ich möchte Euch heute meinen neuen Baubericht vorstellen.
Eins vorweg, meine Victory habe ich nicht aufgegeben aber einstweilen in das Pausendock geschoben. Der Grund dafür ist, dass, wie auch schon im BB der Vic geschrieben und vielfach anderswo gelesen, der Bau dieser Schiffsklasse eine hohe Anforderung an den Erbauer stellt, wenn was akzeptables entstehen soll. Dieser Anforderung bin ich, aus meiner Sicht, etwas zu sportlich entgegengetreten und in der Zeit, seit dem ich hier im Forum bin, hat mich die gezeigte Qualität zum Nachdenken gebracht. Welche Veränderungen ich in welchem Umfang vornehmen werde ist noch nicht entschieden.
Dieses neue Projekt eines Zeesbootes soll nun rein der Übung verschiedener Techniken dienen.
Hier ist verhältnismäßig wenig überliefert. Das liegt sicher auch daran, dass es ein recht einfaches Fischerboot bzw. Arbeitsboot ist. Was an verfügbarer Literatur derzeit für mich greifbar war habe ich gelesen. Ich bin aber für jeden Hinweis und Korrektur meiner Darstellung, insbesondere der zeitlichen Zuordnung, dankbar. Seinen Ursprung hat das Zeesboot in der Haff- und Boddenfischerei der Slawen im 9. und 10. Jahrhundert. Durch technologischen Transfer der Zuwanderer im Gebiet der Ostsee im 13. Jh. entstand der ursprüngliche Zeeskahn, welcher um 15. Jh. erwähnt wird. Da der Fischereibetrieb vornehmlich durch das sogenannte Fischeramt reguliert wurde, gab es, politisch bedingt, regional auch einige Hoch- und Tiefphasen im technischen Schiff- und Bootsbau. Mit Einführung der Gewerbefreiheit um 1848 durch die preußische Herrschaft (1815 kam Stralsund und schwedisch Vorpommern zu Preußen) und dem Ende des Leibeigentum, erfuhr der Fischereibetrieb und der Bootsbau wohl einen Aufschwung. Um 1880 gab es wieder ca. 110 Zeesfahrzeuge unter Segeln. Die ursprünglichen Zeeskähne waren 2mastig, mit Seitenschwert und Luggersegel getakelt und wurden mit 4 Mann gefahren. Zeesboote hingegen anfänglich 1mastig von 2 Mann gefahren. Die Zeese, eine besondere Fischereimethode der Slawen, ist ein Schleppnetz mit zwei Flügeln, welches über den Boden gezogen wird. Die Zeese ist am Lang- und Driftbaum des ZeesKahn/bootes befestigt.
Das Zeesboot, welches beim Fischen vor dem Wind driftet, erlangte gegenüber den Zeeskähnen den Vorteil, dass es nicht auf einem Kiel sondern auf einer Bodenplanke aufgebaut ist und somit bessere Drifteigenschaften besitzt. Die notwendige Stabilität in der Fahreigenschaft wird durch ein absenkbares Mittelschwert (ab 1870) gewährleistet. Die Beplankung wurde geklinkert aber auch kraweel ausgeführt. Mit der Einführung des Schwertes wurde weniger geklinkert gebaut. Heute gibt es nur noch vereinzelt Zeesboote, welche für den gewerblichen Fischfang genutzt werden. Die meisten Boote sind Freizeitseegler, welche von ihren Eignern zum größten Teil sehr liebevoll erhalten werden. Den individuellen Bedürfnissen folgend wurden zahlreiche Umbauten vorgenommen, so dass es heute nur einzelne Boote gibt, die annähernd dem „Original“ entsprechen. Im Stralsunder Nautineum kann man u.a. eines bewundern. Neben dem gängigen spitzgatten gibt es auch den rundgatten Rumpf. Die ober- und Unterdecksbauten entstanden den gewünschten Eigenschaften entsprechend. Das älteste noch fahrtüchtige Schiff ist um 1870 gebaut. Heute gibt es noch ca. 80 Zeesboote unter Segeln, viele davon zwischenzeitlich motorunterstützt. Soweit verfügbar werde ich Einzelheiten in die jeweiligen Bauabschnitte einarbeiten.
Vielen ist es vielleicht bekannt aber im Modellbau nicht sonderlich verbreitet. GK-Modellbau bietet ein Spantmodell an, welches mir jedoch nicht gefallen hat. Ich verwende hier Pläne im Maßstab 1:20, welche ich von Herrn Werner Möller aus Hagenow bezogen habe. Für alle die ihn nicht kennen, möchte ich diesen Link http://modell.zeesenboot.com empfehlen. Weitere zahlreiche Informationen zu diesem Boot und seiner Geschichte sind u.a. auf der Web-Site www.braune-segel.de liebevoll zusammengestellt.
