Es gibt Modelle, die sind mir ans Herz gewachsen. Eines davon ist meine Zweimast-Karavelle im Maßstab 1:250 die ich 2011 gebaut habe. Mit dem Modell verbinde ich einen sehr schönen Portugalaufenthalt (Porto, Lissabon, Sagres, Lagos) und eine intensive Recherchearbeit, die mir damals viele neue Erkentnisse zu diesen Schffen gebracht hat. Jetzt steht das Modell täglich im Corona-Homeoffice vor meiner Nase und bei so manchen Onlinekonferenzen bleibt mein Blick daran hängen. im Laufe der letzten elf Jahre habe ich über Karavellen einiges mehr erfahren und gelesen als ich dmals wusste. Und meine Fertigkeiten als Modellbauer haben sich - hoffentlich - auch weiter entwickelt. Irgendwann fing ich eine innere Bestandsaufnahme des kleinen Dioramas an und bin nun zu dem Entschluß gekommen, eine neues Modell zu bauen.
Damit Ihr wisst was ich da immer vor der Nase habe, kommen hier ein paar Bilder der gebauten Urlaubserinnerung 2011:
Den Entschluß, mich wieder mit Karavellen zu bschäftigen, hat @Bonden mit seinem Kolumbusflottenbau befeuert. Das sind schöne Schiffe und hier im Forum gibt es ja einige davon als schöne Modelle zu sehen (eines kann sogar richtig segeln @Gebbi).
Beim Kramen in den alten Unterlagen kamen mir die Fotos vom Nachbau einer Karavelle in Lagos entgegen. Das Schiff habe ich damals besucht und über die relativ geringen Abmessungen getaunt. Es ist doch schon was anderes auf einem Nachbau in 1:1 zu stehen als vor einem Modell oder Plänen zu meditieren.
Das vorhandene Modell ist natürlich wie immer bei mir aus Karton und Papier gebaut. Es war kein Bausatz und ist nach Plan entstanden.
Bestandsaufnahme und Fragestellungen zum vorhandenem Modell: - Schönes Modell, gute Wasser- und Kursdarstellung - Kreuze zu groß und zu wuchtig in der Darstellung - Rumpf zu dunkel und zu "eckig"? - Scheerstöcke und Plankenschema überprüfen - Bewaffnung ändern und prüfen - Mastkorb und Leiter fraglich und Originaldokumente darauf durchsehen - Decksprung stärker ausbauen - Beiboot an Deck? - Display kleiner, Modell soll die Steuerbordseite als Schauseite haben wie meine anderen Modelle auch) - Beting oder Bratspill? - Stockanker oder Draggen? - Führung der Großschot über die Bordwand?
Zum Original und den vorliegenden Quellen: Um den Seeweg nach Indien zu finden, betrieb Portugal im 15. Jahrhundert eine intensive und geplante Suche. Es dauert rund 50 Jahre bis 1498 Vasco da Gama endlich das fehlende letzte Wegstück fand und den indischen Subkontinent erreichen konnte. Unter Prinz Heinrich, der den Beinamen "der Seefahrer" trug, wurden alle Erkenntnisse und Erfahrungen der einzelnen Reisen systematisch zusammengetragen. An seiner Seefahrerschule in Sagres versammelte er alle nötigen WIssenschaftler und Navigatoren um in moderner Art und Weise zu forschen.
Es stellte sich bald heraus, dass ein eigener Schiffstyp nötig ist um die afrikanischen Küsten zu befahren, im Flussläufe einzusegeln und vor allem: um gegen die herrschenden Winde des Nordpassats zurück nach Portugal zu kommen. Ab jetzt weiß man nichts genaues. Die Karavelle wurde wahrscheinlich aus den Fischerbooten des Mittelmeerraums weiterentwickelt oder war schon als eigener Typ in Portugal vorhanden. Das markante Lateinersegel war schon ab dem 9. Jahrhundert im Mittelmeer verbreitet. Kam es vielleicht aus dem arabschen Raum wo es heute - wie im Mittelmmer - noch in Gebrauch ist.
Mein vorhandenes Modell und auch mein neues Modell basiert auf den Plänen von Heinz Gronen. Die Zeichnungen wurden 1986 als dreiteilige Serie in der Zeitschrift DAS LOGBUCH veröffentlicht. Es gibt keine originalen Zeichnungen oder gar ein erhaltenes Modell zu einer Karavelle. Insofern sind alle Darstellungen lediglich Versuche das Aussehen eines solchen Schiffes zu umreissen. Hinzu kommen einige Bücher und Publikationen zum Thema die überwiegend die Karavellen der Kolumbusflotte behandeln.
