Hallo Volker Ich habe zwar noch nie ein Zeitgenössisches Original Modell gesehen ...aber genau so wie du baust, stelle ich mir das vor. Mit einer unterentwickelten Vorgehensweise hat das meiner Meinung gar nicht's zu tun. ...alle Achtung meiner seits. Wenn ich nur ein Teil deiner Vorgehensweise verstehen würde, könnte ich gelassener auf mein nächstes Modell zugehen. Grüße Jarno
Hallo Jarno (@jarno.knaus), vielen Dank für Deine Anerkennung. Da ich Dein nächstes Vorhaben (Navy Board Spantmodell) mitbekommen habe, verstehe ich durchaus Deine nachvollziehbare Anspannung für das Kommende. Ich kann Dich beruhigen: Die "unterentwickelte Vorgehensweise" ist lediglich meiner fehlenden Ahnung im Umgang mit modernen Zeichenprogrammen (CAD u.ä.) geschuldet. Damit hätte ich wesentlich effektiver arbeiten können. Ich bewundere deshalb die fachkundigen Kollegen in dieser Hinsicht sehr. Demgegenüber ging ich die Komplexität der Navy Board Spantbauweise mit einer gewissen Naivität an, und bemerkte erst im Laufe der Arbeiten, dass es doch wesentlich aufwändiger ist, als zunächst angenommen; vom Holzverbrauch einmal ganz abgesehen. Wesentliche Voraussetzung ist allerdings die Recherche. Jedes verfügbare Bild und jede zeitgenössische Zeichnung sollte man vor dem Bau "studieren"und gedanklich "auseinandernehmen", denn originale Spantbaupläne von englischen Schiffen gibt es nicht. Unverzichtbar sind zudem die Veröffentlichungen von Fachleuten, wie die von Willi Meischl (schifferlbauer). Nicht zu vergessen ist der Mut, Fehler zu machen! Viele mühsam angefertigte Teile landen auch bei mir letztendlich im Ofen. Nicht aufgeben! Neu machen! Wenn Du diese Regeln verinnerlichst und viel Geduld mitbringst, kannst Du völlig gelassen auf Dein nächstes Modell zugehen. Wir schaffen das!
Der kurze, gestalterische Ausflug zur Gillung wurde beendet, und ich ahne inzwischen, was mich in dieser Hinsicht noch erwartet. Seufz. Ich werde nun lieber mit den Zimmermannsarbeiten weitermachen. Bereits bei zeitgenössischen Modellen dieser Epoche fielen mir die fratzenähnlichen Köpfe auf den senkrechten Konsolen der Gillung auf. Diese Maskaronen (aus dem Franz. "Fratzengesichter") mit Schreck einflössenden, menschenähnlichem Antlitz waren zu dieser Zeit offenbar Mode; vielleicht können mir die versierten Kunsthistoriker im Forum mehr dazu sagen? Eventuell hatten sie auch nur den Zweck, den Feind so zu erschrecken, dass er ängstlich auf Beschuss des Hecks verzichtet? :-)
achilles
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Lenox Gillung 5.JPG
jetzt gibst Du richtig Gas! Man kann schon sehen, wie beeindruckend dieses Modell wird!
Wie breit sind denn die Gillungsfiguren bei Dir?
Zur Bedeutung der Fratzen konnte ich nicht allzuviel finden. Schon die Römer hatten solche Fratzen als Wandschmuck und darauf folgend im Mittelalter findet man diese Motive. Auch in Kirchen, wo sie für das heidnische, anti-klassische stehen. Gewissermaßen als Kontrastprogramm zum sonst vorherrschenden Ebenmäßigen, Erhabenen.
Im Barock waren diese Fratzen große Mode. So sind sie an vielen Schiffen dieser Zeit zu sehen. Iconografisch aber ohne tiefe Bedeutung. Sicher hatte es eine abschreckende Wirkung, wenn im Schlachtgetümmel das gegnerische Schiff mit solchen Fratzen aus dem Pulverdampf auftauchte.
Liebe Grüße Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Danke, Alexander! Ein Lob aus so berufenen Munde tut immer gut.
