Heute beginne ich einen Faden, der sich mit der (möglichen) Restaurierung eines alten Schiffsmodells befassen wird. Dazu habe ich eine Reihe von Fragen, auf die ich hier hoffentlich Antwort von gewieften Holzwürmern bekommen werde.
Oscar Wilde hat einmal gesagt: Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung. Mir geht es oft genug ähnlich. Vor vier Jahren sah ich im eBay den Rumpf eines alten Schiffsmodells.
Der Verkäufer pries ihn als antike Kostbarkeit und ging über das Fehlen der Takelage elegant hinweg: das Modell habe nie Masten gehabt. Nun ja. Der Verkaufspreis war zu hoch angesetzt, um eine Bieterschlacht zu initiieren; also bekam ich das Modell zum Aufrufpreis und holte es in Norddeutschland ab. In der Zwischenzeit glaubte ich durch eine Netzrecherche heraus bekommen zu haben, woher das Modell stammte. Ich fand den Hinweis auf einen professionellen Modellbauer aus Wismar, der in seinem langen Leben (1866-1960) eine Ein-Mann-Schiffsmodellmanufaktur betrieben hat. Er heißt Robert Dähnke; man findet im Netz unter diesem Namen Hinweise auf seine Modelle. Dähnke hat eine Vielzahl verschiedener Modelle gebaut, bei bestimmten „Typen“ lässt sich aber die Handschrift des Meisters und die Herkunft meines Erachtens sehr deutlich ablesen. Ein Fachmann für Votivschiffe bestätigte mir aufgrund gewisser baulicher Details die Herkunft. Mein wichtigstes Referenzobjekt war ein Schiffsmodell, dem von mir gekauften sehr ähnlich, das man in der Hamburger St. Jacobus Kirche findet. Leider steht es auf einem Sockel mehrere Meter hoch an der Wand, und hätten mir die Mitarbeiter des dortigen Pilgerbüros nicht erlaubt, auf einen Tisch zu steigen, so hätte ich keine aufschlussreichen Fotos davon machen können. Das Modell ist in hervorragendem Zustand. Ich fürchte aber, dass bei der ansonsten fachgemäßen Restaurierung neue Barkhölzer angebracht worden sind, die ich, diplomatisch gesagt, für etwas stillos halte.
Bemerkenswert an dem Modell ist, dass der Unterwasserrumpf viel zu niedrig ist. Daran lässt sich erkennen, dass das Modell dafür gebaut war, von der Decke zu hängen. Sei es als Votivschiff in einer Kirche oder zum Schmuck eines großbürgerlichen Haushalts. Andere erhaltene Modelle aus der Hand von Dähnke hängen auch tatsächlich noch in Kirchen. Ein Vergleich der Heckpartien beweist die Verwandtschaft meines Modells zu dem Hamburger, man beachte die ganz ähnlich gemalte Ornamentenleiste. Der Vergleich zeigt allerdings auch, was bei meinem Modell so alles fehlt!
Und hier ein Blick auf den Heckspiegel, der mich dazu verführt hat, das Modell "Der schwarze Schwan" zu taufen.
Erstmal vorab: Dein Modell erscheint um einiges eleganter und ausgewogener als das Hamburger. Und du brauchst nicht auf Tische zu steigen, um noch mehr Detailfotos zu machen, auf die wahrscheinlich nicht nur ich gespannt bin. :-)
Restaurierungen finde ich immer sehr spannend. Den Schwan als Namensgeber kann ich wohl nachvollziehen, dessen Farbe allerdings nicht. Für mich stellt das Heckbild einen weißen Schwan dar.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Jahaaaa... aber ich schrecke vor dem Namen "Der weiße Schwan" bei einem so schwarzen Pott zurück. Später weitere Fotos, für die ich auf einen Stuhl gestiegen bin, den ich auf den Tisch gestellt hatte. Schmidt
"Ungewaschener Schwan" vielleicht, weil die Heckmalerei doch etwas verschmutzt zu sein scheint. Oder "Bremer Schwan", analog zum "Lybska Svan"* wenn man den aufgemalten Flaggenschmuck einmal etwas großzügig interpretieren möchte. Soll die Takelage eigentlich ergänzt werden?
"Ungewaschener Schwan" ist nicht schlecht, allerdings habe ich ihn mittlerweile ordentlich gewaschen, mit Wasser und Spüli, wenngleich darunter erstaunlicherweise keine saubere und intakte Farbschicht zum Vorschein kam. Als alternativen Namensvorschlag reiche ich "Wismarer Schwan" ein. Dort ist er wohl gebaut worden, und laut Netzauskunft ist das Flagge von Wismar. Ja, die Takelage soll ergänzt werden; und genau hier werden meine Fragen zu deren Format anstehen. Die Restaurierung des Rumpfes habe ich wie folgt geplant: Entfernung aller entfernbaren Teile (v.a. die Reste der Reling) und deren Neuaufbau, Abschleifen der extrem verschmutzten Decks und Neulackierung, Ersetzen der Geschützrohre und der Stückpforten, Neubau der Türmchen auf den Galerien nach dem Hamburger Vorbild, Anstrich von Rumpf und Heck mit Ölfarben und anschließende Patinierung. Hier ein paar Bilder von den Decks, nachdem die Reste der Reling sich glücklicherweise relativ leicht entfernen ließen. Kein Versuch, die Decks „schonend“ zu reinigen, glückte; und so musste ich schließlich den Schwingschleifer ansetzen, was natürlich ein bisschen gegen die Restauratorenehre ging. Das Modell hat aber womöglich ein paar Jahrzehnte in einer Kneipe an der Decke gehangen, jedenfalls war der Dreck höchst zäh und widerstandsfähig, also wahrscheinlich auf Fettbasis.
