Forum für historischen Schiffsmodellbau und Geschichte
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Uniformen und Kleidung
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Uniformen der Royal Navy vor und nach 1805 und die Umsetzung im Druck
Figuren der Royal Navy 1795 – 1812, im Maßstab 1/72
Ich hatte es ja schon an anderer Stelle geschrieben. Für mein Großdioramen-Projekt rund um die Fregatte HMS Surprise (Der Passagier) benötige ich passende Figuren um das Diorama zu bevölkern. Ich brauche die Figuren für die HMS Surprise sowie einen bewaffneten englischen Kutter. Abgebildet werden alle Figuren vom Kapitän bis zum Schiffsjungen, das dann auch bei allen Figuren in den verschiedensten Animationen und Haltungen. Bei der Figurenherstellung fahren wir da zweigeteilt, ich lasse die Offiziere bis hin zum Midshipman im 3D Druck erstellen. Ebenso die Abteilung der Seesoldaten.
Die ganzen Mannschaften, von den Seeleuten an Deck, in den Wanten sowie in den Beibooten modelliert mein Freund L. Cryns aus Amsterdam www.crynsminiaturen.nl , händisch nach alter Methode mit Green-Stuff.
Alle Figuren, zumindest für den maritimen Sektor sollten noch in diesem Kalenderjahr fertiggestellt sein. Für das Diorama selbst brauche ich noch vielerlei weitere Figuren, Zivilisten und Fischer im Dorf, zwei Kutschen mit ihren Besatzungen, eine Postkutsche der Royal Mail sowie eine größere Reisekutsche samt einer Reisegruppe. Dazu noch einige Spezial-Gruppen.
Bei der Recherche zu den Uniformen der Offiziere habe ich mich auf die hervorragende Ausarbeitung des National Maritime Museum Greenwich bezogen. Im Buch „Dressed To Kill“, werden viele Fotos der Originaluniformen abgebildet und gezeigt.
Mit diesen Vorgaben habe ich auch den 3D Modelleur betraut, die Figuren zu entwerfen!
Zuerst hat der Modelleur einen Leutnant der Royal Navy entworfen. Alles nach meinen Vorgaben beziehend auf die Bilder von Originaluniformen. Der Leutnant trägt seine Undress-Uniform mit Überhose und Hessian Boots.
Es handelt sich jetzt erstmal nur um die Grundfigur. Wir werden den Druck testen und dann entscheiden, ob an den Proportionen noch etwas geändert werden muss. Ist alles ok, dann geht es um die verschiedensten Haltungen und Tätigkeiten, dann können diese modelliert werden. Manchmal müssen für den 3D Druck Elemente überzeichnet werden, damit sie druckbar bleiben.
Die Midshipman sind auch schon so gut wie fertig, da gilt dann das gleiche Prozedere. Nur als Beispiel, für den Midshipman gibt es 7-8 verschiedene Haltungen und Körpergrößen. Teilweise waren es ja noch Kinder.
Zitat von Schmidt im Beitrag #2An Seeleuten und Zivilisten aus dem 18. Jahrhundert wäre ich für ein 1:72 Projekt auch sehr interessiert. Halte uns bitte auf dem Laufenden. Schmidt
Ich werde den ganzen Baubericht hier fortführen und alle Infos über die Figuren weiterleiten.
Danke, ich weiß natürlich was Surprise heißt, "Der Passagier", so lautet der Titel des ganzen Szenarios, des Dioramas.
Zitat von Foxtrott im Beitrag #4Mir erscheint der Hut etwas zu mächtig. Dürfte in der Praxis an Bord oder im Nahkampf hinderlich sein.
Leider sind die zeitgenössisches Zeichnungen da nicht unbedingt eindeutig.
Hier eine Karrikatur mit übergroßem Hut:
Andere Zeichnungen mi kleineren Exemplaren:
Aber im NMM gibts sicher auch noch zeitgenössische Uniformen im Original.
Grüße, Alexander
Danke Alexander, ich habe mich an den Originaluniformen und Hüten des NMM orientiert. Wir müssen erstmal den Druck abwarten, dann sehen wir, ob es passt.
[quote=""|p225834]In welche Richtung waren diese Hüte denn nun aufgesetzt?
Beim Kapitän wurden sie quer getragen, war ja auch ein anderer Hut. Beim Midshipman oder dem Leutnant mit der Spitze nach vorne.
