Zitat von Werner im Beitrag #219Könnte es auch sein, dass die Rüsten nur als Abstandshalter zu sehen sind? Die Wanten wurden durch den von der Seite einwirkenden Wind gespannt und zogen an den Püttingseisen. Diese Eisen waren am Schiffsrumpf befestigt und nahmen die auftretenden Zugkräfte auf. Ein Teil dieser Zugkräfte gingen zwangsläufig auch in die Rüste. Als eine elastische "Sicherung" könnte man die Taljereeps zwischen den Juffen sehen. Diese Taue waren das schwächste Glied in der Kette und somit die Sollbruchstelle?
Ja, als Abstandshalter, um den Mast möglichst weit außenbords abzustützen. Aber elastisch waren die Wanten schon selbst. Die Taljereeps dienten nur zum Spannen und waren in ihrer Gesamtstärke mindestens genau so stabil wie die Wanten. Und eine Sollbruchstelle war sicherlich nicht geplant, denn wenn auch die Wanttaue intakt blieben, falls die Reeps versagten, war doch der Mast gebrochen und die Wanten ohnehin obsolet...
Eddie, ich glaube, Du bist da auf dem Holzweg. Die Rüstseisen nehmen immer exakt soviel Zugkraft auf, wie an den Wanten entsteht, ansonsten bestünde hier ein Ungleichgewicht der Kräfte, das geht aber in einem statischen System nicht. Die Rüstbretter spreizen das ganze nur aus. Dadurch entsteht ein dritter Kräftevektor, der in Richtung Rumpf gerichtet ist und zwar immer.
Die genaue Richtung, in der dieser dritte Kräftevektor gerichtet ist, ließe sich geometrisch darstellen, wenn man ein Dreieck zeichnete, dessen Basis der Verbindungslinie zwischen Masttop und den Bolzen der Rüsteisen am Rumpf entspricht und dessen Höhe der Tiefe des Rüstbrettes entspricht. Die Wanten bilden dann den einen, die Rüsteisen den anderen Schenkel über der Basis. Fällt man von dem Winkel über der Basis das Lot auf diese Basis, erhält man die Höhe des Dreiecks. Diese Höhe entspricht dem dritten Kräftevektor. Im Idealfall wäre das Rüstbrett zur best-möglichen Kraftaufnahme genau so ausgerichtet.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Zitat von Willi im Beitrag #227Eddie, ich glaube, Du bist da auf dem Holzweg. Die Rüstseisen nehmen immer exakt soviel Zugkraft auf, wie an den Wanten entsteht, ansonsten bestünde hier ein Ungleichgewicht der Kräfte, das geht aber in einem statischen System nicht. Die Rüstbretter spreizen das ganze nur aus. Dadurch entsteht ein dritter Kräftevektor, der in Richtung Rumpf gerichtet ist und zwar immer. (...)
Das ist wirklich ein interessantes Thema :-) Aber lass´mich meinen Standpunkt einmal so erklären: Wenn ich mich beim Tauziehen nach hinten lehne und die Hacken in den Sand stemme, dann leite ich doch einen Teil der Zug-Energie in den Boden ab. Wenn mich hinten dann noch einer festhält, habe ich jedenfalls bessere Chancen, der Gegenkraft standzuhalten, als wenn ich aufrecht stehe und beim geringsten Zug nach vorne kippe. Der hinter mir wird dann wohl auch fluchen und mich im nächsten Moment loslassen...x-)
Wie oben schon mehrfach beschrieben hatten die Rüsten auf keinen Fall Zugkräfte auszuhalten - im Gegenteil: sogar eher Druckkräfte. Die Zugkräfte der gespannten Wanten wurden über die Eisen in den Rumpf übertragen.
