gerade und gleichmäßig war. Wenn wir das aber so an einem Modell darstellen, das in erster Linie eine handwerkliche 'tour-de-force' sein soll, sieht es schnell nach schludriger Arbeit aus ...
Zur Konservierung von Tauen ist mir noch eine Variante eingefallen. Früher in der ersten Wohnung habe ich zur Oberflächenbehandlung von Holz eine Wachsbeize verwendet, die nach dem Trocknen durch Bürsten einen leichten Glanz erhielt. Diese Wachsbeizen gibt es z. B. von Clou in verschiedenen Tönungen. Es handelt sich dabei um eine Emulsion von natürlichen Wachsen in Wasser mit Salmiakgeist als Emulgierhilfe. Auf den Holzoberflächen trocknete diese Beize relativ schnell und klebefrei. Insofern ist das ein Versuch wert zu sehen, wie ein Leinengarntau nach einem Bad in einer Wachsbeize aussieht.
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner
Mein lieber Freund Gerold Schnebbe hat von einer Reise nach St. Petersburg Leinengarn mitgebracht, das mit Schusterpech behandelt war. Allerdings war dessen Farbe ein tiefes Schwarz, von dem ich annehme, dass das nicht unbedingt die Farbe Deiner Wahl wäre. Fraglich ist allerdings, ob Schusterpech auch in anderen Farben erhältlich ist. Ich mutmaße einmal, dass es gut konserviert, dafür ist es ja schließlich gedacht, oder? Es fühlt sich trocken an und das Garn bleibt lehnig und es steht kein Härchen ab. Ich habe es für Teile des stehenden Gutes an meiner "Lucia" verwendet. Einzig die Verwendung von Klebstoff als Knoten- oder Taklingsicherung dürfte problematisch sein.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Zitat von Willi im Beitrag #3230Mein lieber Freund Gerold Schnebbe hat von einer Reise nach St. Petersburg Leinengarn mitgebracht, das mit Schusterpech behandelt war. Allerdings war dessen Farbe ein tiefes Schwarz, von dem ich annehme, dass das nicht unbedingt die Farbe Deiner Wahl wäre. Fraglich ist allerdings, ob Schusterpech auch in anderen Farben erhältlich ist. Ich mutmaße einmal, dass es gut konserviert, dafür ist es ja schließlich gedacht, oder? Es fühlt sich trocken an und das Garn bleibt lehnig und es steht kein Härchen ab. Ich habe es für Teile des stehenden Gutes an meiner "Lucia" verwendet. Einzig die Verwendung von Klebstoff als Knoten- oder Taklingsicherung dürfte problematisch sein.
Der Schuster legt den Faden halb um das Stück Pech und zieht ihn kräftg zwischen Finger und Pech durch - durch die Reibungswärme wird das Pech weich genug. Ob eine solch harsche Behandlung für deine Taue gut, da habe ich so meine Zweifel. Man kann vielleicht auch mit einem Haartrockner nachhelfen.
Zitat von archjofo im Beitrag #3232Kannst Du sagen, wie er das Schusterpech aufgetragen hat? Normalerweise ist das relativ hart. Wird es erhitzt und dadurch flüssig?
Da kann ich nur vermuten. Gerold hat es ja fertig gekauft. Wahrscheinlich war es so, oder so ähnlich wie wefalck beschrieben hat. Für einen ersten Eindruck könnte ich Dir eine Probe schicken, wenn und willst und Du mir Deine Anschrift schreibst.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Übrigens, wie bereits geschrieben, habe ich mir Nähgarn von Gütermann aus echter Seide besorgt. Beim Weihnachtsbummel mit meiner Frau bin ich zufällig im Kaufhof in Ingolstadt darauf gestoßen. Die ersten Versuche sind vielversprechend. Es handelt sich hier um ein Nähgarn aus 100 % Seide (Schappeseide). Bisher hatte ich dieses Material für die Tauherstellung nicht in Erwägung gezogen, weil unser Forumskollege Thomas @archnav einmal geschrieben hat, dass Seide nicht sehr haltbar ist:
„Hochwertiges Leinengarn ist heute eher zu bekommen als noch vor 200 Jahren. Trotzdem gibt es noch zeitgenössische Modelle aus dem 18. Jahrhundert, die mit Leinengarn getakelt sind. Die meisten Modelle (besonders aus dem 17. Jhdt), sofern sie denn überhaupt getakelt waren (HMS Loyal London 1666 z.B.), wurden mit Tauwerk aus Seide gefertigt. Dies war in sehr dünnen Abmessungen vorhanden und konnte problemarm "geschlagen" und eingefärbt werden. Leider ist Seide ein tierischer Faserstoff und damit durch Umwelteinflüsse angreif- und zersetzbar. Genau das ist mit den meisten Takelungen aus dieser Zeit passiert.... sie haben sich aufgelöst, sind abgefallen, ja wahrscheinlich sogar zerbröselt, denn damals verwendete man sehr gerne Schusterpech zur Farbgestaltung und Konservierung. Das wurde auch beim Leinengarn gerne verwendet und dort verhielt es sich auch besser, aber bei Seide umschloss es das Material nur, drang aber nicht hinein.“
