Deine Überlegungen zu den Heller- Bausätzen teile ich absolut. Die Konstrukteure müssen ähnlich detailversessen gewesen sein wie wir und waren selbst wahrscheinlich Fanatiker in diesem Genre. Die Marketingleute haben sie möglicherweise zurückgepfiffen nach dem Motto: Was soll das kosten und wo bleibt die Verdienstspanne? Vorher hatte man es zum Teil mit gewissen "Phantasiemodellen" im Maßstab 1 : 200 zu tun, wie die INDOMPTABLE, später als GLADIATEUR vorgestellt. Grundlage war der Rumpf der ROYAL LOUIS, aber mit einem Disney- like- überhöhtem holländisch anmutenden Heckspiegel -absolut unmöglich, oder ein atypischer Serienrumpf mit drei Varianten, die alle weitab realer Vorbilder waren. Ob sich diese Bausätze jemals wirklich 'verkaufen' ließen, weiß ich nicht. Da hatte man den Bock zum Gärtner gemacht. Die PHENIX war dann ein ernst zu nehmender Bausatz mit einem wirklich historischen Bezug, auch wenn es nur ein Typschiff 'auf dem Reißbrett gewesen war. Die neue Linie bezüglich der historiegten Belegbarkeit setzte sich fort mit zwei 74ern im gleichen Maßstab und anderen maßhaltigen Bausätzen, gipfelte dann in zwei weiteren 'großen' Bausätzen , nämlich der VICTORY und etwas später die SOLEIL ROYAL ( mein Patenschiff ) ...."jetzt wissen wir endlich, wem wir das zu verdanken haben!" Du weißt? Auch hierbei waren Passform und eingesetztes Material erste Güte.
Der einzige Hersteller, der mit der ursprünglichen Qualität mithalten konnte war IMAI, die nicht mehr existiert. Bei Ebay findet man noch antiquarische Bausätze zu hohen Preisen. Ich hatte einmal die Imai- Schebeke gebaut. Sogar die Oberflächen der Bauteile war schon einzig und selbstredend sehr detailliert. Auch das mitgelieferte Takelgarn war mustergültig.
Für das auf die Seite gekippte Modell hatte ich mir noch ein Extra ausgedacht. Die jetzt vergleichsweise plan liegende Backbord Rumpfhälfte sollte oberhalb der Wasserlinie abgekratzt und neu gestrichen werden. Dazu hatte ich die mittlere Partie grau gelassen, in der Annahme, dass das freigelegte Holz unter der Sonne schnell grau wird.
Inzwischen bezweifle ich diese Farbveränderung in kurzer Zeit. Außerdem fürchte ich, dass zwei Reparaturgeschichten für ein Diorama ein bisschen zu viel sind. Es wäre sicher auch nicht so einfach, die kratzende Seeleute im Maßstab 1:160 dazustellen. Ausschlag aber gab, dass mir die Kombination Grau/Holz/rote offene Stückpforten einfach nicht mehr gefiel. Ich musste bei dem Anblick immer an ein teures Stück Kuchen denken, das zu lange im Kühlschrank gelegen hat. Also habe ich den Rumpf oberhalb der Wasserlinie erst mal wieder in den Zustand der Grundierungsfarben gebracht.
Noch ein kleiner, aber vielleicht auch für andere hilfreicher Ratschlag. Es ist furchtbar schwierig, aus der Hand eine gerade Linie mit dem Pinsel zu ziehen. Aber derer bedarf es, wenn die Barkhölzer sauber vom Rumpf abgehoben sein sollen. Mir ist (natürlich auch wie immer sehr spät) ein ganz probates Verfahren eingefallen. Ich ziehe mit einem sehr schmalen spitzen Gravurgerät eine Rille genau in die Kante zwischen Barkholz und Rumpf. Das ist überhaupt nicht schwierig, weil diese Kante das Werkzeug „wie von Geisterhand gezogen“ richtig führt. Die so entstehende Rille markiert nicht nur die Farbtrennkante, sondern dient auch gewissermaßen als Sammelbecken für überschüssige Farbe. Hat man die richtig angemischt, nicht zu dick, nicht zu dünn, läuft der Pinselstrich quasi automatisch an der Rille entlang. Leider trocknet das auch nicht die Tränen, die ich in meiner Kindheit (und später!) über etliche vermalte Rümpfe vergossen habe.
