Hallo Schmidt, ein schönes Projekt mit Entscheidungsfreiräumen. Um dich nicht zu weit von der Handschrift des Meisters zu entfernen, orientiere dich doch an den Bildbeispielen zu Robert Dähnckes Arbeiten und dem Hamburger Referenzmodell; übermäßig hoch wirken die Masten der abgebildeten Modelle nicht.
Ich gebe dir recht. Ich denke auch, ich werde mich am normalen Länge/Höhe-Verhältnis der Vorbildschiffe orientieren. Das würde bedeuten, bei einer Länge des Modells von etwa 110 cm nicht über eine Gesamthöhe von 90 cm hinauszugehen.
Gestern war der große Tag, an dem alle Neubauten und Ausbesserungsarbeiten im Heckbereich farblich angeglichen werden sollten. Die Technik dazu habe ich bislang schon häufiger an Schiffsmodellen aus Polystyrol und Resin erprobt, hier jetzt erstmals an einer Holzoberfläche. Die Technik besteht sehr einfach darin, den möglichst hell und plakativ gehaltenen Grundanstrich (Humbrol/Revell) nach gründlicher Durchtrocknung mit dunkelbrauner Ölfarbe zu überstreichen und diese Farbe dann quasi umgehend wegzuwischen. Natürlich entwickelt man im Laufe der Zeit gewisse Subtechniken, die schwer zu vermitteln sind, weil es eher darum geht, „Schönes“ oder „Stimmiges“ als „Richtiges“ herzustellen. Die folgenden Bilder zeigen den Prozess und kommentieren sich selbst.
Ein paar Außenaufnahmen, bei denen die Wirkung der Farben stärker ist.
Kleine Anmerkung: Bei dem bereits „verdunkelten“ Türmchen ist mir aufgefallen, dass das Blau zu hell ist. Die Türmchen müssen daher noch einmal in die Farbbehandlung.
Vor ein paar Wochen war mir die Idee gekommen, einen der wohlbekannten alten „Adler von Lübeck“ (Graupner) zu kaufen, um seine Takelage in einem Schwung auf den Schwan zu verpflanzen. Klang anfangs nach einer sehr guten Idee, aber dann zeigte sich a), dass es so viele einigermaßen gut gebaute Alt-Adler im Netz nun auch wieder nicht gibt, und erst recht nicht für kleines Geld. Sowie b), dass der Adler wahrscheinlich ein bisschen zu klein für eine solche Transplantation ist. Gestern nun konnte ich für sehr geringes Geld einen Adler-Bausatz erwerben, dem nur ein Teil fehlt, dass für mich vollkommen irrelevant ist, nämlich der Rumpf. Jetzt habe ich Leinen, massenhaft Rundhölzer und hölzerne Sägevorlagen für Marse, Geländer etc. Aufbauend auf diesem Material sollte ich (der ich nicht der große Holz-Freak bin) eine passende Bemastung hinbekommen. Schmidt
Ich bin versucht, sie die Tüpfelchen auf dem I zu nennen, die kleinen Kronen auf den Galerietürmchen. Womöglich sind sie mir ein bisschen zu clean ausgefallen (abgedrehte Plastikperlen mit Schnur und Fuß aus Magic Sculp, qua Silikonform reproduziert). Aber auf die normale Schauentfernung würden wahrscheinlich auch etwas rustikalere/stimmigere Varianten nicht sehr anders wirken.