Hier an diesem Bild kann man klar erkennen, dass die Rüsten nicht flach sind. Der Blickwinkel fällt schräg von oben auf das Modell, die Rüsten sind in der Flucht mit dem Blickwinkel. Das heißt, dass die Rüsten schräg nach oben zeigen. Ich denke auch, dass diese Abbildung zeigt, dass die Schräge der Rüsten nicht unterschätzt werden sollte, sie ist schon beträchtlich!
Wenn man sich diese Skizze ansieht kann man vielleicht sich erklären warum die Rüsten schräg angebracht waren: so wird der Druck der durch die Wanten ausgeübt wird durch die Winkel-Halbierende Lage der Rüste gleichmäßig darauf verteilt.
Ein bisher nicht berücksichtigter Vektor war offenbar die Winkelung der Püttingeisenkette. Im Laufe der Jahrzehnte nahm die Breite der Rüsten immer weiter zu und damit auch die Winkelung der Kette. Die wurde noch dadurch verstärkt, dass die Kette sehr kurz bis zur zweiten Lage des Doppelbarkholzes reichte. Die Holländer waren während dieser Epoche bekannt für sehr kurze und steile Püttingketten. In England verlängerte man Anfang des 18.Jahrhunderts daher (zunächst bei Dreideckern, später auch bei Zweideckern) die Ketten bis auf das mittlere Bargholz bzw. setzte die Rüsten über das Kanonendeck, was beides zur "reducing the angle and increasing their strength greatly" (Laughton, L.G.C. Old Ship Figure-Heads and Sterns, S.217) führte. Ich nehme an, dass die Holländer mit den schräggestellten Rüsten dem vorangingen?
Zitat von Olympic1911 im Beitrag #229Wie oben schon mehrfach beschrieben hatten die Rüsten auf keinen Fall Zugkräfte auszuhalten - im Gegenteil: sogar eher Druckkräfte. Die Zugkräfte der gespannten Wanten wurden über die Eisen in den Rumpf übertragen.
Gezogen wurde von den Wanten mit Zugrichtung nach oben. Und diesem Zug wurde von den Püttingseisen entgegengewirkt, soweit bin ich d´accord. Aber wurden die Rüsten bei einem 90°- Winkel tatsächlich an den Rumpf gedrückt oder nicht eher tendenziell nach oben weggezogen? In dieser Konstellation wird jedenfalls darauf verzichtet, den Rumpf selbst zur Abstützung der Rüstbohle heranzuziehen. Natürlich brächte das nicht allzu viel, entlastete aber dennoch die Eisen und auch die Bolzen, mit denen die Rüsten mit dem Spantwerk verbunden sind.
Zitat von Olympic1911 im Beitrag #229 Hier an diesem Bild kann man klar erkennen, dass die Rüsten nicht flach sind.
Die sind tatsächlich nicht flach, das stimmt. Andererseits zeigt Winter in einer Schnittzeichnung (Tafel II) horizontale Rüsten. Ob er da wohl "korrigierend" eingegriffen hat?
Zitat von Eddie im Beitrag #232Aber wurden die Rüsten bei einem 90°- Winkel tatsächlich an den Rumpf gedrückt oder nicht eher tendenziell nach oben weggezogen?
Auf dem ersten Bild oben rechts könnte man F1 mit dem Zug der Wanten und F2 mit dem (gleich großen) Gegenzug der Rüstkette vergleichen. Es ergibt sich FR, als Diagonale des aus F1 und F2 gebildeten Parallelogramms. FR wirkt also in Richtung Rumpf.
Übrigens, ohne es wirklich schon gezeichnet zu haben, vermute ich, dass bei einem korrekt gezeichneten Parallelogramm unserer Wantenproblematik FR und die Ausrichtung der Rüstbretter ziemlich genau übereinstimmen könnten.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Um aber einmal auf die Bolzen zurückzukommen, mit denen die Rüsten befestigt sind: In welcher Variante werden die wohl mehr beansprucht? (Etwa, wenn ein Püttingseisen durch Beschuß ausfällt, wir reden hier ja von Kriegsschiffen.)