So sahen die Decks nach feuchter Reinigung und behutsamem Handschliff aus:
Und so, nachdem der Schwingschleifer sein Werk getan hatte:
Ist mir nicht leicht gefallen!
Schließlich noch der Versuch einer Antwort auf die Frage: Warum tut sich der Schmidt so ein Teil an? Der Versuch lautet: Ich habe seit fünf Jahren ein Arbeitszimmer unter dem Dach, das in der Spitze etwa vier Meter hoch ist. Und ich finde, der Luftraum da oben sieht ohne ein fliegendes Schiff ziemlich nackt aus.
Früher wurde ja noch in den Kneipen recht viel geraucht, so daß man teilweise seinen Nebenmann nur schemenhaft erkennen konnte. Da hat sich vermutlich eine beachtliche Menge Nikotin und Teer (deshalb vielleicht schwarzer oder ungewaschener Schwan) in den offenen Poren des Holzes abgelagert. Da hilft dann wirklich nur schleifen. Ist dir ja auch gut gelungen.
Genau: Teer und Fett. So kam mir das auch vor. Selbst beim Schwingschleifer musste ich alle paar Minuten das Schleifblatt wechseln, weil es verklebt war. Erst ganz am Schluss machte sich Holzstaub bemerkbar.
Wie in der normalen Haushaltsküche . Der Dunst steigt immer nach oben und lagert sich als fettiger und schmieriger Film auf den Küchenschränken ab . Kann mir auch vorstellen , dass das Modell einmal in einer rustikalen Kneipe gehangen hat . Dort wurde auch entsprechend rustikal aufgetafelt ... Eisbein , Schmorhaxen und und und . Der fettige Dunst aus der Küche und dem Gastraum ; dazu der Nikotindampf aus Zigarette , Zigarre und Pfeife tun ihr Übriges . Ich kenne solche Kneipen noch ... richtig urig .
Peter @Olympic1911: Du hast doch einschlägige Teererfahrung bei deinem Hohenzollernmodell gemacht. (Z. B. #3290) Hast du da vielleicht noch eine gute Idee?
Man sieht es auf den Bildern, die ich als erstes hier eingestellt habe: Nahezu die gesamte Reling war am Fuße der Säulen abgebrochen und nicht mehr vorhanden. Lediglich auf dem Backdeck hatte sich ein vollständiges Exemplar mit sechs Säulen erhalten. Glücklicherweise ließ es sich ebenso wie die Reste der übrigen Reling leicht entfernen, da es nicht aufgeklebt, sondern mit kleinen Nägeln befestigt war, die allerdings stark verrostet waren. Das verbliebene Stück Reling habe ich gesäubert und abgegossen. Eigentlich eignet es sich nicht dafür, da die Säulen Hinterschneidungen haben. Man kann dabei aber ein bisschen tricksen und erhält dann Abgüsse, bei denen die Hinterseiten der Säulen durch Nachbearbeitung ihre Form bekommen.
Aus diesen Modulen denke ich jetzt die gesamte Reling zu rekonstruieren. Dabei dürfte sich auch der Charakter der Teile als nicht ganz gleichmäßige Handarbeit erhalten.
Zitat von Carpfanger im Beitrag #11Peter @Olympic1911: Du hast doch einschlägige Teererfahrung bei deinem Hohenzollernmodell gemacht. (Z. B. #3290) Hast du da vielleicht noch eine gute Idee?
Ich habe eher Erfahrungen im Teerauftrag anstelle von -abtrag. Mit einem Verdünner würde ich nicht da rangehen, da zieht das Zeug nur weiter in das Holz ein. Bleibt nur die mechanische Entfernung, wie Schmidt es auch gemacht hat.
Nachdem ich die benötigte Anzahl an Relingmodulen vorrätig hatte,
habe ich begonnen, je zwei miteinander zu verbinden, um die entsprechenden Teile für die hinteren Decks zu bekommen. Der erste Versuch mit einer Teilform aus Knetsilikon, in der die beiden Teile durch Resin verschweißt werden sollen:
Ergebnisse später.
Dieses schöne Ornament (ist es eine Säule?, wenn ja, für was?) war an Backbord noch erhalten,
aber an Steuerbord durchgebrochen und zur Hälfte verschwunden. Ich habe mit Knetsilikon einen Klon hergestellt,
der sich hier bereits grundiert an seinem Bestimmungsort findet
Leider beantwortet das alles nicht die Frage, wer oder was sich einmal auf dieser Säule befunden hat.
Das oben vorgestellte Verfahren der Verbindung von Reling-Modulen durch Silikon in einer Teilform hat sich bewährt. Es ist nach diesem „Verschweißen“ nicht allzu viel Nacharbeit nötig. Hier warten einige bereits maßgerecht zugeschnittene Teile auf ihre Farbbehandlung.
Und hier eine Stellprobe mit vorgestrichenen Teilen.
Erst kürzlich entdeckt: an sechs der acht Stützen der Seitentasche fehlt oben ein kleiner Kringel. Ein neues Gussteil wird dem abhelfen.