Danke für euer Interesse und die Anmerkungen, das hilft immer.
Ich glaube das war gerad die Zeit, in der von quer auf mittschiffs umgestellt wurde. Auch Nelson trug quer und wenn ich mich richtig erinnere Hardy längs. Zumindest hab ich das so gebaut ;-)
Man beachte auch den Größenunterschied. Kiss me Hardy.
Hier der Prototyp des Midshipman. Bei ihm muss noch der getragene Dolch (Dirk) etwas kürzer werden. Mal schauen, wie es nach dem Probedruck aussieht, ob noch alles etwas verschlankt werden muss
Zitat von dafi im Beitrag #8Ich glaube das war gerad die Zeit, in der von quer auf mittschiffs umgestellt wurde. Auch Nelson trug quer und wenn ich mich richtig erinnere Hardy längs. Zumindest hab ich das so gebaut ;-)
XXXDAn
.......ja dann.....muss es ja stimmen
Grüße
Robert
Und wenn mich dann die Arbeitswut packt,....setze ich mich ganz still in eine Ecke und warte bis der Anfall vorüber ist.
In der Werft: Knochenmodell "Royal Caroline" 1749 M 1: 50 Spantmodell Engl. 74 Kanonenschiff 1781 M 1: 50 nach M. Stalkartt Projekt Phantom M 1: 50
Ich habe bei beiden Figuren den Eindruck, dass die Proportionen nicht ganz stimmen. Besonders das Kopf/Körper-Verhältnis ist eher 1:6 als 1:7 oder (besser) 1:8, was es sein sollte. Entsprechend sind die Hände zu groß. So wirken die Figuren sehr "kindlich", ich weiß nicht, ob das so gewollt ist. Das sollte aber bei den digitalen Modellen recht einfach zu ändern sein.
Zitat von Scuttle Butt im Beitrag #12Ich habe bei beiden Figuren den Eindruck, dass die Proportionen nicht ganz stimmen.
Das war auch mein erster Gedanke. Sieht ein wenig nach Hobbit aus. Aber wie Scuttle Butt schon schreibt: Das sollte digital leicht korrigiert werden können.
Die Körpermitte sollte im Schritt bzw im Bereich des Schambein liegen. Die Achtkopflänge ist aber eher antikes Ideal als natürliche Proportionen und wohl eher selten.
"Dressed to Kill" ist ein hervorragendes Buch über die Uniformierung der britischen Marine und die Wechselwirkung zwischen Uniform und modischen Einflüssen. Allerdings ist der für das Diorama (1798) relevante Zeitraum - bis auf wenige Ausnahmen - vor allem durch Uniformen Nelsons und anderer Admirale repräsentiert. Für die Uniformen der anderen Dienstgrade müssen also andere Quellen herangezogen werden.
"Dressed to Kill" hat einen Vorläufer in dem Büchlein "The Dress of Naval Officers", das 1966 vom stellvertretenden Direktor des National Maritime Museum, Commander W.E. May, R.N. veröffentlicht wurde. Darin ist jeweils eine Doppelseite einer Epoche/Uniformvorschrift gewidmet und es wurde versucht, die Uniformen aller Ränge zu zeigen. Wo kein Original vorhanden ist, wird die Uniform exemplarisch mit einem Gemälde dargestellt.
Die Figur des Leutnants ist schon mal ganz gut geworden. Allerdings erscheint sie mir ein wenig wie ein Kompendium aller bekannten Filme, welche die betreffende Zeit behandeln. Wie man in der Rückschau feststellen muß, führten die Recherchen zur Uniformierung manchmal zu sehr überraschenden Ergebnissen.
Da ich aus den Dioramen zu den Freiheitskriegen Deine Akribie bei der wirklichkeitsgetreuen Darstellung von Uniformen und Posen kenne, seien ein paar Anmerkungen erlaubt.
Das Thema Hut wurde ja nun schon diskutiert. Wie DAniel richtig bemerkt hat, ist die Zeit zwischen 1780 und 1815 eine Zeit des Übergangs vom Dreispitz zum Zweispitz. Letzterer hat sich aus dem Dreispitz entwickelt, als ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die vordere Spitze immer flacher und immer weiter zum Kopfteil hin gezogen wurde. Letztendlich wurden dann nur noch die vordere und die hintere Krempe hochgeklappt und es bildete sich der klassische Zweispitz aus.
