Abgesehen von der katalanischen Nao als glaubwürdigstes Beispiel für einen durchstoßenden Betingsbalken IMG_20231216_111734_9.jpg - Bild entfernt (keine Rechte), gibt es nur wenige Abbildungen von einer solchen Einrichtung, aber es gibt sie:
IMG_20231216_111503_6.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) aus: "Kolumbusschiffe von 1492" v. Heinrich Winter, dort bezeichnet als: "aus dem italienischen schiffsbautechnischen Traktat von 1445"
IMG_20231216_111514_3.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)aus: "Segelkriegsschiffe 1400-1860" v. Frank Howard, demnach ein Gemälde von Botticelli aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts
IMG_20231216_111528_8.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) aus: "Segelkriegsschiffe 1400-1860" v. Frank Howard, der hierzu jedoch keine Quelle angibt
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
ich habe bei meinen Recherchen mit Schrecken festgestellt, dass ich nur nach dem suche, was ich sehen will. Das ist sicher ein Fehler um etwas glaubhaftes rekonstruieren zu wollen. Wie Du gut zeigst, gibt es den durchstossenden Betingbalken. Der wird ja auch in zig Plänen und Modellen gezeigt. Klar, die Matáro-Não zeigt das Detail laut und deutlich.
So wie vieles auf dem W.A.-Stich unserer heutige Interpretation überlassen bleibt, kann so ein durchstossender Balken auch da gewesen sein. So sind auf meinem Vorbildbild keine Anker dargestellt. Die waren aber bestimmt vorhanden. Auch die Jungfern und Wanttaljen sind seltsam dargestellt. Ebenso die Ankerklüse um den Bug herum und die bauchige Form der zu sehenden Backbordseite lassen Zweifel aufkommen. Zu meiner kleinen Karacke kann ich jedenfalls keine durchstossende Beting feststellen. Das Botticelli-Bild habe ich übrigens zur Gestaltung des Oberdecks herangezogen. Danke dass Du es zeigst.
Bild 1Karacke des W.A.jpeg - Bild entfernt (keine Rechte) Bild 3 Meister W.A..jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Zitat von bela im Beitrag #16Als was interpretiert ihr die halbovalen Elemente, die auf einigen Abbildungen unterhalb der Berghölzer zu erkennen sind?
Die Bogen sind mir auch schon aufgefallen. Ich habe keine Idee, was damit gemeint sein soll. Für durchgebalkte Decksbalken liegen sie meiner Meinung zu nach viel tief. Sind es vielleicht abweisende Fender um die unteren Berg- oder Barghölzer vor tieferliegenden Kaimauern zu schützen? So wie bei Koggen vorn an den hervorstehenden Balkenköpfen dreieckige Fender aus demselben Grund angesetzt waren? Diese Bögen finden sich nicht auf allen Stichen W.A.s. Auch da können Kopisten etwas hinzugezeichnet oder was weggelassen haben. Auch auf anderen mittelalterlichen Abbildungen oder modernen Modellrekonstriktionen finde ich die Dinger nicht.
Dieses Bild wird einem Kopisten zugeschrieben. Das Focksegel ist gesetzt, ein Anker ist zu sehen. Die Großwanten sind ohne Rüstbrett am Rumpf angeschlagen. Eine beschlagene Blinde liegt auf dem Vorderkastell. Der Besanmast steht ausserhalb des Schanzkleides. Die von mir vermutete Kammer könnte hier an Steuerbord unter dem Achterdeck gemeint sein. Die Ankerklüsen sehen jedoch glaubwürdiger als auf dem Original aus. Die halbrunden Elemente unter dem unteren Bargholz sind auch zu sehen. Sie wirken sogar plastisch. Aber was sind die zwei »Röhren« unter dem unteren Backdeck?