Nun ist also angekommen, der Rest-Adler, gedacht als Teilespender für den Schwarzen Schwan. Bei der Gelegenheit habe ich zum ersten Mal diesen legendären Baukasten in die Hand bekommen. Man könnte den Adler von Graupner wohl die Mutter der deutschen Schiffsmodellbausätze nennen. Bei seinem Erscheinen auf dem Markt versprach er dem Modellbauer nicht weniger als das kleine Wunder, ein höchst komplexes viermastiges Schiffsmodell quasi aus einem Kasten heraus und ohne überragende handwerkliche Vorkenntnisse fertigstellen zu können. Tatsächlich bestand der Rumpf ja aus vorgefertigten Schalen; regelrecht beplanken musste man nur die oberen, ziemlich geraden Partien an Bug und Heck. Ich vermute, dass trotzdem mancher glückliche Käufer oder glücklich Beschenkte einen leichten Schwindelanfall bekam, als er den farbenfrohen Kasten öffnete. Doch eine ganze Menge Holz!, möchte man sagen, und angesichts des recht detaillierten Takelplanes bekommt das Wort „Schnellbaukasten“ einen leicht satirischen Beigeschmack. Mein Exemplar kündet von einer der wahrscheinlich nicht eben wenigen traurigen Geschichten, in denen der versprochene „Schnellbau“ endete. Der Rumpf fehlt; wahrscheinlich hat er lange als stumme Mahnung in einem Bastelkeller oder einer Bastelecke gestanden. Irgendwann müssen er und der Karton mit den restlichen Materialien voneinander getrennt worden sein, denn offenbar hat der Karton, verschmutzt und verschabt und vielfach mit Klebeband erfolglos geflickt, es in die Gegenwart und jetzt zu mir geschafft. Und schau an, dabei hat er irgendwie auch noch einen Teil seines ökonomischen Wertes gerettet. Neben dieser kleinen modellbauhistorischen Reminiszenz besitze ich jetzt eine Menge von Rundhölzern in verschiedenen Durchmessern, die sicherlich von den Marstengen und den Marsrahen aufwärts höchst tauglich sind, ein halbes Dutzend „Kleinbausätze“ für hübsch detaillierte Marse, ausreichend kräftiges Leinen und einen seriösen Takelplan, der auch in die fiktive Epoche des Schwarzen Schwanes passt. Ich grüße von hier aus all die unbekannten Bastler (höchstwahrscheinlich ohne innen), die in ich weiß nicht wie vielen Jahrzehnten an diesem speziellen Objekt gescheitert sind. Ich werde ihnen gewissermaßen indirekt ein kleines Denkmal errichten.
Ich habe diesen Bericht bisher ignoriert, da Votivschiffe für mich immer eine ästhetische Herausforderung bedeuten, auch wenn ich mir natürlich ihrer kulturhistorischen Bedeutung bewußt bin. Schmidt hat aber inzwischen eine beachtliche Meisterschaft im Umgang mit Gießharz und Silikonkautschuk, sowie der Bemalung entwickelt
Dieses Lob freut mich umso mehr, als es ästhetischen Bedenken abgerungen ist! Ich will auch nicht damit hinter dem Berg halten, dass ich selbst die Modelle von Robert Dähncke ebenso wie vergleichbare andere dieses Baustils nie für große Schönheiten gehalten habe. Es ist ja hinlänglich bewiesen (Hohenzollernmodell, Prince etc.), dass spätestens seit dem 17. Jahrhundert Modelle von Segelschiffen möglich waren, die heutigen Meisterwerken dieser Gattung in nichts nachstehen, was Maßstäblichkeit und Detaillierung angeht, ja, sie manchmal noch übertreffen, da man ihnen ansieht, wie vertraut ihre Erbauer noch mit den Vorbildern waren. Vor ein paar Wochen sah ich in einem Amsterdamer Antiquitätenladen, der auf alte Schiffsmodelle spezialisiert ist (davon gibt es in dieser Welt sicher nicht so viele!) das großformatige Modell eines holländischen 74 Kanonen Schiffs aus dem 18. Jahrhundert, das, soweit ich das beurteilen konnte, seit seiner Herstellung gut konserviert, nicht beschädigt und nicht unsachgemäß repariert worden war. Die Aura, die von diesem höchst authentischen Teil ausging, war grandios, der Preis lag im niedrigen – Achtung! – sechsstelligen Bereich. Warum also werden um 1900 Schiffsmodelle hergestellt, die sich in Sachen Vorbildtreue und Detaillierung zu ihren historischen Vorläufern verhalten wie Bauernmalerei zur Kunst des niederländischen Barock? Um das zu verstehen, muss man wahrscheinlich den etwas vertrackten Historismus dieser Zeit begreifen, d.h. die Vorstellung, die die Menschen um 1900 sich vom Leben und dem Bewusstsein derer um 1600 machten. Das Rustikale soll jenes Simple oder Naive treffen, dass die späteren so gerne den früheren unterstellen. Dazu kommt, auch das muss man unbedingt zugestehen, dass ein Schiffsmodell, welches