Mal anders gefragt: wo läuft den der Vorholer hin? Um seiner Bezeichnung gerecht zu werden muß er ja irgendwie in Richtung Bugspriet- oder Klüvernock laufen.
Auf der Zeichnung aus dem Buch am Ende des betreffenden Beitrages sehe ich aber keinen Aus- oder Vorholer, sondern nur merkwürdig assymetrisch geführte Toppnannten. In Gegenwart von Klüverbaumgeien würden verstellbare Toppnannten aber keinen Sinn machen, wenn nicht auch gleichzeitig die Geien verstellt werden können. Wenn ich nämlich den Anstellwinkel der Blinderah mit den Toppnannten veränderere kommen die Geien lose (die ja mit der Blinderah als Kathete und dem Bugspriet/Klüverbaum zwei rechtwinklige Dreiecke bilden - wenn ich die Nocks der Blinderah nach vorne bzw. nach hinten verschiebe, wird die effektive Länge der Kathete kürzer sowie eine Hypothnunse länger und die andere kürzer, aber die Summe der Hypothenusen wird auch kleiner).
Meine naive und vielleicht historisch inkorrekte Schlußfolgerung wäre: entweder Klüverbaumgeien oder Toppnannten und evtl. Vorholer.
Die Zeichnung im gestrig gezeigten Update wollte ich nur die Blindetaurack ersichtlich machen. Die obere Darstellung die du erwähnst, zeigt den Brassenverlauf dieser Rah. Die Bauzeichnung sieht an der Fly kein Klüverbaumgeitau vor, jedoch möchte ich alles verwirklichen was so an einem Schiff angebracht war. Ob dies die Fly wirklich hatte ist mir ein Rätsel, erst recht wenn du nun die Frage stellst, ob alles miteinander gefahren wurde oder nicht und ob nun doch die Frage "entweder, oder" gestellt werden muss. Zum Vorholer an der Blinde: Der Vorholer lief vom Rahblock über den Violinblock unter dem Eselshaupt als Talje über beide Blöcke und wurde an der Vorderreling belegt. Hier noch eine Darstellung des Blindevorholers:
als erstes habe ich das Eselshaupt, Violine etc. vom Bugspriet geschwärzt. Vorlage war vorallem ein Schiff auf Eberhard's Homepage und gefällt mir nun auch viel besser als die naturbelassene Version. Auch nochmals einen Dank an die Kollegen (@Foxtrott, @Willi) die mich nochmals drauf hingewiesen haben und hab diesen Schritt nun gewagt und nicht bereut. Die Blinderah wurde mit ihren Toppnanten, Vorholer und Konterbrassen fertig gestellt. Es fehlt noch der Brassenlauf, wobei ich den später anbringe, da sie mich bei der Anbringung der Fockrah stören würden. Konterbrassen wurden hauptsächlich in der Sprietmastära gefahren, wobei nach David Steel durchaus die Konterbrassen, wenngleich nicht immer gefahren, auch in der englischen Schifffahrt noch bis zum Ende des Jahrhunderts bekannt war. (Quelle: Marquardt)
Ein Problem bleibt jedoch nach wie vor bestehen, nämlich die Ausrüstung der Klümerbaumgeitaue. Auch wenn Willi dies sehr schön beschrieben hatte, stell ich mir die Frage ob diese und warum diese noch zusätzlich zum Einsatz kommen. Lt. dem unteren Bild macht für mich dieses Tau eine ähnliche Arbeit wie die Toppnant der Blinderah. Wie Eberhard auch schrieb bin ich eher der Meinung: Entweder Toppnanten oder Klüverbaumgei.
Die schwarz umrandete Darstellung würde die Art Anbringung zeigen, vielleicht gibt es den ein oder anderen Rat/Hinweis von euch!
Hallo zusammen!! Da das Problem mit dem Klüverbaumgeitau nicht geklärt ist, lasse ich vorerst dieses weg und mache weiter mit der Anbringung der Bovenblinderah. Diese wurde mit ihren einfachen Toppnanten, Brassen, Vorholer und dem Perlenrack angebracht und die Toppnanten u. Vorholer wurden vorne am Bug belegt. Wie genau diese Rah am Klüverbaum angebracht werden soll ist mir ein Rätsel und konnte durch weitere Recherche nicht herausfinden, da die Fußpferde am Klüverbaum den Lauf dieser Rah behindern. Den Brassenlauf werde ich wie bei der Blinderah später fertig Takeln, da mir der sonst im Weg ist. Im fertigen Zustand ist die Rah dann auch gerade. IMG_20240327_152144.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Den Topnanten der Blinde die gleiche Funktion zuzuweisen, wie den Klüverbaumgeien halte ich für sehr gewagt. Die Topnanten gehören zum laufenden Gut, die Klüverbaumgeien zum stehenden. Letztere dürften eher mit den Wanten oder Pardunen der Masten vergleichbar sein. Ich würde ihnen die Funktion zuweisen, bei gesetzten Vorsegeln einen Gegenpart zu deren Zugrichtung zu stellen. Die Topnanten der Blinde verstellen deren Nocken in Richtung des Verlaufs des Bugspriets. In Verbindung mit den Brassen der Blinde (eigentlich heißen diese anders, Gissen oder so ähnlich...) und den anderen Takelelementen lässt sich die Rah sehr variantenreich verstellen. Wie das ausgesehen haben könnte, ist heutzutage Gegenstand von div. Segelversuchen mit Replikas und meines Wissens nach noch nicht vollständig geklärt. Wie komplex die Verstellmöglichkeiten sind, kann man bein Ausrichten der Blinde und der Oberblinden dann selbst erfahren. Sie sauber auszurichten ist nämlich gar nicht so einfach.
