Mit den folgenden Fotos verabschiedet sich die Staatenjacht für die Zeit, die es braucht, damit alle Farbaufträge ausreichend trocknen. Erst dann wird es mit der Herstellung der Takelage weitergehen. Die Arbeit der Komplettierung des Rumpfes mit allen Anbauteilen und deren (mehr oder weniger) endgültige farbliche Gestaltung ist mir in den letzten Tagen recht leicht von der Hand gegangen. Große Katastrophen sind nicht passiert. Außerdem soll das Modell ja eine gewisse historische Ausstrahlung bekommen, und dazu gehören auch ein paar nicht ganz superkorrekte Trennkanten kann zwischen verschiedenen Farben, uneinheitliche Farbtöne auf größeren Flächen, hier und da ein Fleck oder ein Patzer oder Kratzer etc.
Unsere Gartenmauer ist als Hintergrund für die Fotos sicher zu unruhig. Ich wollte aber endlich mal ein paar Aufnahmen mit Tageslicht herstellen und zeigen. Sie geben meines Erachtens den tatsächlichen Eindruck des Modells ganz gut wieder.
Ganz großes Kino . Das Modell lebt erst recht mit der Patinierung so richtig auf . Sieht alles sehr stimmig aus und ist eine Wohltat für die Augen - ein grandioser Anblick . Ich bin begeistert .
Ist es Zauberei? Eben noch ein mastloser Rumpf – und jetzt ein komplettes Segelschiff!
Nun, zaubern kann ich leider nicht, obwohl ich es gerne könnte, wenn es um die Takelage geht. Der sehr stark repetitive Charakter dieser Arbeit verträgt sich nicht gut mit meinem Temperament. Ich habe mir den Mast und die Segel vom Platzhaltermodell geborgt. Da der Rumpf der Staatenyacht mit einer röhrenförmigem Mastaufnahme versehen ist, ließ sich der abgesägte Mast des Stellvertreters leicht aufrichten und mit Wanten und Stagen befestigen. Hier der arme Stellvertreter während des chirurgischen Eingriffs.
Die Errichtung einer Ersatztakelage, die natürlich nur vorläufig sein soll, war allerdings ganz lehrreich. Sie zeigt mir, dass ich das beigegebene Segelmaterial und erst recht die daraus hergestellten Segel nicht verwenden sollte. Die Gründe dafür: die Segel sind zu steif, sie fallen nicht richtig, sie wirken nicht schwer. Im Maßstab 1:30 müsste man das besser hinkriegen können. Ich nehme ab sofort Hinweise auf geeignetes Segelmaterial dankend entgegen. Und ich werde mich nach jemandem umsehen müssen, der besser nähen kann als ich und der die entsprechenden Maschinen besitzt.
Hier noch zwei Aufnahmen vom Vorbildmodell in Amsterdam, die leider wegen der schlechten Beleuchtungsverhältnisse nicht richtig zeigen, dass die dortigen Segel viel natürlicher wirken.
Und was soll jetzt mit dem übel zugerichteten Stellvertreter passieren? Natürlich bin ich schon längst auf die Idee gekommen, ein zweites Modell anzufertigen, besitze ich doch von praktisch allen neuen Teilen Silikonformen. Aber ich war von Anfang an skeptisch. Ein Blick auf den Bug, die heikle Stelle, zeigt, dass der Erbauer des Modells so seine Schwierigkeiten gehabt hat. Womöglich hat er sich auch deshalb zu dem ungewöhnlichen Farbschema „Grün über alles“ entschieden.
Dennoch habe ich einmal mein Glück versucht. Im hinteren Bereich kam unter den Farbschichten eine ganz passable Oberfläche zum Vorschein.
Erker, Fisch und Ornamente passen ganz gut an ihre Plätze; mit etwas Anpassungsarbeit wäre natürlich zu rechnen.