unter der Decke hängt, je weniger Wirkung zeitigt, je vorbildgetreuer es ausgeführt ist. Dähncke hat vermutlich seine größeren Modelle überwiegend oder fast ausschließlich für eine solche Deckenshängung gebaut. Und hier komme ich ins Spiel. Hoffentlich noch ein paar Jahre werde ich ein Großteil des Tages in einem Arbeitszimmer verbringen, das am höchsten Punkt 4,20 Meter misst. Was lag da näher, als den gewaltigen Luftraum über mir mit etwas zu füllen, auf dem mein Auge gerne ruht, wenn es sich vom subtil flimmernden Monitor löst. Deshalb habe ich unmittelbar nach dem Umzug in dieses Arbeitszimmer zugeschnappt, als mir das Wrack des Schwarzen Schwans (via Monitor) begegnete. Ich muss aber zugeben, dass ich mit meinem Kauf lange gehadert habe. War dieses Modell nicht einfach zu massiv und zu dunkel, um Wirkung haben zu können? Iich habe lange mit dem Baubeginn gezögert, und erst jetzt, ein paar Wochen nach Beginn der Arbeiten, kann ich allmählich ermessen, wie das Ganze einmal aussehen wird. Womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte, erweist sich dabei jetzt als wichtiger Bestandteil der ästhetischen Wirkung. Der Rumpf kreist nämlich schon jetzt gelegentlich langsam um seine Aufhängung; mit vollständiger Takelage wird er das wahrscheinlich noch intensiver tun, so dass das von zwei Seiten einfallende Licht je nach Stellung des Modells verschiedene Partien betont oder in den Schatten stellt. Ich meinte zuerst, das unterbinden zu müssen – zugunsten einer idealen Position – jetzt wird mir klar, wie positiv diese Bewegung die Wirkung beeinflusst. Ich hoffe, ihr nehmt mir diesen Ausflug in meine Gefühlswelt nicht übel. Schmidt
Dein Ausflug in Deine Gefühlswelt hat mir sehr gefallen, offebart er doch neben Deinem Fachwissen und dem handwerklichen Geschick auch Deinen virtuosen Umgang mit der deutschen (Schrift-) Sprache. Da lese ich gerne, auch wenn da Thema als solches mich nur am Rande interessiert.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Schmidt hat wahrscheinlich recht, daß die stilistische Auffassung der seit Ende der 1880er Jahre als 'Zimmerschmuck' geschaffenen Modelle viel dem Historismus geschuldet ist. Man dachte sich, daß Antiquitäten etwas roh behauener aussehen müssen. Selbst in den 1960er und 1970er und z.T. noch heute kann man das z.B. an den 'Antiquitäten' aus Fernost sehen, dieses 'Rustikale' romantischer Auffassung.
Ich kann mir schon gut vorstellen, daß DER SCHWARZE SCHWAN dann einmal einem möglichen horror vacui im Spitzboden wirkungsvoll entgegentritt - der Raum hat ja auch etwas Kirchenhaftes.
Mir gefällt auch immer der literarische Aspekt von Burkhards Beiträgen. Besonders wenn, wie hier, dem Werk alter Modellbauer oder auch den vielen, nie vollendeten Bausätzen ein kleines Essay gewidmet wird.
Macht Spass, das verfolgen zu können.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Meine persönliche Veranlagung ist auch eher die Ästhetische, und bei Votiv-oder Kirchenmodellen bevorzuge ich die ''alten'' Exemplare der Gattung, die im 17. oder 18. Jh. hergestellt wurden und über die sich zweierlei sagen läßt:
1. Ihre Grobheiten und Verzerrungen haben aus mir noch unbekannten bzw. nicht vollkommen durchsichtigen Gründen dennoch ästhetische Qualitäten. Ich vermute, daß der Hauptgrund dafür in der grundsätzlich auf Schönheit ausgerichteten Einstellung der früheren Epochen gesehen werden kann. In der Regel hatten auch die ganz zweckorientierten menschlichen Produktionen (Fischereifahrzeuge, Häuser, Fuhrwerke...) das notwendige Maß an Schönheit, das Leute wie van Ruysdahl oder Vater & Sohn van de Velde bewogen hat, sie in die Komposition ihrer Gemälde aufzunehmen. Ein möglicher Einwand gegen diese Sichtweise ist natürlich der, daß man immer sagen kann, es komme eher auf die Art an, wie man die Dinge sieht, sprich: der eigene Blick macht sie schön oder nicht. Aber ich finde nicht notwendig alles Alte auch von vornherein schön, als Beispiel möchte ich die Bremer Kogge anführen, die zwar ein unbedingt erhaltenswertes kulturhistorisches Zeugnis ist, jedoch für meine Augen nicht wirklich schön wie z.B. die Wasa. Ich sehe ihren Rumpf eher als recht schnittige Badewanne mit aufgesetzten schachtelartigen Konstruktionen (Steine bitte zurückhalten, ist meine persönliche, beschränkte Meinung). Wohingegen ich die Koggendarstellungen auf Münzen wieder schön finde.