Im intakten Zustand ist das System im Gleichgewicht. Auf den Bolzen, die das Rüstbrett an der Bordwand halten ist die Beanspruchung Null. Gerät das System aus dem Gleichgewicht, ist der Befestigungspunkt gleich Drehpunkt in diesem System. Daraus folgt, je mehr Befestigungspunkte auf der einen Seite ausfallen, desto größer ist die Beanspruchung in Richtung der anderen Seite. Genau aus diesem Grund befanden sich auf und unter den Rüstbrettern dreieckige Holzstücke, die in einem solchen Fall als Stützen fungierten, wie hier auf Alexanders Sphynx sehr schön zu sehen.
Edit: Aus dem Gleichgewicht geraten kann das System aber nur, wenn die Befestigung unter dem Rüstbrett entfällt. Wird z.B. eine Wante abgetrennt, sinkt der Zug, den sie bis dahin auf die Rüstkette ausgeübt hat lediglich auf Null, was der Rüstkette aber egal ist.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Möchte noch hinzufügen, das es sich hier um dynamische Kräfte handelt. Hier spielen viele Randbedingungen eine Rolle. Stellen wir uns vor, das Schiff dreht sich um die Schwimmwasserlinie nach Bb und Stb. Immer abwechselnd. Da der Mast dieser Drehbewegung nicht eins zu eins folgen kann, werden die Wanten, und damit auch die Püttinge ungleichmäßig beansprucht. Diese Kräfte richtig einzuordnen, dürfte schon als sportliche Übung betrachtet werden. Es kommen dann noch Beschleunigungswerte hinzu. Usw.
sicher hatte der Schiffbauer des 17. Jahrhunderts noch nicht die theoretischen Kenntnisse, um derartige Dinge zu berechenen. Brauchte er aber auch nicht. Die Schiffbauer hatten ja über Generationen gelernt, welche Konstruktionen den Gegebenheiten entsprachen. Ging etwas zu Bruch, wurde es verändert und zwar solange, bis es seinen Dienst erfüllen konnte.
Moin zusammen! :) Mal wieder Zeit für ein Update. Ich habe die angeschrägte Rüste am Modell ausprobiert. So werde ich es machen und nicht anders (davon mal abgesehen, dass die Rüste etwas dünn ist).
In der Zwischenzeit ist auch der Unterspiegel gebaut worden. Dies ist der dritte Anlauf!
Ich hatte dann erkannt, dass solange das Innere des Rumpfes durch das fehlende Heck noch gut zu erreichen ist, sollte ich die Beplankung des Geschützdecks wieder aufnehmen. Das habe ich dann auch gemacht:
In den Winter-Plänen gibt es keine Draufsicht auf dieses Deck. Somit habe ich auf andere Literatur zurückgegriffen wie die Pläne von Otte Blom und so. Da habe ich in der Abbildung unten erkannt, dass die Luke hinter dem Schlot der Kombüse nicht breiter war als der Schlot. Also: neu machen! Hierfür mussten jedoch einige der bereits verlegten Planken ersetzt werden was nicht einfach war.
Ich denke ich bin auf dem richtigen Weg
Ein deutscher Verlag hat tatsächlich Interesse daran gezeigt ein zweites Buch über den Holländischen Zweidecker herauszubringen. Über mein Modell; mit aktuellen Plänen etc. Vielleicht wird da ja was raus! (Mensch! Da hat der Thommie doch glatt wieder was zu meckern!)
Du machst ja gewaltige Fortschritte, sieht gut aus.
Zum Buch: sag dem Verlag, es gibt noch einen zustäzlichen Interessenten für das Buch ;)
Klaus
PS: Du hast doch vor nicht allzu langer Zeit ein Modell eines englischen Zweideckers in ähnlicher Größe begonnen, ie ist denn da der BAuszustand oder hast du das aufgegeben?