Am Bug aber sieht es nicht so gut aus. Hier hat der Erbauer doch eine Menge Spachtelmasse benutzt. Ich fürchte, wenn ich eine harmonische Rundung schleifen will, könnte es Löcher geben. Denn leider besteht die Bordwand nur aus einer Lage nicht sehr dicken und leicht splitternden Mahagoniholzes.
Ich werde darüber nachdenken.
Schmidt
PS: Ganz herzlichen Dank für die vielen „Gefällt mir“!
Wieder sieht es so aus, als hätte die Staatenjacht eine neue komplette Takelage, und wieder stimmt es nur zur Hälfte. Ich habe in den letzten Tagen versucht, einen Plan des stehenden und laufenden Gutes zu entwerfen, wie es dem Original möglichst ähnlich sein könnte. Das war und ist nicht einfach, denn die Fotos aus dem Museum in Amsterdam geben keinen genauen Aufschluss über den Verlauf der Taue, und genauso wenig tun das die Fotos, die das Museum selbst veröffentlicht hat. Nun ist die Takelage eines einmastigen Fahrzeugs nicht unbedingt ein Buch mit sieben Siegeln, aber im Detail gibt es doch viele Fragen. Ich habe mich deshalb entschlossen, zunächst einmal eine „Entwurfstakelage" aufzubauen, um daran zu kontrollieren, wo die einzelnen Blöcke positioniert sein müssen, wo die Taue belegt werden können und – sehr wichtig! – welche genauen Maße die Segel haben sollten. Dabei habe ich auch auf andere Modelle von Statenjachten aus dieser Zeit zurückgegriffen, zu denen es bereits bedeutende Forschungen gibt, wie zum Beispiel zur „Utrecht“, deren Vorbild aus der selben Zeit datiert wie das Amsterdamer Modell. Leider habe ich ein helles Garn für den Entwurf verwendet, das man auf dem Foto unten kaum erkennen kann.
Die Taue sind nicht belegt, sondern werden nur mit Klammern straff gehalten, um zum Beispiel die Höhe der Gaffelklaue und den Winkel der Gaffel so lange problemlos verstellen zu können, bis die endgültige Position aller Befestigungspunkte festgelegt ist.
Gemäß dieses Entwurfs werde ich mich nun zuerst an das stehende Gut machen. Und dann noch ein historischer Nachtrag. Ich hatte mich an den großen Schifffahrtshistoriker Ab Hoving mit der Frage gewandt, ob er etwas mehr über das Amsterdamer Modell wisse. In seinem Buch über die Utrecht hatte er ein offenbar älteres (schwarz-weiß) Foto des Modells abdrucken lassen. Er schrieb mir dann, dass solche Modelle keineswegs nur Spielzeug für Kinder gewesen sein. Tatsächlich habe man im achtzehnten Jahrhundert ganze Seeschlachten mit großformatigen Modellen auf Teichen und Weihern veranstaltet, wobei die Schiffe sogar „funktionierende“ Geschütze gehabt haben. Außerdem verwies er mich an ein des niederländischen Schifffahrtshistorikers Gottfried Crone aus dem Jahr 1926, das der Vielzahl kleinerer holländischer Küsten-und Binnenschiffe des 17. und 18. Jahrhunderts gewidmet ist. Dort findet sich das besagte Schwarzweiß Foto. Zusammen mit dem beigegebenen Text beweist es, dass eine Restaurierung des offenbar schwer beschädigten Modells bereits vor 1926 stattgefunden hat; mit anderen Worten: Auch der heutige Zustand des Modells kann bereits als historisch gelten. Das besagte Foto kann ich verlinken, ohne Rechte zu verletzen. Es handelt sich um Abbildung vier.