Da ich kein konkretes Schiff baue, baue ich nicht streng nach Plan sondern lasse eigene Vorstellungen und Erkentnisse anderer Rekonstruktionen einfließen.
Zum Glück habe ich meine Recherche von damals aufgehoben und abgespeichert. Somit brauche ich nicht wieder bei Null beginnen.
Moin Klaus, mir geht es genauso; ein Modell ist mir besonders ans Herz gewachsen (Kanal1). Insofern kann ich dich gut verstehen, dass du den Typ der Karavelle nochmal - mit den Erkenntnissen von heute - bauen willst. Viel Spaß dabei! LG Schiffbauer
KANAL I ist ein schönes Schiff, da kann ich Deine Zuneigung gut verstehen. Den kleinen Dampfer habe ich nach Deinen Plänen gebaut auch in meiner kleinen Parade. Während ich immer noch an meinem großen Kreuzer laboriere brauche ich jetzt mal etwas übersichtliches. Da kam mir die "Wiederholungstat" ganz gelegen (zumal sie hoffentlich Ruhe ins Homeoffice bringt )
Lieber Klaus, ich tue mich schwer, Deinen Baubericht zu liken. Eine portugiesische zweimastige Entdeckerkaravelle gibt es hier im Forum schon und sie wurde streng nach den Plänen von Heinz Gronen gebaut. Ich denke, dass die Wasser- und Kursdarstellung meines Fahrzeugs durchaus gelungen ist und wie wir hier sehen, bevorzuge auch ich die Steuerbordseite als Schauseite. Ich werde den Bericht eines Wiederholungstäters durchaus kritisch folgen!!
Es sind schöne Schiffe!
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Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Im anderen Therad zu Gebbis RC-Karavelle fragte ich nach dem Mastkorb und einer möglichen Leiter dorthinauf. Ich führe die Diskussion hier weiter damit alles gebndelt bleibt:
Zitat von Gebbi im Beitrag Portugiesische Karavelle nach Heinz Gronen im Maßstab 1 : 35 als FahrmodellLieber Klaus,@Klabauter ich versuch es mal mit der Erklärung, aber dabei war ich nicht. 1. Der Mastkorb war für eine Entdeckerkaravelle von hoher Bedeutung. a) Bogen- oder Armbrustschützen hatten hier eine vorteilhafte Position. b) Die Küsten und Flussmündungen waren unbekannt. Aus der Höhe konnte man Farbschwankungen des Wassers und damit Untiefen besser sehen. c) Das Sichtfeld war weiter. Dt. U-boote benutzten im II. WK. Tragschrauber um den Horizont absuchen zu können.
2. Die Leiter a) Wichtig ist, dass Du Dich für eine Strickleiter entscheidest. Eine Knüppelleiter gab es gelegentlich -sehr selten- auf spanischen Schiffen. @Marten b) Die Rute ist auf der Steuerbordseite am Mast angeschlagen. Im Original konnte sie geschiftet werden. Ich denke aber, dass man beim Kreuzen dieses aufwändige Manöver (Schiften) nicht ausgeführt hat, sondern die gute Seite und die schlechte Seite benutzte. So mache ich es auch bei meinen Lateinersegeln. c) Mit der Rute auf Steuerbord habe ich die Strickleiter auf der Backbordseite runtergeführt. So kann sie nicht stören. d) Unterbrechen kannst Du die Leiter nicht, denn die Rute mit dem Segel musste man ja an Deck nehmen können.
Karavellen Unser Dennis hat vor einigen Tagen einen tollen archäologischen Bericht eingestellt. Es geht da um die zwei gestrandeten Naos des Vincente Sodré vor der Küste des Omans. Sodre führte 1503 einen Seekrieg gegen indisch-ägyptische Handelsschiffe im Roten Meer (1502 A Portugiese East Indiaman from 1502-1503 ...) @dafi Die Naos wurden von 3 Karavellen begleitet. Diese Karavellen waren sicher erheblich größer, hatten 3 - 4 Masten und trugen eine gemischte Betakelung mit Rah- und Lateinersegeln. Unsere Gronen-Karavelle hatte zu wenig Tragfähigkeit und hat es wahrscheinlich nur bis Gambia geschafft. Aber immerhin!
