Zitat von Werner im Beitrag #1080Also, nach allem, was ich jetzt über die Entwicklung der Drehmaschinen gelesen habe, würde ich mal vorsichtig, aber bitte ganz vorsichtig sagen: Die Rohre der HZ stammen nicht aus der Entstehungszeit des Modells.
Ich gehe schwer davon aus, dass die Kanonen (-rohre) jünger sind. Ob die Lafetten original sind kann ich nicht sagen, aber ich würde mal behaupten, dass es einfacher wäre eine komplette Kanone auszutauschen als nur das Rohr. Kann ja durchaus sein, dass die Rohre außerhalb des Modells auf die vorhandenen Lafetten montiert wurden.
@ara Wenn man die Bilder vom Gent Modell auf der Vasa-Seite sich ansieht, kann man erkennen, dass die Rohre anscheinend Bronze-Farben gestrichen sind. Man kann auch eine Gußnaht erkennen. Woraus die Rohre nun sind, kann ich nicht sagen. Ich würde mal behaupten sie sind nicht aus Bronze.
Zitat von Werner im Beitrag #1073Bezüglich der Vergleiche mit Witsens Versuch, den praktisch angewendeten Schiffbau in ein theoretisches Gerüst zu packen, sollte bedacht werden, dass nur ganz wenige Schiffbauer im 17. Jahrhundert die Versuche Witsens wirklich ernst nahmen. Ein Modellbauer wird das gebaut haben, was er vor Augen hatte, oder was der Kunde haben wollte. Die Ansätze Witsens sind natürlich interessant, da er sich in anderen Ländern, wie dem Süden, und vor allem in England umgeschaut hatte. Dann hatte er den Wunsch, den praktischen niederländischen Schiffbau in eine theoretisch geprägte Schiene zu bringen. Es blieb bei seinen zaghaften Versuchen, eine Spantkontur zu entwerfen.
Dann möchte ich noch ergänzend hinzufügen dass Nicolaes Witsen in seinem Leben nicht ein Schiff gebaut hat. Und wir können davon ausgehen, dass die Erbauer des Hohenzollernmodells mit Sicherheit am Bau mehrerer Holländischer Zweidecker beteiligt waren.
Peter, ich wollte Dir nicht zu nahe treten, das sollte keine Kritik sein.
@Olympic1911 schrieb: "Viele Leute sind der Ansicht, dass die Kanonen später ausgetauscht wurden, ich will dies nicht ausschließen."
Da bist Du einer Meinung mit K.H.M.
Der fehlende Staub (aus 3 Jahrhunderten) spricht ja auch für ein "restauratorisches Eingreifen". Das ist bei den englischen Modellen sicher anders einzuschätzen, denn die lagerten auch nicht "auf dem Dachboden" wie das HZ-Modell. Da gab es zum Beispiel Mäuse, Insekten, Spinnen usw... und in alten Dachböden kenne ich mich aus (!) - K.H.M. verweist ja auch auf Fotoausschnitte vom Mast, wo er die "Patina" noch ausgemacht haben will.
Du schreibst öfter davon, dass die Glasplattennegativbilder stark retuschiert worden sind - und dabei auch der Dreck unter Deck unsichtbar gemacht worden sei. Das mag in gewissem Maße möglich gewesen sein, aber ich glaube da weniger dran. Eine Retusche ist nie 100-prozentig, irgendetwas bleibt original sichtbar - und spätestens da wäre dann der Staub zu sehen. Hinzu kommt, dass das Modell ja auf die Reise geschickt wurde zu einer Ausstellung in den Niederlanden; davor hat man sich sicher (auch in handwerklich-technischer Hinsicht) SEHR viel Mühe gegeben, es zu reinigen (aufzuhübschen), um sich als angehende Seemacht vor den Holländern nicht zu blamieren.
Bleibt die Frage, wie man es bei der vermuteten Restaurierung TECHNISCH geschafft hat, in die Bereiche unter Deck hineinzukommen und dort Veränderungen und ggf. Reinigungen vorzunehmen. Das kannst Du sicher am besten erkunden und bewerten, Peter, weil Du das Modell ja wie deine Westentasche kennst (und laufend mehr und mehr kennenlernst).