Daher hatte ich für mich Seide als Ausgangsmaterial zur Tauherstellung zu verwenden nicht im Programm, ohne näher zu wissen, wie gut sich dieses Material eigentlich verarbeiten lässt. Wie es der Zufall so will, befasse ich mich nun doch mit diesem Material, um zumindest zu sehen, wie daraus geschlagene Taue aussehen. Die letzten Tage habe ich nun Versuche mit dem Seidengarn durchgeführt. Nach den ersten Ergebnissen ist festzustellen, dass das Seidengarn sehr gute, um nicht zu sagen ideale Eigenschaften für die Tauherstellung besitzt, besser noch wie Polyestergarn. Seide ist sehr zugfest und der Faden besitzt eine sehr gleichmäßig ausgebildete Struktur. Taue können aus Seidenfäden somit sehr gleichmäßig und bei dünnen Stärken auch noch sehr fest geschlagen werden. Allein der optische Eindruck ist für mich schon überzeugend. Die exakte Ausbildung der Kardeele mit den Keepen kommt m. E. einer maßstäblichen Verkleinerung eines Originaltaues sehr nahe. Von allen bisher selbst hergestellten Tauen, sehen die aus Seide geschlagenen mit Abstand am besten aus. Die Fasern der Seide bestehen fast ausschließlich aus Proteinen. Daher scheint ein großer Nachteil von Seide in der geringen Haltbarkeit zu liegen. Seide reagiert auch sehr empfindlich auf UV-Licht und sonstige Umwelteinflüsse. Deshalb ist es offensichtlich so, dass viele Museen ihre Schiffmodelle mit einer Takelage aus Leinengarn ausstatten. Wie ich auch gelesen habe, verwendet Ab Hoving, der Chefrestaurator im Rijksmuseum, bei seinen Restaurationsarbeiten an den Takelagen der Modellschiffe auch Leinengarn. Andererseits schrieb Greg Herbert im MSW, dass es im Museum von Annapolis noch mehrere Navy Board Modelle mit originaler Seidentakelage gibt. DSC06720.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
DSC06720aus.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Einerseits wäre Seide ein Option für die Tauherstellung, andererseits spricht die geringe Haltbarkeit erheblich dagegen. Insofern drängen sich mir in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen auf: Warum wird Seide für Taue im historischen Schiffsmodellbau wenig bis überhaupt nicht eingesetzt? Ist die Haltbarkeit von Seide wesentlich schlechter als die der üblichen Materialien (Leinen, Baumwolle, Polyester) zur Tauherstellung? Wie schnell sind Veränderungen an der Takelage aus Seide durch UV-Strahlen erkennbar? Abschließend eine philosophische Frage: Wieviel Generationen soll so ein Modell überdauern? Fortsetzung folgt …
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner
Seide ist ein Monofilament das aus der 'Spinndüse' der Seidenraupe kommt. Deswegen ergibt es natürlich viel glattere und lehnigere Taue, als die krausen Pflanzenfasern des Leins.
Wie lange ein Modell halten soll ist natürlich eine philosophische Frage. Meines Wissens ist aber Seide der Schrecken der Restauratoren, besonders auch bei Schiffsmodellen, die ja eher sichtbar aufgewahrt werden und nicht irgendwo weggeschlossen zwischen säurefreiem Seidenpapier in einem dunklen Schrank. Jedenfalls gibt es viele 200 und mehr Jahre alte Modelle, bei denen die Seidensegel und -Flaggen in Fetzen hängen, weil die Seide eben im Laufe der Zeit sich in wohlgefallen auflöst.
Bei den Flaggen kommen noch eventuell Färbetechniken hinzu, die das Material angreifen. Bei manchen Färbetechniken wird da Material chemisch angegriffen, z.B. mit Ammoniaklösung, um den Farbstoff anlagern zu können. Diese Strukturveränderung kann zu einem frühen Zerfall führen. Man kann das z.B. an alten Seidenteppichen sehen, die auch meist offen aufbewahrt werden.
So schön Seide in der Verarbeitung und im Aussehen ist, ich würde mir aber doch überlegen, ob ich einem Restaurator in 200 Jahren so viel kopfzerbrechen machen möchte - ich bein mir sicher, daß Deine Kreolin, wenn sie in die richtigen Hände gerät, auch noch dann wertgeschätzt werden wird.
die Seidentaue sehen wirklich toll aus! Zumindest eine Überlegung wert. Dass Seide unter UV-Licht gelb wird ist mir bekannt, wobei Schappe-Seite (aus Kokonabfällen) noch empfindlicher sein soll. Andererseits hält meine Konfirmationskrawatte schon 60 Jahre durch, allerdings im Schrank und ungewaschen. Bezüglich Haltbarkeit könnte evtl. ein Biochemiker weiterhelfen. Die Anwendung von Eiweissstabilisatoren (Proteasen-Inhibitoren?) gehört häufig zu ihrem Fachwissen.