Ausführung Ich weiß nicht, was in Deinem kleien Maßstab möglich ist. Wichtig an Deck wären die Stabrohrgeschütze, der Kochkasten und Beiboote. Ein Entdeckerschiff hatte mehrere Boote, aber keine Knüppelleiter! Gruß Jörg
Danke für die schnelle und ausführliche Antwort . Damit kommt die Sache doch schon gut in Schwung.
Ich habe nochmal im erwähnten LOGBUCH-Artikel von Herrn Gronen gelesen. Dort beschreibt er sowohl den Mastkorb als auch die Strickleiter (die an Augbolzen im Deck befestigt ist). Eine wacklige Angelegenheit wird das Klettern auf so einer langen und sich verwindenden Leiter sicher gewesen sein. Auf die schönen Details wie Leiter und Mastkorb werde ich also nicht verzichten.
Im Gronen-Text werden die ersten mit Bombarden bewaffneten Karavellen für das Jahr 1441 erwähnt (Die Kugeln seien flach über die Wasseroberfläche geflogen). Mein bisheriges Modell hat vier Stabringkanonen. Beim neuen Modell tendiere ich momentan noch zu vier Drehbassen auf der Reling. Mal sehen...
Ja, die Kochkiste kommt auch wieder mit an Bord. Das ist ein super Detail welches das vorhandene Modell auch hat (hinter dem Betingbalken). Auf den Modellbau der Kiste freue ich mich schon.
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Als Beiboot tendiere ich gerade zu einem relativ großen Exemplar auf der vorderen Luke geführt. Vielleicht hänge ich noch eine kleineres ins Schlepp? Das ist in 1:250 jedenfalls alles machbar.
Kommt als Besatzungsstärke 20 bis 23 Mann hin? Dazu konnte ich bei Gronen nichts konkretes finden. Mal sehen was Mondfeld und Co. für PINTA und NINA angegeben.
Diese Stabringwummen hatten den Vorteil, dass die Besatzung das Geschütz in Deckung laden konnten, indem sie einfach ein neues Kammerstück einsetzten. Der Nachteil war der Druckverlust zwischen Kammerstück und Rohr. Eine Drehbrasse, wie wir sie kennen, war ein Vorderlader. Kein Druckverlust, dafür aber Ladevorgang ohne Deckung. Nachladen dauert länger, da das Rohr gehörig ausgewischt werden sollte.
In dem Sodré Bericht wird ausgeführt, was man an der Strandungsstelle nördlich von Salalah vorgefunden hat: a) Steinkugeln, bei vielen waren die Buchstaben V S (Vincente Sodré) eingeschnitten. b) Keramik c) Metallgegenstände - portugiesische Münzen, Löffel, Glocke, Kammerstücke. Diese Kammerstücke waren aus Bronze. Ich frage mich, ob die dazugehörigen Hinderladergeschütze ebenfalls aus Bronze waren. Wenn, dann waren sie sicher gegossen. Es wurden keine Geschützrohre gefunden. Der ägyptische Flottenführer hatte sie nach der Abfahrt der Portugiesen bergen lassen und später mit Erfolg gegen die Giauren eingesetzt. d) Kein Holz. Die Portugiesen hatten die wrackgeschlagenen Naos angezündet. Organisches Material im Wasser wird in diesen Breiten restlos aufgefressen.
Es gab aber auch Drehbrassen mit Kammerstücken = Hinterlader. Dieses Exemplar ist aus dem 16. Jh. So könnten Deine Wummen aussehen. Hier sind sie auf dem niederländischen Spiegelheckbojer um 1570.
Guck mal in meinen Karavellen Bericht: Seite 16, # 226. Da ist ein feines Foto von einer frühen Drehbrasse.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Björn Landström war ein begnadeter Illustrator und Rekonstrukteur vergangener Schiffe und Szenerien. Das schöne Buch habe ich noch nicht, ich kenne aber die Bilder mit den Karavellen daraus.