Bei dem auf die Seite gekippten Modell bin ich fein raus, was die Bewaffnung angeht, denn hier sind alle Geschütze von Bord geschafft. Beim Wellenmodell sind die Stückpforten zwar geschlossen, aber ich werde nicht umhin kommen, auf dem Oberdeck die erforderlichen Geschütze zu montieren. Das stellt sich ein bisschen schwierig dar. Die dem Bausatz beigegebenen sind nämlich unpassend in zweierlei Hinsicht: von der Gestaltung und von der Größe her. Ich habe deshalb aus meinen Beständen passende Teile zusammengesucht. Außerdem musste ich ein paar neue Lafetten anfertigen. Da die beiden Modelle im wortwörtlichen Sinne aus Abfallteilen recycelt worden sind, ergaben sich gewisse Maßabweichungen Nun von den fabrikneuen Teilen. Das führte unter anderem dazu, dass einige Geschütze zu tief lagen und deshalb höhere Lafetten brauchten. Natürlich wie immer im Gussverfahren hergestellt.
Dies ist gleich eins der kleinsten Geschütze, einteilig, es stammt vom Revell Bausatz der Black Pearl im Maßstab 1:150. Das Brooktau ist hindurch gezogen und auf der klebrigen Unterlage (doppelseitiges Klebeband) in Position gebracht, anschließend mit Sekundenkleber versteift.
Und hier die Rückholtaljen: 0,1 mm Garn mit kleinstmöglichem Abstand gespannt und mit Tropfen von Sekundenkleber versehen, die nach dem Antrocknen ein Tröpfchen Farbe bekommen.
An die Lafette geklebt.
Und hier das ganze Ensemble an Ort und Stelle. Als Größenvergleich dient eine Q-Tipp-Spitze.
Ich glaube, kleiner geht's nun wirklich nicht mehr.
Der Bausatz sah keine Abstützung des Ankerkrans vor, zeigte nur eine disfunktionale senkrechte Stange am Ende der Galionsregeln, unmittelbar auf dem Rumpf. Hier meine Version aus dem Jahre 1971.
Auf zeitgenössischen Abbildungen findet man viele Beispiele für solche Stützen, manche ganz klassizistisch und streng, andere mit geschwungenen, natürlichen Formen. Ich habe mich für etwas Animalisches entschieden. Zur Herstellung: zunächst ein gebogener Draht, im Rumpf und im Ankerbalken befestigt, anschließend mit Magic Sculp ummantelt und frei geformt.
Eigentlich lasse ich Rümpfe vor der Ölbehandlung gerne ein paar Wochen trocknen. Was die Fingerspitze als trocken identifiziert, hat noch längst nicht alles Bindemittel verloren. Und da das Öldraken die Oberfläche ziemlich angreift, sollte die so widerstandsfähig wie möglich sein. Jetzt habe ich mich aber mit einer knappen Woche zufriedengegeben und den Rumpf des gekippten Modells gedrakt.
Vorher:
Nachher:
Und hier das Wellenmodell. Wer genau hinschaut, erkennt die Zurringe des Bugspriets, und das bedeutet: Die von mir nicht übermäßig geliebte Arbeit des Takelns hat begonnen. Was aber bedeuten die dreieckigen Pappen an Fockmast und Großmast? Nun, hier deutet sich ein Tabubruch gewaltigen Ausmaßes an. Davon später mehr.
Eine doppelte Bemalungstechnik. Der Rumpf wird mit einer Grundfarbe (Humbrol/Revell) gestrichen. Dann darf er lange trocknen. Danach wird er mit unverdünnter Ölfarbe gestrichen (Vandyckbraun). Die Farbe wird sofort mit Tüchern, Q-Tipps, Wattepads etc wieder heruntergewischt. Im Resultat ist die Grundfarbe dunkel abgetönt. Ölfarbe bleibt in Ritzen und Kanten, eingeschliffene Maserung wird als solche deutliche. Das Verfahren habe ich von Herbert Tomesen (Artitec, Amsterdam) übernommen und schon etliche Male praktiziert. Schmidt
Für das Folgende muss ich ein bisschen weiter ausholen. Wanten im Maßstab 1:150 stelle ich seit einiger Zeit her, indem ich die Taue durch den Rumpf führe, was natürlich nur bei Wasserlinienmodellen einigermaßen problemlos möglich ist, da das Innere zugänglich bleibt. Die Webleinen werden dann unter Zuhilfenahme speziell hergerichteter Schablonen aufgebracht und an Ort und Stelle verklebt.