Den relevanten Teil aus der Beschreibung des Modells im Textteil habe ich übersetzt:
Staatenjacht erste Hälfte des 18. Jahrhunderts Tafel 4 Hier sehen wir ein Fahrzeug der Art, wie sie im 18. Jahrhundert ähnlichen Fahrzeugen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachgefolgt ist. Beim Vergleich mit der Jacht von Tafel 1 und 1a bemerken wir, dass der Rumpf etwas schlanker ist, es existiert kein erhöhtes Steuerdeck, und die Ornamente orientieren sich am Zeitgeschmack. Dieses Modell ist eins von zwei vollkommen gleichen, die beide dem niederländischen historischen Schifffahrtsmuseum gehören. Das abgebildete stammt aus dem Nachlass von W. Six aus Hilversum, das andere, datiert 1736, war einige Jahre in meinem Besitz und stammte aus Friesland. Beide sind unverkennbar vom selben Modellbauer hergestellt und haben gleiche Abmessungen, nur in den Ornamenten unterscheiden sie sich, wobei das hier abgebildete stilreiner ist. Der Rumpf war in einem verfallenen Zustand, wahrscheinlich eine Folge des Umstandes, dass das Modell als „Weiherschiffchen“ Dienst getan hat, auch war nichts von der Takelage erhalten, die Bemalung und die vergoldeten Ornamente waren hingegen in gutem Zustand, so dass die Restaurierung, die vom Museum durchgeführt wurde, sich auf Reparaturen am Kiel und eine neue Takelung beschränken konnte. Dazu machte der Direktor Gebrauch von den genauen Daten aus dem schiffsbautechnischen Archiv der [Schiffbauer]Familie van Zwijndregt [aus Rotterdam], die dem Museum von einem Nachkommen geschenkt worden war.
Mit anderen Worten: Es hat so etwas wie eine Serienproduktion gegeben. Nach Auskunft von Ab Hoving weiß man allerdings nichts über entsprechende Werkstätten. Außerdem scheint es so, als seien die Ornamente tatsächlich vergoldet gewesen.
Zitat von Schmidt im Beitrag #173Der Rumpf war in einem verfallenen Zustand, wahrscheinlich eine Folge des Umstandes, dass das Modell als „Weiherschiffchen“ Dienst getan hat,
Es sage bitte niemand, die Arbeit an einem Modell im großen Maßstab sei einfacher als die an einem kleinen. Gut, wessen Augen nicht mehr die allerbesten sind, der hat vielleicht mit Modellen in 1:150 Probleme, wenn es in die Details geht. Aber ich habe in den letzten Wochen die ziemlich schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass auch große Modelle, an denen man „alles ganz leicht erkennen kann“, ihre Tücken haben. Sie brauchen sehr viel Platz, nach einer halben Stunde ist die Werkbank Handbreit hoch mit Werkzeugen und Materialien überfüllt, Farbe rührt man nicht mehr in Töpfchen, sondern in Eimern an, für großflächige Verklebungen braucht man eine Menge spezieller Vorrichtungen usw. usw. groß eines der vielen Probleme, die ich noch nicht kannte, ist jetzt aufgetaucht. Meine kleinen Modelle kann ich abends leicht mit zum Fernsehen ins Wohnzimmer oder zum Abendbrot im Esszimmer nehmen. Ich stelle sie dann in verschiedenen Entfernungen und für verschiedene Betrachtungswinkel auf, schaue immer mal wieder hin – und sehe dabei Dinge und Umstände, die ich im Bastelkeller nicht gesehen habe. Irgendein Schwung stimmt nicht, ein Übergang, eine Ornamentenlinie, eine Farbe usw. usw. Meine Staatenjacht aber habe ich jetzt ein halbes Jahr lang immer nur aus der nahen Distanz und mit dem Blick von schräg oben gesehen. Was daher folgerichtig passieren musste: Nach ein paar Tagen mit ihrer Probetakelage auf dem Kamin im Wohnzimmer mir etwas auf: Der Abstand zwischen den beiden Barkhölzern ist etwas zu groß. Ich weiß, der Billing Rumpf hat etwas andere Dimensionen als der des Vorbilds in Amsterdam. Aber um eine historische Superrichtigkeit ist es mir nie gegangen, dagegen aber durchaus um eine weitgehende Ähnlichkeit in der Anmutung. Was konnte ich jetzt tun? Das untere Barkholz wegnehmen und versetzen? Das hätte womöglich den Rumpf stark beschädigt, auf jeden Fall aber die Architektur der Ornamentik am Heck durcheinandergebracht. Nach eingehender Betrachtung der Vorbildfotos habe ich mich schließlich dazu entschieden, das untere Barkholz und zwei Millimeter zu verbreitern. Auch im Original ist es signifikant breiter als das obere, optisch rutscht es damit nach oben. Ich habe die Verbreiterung mit einer Biegeleiste von zwei Millimeter Kantenlänge bewerkstelligt, weitestgehend ohne Kollateralschäden. (Im Nachhinein habe ich mich über meine eigene Tollkühnheit gewundert. Aber ihr kennt das: man kann nicht weiterbauen, wenn etwas stört.) Hier wird die schmale angesetzte Leiste mit dem bestehenden Barkholz verspachtelt.