Natürlich schließt das nicht aus, dass man nicht nur an den Kanonen herumgebastelt hat. Ich erinnere mal an die Diskussionen über weisse und grau Farbe und das abrupte "Ende" des einen oder anderen Farbauftrags da und dort...
Der Zustand auf dem Aquarell dürfte daher wohl der authentischste (da noch unverfälschteste) sein.
Robert
Verzweifle nicht, wenn du kein Profi bist. Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic...
Sicher hatte Witsen nie ein Schiff gebaut. Aber er war einerseits Sohn eines angesehenen Schiffbauers. Zum anderen Bürgermeister der mächtigsten Stadt in der Provinz Holland. So ganz nebenbei war er auch in vielen Ausschüssen der Admiralität Amsterdam, und er war kein unbekannter bei den Staten-Generaal. Er hatte Einblicke selbst in Geheimakten. Wurde zu Friedensverhandlungen mit den Engländern betraut, ... usw. Er war so gesehen prädestiniert, sein Buch über den Schiffbau zu schreiben. Sein Manko muss wohl seine chaotisches Ordnung gewesen sein. Das kann man in dem sehr wichtigen Buch immer wieder sehen.
Der aber allen Anschein nach auch noch Probleme mit den Gesetzen der Perspektive hatte.
Anstatt die Stützen zur Schiffsmitte neigen zu lassen neigen sie zu den Schiffsenden hin! Man kann erkennen wie unbeholfen die Kanonenpforten irgendwie dareingefriemelt werden - was nicht passt, wird passend gemacht. Ich habe Respekt für das was er gemacht hat, aber nach meinem Befinden wird seine Arbeit maßlos überbewertet.
Die Fachkenntnis die das Hohenzollernmodell ausstrahlt ist dem Witsen gegenüber haushoch überlegen!
Es kommt aber hinzu, dass die damaligen Autoren überhaupt keinen Anspruch hatten, uns technisch korrekte Zeichnungen zu liefern. Sie wollten ihre Bücher illustrieren. Den Begriff Technische Zeichnung gab es nicht. Es wurde in Textform beschrieben und durch Tabellen ergänzt. Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, in den Büchern des 17. Jahrhunderts, Zeichnungen zu finden, die uns zufriedenstellen.
Zitat von zimtzucker im Beitrag #1084 Du schreibst öfter davon, dass die Glasplattennegativbilder stark retuschiert worden sind - und dabei auch der Dreck unter Deck unsichtbar gemacht worden sei. Das mag in gewissem Maße möglich gewesen sein, aber ich glaube da weniger dran. Eine Retusche ist nie 100-prozentig, irgendetwas bleibt original sichtbar - und spätestens da wäre dann der Staub zu sehen. Hinzu kommt, dass das Modell ja auf die Reise geschickt wurde zu einer Ausstellung in den Niederlanden; davor hat man sich sicher (auch in handwerklich-technischer Hinsicht) SEHR viel Mühe gegeben, es zu reinigen (aufzuhübschen), um sich als angehende Seemacht vor den Holländern nicht zu blamieren.
Bleibt die Frage, wie man es bei der vermuteten Restaurierung TECHNISCH geschafft hat, in die Bereiche unter Deck hineinzukommen und dort Veränderungen und ggf. Reinigungen vorzunehmen. Das kannst Du sicher am besten erkunden und bewerten, Peter, weil Du das Modell ja wie deine Westentasche kennst (und laufend mehr und mehr kennenlernst).
Robert,
zwei Mal der gleiche Blickwinkel vom Modell. Links unretuschiert, rechts retuschiert. Man sieht deutliche Unterschiede; achte auf die Kanten der Decksbalken. Es ist genau sowas was KHM meint. Im linken Bild sieht man Staub auf dem Deck, im rechten Bild ist nichts mehr davon zu sehen. Schau dir den Kamin an! Den hatte ich zuerst in dem vom Winter als hellen, maserungsfreiem Holz gebaut. Im linken Bild sieht man klar, dass der Kamin aus Eiche ist. Kanonentakel sind zum Teil komplett wegretuschiert worden. Ich würde sagen, es ist hier nichts restauriert worden. Das Modell war nun mal in einem guten Zustand.