Bei der Saint Louis hatte ich, zunächst sehr erfolgreich, mit 0,1 mm Kupferdraht für die Webleinen experimentiert. Der Vorteil des Materials: es lässt sich nach der Verklebung zu gleichmäßigen sanften Bögen formen, was mir realistischer oder einfach atmosphärisch überzeugender erscheint.
Allerdings musste ich die Versuche aufgeben. Der Kupferdraht ist sperrig und neigt dazu, im absolut falschen Moment zu reißen. Schade, aber nach drei oder vier Versuchen mit einer Wantenseite, die nach viel Geflicke dann doch scheiterten, habe ich von dem Verfahren Abstand genommen. Es heißt ja Hobby, weil es Freude machen soll.
Nun stehe ich vor einem besonderen Problem. Bei zeitgenössischen Abbildungen von auf die Seite gelegten Schiffen sehe ich überall, dass die Wanten, der Schwerkraft gehorchend, durchhängen.
Wie soll ich das mit dem bislang üblichen Verfahren bewerkstelligen. Die Wanten müssen straff gespannt sein, damit die Webleinen angeklebt werden können. Danach müsste ich sie wieder lockern, was hieße, ihre Verankerung im Inneren des Rumpfes zu kappen. Gedanklich möglich, aber ich ahne in der Praxis gewaltige Schwierigkeiten. Also bin ich jetzt dabei, ein anderes Verfahren auszuprobieren. Fortsetzung folgt Schmidt
Du könntest den Mast etwas weiter aus dem Deck herausschauen lassen, ihn zunächst provisorisch fixieren und ihn nach dem Ausweben der Wanten wieder in seine originale Länge zurück schieben, mit der Folge, dass die Hoofdtaue Lose bekommen.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Ich klebe meine Wanten ausserhalb des Modells mittels einer Schablone. Die ausgeschnittenen Stücke bringe ich dann am Modell an. Wenn Du es derart machst, und gleich die Jungfern und Taljen mit anbaust, kannst Du die so entstandenen Wanten durchhängen lassen oder straff setzten wie Du es benötigst. Meine Wanten haben oben noch »Leine« um am Masttop vorbildgerecht befestigt zu werden. Im Prinzip funktionieren meine Wanten so, wie die fiesen Plastikwanten bei den Modellbaukästen. Die müßen nur noch zwischen Stenge und Jungfern geklebet werden.
Zitat von Willi im Beitrag #401Du könntest den Mast etwas weiter aus dem Deck herausschauen lassen, ihn zunächst provisorisch fixieren und ihn nach dem Ausweben der Wanten wieder in seine originale Länge zurück schieben, mit der Folge, dass die Hoofdtaue Lose bekommen.
Danke @Willi ! Da wäre ich im Leben nicht drauf gekommen. Tatsächlich sind die Masten bislang noch nicht eingeklebt.
@Klabauter. Genau in diese Richtung gingen bislang meine Überlegungen.
Ich habe jetzt erst mal die „externen Wanten" ausprobiert. Sie sind auf einem modifizierten (verstärkten) Heller-Webrahmen nach Maß hergestellt.
In der Nahaufnahme zeigt sich der Benefit des Kupferdrahtes: Die Webleinen lassen sich dazu bringen, leicht der Schwerkraft zu gehorchen. Ich weiß, man kann darüber wieder lange diskutieren. Ich finde, das macht einfach Atmosphäre.
Angebracht:
Unten würden die Extensions der Wanten im Rumpf versenkt und in dessen Innerem (sehr haltbar!) verklebt.
Am oberen Ende sind sie schon im Rahmen miteinander verklebt und mit einer dünnen Kunststoffplatte versehen, in die ein Loch gebohrt wird. Befestigung am Mast durch eine (natürlich noch zu kürzende) Messingstange.
Durch die drehbare Befestigung der Oberkante können die Wanten von unten her sehr gleichmäßig gespannt werden. (Ich weiß, vorbildgetreu ist das nun mal gerade nicht.)