Das hier entstehende Modell stellt ein 2mastiges Zeesboot mit Groß- und Besanmast (auch Bullmast) dar. Es hat einen spitzgatten Rumpf, welcher im Original folgende Hauptabmessungen hat: Länge über Steven: 11,50 m, Breite über alles: 3,65 m, Tiefgang (Heck) 1,0 m, Segelfläche 90 – 100 m², Masse: ca. 9-10 t. Da diese Boote grundsätzlich keinem „strengen“ Baumuster folgen und einiger Interpretationsspielraum vorhanden ist, kommt mir das sehr entgegen, so dass ich mich wenig auf historische Korrektheit sondern hauptsächlich auf die pure Bautechnik konzentrieren muss. Trotzdem werde ich versuchen am Original zu bleiben.
Der Rumpf
Die Beplankung des Rumpfes erfolgt in Klinkerbauweise. Diese Art Beplankung ist für mich Neuland und daher sehr spannend. Die originale Beplankung sowie das übrige Zimmerwerk wurde in Eichenholz ausgeführt . Ich werde jedoch Birnbaumholz verwenden, da das Eichenholz doch sehr speziell ist. Wie gesagt soll das ja ein Übungsstück werden und da ist Klinkern für mich schon ausreichend anspruchsvoll. Um den geklinkerten Rumpf herzustellen nehme ich jeden 2. Spant als Bauspant. Diese Bauspanten (2,4,6,8,10, 12 und 14) werden vom Plan auf 6 mm Pappelsperrholz mit Blaupapier übertragen.
Die sogenannten Mallenspanten werden auf dem Hellingbrett mit entsprechenden Abstandsklötzchen verleimt und bilden eine stabile Form. Der Bau der Malle war schon etwas aufwendig, wenn man bedenkt, dass diese nachher „übrig“ ist.
Hallo Victory78 Das ist ein interessantes Projekt, eigentlich zu schade, um als bloßes Übungsobjekt angesehen zu werden. Boote diesen Typs sind übrigens auch einem Minisailor ins Visier geraten, Leo Allelein hat dazu einen Baubericht geschrieben. Zu diesem kann ich nicht viel sagen, aber ich dachte mir, dass Dich vielleicht das Literaturverzeichnis am Ende interessiert.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Hi, Auf der Intermodellbau gab es einen Stand ( IG Mini-Sail von 1987), auf dem gleich mehrere solcher Zeesenboote im vergleichbaren Maßstab gezeigt wurden - schön gearbeitet ne R/C gesteuert. Es war auch mindestens eines im Bau.
Den Baubericht kannte ich noch nicht, aber die Literatur steht so wie aufgelistet in meinem Regal. Wie gesagt es gibt nicht allzuviel. Das Beste ist, sich vor Ort mit der Cam bewaffnet sein Material zu schießen.
hinsichtlich der Geschichte der Zeesenfischerei ist noch Einiges zu korrigieren, soll aber hier nicht weiter zerflückt werden. Die Internetseite von U. Grünberg ist schon sehr aufschlussreich. Bei den Zeesen, ein Grundschleppnetz mit mindestens einer Kehle, sollte mann auch unterscheiden, ob es sich um eine Driftzeese handelt, eine Scheerbrettzeese oder eine Tuckzeese. Den Zeesenerkahn von bis zu 23,00 m Länge gab es bis 1908 nur auf dem Stettiner Haff, Die kleinen Zeesboote der Boddenlandschaften Rügen - Darss, mit der uns heute bekannten Besegelung, kamen erst ca. Mitte des 19. Jh. zum Einsatz. Lediglich im Stralsunder Revier wurde bereits seit einigen Jahrhunderten mit der Driftzeese gefischt. Eine alte schwedische Karte zeigt Zeesboote oder - kähne mit Driftbäumen aber mit einem Rahsegel.
Das Foto zeigt einen Zeesenerkahn vom Stettiner Haff im Maßstab 1: 15
Gruß Helmut
Helmut Olszak
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
Zeesenerkahn vom Stettine
noch ein paar Worte zur Bautechnik. ich halte es Grundsätzlich so, dass die Mallen nicht eingeklinkt sind. Die Auflanger und Bodenwrangen werden erst nach Fertigstellung der Schale eingepasst. So, wie es auch im Original gebaut wird. Die Klinkerbauweise am Modell ist nicht einfach.
Gruß Helmut
Helmut Olszak
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
DSC03611.JPG
DSC03613.JPG
Zitat von Helmut Olszak im Beitrag #6 So, wie es auch im Original gebaut wird. Die Klinkerbauweise am Modell ist nicht einfach. Helmut
Hallo Helmut
vielleicht magst du ja dazu mal einen Thread in Tipps und Tricks anlegen? Klinkerbauweise ist eigentlich wegen der Beiboote für jeden historischen Schiffsmodellbauer von grossem Interesse.
@Victory78
*Dieser Anforderung bin ich, aus meiner Sicht, etwas zu sportlich entgegengetreten und in der Zeit, seit dem ich hier im Forum bin, hat mich die gezeigte Qualität zum Nachdenken gebracht.*
Woher kenn ich das? Ich hab dann irgendwann kurzerhand meine Vic zum Übungsprojekt gemacht und viel dabei gelernt (hauptsächlich, wie man es nicht macht)
Viel Erfolg bei deinem neuen Projekt.