Hallo Jörg,
laut "Aufheimer: Schiffsbewaffnung" und Deinen Aussagen waren die Drehbassen im 15. Jahrdt. auch mit Kammerstücken als Hinterlader ausgestattet (so wie auf Deinem Foto aus dem Lissaboner Museum zu sehen). Ich werde vier solcher Stücke als Bewaffnung zeigen. Keine Bombarden oder Stabringgeschütze. Franco Gay zeigt dazu diese schöne Zeichnung einer Drehbasse als Hinterlader:
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Donald McNarry hat ein schönes Modell einer Dreimastkaravelle gebaut:
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Er macht es sich einfach und schreibt, dass es keine Belege zu diesen Schiffen gibt und daher der Nachweis über die Richtigkeit von Modellen nicht erbracht werden kann. Dennoch wage ich das Gangspill hinter dem Großmast auf seinem Modell anzweifeln
Die von mir verwendete Rekonstruktion von Heinz Gronen zeigt eine zweimastige Karavelle (genauer: eine Quersegelkaravelle, carabela latina) die sowohl hochseetauglich, als auch fähig war in flache Flussmündungen und seichte Uferzonen vorzudringen. Der Entwurf zeigt ein 18,50 Meter langes Schiff mit einem Tiefgang von 1,70 Meter. Der Segler hätte eine Verdrängung von 120 Tonnen.
Auf Basis der Planzeichnungen und der vorhandenen, alten Computerdateien habe ich das rund 8 cm lange Spantengerüst aufgebaut. Den Rumpf baue ich diesmal etwas höher damit später das fertige Modell etwas höher aus der Wasserdarstellung ragt. Unter die Grundplatte habe ich daher eine 2mm starke Balsaholzlage geklebt. Dieses Lage soll das Unterwasserschiff andeuten. Sie wird mit Schmirgelpapier an die entstehende Rumpfform durch Schleifen angeglichen.
Hallo Klaus, "The necessary information does not exist." Bei diesen frühen Schiffen bewegen wir uns auf dünnem Eis. Wir haben nur Gemälde/Zeichnungen, wobei häufig nicht das Schiff der Mittelpunkt ist, sondern eine Heiligenfigur . Bei den Details wird es dann sehr schwierig. Ob pilot´s ladder oder Jakob´s ladder ist unerheblich. Es muss halt eine Aufstiegshilfe da sein. Ich bin ja mit meiner frühen Heringsbuss in einer ähnlichen Situation. Die Planzeichnung ist anfechtbar, sie ist eine persönliche Interpretation. Es gab für diese Zeit um 1580 nur Bestecke, die ersten niederländischen Pläne stammen aus der Zeit um 1640.
Das hält uns aber nicht vom Modellbau ab. Du hast mit dem Rumpfbau angefangen und ich arbeite an meiner Buss weiter. Aktiv sein mit Freude!
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Weiter mit tönernen Füssen auf dem dünnen Eis. Oder eben: Heiter weiter
Das Plankenschema habe ich nun so angelegt, dass beidseits der Scherstöcke die Planken einen geraden Verlauf haben. Beim alten Modell habe ich die Planken damals der Krümmung der Bordwand angepasst und in Bögen laufen lassen. Ich glaube heute, dass die Decksplanken so einfach und unaufwändig wie möglich und nötig gelegt wurden.
Der Computerausdruck des Decks lag eine Weile in Tee um gefärbt zu werden. Einzelne Planken habe ich mit dem Bleistift nachgedunkelt. Um das Deck herum habe ich einen Wassergang (mit Aussparungen für die Speigatts) aufgedoppelt. Die Scherstöcke liegen ebenfalls aufgedopplt und abgedunkelt auf (Scherstöcke sind Hölzer die den Rumpf in Längsrichtung Halt geben). Die Spanten habe ich hier und da mit einer Schere bündig mit den Deck gebracht. Schon jetzt habe ich die Ankerleinen eingeschoren (da komme ich später nicht mehr 'dran).
Klabauter
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
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P1020491.jpg
Jetzt wirds basic: Die Abwicklungen für das Schanzkleid kamen mit Bleistift auf Transparentpapier. Die Vorlagen habe ich auf einem Leuchtkasten auf Karton übertragen, ausgeschnitten und Schanzkleidstützen und Stringer aufgedoppelt. In Ermangelung von Klampen oder gar Nagelbänken wurden um die Stringer an beliebigen Stellen Leinen des laufenden Guts belegt. Alle gefärbten Teile sind mit Aquarellfarbe gemalt. Laschen sollen die Klebeverbindung zum Spantgerippe herstellen. Geklebt wurde beim Spantengerippe mit Uhu, aber jetzt wird mit Holzleim gearbeitet.
Den unteren Teil der Rumpfabwicklung habe ich genauso aus der Hand mit Augenmaß konstruiert. Dieses Konstrukt wurde nun mit Fertigspachtel aus der Tube gespachelt und geschliffen.