Hier noch einmal Vorbild, erste Fassung und zweite Fassung. Es fehlt noch die Nagelung und eine abschließende Farbbehandlung.
Mir ist klar, dass beim Amsterdamer Modell die Wasserlinie tiefer liegt – aber ich weiß nicht, ob ich mich auch da noch einmal ran trauen soll. Ich fürchte, dass nach einem partiellen Abschliff weiße Farbe in den feinen Rillen des Beplankungsholzes verbleiben und dort nicht mehr entfernt werden könnte. Schmidt
Die Verbreiterung der unteren Barkhölzer hat mich jetzt ziemlich zurückgeworfen. Zudem muss ich leider feststellen, dass es immer noch Baustellen am Modell gibt, die ich bislang vernachlässigt habe. Es beginnt mit der Mastspitze, die am Original ein kunstvolles Teil ist, vermutlich auf einer Drehbank hergestellt. So eine besitze ich nicht, und meine Versuche mit der Bohrmaschine sind kläglich gescheitert.
Also bin ich einen anderen Weg gegangen, habe im Bastelgeschäft Perlen in verschiedenen Größen gekauft und sie auf einen stabilen Draht gefädelt. Das sah erstmal furchtbar aus.
Aber ich habe mich nicht abschrecken lassen, habe die Übergänge etwas verspachtelt und eine Spitze geformt. Ganz in Gold kann das Teil vielleicht wenigstens so lange Dienst tun, bis mir jemand anderes etwas Schöneres auf der Drehbank herstellt.
Dann ging es an die Blöcke. Bei dem großen Maßstab sollten sich schon ein bisschen detaillierter sein, als ich es ansonsten gewohnt bin. Der erste Versuch mit einem Serienprodukt hat mir nicht gefallen. Zu eckig, der Haken aus verdrillertem Draht zu dick.
Hier das gleiche Ausgangsprodukt, etwas runder geschliffen und abgegossen. Der Haken ist separat eingesetzt. Sicherlich besser – aber
– nicht das Gelbe vom Ei. Hier nun das Urmodell einer Blockhälfte, das ich nach einem Foto von Originalteilen aus dem Buch über die (zeitgleiche) „Utrecht“ hergestellt habe. Ich denk an eine Serienproduktion von Halbfertigteilen. Mal sehen, ob das gelingt.
Und hier schließlich noch ein Ratebild: Wer erkennt das fehlende Teil? Richtig, es ist tatsächlich das Tierornament an Steuerbord, durch das das Ankertau läuft. Selten, vielleicht nie zuvor, habe ich ein dermaßen großes Teil auf einer Fläche von zwei Quadratmetern in der Werkstatt verloren, ohne dass es sich nach mehrfacher intensiver Suche wieder finden ließ. Und lustig: Es ist eines der ganz wenigen Teile, von denen ich keine Form hergestellt habe.
Schmidt wünscht noch einen schönen, sonnigen Sonntag
Pass auf dass du die Blocke nicht zu rund macht: dass halbmodell sieht aus wie fast rund. Das Model in Amsterdam hat Blocke die mehr 'ei'-rund als Fussball-rund sind