Grüßle vom schönen Bodensee
Matthias
Der Schlüssel zum Glück ====> EINFACH MAL ZUFRIEDEN SEIN
sehr interessant Deine Details, da es ja irgendwie nicht viel zu lesen gibt. Wie ich schon sagte, liegt mein Focus mahr auf dem Bau. Will damit die Historie aber nicht weglassen, im Gegenteil. Werde bestimmt noch Fragen haben. Na, bald gibt es ja die ersten Regatten - da werd ich mal schauen. Ist da eine besonders zu empfehlen?
Ich muss mal sehen wie ich mit den ausgeklinkten Spanten klarkomme. Hr. Möller baut die Rümpfe auch auf dem glatten Spant.
ihr habt recht, ich werde einen Bildbericht über die Klinkerbeplankung bringen, so wie ich mir das erarbeitet habe. es wird noch ein paar Tage dauern. Nebenbei arbeite ich noch an der Rumpfschale eines Ostseekutters Typ "Pommern" nach Müller von 1919 ( nicht Oertz !) Dort lassen sich die Arbeitsschritte gut darstellen.
Der Zeesbootplan von Manfred Frach ist sehr gut. Nach diesem Plan baut gerade ein Modellbauer in Stralsund ( 82 Jahre ) unter meiner Anleitung sein erstes Klinkermodell.
Also nach meinen Erfahrungen mit "Le Cerf" finde ich, eine Klinkerbeplankung ist recht einfach herzustellen. 02-puwi-kutter-b01.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Respekt davor ist sicher in dem Maße angebracht, wie das bei jeder Beplankung der Fall sein sollte, aber auch nicht mehr. Ein bisschen Kopfzerbrechen hat mir das Einlaufen in die Steven bereitet. Hier lässt man ja die Überstände zu Nichts verlaufen. Dafür habe ich folgende Lösung gefunden: Klinkerbeplankung.gif - Bild entfernt (keine Rechte) Beschreibung : Link
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
hier mal die korrekte Arbeitstechnik. Das sollte man auch beim Modell so bauen. Das zweite Bild zeigt den Einlauf der Planke in deie Stevensponung, das sog. SET ( wie der Bootsbauer sagt) auch die Landung auf der gesamten Länge der Planke sollte angearbeitet werden. sie bildet die Auflage der folgenden Planke.
bei den Abbildungen handelt es sich um eingebogene Spanten, wie sie bei Sportbooten üblich sind. Bei Fischerbooten und größeren Fahrzeugen werden die Spanten ausgeklinkt,
Helmut Olszak
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Aufgrund eingeschränkter Benutzerrechte werden nur die Namen der Dateianhänge angezeigt Jetzt anmelden!
1908384_428004517332053_7
baykowski002.jpg
baykowski003-1.jpg
baykowski003-2.jpg
Zitat von Helmut Olszak im Beitrag #12..hier mal die korrekte Arbeitstechnik.
Na ja, meine Methode ist nicht die am Original verwendete, aber inkorrekt ist sie deswegen nicht. Sie ist eine Vereinfachung und korrekt ist, was zum Ziel führt und das hat sie. Sie stellt ja auch kein Muss dar, sondern ein Angebot und soll Leuten hier im Forum nur zeigen, wie man es machen kann und dass auch bei der Klinkerbeplankung nur mit Wasser gekocht wird. Wenn Du tatsächlich die Methode, wie sie an den Originalen verwendet wurde im Modell nachbauen willst, dann Hut ab , da freue ich mich schon auf Deinen weiteren Bericht.
Die angefügten kleinen Bilder sind mit Baykowski benannt. In diesem Kontext kann es sich dabei doch wohl nur um Uwe Baykowski handeln, der an der Kieler Hansekogge mitgearbeitet hat, oder?
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Hallo Robert Tja, ehe man sich's versieht, ist eine Diskussion im Gange, das wollte ich gar nicht, ich wollte wirklich nur ein Angebot machen. Was Du sagst, ist natürlich richtig, ich störe mich aber ein bisschen an dem Begriff korrekt. Mit dem sollte man in unserem Metier sehr vorsichtig umgehen.
Demnach ist es dann auch nicht korrekt, wenn man den Zwischenraum zwischen den Spanten mit Sperrholzbrettchen ausfüllt, um eine gute Auflage für die Beplankung zu erhalten, oder Planken leimt, anstelle zu nageln oder zu dübeln. Es sind Vereinfachungen und zwar welche, die ich wirklich für sehr sinnvoll halte. Aber sie weichen von der originalen Bauweise ab, deswegen würde ich trotzdem nicht behaupten wollen, sie seien nicht korrekt. Sie sind, wie meine hier vorgestellte Vereinfachung, ein Angebot.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.