Das sind die ewigen Fragen, welchem Detail schenke ich Glauben, welchem nicht und warum? Der Autor des Stichs hatte offensichtlich ziemliche Schwierigkeiten, eine Perspektive richtig darzustellen. Alles wirkt irgendwie krumm und schief, abgesehen vom Vorsteven sind alle vorstehenden Hölzer gerundet, der Ankerstock hat einen seltsamen Winkel zu den Armen, alles sehr merkwürdig. Wenn aber schon Zweifel berechtigt sind, ob etwas rund oder eckig war, wie kann man dann Aussagen darüber treffen, ob es sich bei den von Dir erwähnten Teilen um Rohre oder vielleicht um eckige Stützen handelt?
Dazu gibt es wohl nur Meinungen und die sind per definitionem nie falsch, man kann sie nur teilen oder eben nicht.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Aus den Gründen wird das Bild in #19 laut »Eich/Wend: Aus dem Zeitalter der Segelschiffe« einem Kopisten zugeordnet. Nicht nur weil das Monogram W.A. fehlt, vor allem weil der Strich unbeholfen und kraftlos wirkt. W.A. war künstlerisch deutlich sicherer und eleganter in seiner Strichführung und vor allem in seiner Formensprache.
"...Der Autor des Stichs hatte offensichtlich ziemliche Schwierigkeiten, eine Perspektive richtig darzustellen...."
War nicht die perspektivische Darstellung zu jener Zeit noch etwas unausgeprägt? Was dem "Künstler" wichtig war wurde oft durch übertriebene Größe oder eben diese Verzerrung in den Focus des Betrachters gerückt.
Dass die Größe der Darstellung von Details in Abhängigkeit zur Bedeutung für die Bildaussage variierte, ist bekannt, diese Praxis wurde aber auch von Künstlern angewandt, die sich auf die perspektivische Darstellung verstanden, wie die Beispiele aus der Warwick-Roll....
Auch im Bereich der Perseptive gillt Willem a croce als Vorreiter und Könner. Richtig ist, das Wort "Künstler" in An- und Abführungen zu setzen. Das waren damals Handwerker von niedrigen Ansehen. "Dumm wie ein Künstler" war ein geflügeltes Wort in der Renaissance. W.A. war vermutlich im Hauptberuf Goldschmied sodass er u.a. die Werkzeuge und die Arbeitstechniken zum Kupferstich besaß.
Es macht schon Spaß, sich mit all den Dingen zu beschäftigen
Beim Betrachten dieser "Verzerrungen" darf man nicht vergessen, dass der heutige Betrachter so sehr an die Bilder gewöhnt ist, die mit technischer Hilfe, 0bjektiven, Linsen, aparaturen erzeugt wurde, dass er diese für "objektiv" richtig hält. Bei unvoreingenommen Betrachtung unterscheiden sie sich jedoch deutlich von der menschlichen Wahrnehmung. Ich erlebe es ständig. Wenn ich ein Foto mache, zeigt es nie das, was ich mit den Augen sehe. Die Menschen damals lebten noch ganz im menschlichen Sehen.
Mit der Perspektive ist es wie mit dem Rad, es erscheint uns heute sooo einfach, aber es musste erst entdeckt/erfunden werden. Grundlagen schuf zwar schon Alhazan im 11. Jh., aber erst ca. Mitte 15. Jh. war es soweit. Der Baumeister Brunelleschi aus Florenz verblüffte seine Zeitgenossen zu erst mit der Zentralperspektive. Als Brunelleschi starb, wurde kurz danach Da Vinci geboren, der die Perspektivzeichnungen dann weiter entwickelte.
Albrecht Dürer vervollkommnete dann die Perspektive in den Bildern.
Vorher hatte halt keiner die Idee, wie man Bilder malt, welche dem Sehen ähnelt. Interessant ist ja, wie die ersten Perspektivzeichnungen entstanden. Da gibt es eine Darstellung von Da Vinci:
Er stellte auf eine Lafette eine Glasscheibe. Auf diese Glasscheibe skizzierte er das dahinter stehende Objekt. Aber zwischen sich und der Glasscheibe stellte er noch ein Brett mit einem Loch, durch das er nur mit einem Auge durchsah. Was er durch das Loch sah und auf der Glasscheibe abzeichnete, war perspektivisch.