2. Die Grobheiten der alten Kirchenmodelle sind ja, wie schon gesagt wurde, dem Umstand geschuldet, daß sie auf Fernwirkung (und auch noch von unten) berechnet sind. In die Grobheit solcher Modelle ist meiner Ansicht nach so viel vom Schönheitsempfinden des 17. u. 18. Jhs. hineinversenkt worden, daß das Auge (in Zusammenarbeit mit dem Gehirn) das Grobe in der Fernsicht (und graduell vielleicht auch in der Nahsicht) tilgt und sie vielleicht annähernd so schön wie die Originale erscheinen läßt.
Auch Dähnkes Modell reicht nicht an die partielle Schönheit alter Kirchenmodelle heran. Und in dem Punkt scheint mir das dem eher rationalen, kühlen Zeitgeist der Moderne geschuldet. Er hätte es vielleicht schöner machen können, das hätte aber mehr Zeit für die Herstellung erfordert und es dadurch teurer gemacht. Ich würde also die (eckige, rationale) Grobheit, den dieser Rumpf ausstrahlt, weniger den damaligen Vorstellungen über historische Schiffe in die Schuhe schieben (denn Beispiele alter Kirchenmodelle hat Dähnke sicher genug gesehen), sondern dem begrenzten Etat seiner Auftraggeber einerseits und der grundsätzlich nüchterneren Einstellung seiner Zeit, die ja irgendwie auch noch die unsere ist. Aber auch für Dähnkes Modell gilt, daß der eigene Blick auf jeden Fall in der Fernsicht einen Teil des Groben durch Ästhetik ersetzt, und in der Bearbeitung durch Schmidt sowieso.
Ich möchte kurz auf den letzten Teil von Hartmuts Beitrag eingehen. Ich bin mir mittlerweile ziemlich sicher, dass der „Schwarze Schwan“ keineswegs Anspruch erheben kann, eines von Dähnckes "Meisterwerken“ zu sein. Bei dem Hamburger Modell, das ich zum Vorbild genommen habe, finde ich mehr Sorgfalt aufgewendet; und erst recht zeigt die Fotostrecke, die im Archiv der Süddeutschen Zeitung im Internet einzusehen ist, Modelle, die den Typus des holländischen Zweideckers ganz gut und in den Proportionen stimmig wiedergeben. Der „Schwarze Schwan“ hat vermutlich in einem verrauchten Lokal gehangen, dessen Luft so fettgetränkt war, dass ich vermute, der Beschaffer des Modells hat sich nicht für eines der absoluten Elite-Modelle des Wismarers entschieden. Immerhin habe ich von Preisen für Dähnckes Schiffe von 100 und mehr Reichsmark gelesen. Das ist um 1900 der Durchschnittslohn eines Facharbeiters, das Modell müsste also heute 5000 € und mehr kosten. Da waren 20-50 Reichsmark schon eine große Differenz. Tatsächlich ist an Modellen Dähnckes die Serienproduktion deutlich zu erkennen, das hat mir auch ein Modellbauer von der Ostseeküste bestätigt, der eines seiner Modelle für eine Weimarer Kirche aufgefrischt hat. Der „Schwan“ scheint mir ganz ein Produkt der Serie zu sein, dazu eines mit zurückhaltender Ausstattung. Die „Königsfiguren“, die ich vorauseilend nach dem Hamburger Vorbild bereits hergestellt habe, finden darauf gar keinen Platz. Andererseits ist es natürlich interessant, an so einem Modell zu arbeiten, dass nach einem frühen – individuellen! – Baukastensystem hergestellt worden ist. Schließlich arbeiten ja auch heutige Modellbauer, von wenigen kreativen Meistern abgesehen, mit Baukästen oder zumindest mit Plänen, die im Blick auf den Modellbau konzipiert worden sind. Mir ist jedenfalls schon der probeweise von der Decke hängende Rumpf nicht mehr aus meinem Zimmer wegzudenken, und die Takelage, die der „Adler“ ihm spenden wird, sollte ein übriges tun. Einen schönen Sonntag mit angenehmen Temperaturen wünscht: Schmidt
Seit über zwei Jahren hat sich hier nichts mehr getan. Einer der Gründe dafür ist, dass ich davor zurückschrecke, eine komplette Takelage für den Rumpf zu bauen. Ich bin mir im Unklaren darüber, welchen Detaillierungsgrad sie haben soll etc. Doppelt unerfreulich ist diese Untätigkeit, weil ich wie viele, die von Corona zum extensivem Wohnen verurteilt worden sind, einiges getan und investiert habe, um mein Arbeitszimmer (aka Home Prison) zu verschönern. Da fehlt das i-Tüpfelchen in Form eines unter der Decke schwebenden Schiffes doch besonders schmerzlich. Beim Stromern im Netz bin ich dann auf dieses Angebot gestoßen, gewissermaßen als Platzhalter für den Schwarzen Schwan.