Diese Aspekte mal komplett außer Acht gelassen, könnte man sich der Einfachheit halber auch auf den Standpunkt stellen, dass die Rah unter dem Bugspriet einfach traditionell genau nach dem Muster der Rahen am Mast getakelt wurde, ohne dabei irgendeine spezielle Funktion im Sinn zu haben.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Klüverbaumgeien vs. Toppnannten der Blinderah: ich würde das so sehen, daß es Toppnannten waren, solange tatsächlich eine Blinde gefahren wurde. Auf alten Gemälden und Zeichnungen kann man in der Tat sehen, daß die Blinde z.T. in recht 'windigen' Stellungen gefahren wurde. Sobald die Blinderah zu einer Spreizlatte für die Geien mutierte sind diese natürlich Teil des Stehenden Gutes. Die Geien und Toppnannten befinden sich nahezu an der gleichen Position, haben aber sehr unterschiedliche Funktionen.
Vielen Dank für eure Äußerungen bzgl den Klüverbaumgeien usw. Nachdem die Bovenblinderah nun angebracht ist, werde ich die Klüverbaumgeien nun doch verwirklichen :) Andreas
Schrage war ein netter Mann, aber vielleicht auch nicht unfehlbar ... ein System mit Toppnannten und Geien wäre, wie man das in der Mechanik nennt, ein überbestimmtes System, d.h. es gibt zu wenige Freiheitsgrade. Die Geien machen ja nur Sinn, wenn sie permanent an der Blinderah fixiert sind - dann kann man die Rah aber nicht mit den Toppnannten bewegen. Würde man die Geien loswerfen kann man zwar die Rah bewegen, aber die Geien verlieren ihre stabilisierende Wirkung auf den Klüverbaum. Damit man die Rah wirklich mit den Toppnannten bewegen könnte, müßte man die Geien an ihrem Befestigungspunkt an der Rah loswerfen. Ansonsten würde das System ein Dreick mit fixierten Seiten bilden.
Man könnte sich allerdings operationelle Szenarien dafür vorstellen: wenn die Blinde gesetzt ist wirk der Zug hauptsächlich entlang des Klüverbaumes, so daß die Geien nicht notwendig sind. Wenn umgekehrt die Vorsegel gesetzt sind, drücken sie seitlich gegen den Klüverbaum, so daß die Geien, wenn sie durchgesetzt sind, dem entgegenwirken.
Sowohl McKay (Anatomy of the ship), als auch Hackney (HMS Victory) sehen Klüverbaumgeien gemeinsam mit Blinde-Topnanten für HMS Victory vor. McKay und Colemam ebenso für HMS Pandora (AotS) und White für HMS Diana (AotS). K.H. Marquardt beschreibt die Bugspriettakelung eben so (Takelung von Schiffen des 18. Jahrhunderts, S. 85ff und S. 85, Abb. 177 und S. 83 Abb. 176). @wefalck Ich kann Deine Einwände insbesondere aus dem Blickwinkel der Praktikabilität durchaus nachvollziehen, wobei ich, wie schon in #65 nochmals auf die Rolle hinweisen will, die die Tradition beim Bau und der Takelung gespielt hat. Außerdem ist mir bei Deinen Anmerkungen eine Sache aufgefallen:
Zitat von wefalck im Beitrag #73Die Geien machen ja nur Sinn, wenn sie permanent an der Blinderah fixiert sind
Alle von mir genannten Autoren stellen die Klüverbaumgeien so dar, dass eben keine feste Verbindung zur Blinderah besteht. sondern sie nur durch auf der Rah befestigte Kauschen geführt werden. Die Blinde dürfte somit lediglich als Ausrigger der Geien gedient haben. Marquardt erwähnt noch, dass die (doppelten) Topnanten der Blinde auch als Schoten für das Segel der Oberblinde gedient haben.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Jedoch führt Marquardt nicht nur die Darstellung aus, wo die Geien auf an der Rah befestigte Kauschen laufen, wie es auf der Darstellung von Schrage auch ersichtlich ist. Diese Art würde auch mehr Sinn ergeben. Jedoch gibt's von Marquardt noch die Darstellung, wo die Geitauschenkel zwischen der Hälfte der Blinderah und dem Baumtopp reichte. An der Rahnock wurde ein Läufer befestigt, der durch einen Block im Geitauschenkel lief und zur Back führte. Diese Art wurde auf englischen Schiffen bis 1775 gefahren. Das ist wie gesagt die zweite Möglichkeit nach Marquardt, die in der Zeit der Fly zum Einsatz kam und dies in gewisser Weise den Toppnanten gleich ist wie ich denke. Hier nochmals die Veranschaulichung. Rechts die Darstellung auf dem Kontinent bis Ende des Jahrhunderts und links die Darstellung auf englischen Schiffen bis 1775.