Da die Spitzen immer schon bei der Handhabung des Gewehrs im Wege waren, wurde der Dreispitz vor allem von den Mannschaften schräg aufgesetzt, sodaß die vordere Spitze über dem linken Auge getragen und somit über der linken Schulter zwischen vorderer und seitlicher Spitze quasi eine gerade Linie gebildet wurde. Auch Zweispitze wurden noch bis in die 1820er Jahre meist nicht gerade, sondern leicht schräg links getragen, sodaß der Träger ein freieres Blickfeld hatte und von vorn die Kokarde gesehen werden konnte. Ich denke nicht, daß der Hut zu groß geraten ist. Einigermaßen "normal" war wohl eine Hutkrempe, die in etwa der Höhe eines Kopfes vom Scheitel bis zum Kinn entsprach, wobei die Krempe, die nicht mit der Kokarde geschmückt war, meist sogar einen Zentimeter höher war als die "Kokardenkrempe". Es war aber auch die Zeit von George Bryan (Beau) Brummell und den Dandys und es mag durchaus vorgekommen sein, daß ein junger Offizier sich mit einem etwas größeren Hut hervortun wollte.
Bei allen Hüten dieser Zeit ist zu beachten, daß die Kokarde etwa halb so breit wie die Hutkrempe und entweder rund oder in Schmetterlingsform (siehe Beispiel – allerdings spätes 19.Jahrhundert) konfektioniert war.
Dreispitz - Mitte 18. Jahrhundert Zweispitz - spätes 19. Jahrhundert
An dem Beispiel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Kokarde einfach ein Streifen Seidenrips. An beiden Beispielen ist aber die Größe der Kokarde im Verhältnis zur Hutkrempe zu erkennen. Auch wurde die Kokarde IMMER unter der Litze, mit der sie am Hut fixiert war, getragen.
Sehr irreführend ist der Hut, den Nelson in der Schlacht bei Kopenhagen getragen und den er später Mr. Salter in London, von dem er seine Blankwaffen bezog, vermacht hatte. Dieser hatte den Hut in seinem Schaufenster ausgestellt und die Chelengk, die Nelson 1798 von Sultan Selim III. für die siegreiche Schlacht am Nil erhalten hatte, durch eine Imitation aus Pappe dargestellt, diese jedoch über der Litze zur Fixierung der Kokarde angebracht. Die Litze selbst ist noch vorhanden.
National Maritime Museum, Greenwich, UK; UNI0058
Ob Nelson nur die Chelengk trug oder mit ihr die Kokarde an der Hutkrempe befestigte, ist auf den vorhandenen Gemälden nicht eindeutig zu erkennen. Allerdings ist auf keinem Gemälde, das Nelson mit Hut zeigt, eine Litze zur Fixierung einer Kokarde zu sehen. Auch die für die Kostüme Verantwortlichen der Hornblower-Serie (1998 – 2003) sind auf diesen Hut hereingefallen und so tragen in den Filmen alle Dienstgrade vom Midshipman bis zum Admiral Pseudo-Chelengk-Kokarden aus Pappe am Hut. Diese Art von Kokarde kann ich auch an der Figur erkennen und das sollte geändert werden.
Im Zeitraum zwischen 1745 und 1825 waren die Hüte der Navy auch nicht Quasten dekoriert (rotes X). Diese waren zwar bei der Armee schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts in Gebrauch und erscheinen ab etwa 1780 auch vereinzelt auf Marineportraits, wurden offensichtlich aber erst mit der Uniformvorschrift von 1827 reglementiert.
Zur Uniform: Diese stellt eine Übergangsuniform mit 8! Knöpfen dar und entstand unter dem Einfluß der zivilen Mode. Durch das Wegschneiden des untersten Rabattenknopfes und das Anpassen der Rockschöße an die Form des Fracks wurde ein modernerer Schnitt kreiert. Diese Schnittform ist in "Dressed to Kill" (1. Auflage) auf Seite 116 in Abbildung 25 (linke Abb.), bzw. in "The Dress of Naval Officers" auf Seite 24 in Abbildung 27 (rechte Abb.) dargestellt.
Die Rockschöße waren - wie auf den Abbildungen zu erkennen - in der Taille nicht abgerundet, sondern mit Winkel geschnitten und reichten auch viel weiter nach vorn zu den Knien. Die weit nach hinten reichenden Rockschöße kamen erst nach 1825 in Mode.