Uwe vom Dunkelwald (lat.: Miriquidi)
Mitglied des Phantomprojektes Recherche: Fleute Zeehaen Kiellegung: Golden Hinde Fertiggestellt: Die Kolumbusflotte
gestern habe ich mich mit der «Sichelbeplattung» unter dem Vorkastell beschäftigt. Der Planzeichner sieht hier eine eher waagerechte Belegung der Planken vor. Das Matáro-Modell zeigt einen senkrechten Verlauf der Platten. Die Vorlagen W.A.s schweigen sich zu diesem Detail aus. Wie ist Eure Meinung zum Verlauf der Planken bei einem nordeuropäischen Schiff?
Die Katalanische Nao zeigt, wie Du ja schon selbst schreibst, diese Planken. Ich halte das Modell für sehr glaubhaft, allerdings steht sie eher für den mediterranen Schiffbau. Auch Frank Howard stellt eine Skizze (Stich?) vor, die das zeigt (siehe #17 letztes Bild), macht dazu aber keine Quellenangaben. Der nordische Schiffbau scheint den Bereich mit eher horizontal verlaufenden Planken geschlossen zu haben. Das Bild "Der Untergang des Bergenfahrers Hans Ben" in der Marienkirche in Lübeck...
...das auch Heinrich Winter als Basis für seine Rekonstruktion gedient hat, und die Stiche von W.A. zeigen eben dies. Es dürfte also beide Methoden etwa zeitgleich gegeben haben. Da Du ja ein Schiff aus dem nordeuropäischen Raum darstellen willst, tendiere ich eher zur letzteren Bauweise.
Edit: Für seine Arbeit bezog sich Winter bei dem Bergenfahrerbild auf das Schiff, das im Hintergrund rechts neben dem rotgewandeten Heiligen (Johannes?) zu sehen ist.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Schon wenn ich mir als kleiner Junge diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Schiffsdarstellungen angesehen habe, habe ich gewundert, ob die Schiffe wirklich so wie Nußschalen oder Schneckenhäuser aussahen, mal abgesehen von Inkongruenzen in den Maßstäben von Besatzung, Bewaffnung und Schiff.
Die Frage ist auch, wer von diesen Malern/Zeichnern tatsächlich ein Schiff gesehen hat und wenn ja, welchen Typs. Es ist durchaus denkbar, daß viele nur nach Beschreibungen von Nicht-Seeleuten gearbeitet haben. Damals gab es ja, wenn überhaupt, nur die Interpretation anderer Künstler als Referenz. Es wäre mal interessant, Menschen ein Seeschiff zeichnen zu lassen, die noch nie ein solchen Schiff mit eigenen Augen gesehen haben. Es dürfte aber schwierig sein, jemanden zu finden, der nicht wenigstens Dutzende Bilder von Schiffen gesehen hat.
Mal abgesehen von der Entwicklung in der perspektivischen Darstellung vorallem im 15. und 16. Jh., sollte man vielleicht auch in Betracht ziehen, daß ein Künstler solche Schiffe vorallem im Hafen und am Kai gesehen hat. Aus dieser kurzen Distanz dürfte sich ein Schiff mit Vorder- und Achterkastell sehr verschieden darstellen von einer Ansicht aus größerer Distanz, in der sich die Proportionen entzerren. Vom Kai aus sehen Bug und Heck viel imposanter aus und das Schiff erscheint verkürzt, wenn man nicht dwars aus einiger Entfernung schaut.
Heute haben wir die Tendenz die Dinge aus rationeller Ingenieursperspektive zu betrachten, während bis weit ins 19. Jh. hinein Traditionen einen dominante Rolle spielten - das war auch eine Form von Risikomanagement. Wenn ich etwas so mache, wie es schon immer gemacht wurde, habe ich eine gute Aussicht auf Erfolg. Wenn ich etwas Neues probiere, muß ich die Verantwortung für einen möglichen Mißerfolg tragen. Deswegen verlief 'Fortschritt' bis ins 19. Jh. wirklich im Schrittempo.
Diese sichelförmigen Planken am Bug könnten durchaus ein ästhetisch-traditionelles Überbleibsel alter Zeit sein, als die Beplankung in dieser Form auf den Steven zulief.