Der Transport erfolgte erstaunlich reibungslos, obwohl sich das Teil von mir aus gesehen am anderen Ende der Republik befand. Am letzten Samstag ist es bei mir eingetroffen, von einem freundlichen Familienmitglied siebenhundert Kilometer weit transportiert. Es hängt bereits am Haken des Schwanes und wird in schwebender Position abgestaubt und geflickt. Ich verwende diese Verben mit Absicht. An eine Reinigung oder gar an einen neuen Anstrich ist nicht zu denken. Ich vermute, dass das Modell bereits bei seiner Herstellung (vor möglicherweise etwa hundert Jahren) so hergerichtet wurde, dass es aussah, als sei es dreihundert Jahre alt. Jetzt sind noch einmal hundert Jahre dazugekommen, und ich werde den Teufel tun, diese Mischung aus gefakter und echter Patina zu beschädigen. Auch was die Reparatur angeht, wird es sich eher um ein Flicken handeln, was besser zu der ursprünglichen Bautechnik passt als die sorgfältige Restaurierung, die man anderen Modellen vollkommen zurecht hat angedeihen lassen, weil sie tatsächlich aus der Zeit um oder kurz nach 1600 stammen. Ich denke da besonders an das Peller-Modell und das Modell von der Insel Fehmarn. Inwieweit diese Modelle beim Bau meines Exemplars Patte gestanden haben, weiß ich nicht zu sagen, halte es aber für eher unwahrscheinlich, da sie erst in den siebziger Jahren dokumentiert und publiziert wurden. Momentan gehe ich Hinweisen nach, dass das Modell aus einer speziellen Spielwaren-Manufaktur in Thüringen stammen könnte. Hinweise sind natürlich sehr willkommen! Der Verkäufer hatte das Modell für die Fotos im Netz ein bisschen hergerichtet. Kein Vorwurf, die Beschreibung nannte die Schäden. Die Besanrute ist gebrochen, ebenso der Spritmast oberhalb des Eselshauptes und (ohne Foto) die Großbramstenge auf Höhe der Halterung der Bramrah. Mindestens ein Fahnenknauf und zwei Fahnen fehlen. Die bemalten Segel sind stark nachgedunkelt, woran sich wohl nichts mehr wird ändern lassen. Das stehende Gut ist äußerst kräftig und hat wohl dafür gesorgt, dass das Schiff seine Masten behalten hat, das laufende Gut ist zum großen Teil verrottet, Reparaturen sind unsachgemäß durchgeführt worden.
Aber! Ich finde, das Modell hat Charme und Aura. und es ist von seinen Erbauern sowohl im technischen wie auch im optischen Sinne für eine Hängung gestaltet worden. Ein auf dem Deck sich gabelnder kräftiger Draht führt dezent hinter dem Großmast nach oben zu einer großen Öse. An der Öse aufgehängt, befindet sich das Modell nahezu perfekt austariert, ohne einer Korrekturaufhängung zu bedürfen. Und wahrscheinlich hat um 1600 kein Bug eines Schiffes so ausgesehen, aber eine schöne Handwerksarbeit ist es doch allemal, oder?