Die Uniform eines Leutnants hatte am Kragen keinen Knopf (rotes X). Zwischen 1765 und 1785 ist die Uniform der höheren Dienstgrade mit (von der Armee übernommenen) Knopflöchern am Kragen ausgestattet, jedoch nicht die der Leutnante. Die Uniform, die Admiral Nelson 1798 in der Schlacht am Nil getragen hatte, zeigt Knöpfe am Kragen, ist aber offensichtlich ein Rückgriff auf den oben genannte Zeitraum und zu ihrer Zeit (1798) nicht mehr aktuell. In der dargestellten Übergangsform darf der Uniformrock auch durchaus mit einem Umlegekragen ausgestattet werden.
Zu der von Dir gewählten Zeit um 1798 wurden die Uniformen noch ohne Taillennaht geschneidert (blaue Hilfsline). Dies bedeutet, daß die Taschen des Rockes und auch die Taillenknöpfe tiefer angesetzt waren (grüne Hilfslinie). Auf den Abbildungen der zeitgenössischen Originale (siehe oben) ist zu erkennen, daß die Oberkante der Taschenpatten bei frei herabhängenden Ärmeln etwa auf der Höhe der Oberkante der Ärmelaufschläge liegt.
Zur Bewaffnung: Als Referenzwerk für die Bewaffnung empfehle ich das im Jahr 2013 veröffentlichte Buch "British Naval Swords & Swordsmanship" von John McGrath und Mark Barton. Es bietet eine umfassende Übersicht zur die Entwicklung der in der britischen Marine verwendeten Blankwaffen über einen Zeitraum von fast 400 Jahren. Dabei fällt auf, daß in Großbritannien offenbar bis in die letzten Jahre des 18. Jahrhunderts Blankwaffen mit geraden Klingen bevorzugt wurden. Selbst die Klingen der Entersäbel waren im 18. Jahrhundert gerade und erhielten erst ab 1845 eine leichte Krümmung.
Erst im Rahmen der Koalitionskriege wurden im Kontakt mit kontinentalen Armeen Waffen mit gebogenen Klingen wahrgenommen. Ab 1796 wurde zuerst einmal die Leichte Kavallerie mit einem Säbel ausgestattet, der starke Ähnlichkeit zum preußischen Blüchersäbel aufweist.
Michael D. Long, Historic Military Antiques
Die Leichte Infanterie erhielt mit der Uniformvorschrift von 1803 ebenfalls einen Säbel mit gebogener Klinge.
Sally Antiques
Um 1798 war in der Marine das Spadroon mit dem sogenannten 5-Ball-Hilt en vogue und neben den vom Infanteriedegen Modell 1796 abgeleiteten Waffen bis zur Einführung des Marinesäbels von 1805 die Standardblankwaffe der Marineoffiziere. National Maritime Museum, Greenwich, London; WPN1006 Es mag also nicht ausgeschlossen sein, daß ein Leutnant um 1798 einen Säbel getragen hat, aber es war ziemlich unwahrscheinlich. Für die Zeit um 1800 habe ich ein Beispiel für einen auf die Marine adaptierten Säbel gefunden.
Michael D. Long, Historic Military Antiques
Wie auf der Abbildung zu sehen, ist der Tragering für den Schleppriemen nicht in der Mitte der Scheide, sondern sehr nahe am Mundblech positioniert. Die Waffe der Figurine ähnelt also eher dem Säbel der leichten Kavallerie.
Wenn die Waffe an einem untergeschnallten Gurt getragen wird, hängt der Rockschoß über die Waffe und verdeckt sie zum größten Teil. In der im Moment dargestellten Form müßte der Leutnant den Säbelgurt über dem Rock tragen und die Trageriemen müßen dann ebenfalls dargestellt werden.
Wie schon bemerkt, kann das Erscheinungsbild der Uniformen in dem von Dir für das Diorama gewählten Zeitraum vor allem für die niedrigeren Dienstgrade mit zeitgenössischen Originalen nur unzureichend belegt werden und deshalb sind auch Grafiken und Gemälde als Anschauungsmaterial sehr hilfreich.
Ich wünsche weiterhin viel Freude beim Recherchieren und bei der Entwicklung der zahlreichen benötigten Figuren-Typen.