Die Unterschiede sind ja enorm! Ist es sicher, dass es sich hier um die gleiche Aufnahme handelt? Warum nimmt das Ankertau dann weiter hinten einen gänzlich anderen Verlauf?
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Es ist nicht die gleiche Aufnahme. Muss es auch nicht sein - es ist das gleiche Modell und es ist zum gleichen Zeitpunkt aufgenommen. Höchstwahrscheinlich mit der gleichen Kamera.
Bei solchen Aufnahmen mit stark unterschiedlichen Lichtverhältnissen kann man in der Postproduktion mit Nachbelichten und Abwedeln schon noch viele Details rauskitzeln und das Bild auch insgesamt harmonischer bekommen. Das ist wahrscheinlich beim rechten Bild gemacht worden. Deshalb sind dort dann auch Strukturen erkennbar, die auf dem linken Bild nicht erkennbar sind.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Zitat von Foxtrott im Beitrag #1092achso jetzt verstehe ich.
Bei solchen Aufnahmen mit stark unterschiedlichen Lichtverhältnissen kann man in der Postproduktion mit Nachbelichten und Abwedeln schon noch viele Details rauskitzeln und das Bild auch insgesamt harmonischer bekommen. Das ist wahrscheinlich beim rechten Bild gemacht worden. Grüße, Alexander
Das wird wohl genau das Ziel gewesen sein, aber es ist auch genau das wo Herr Marquardt drauf reingefallen ist.
Bei beiden "Fotos" (bewusst in Gänsefüßchen gesetzt !) scheint sich jeweils das zuoberst liegende "Ankertau" eine Teilstrecke lang in Luft aufzulösen bzw. durchsichtig zu sein. Ein Effekt, den ich mir hier mit optischen Mitteln nicht erklären kann...
...oder ganz kühn gefragt: Waren die brandenburgischen Wappen dann auch nur draufgemalt evtl. ?
Verzweifle nicht, wenn du kein Profi bist. Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic...
@Werner"...Es kommt aber hinzu, dass die damaligen Autoren überhaupt keinen Anspruch hatten, uns technisch korrekte Zeichnungen zu liefern. Sie wollten ihre Bücher illustrieren. Den Begriff Technische Zeichnung gab es nicht. Es wurde in Textform beschrieben und durch Tabellen ergänzt. Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, in den Büchern des 17. Jahrhunderts, Zeichnungen zu finden, die uns zufriedenstellen."
Falls das für das 17. Jahrhundert gegolten haben mag, so doch dann zumindest nicht am Anfang des 15. Jahrhunderts:
"Entdeckung der mathematisch konstruierbaren Perspektive: Aufgrund seiner im Jahr 1410 perspektivisch gemalten Tafeln der Piazza S. Giovanni und der Piazza della Signoria gilt Brunelleschi auch als Entdecker der mathematisch konstruierbaren Perspektive und ihrer Gesetze, womit er auch unmittelbar seinen Florentiner Künstlerkollegen Masaccio beeinflusste." [Wikipedia]
Auch im 16. Jahrhundert waren die Gesetze der darstellenden Geometrie (immer noch) bekanntes Allgemeingut:
"Giotto und Leon Battista Alberti schufen Werke, die Motive der christlichen Ikonografie in räumlich korrekt konstruierten Architekturkulissen zeigten. Albrecht Dürer veröffentlichte 1525 sein Buch Underweysung der messung mit dem zirckel un richtscheyt, das die erste Zusammenfassung der mathematisch-geometrischen Verfahren der Zentralperspektive darstellte und damit auch die Grundlagen der perspektivischen Konstruktionsverfahren als Teilbereich der Darstellenden Geometrie bildet." [Wikipedia]
Verzweifle nicht, wenn du kein Profi bist. Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic...