Die Anpassungen an den Gesichtszügen haben tatsächlich eine deutliche Verbesserung erzielt. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kopf der Dame sehr klein ist und daher das Schnitzen eines markanten Gesichts eine beachtliche Leistung bedeutet, worauf Du stolz sein kannst. Du hast es mit Deinen eigenen Händen erschaffen.
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner
die Schnitzarbeiten an der Galionsfigur machen ja schöne Fortschritte. Nun sprechen hier alle von einer weiblichen Figur. Dies kann ich in den Skizzen von Marquart nicht erkennen. Für eine Figur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind die weiblichen Attribute - auch an der Rüstung - meiner Auffassung nach zu wenig stark ausgeprägt.
Viel eher gleicht die Rüstung einem sogenannter Muskelpanzer, wie er z. B. an der Statue des Kaisers Augustus dargestellt ist. Die Ähnlichkeit, gerade bei der Frontalansicht der Galionsfigur, ist unübersehbar.
Es ist sehr bedauerlich, daß weder bei Karl-Heinz Marquardt in seiner Abhandlung über die Restaurierung des Originalmodells noch in einem Bericht von Klaus Lingenauber auf der Homepage des Arbeitskreises die Galionsfigur auf einer Fotografie deutlich zu sehen ist. In letztgenanntem Bericht erkennt man lediglich, daß die Figur in natürlichen Farben gefaßt ist.
Auch wenn das Federvieh, das die Hauptfigur überhöht und quasi umgibt, auf der Skizze von Marquardt wie ein Gänsegeier aussieht, so ist auf der Ansicht der Backbordseite doch deutlich zu erkennen, daß der Vogel einen Reichsapfel im Fang trägt und bei der Konstellation "Russland – Reichsapfel" kam mir das Wappen des ehemaligen kaiserlichen Rußlands in den Sinn.
Dessen Grundform zeigt einen gekrönten, von einer Kaiserkrone überhöhten Doppeladler, der in den Fängen einen Reichsapfel (Backbord) und ein Zepter (Steuerbord) hält und auf dessen Brustschild der Heilige Georg dargestellt ist.
In der nachmittelalterlichen Kunst wird der Heilige Georg meist in römischer Rüstung mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Helmschmuck aus Federn dargestellt, wie auf dem Gemälde eines wahrscheinlich römischen Künstlers des 17. Jahrhunderts zu sehen ist.
Ich stelle daher zur Diskussion, daß die Galionsfigur eine Personifizierung des kaiserlich russischen Wappens darstellt. Der heilige Georg tritt aus dem Brustschild des Adlers heraus und wird zur Hauptfigur. Er hält in der rechten Hand ein Schwert und scheint mit der linken Hand die Krone und den Reichsapfel zu beschirmen oder zu segnen.
Auf der Skizze von Marquardt sind zwar lange Haare zu erkennen, es könnte sich dabei aber auch um eine Fehlinterpretation des Nackenschutzes des Helms handeln. Dieser ist mit einem Visier ausgestattet und mit Federn geschmückt, die sich nach vorn wölben. Insgesamt könnte der Helm der Galionsfigur aussehen, wie der des in der Basilika von Vierzehnheiligen dargestellten Heiligen Georg.
Auch hier sind in der Darstellung des Helms und des Harnischs der Statue wieder starke Ähnlichkeiten zu der Darstellung der Galionsfigur zu erkennen.
Die Galionsfigur wird überhöht und quasi umrahmt vom russischen Doppeladler, der im linken Fang einen Reichsapfel und im rechten Fang ein Zepter trägt. Dieses ist auf der Skizze von Marquardt wirklich nicht als Solches zu erkennen, was Dich wohl veranlasst hat, diese Form als Schwert zu interpretieren.
Solltest Du meiner Argumentation folgen wollen, wären folgende Änderungen notwendig, die ich in eine Skizze eingetragen habe:
Entfernen/glätten des Grübchens im Halsausschnitt des Brustpanzers.
Formen von weicheren Übergangen am Brustteil der Rüstung.
Den Schnabel des Federviehs, das im Moment ein wenig wie eine Gans oder ein Schwan aussieht, ein wenig adlermäßiger gestalten. Den Hals mit Federn versehen.
Umarbeiten des Schwertes in ein Zepter.
Gestalten eines Nackenschutzes am Helm (anstatt der Haare). In der Skizze habe ich mich am Helm des Georg in Vierzehnheiligen orientiert. Den blau schraffierten Teil der Helmkalotte angleichen und einen Übergang zum Nackenschutz schaffen. Alternativ dazu: Die Haare voll ausarbeiten.
Wenn Du die Haare und das Ohr beibehalten möchtest, solltest Du es um eine komplette Breite nach hinten versetzen. Wo das Ohr anatomisch richtiger wäre, habe ich versucht mit den grünen Linien darzustellen. Da das Ohr eine komplizierte anatomische Form ist, würde ich es in diesem Maßstab tatsächlich unter Haaren oder dem Nackenschutz verschwinden lassen.
Was von diesen Maßnahmen umsetzbar ist, kannst Du am besten einschätzen. Nachdem die Gesichts-OP aber so hervorragend gelungen ist, wirst Du den überwiegenden Teil hinbekommen. Vielleicht kommt dann auch die in #97 beschworene "richtige" Figur zum Vorschein.
Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und Freude beim Schnitzen der Galionsfigur, die wieder ein sehr schönes Zeugnis Deiner künstlerischen Fähigkeiten werden wird.
Bei der Deutung der Galionsfigur beziehe ich auch immer den Namen des Schiffes mit ein. Dieser ist an die biblische Geschichte angelehnt, wonach Zacharias und Elisabeth die Eltern von Johannes dem Täufer waren. Die Geburt des Johannes wurde dem Priester Zacharias durch den Engel Gabriel verkündet. Zacharias glaubte nicht gleich, dass er uns seine Frau Eltern werden sollten, weil beide schon älter waren und Elisabeth als unfruchtbar galt. Dennoch gebar Elisabeth den Johannes
Die Galionsfigur könnte also auch den Engel Gabriel darstellen, der oft mit einem Schwert in der Hand dargestellt wird. Dass er von (römischen?) Soldaten umgeben ist, könnte eine Anspielung auf die Herrschaft des Herodes unter der römischen Besatzung hindeuten, dem ja die Kindstötungen nachgesagt werden, nachdem er von der Geburt des Heiland erfahren hatte. Johannes und Jesus waren gleich alt
Engel werden in der bildlichen Darstellung oft androgyn gezeigt, als Wesen, die sowohl männliche, als auch weibliche Merkmale in sich vereinen, aber prinzipiell geschlechtslos sind.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Die Hauptfigur der Galionsfigur als einen Engel zu interpretieren würde die vielen Federn hinter der Figur erklären, die dann nicht allein von dem Adler, sondern auch von den Flügeln des Engels stammen würden. Es wäre dann aber der Erzengel Michael, der mit Schwert dargestellt wird und auch als Führer der himmlichen Heerscharen gilt.
Die Schildhalter des große russichen Staatswappens zu zaristischer Zeit waren die Erzengel Michael (heraldisch rechts, mit Schwert) und Gabriel.
Unter dem Gesichtspunkt, daß die Hauptfigur den Erzengel Michael darstellt, könnten die Soldaten natürlich auch Vertreter des himmlichen Heeres sein, die in diesem Fall dann das russische Reich verteidigen.
Unbenommen erscheint mir jedoch, daß es sich bei dem Vogel im Hintergrund um den Doppeladler aus dem russischen Wappen handelt und die Figuren römische Rüstungen tragen, wie man sie sich im 17. und 18. Jahrhundert vorgestellt hat.
Diese Art von Rüstung hat auch Luca Giordano 1664 in seinem Gemälde vom Kampf des Erzengels Michael mit Luzifer dargestellt und es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Galionsfigur und Giordanos Erzengel gleichen. Auch bringt das Gemälde einen ganz neuen Typus von Helm ins Spiel. Unter dem aufgebogenen Nackenschutz quellen die langen Haare hervor und das gleicht dann schon wieder sehr der Skizze von Karl Heinz Marquardt.
Auf jeden Fall hat Frank jetzt eine große Auswahl an Möglichkeiten, wie er die Figur darstellen kann.
@Collingwood Es stimmt, der Erzengel Michael wird ebenfalls mit einem Schwert (Flammenschwert) dargestellt. Das eigentliche Attribut des Gabriels ist die Lilie. Michael war es auch, der Luzifer aus dem Reich Gottes vertrieb.
Michael wird aber in der Geschichte um Zacharias und Elisabeth nicht erwähnt, im Gegensatz zu Gabriel, der regelmäßig als Gottesbote auftritt (siehe auch die Verkündigung der Geburt Jesu). Aber auch Gabriel wird mit dem Flammenschwert dargestellt und tritt mit ihm auf (die Offenbarung des Johannes). Überhaupt ist das Flammenschwert eine Art Standardwaffe der Engel.
Ich will mich mit meiner Interpretation aber nicht zu sehr festlegen, nur Michael passt m.E. hier gar nicht her. Es kann ja auch alles ganz anders gemeint sein.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Hallo zusammen Einige die von @Collingwood ,Jürgen vorgeschlagenen Änderungen habe ich versucht umzusetzen. Das Schwert vom Adler wurde gegen ein Zepter ausgetauscht. Der Helm der Gallionsfigur wurde um einem Nackenschutz ergänzt und die Ohren sind nun dahinter versteckt. Die Gallionsfigur hat auch noch ein Schwert erhalten. Das Schwert und das Zepter müssen aber noch etwas filigraner werden. So schauts derweil aus.
Hallo zusammen, Vielen Dank für die zahlreichen Likes. An der Gallionsfigur habe ich ein wenig weiter geschnippelt. Es ist für mich jedoch sehr schwierig es besser hinzubekommen. Unzufrieden bin ich vor allem mit den Armen der beiden Soldaten die ja noch eine Lanze halten sollten. Das ist so bei der derzeitigen Situation nicht annähernd möglich. Ich bin gerade am überlegen alle Figuren einzeln herzustellen. Hier mal einige Bilder vom derzeitigen Stand.
obwohl ich die Gesamtfigur durchaus für ansprechend halte, scheint mir deine Überlegung hinsichtlich von Einzelfiguren doch besser umsetztbar. Die Proportinen sind dadurch einfacher zu modellieren, ergeben ein kontrastreicheres Gesamtbild und einzelne Komponenten (Arme, Beine u.a.m.) könnten dann stimmiger als Einzelteile integriert werden. So habe ich es bei meiner Queen Charlotte auch gemacht. Nicht aufgeben; mit deiner Begabung kein Problem.
Das würde ich Volker zustimmen. In Einzelteile zerlegt kommst du besser in die Tiefe und erreichst damit höhere Plastizität. Vielleicht auch bei den Gesichtern.
es dürfte schwierig sein, die Einzelteile in ihrer Kleinheit zu schnitzen und dann später harmonisch zu verbinden. Das könnte dann später leicht nach Bastelarbeit aussehen.
Stattdessen in zwei Hälften schnitzen? Damit habe ich bei meinem St. Albans-Galionslöwen ganz gute Erfahrungen gemacht. Man braucht dazu dann nur Holzrohlinge in halber Dicke. Auf diese kann man die beiden Seitenansichten auf die Rohlinge aufbügeln und hat so eine sehr gute Vorzeichnung. Erst nach dem Zusammenfügen der beiden soweit fertig geschnitzten Hälften wird dann die prominente Frau (oder der Michael) von vorne geschnitzt. Das dürfte für Dich kein Problem sein, da Du die Figur schon einmal geschnitzt hast und damit die Proportionen der Figur gut hinkriegen wirst.
Der Rohling der beiden Hälften sollte am "hinteren Ende" genug Material stehen haben, dass sich die fertig geschnitzen Hälften zuverlässig einspannen lassen, ohne dass die geschnitzten Seiten verletzt werden. Wenn Du dann die Endarbeiten an den zusammengefügten Hälften machen musst.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Zitat von achilles im Beitrag #115einzelne Komponenten (Arme, Beine u.a.m.) könnten dann stimmiger als Einzelteile integriert werden
....wurde es bei den Originalen nicht auch so gehandhabt? Dann befände man sich doch in guter Gesellschaft. Ich stelle mir vor, dass man am betreffenden zu schnitzenden Teil ein 'Griffstück' hat, das nach ausgeführter Schnitzerei -die dann auch sicher genauer und prägnanter ist, vorsichtig abgesägt wird. Im vorliegenden Maßstab müsste das sehr gut zu machen sein (...hört, hört! )
Hallo Frank, da solch eine komplexe Figurenszene sehr anspruchsvoll ist wäre vielleicht eine Zwischenstufe hilfreich. Du könntest die Figur erst aus einem Polymerton modellieren bis sie Deinen Vorstellungen entspricht. Der Vorteil dabei ist, dass Du immer wieder korrigieren und, was ja beim Holz nicht geht, auch wieder Material auftragen kannst. Zudem kann die Figur leichter an den Platz am Schiff angepasst werden. Wenn alles passt, lässt Du sie an der Luft härten - dann verformt sie sich nicht mehr. Mit Hilfe von Tastzirkeln lassen sich dann beim Schnitzen immer wieder Maßhaltigkeit und Proportion prüfen und auf das Holzmodell übertragen. Es ist zwar ein längerer Weg aber vielleicht erreichst Du damit Dein Wunschergebnis.
Vielleicht ist es auch der Einsatz einer Gliederpuppe zum Erfassen stimmiger Proportionen eine Überlegung wert? Ich habe den Eindruck, als wenn eher etwas zu lange als zu kurze Gliedmaßen auch einen eleganteren Eindruck vermitteln.