Die Bedeutung der Fratzen genau an dieser Stelle (in anderen Bereichen kann ich keine finden) konnte ich leider auch nicht "googeln". Dein Hinweis auf die geistig-religiösen Hintergründe finde ich jedoch höchst interessant. Die Breite der Maskaronen ist 5 mm. Zunächst war ich mir unsicher, da sie bei vielen zeitgenössischen Modellen prominenter (breiter) dargestellt werden. In den Zeichnungen von Van de Velde und bei anderen Modellen ist dies jedoch nicht der Fall. So übernahm ich es schließlich. Liebe Grüße Volker
Regen: Die Aussenbeplankung konnte in Angriff genommen werden. Sie soll u.a. die Rumpfstabilität beim Innenabschleifen des Rumpfes erhöhen. Wie üblich wird man die Laschungen der Barkhölzer später leider kaum mehr erkennen, obwohl bei ihrer Anpassung viel Geduld erforderlich ist. Mutig übernahm ich die Angaben in der Literatur, die besagen, dass die Plankenbreite zwischen oberen Barkholz und unteren Chainwales durchgehend beibehalten wurde. Fehler! Im Bugbereich musste ich sie alle verjüngen, da sich hier der Abstand zwischen beiden Barkholzlagen deutlich verringert. Man lernt nie aus. Am auffälligsten ist in dieser frühen Epoche ist der steile Anstieg der Plankenlage im Heckbereich; nicht vergleichbar mit den eher flachen Ausläufen in späterer Zeit. Auch war ein Durchbruch der Barkhölzerlage offenbar allgemein üblich. Nicht bei allen Modellen erkennbar, aber offensichtlich standardmäßig gelegt: Die "black strake", eine direkt über den oberen Barkhölzern angebrachte dickere Planke. Wie die Barkhölzer war sie ebenfalls meistens schwarz gefärbt. Daher der Name. In Erwartung weiterer Überraschungen.
achilles
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Lenox planking 2.jpg
Lenox planking sb 1.jpg
wunderschöner Anblick. Mit dem langen Schiffsschnabel sieht die Lenox recht Old-fashioned aus. Bei Saint Albans ist das Galion schon neumodisch gestaucht.
Wegen der verjüngenden Planken am Bug würde ich mir keine Gedanken machen. Die Linien des Rumpfes sind sehr gelungen.
Wie beurteilst du die Qualität von Endsors Plänen so weit, Volker?
Viele Grüße Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Hallo Volker Deine Beplankung mutet harmonisch und sauber an. Gestolpert bin ich über den Auslauf (Landung/Lanung?) der Berghölzer in die Sponung am Vorsteven. Das sieht so aus, als passte da etwas nicht richtig. Wird da noch etwas angepasst, die Sponung erweitert oder das Bergholz in der Dicke reduziert?
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Lieber Alexander, danke für das Lob! Endsors Pläne halte ich für durchaus zufriedenstellend. Die Längs- und Spantenrisse sind mit 1 bzw 0,5 mm Abweichung (Längs/max. Breite) äußerst exakt. Lediglich der Wasserlinienriß machte mir Schwierigkeiten. Bei der zeichnerischen Anfertigung der Zwischenspanten (zwischen den Konstruktionspanten) ergaben sich zahlreiche "Dellen", die ich schließlich durch Vergleich mit dem Spantenriß und Abschleifen korrigieren musste. Ansonsten kam ich mit seinen Angaben (Spantdicke der Floortimbers; 1 ft 1 1/4 in, hier 7 mm) gut zurecht. Auch die Länge der Laschungen und die Kielmaße stimmten mit den Originalabmessungen ziemlich genau überein. Die Maße der Hölzer führt er zudem gesondert auf. Bei seinen Zeichnungen der Innenkonstruktion hoffe ich auf ähnliche Übereinstimmungen.
Lieber Willi, auch Dir vielen Dank für die Anerkennung. Die von Dir angesprochene Sponung für die Barkhölzer am Vordersteven machte mir ebenfalls Kopfzerbrechen. Schließlich kam die Erleuchtung durch die Abbildung den Spantgerüsts der TYGER in Endsors Buch "The Master Shipwright`s Secrets". Im Bereich der "Lanung" gab es keine Sponung! Im Gegensatz zu den hitzegebogenen Planken war für die Berghölzer kein Widerlager im Steven notwendig. Da ihre Dimension ein Hitzebiegen im stark gekrümmten Bugbereich unmöglich machte, wurden sie laut Literatur aus relativ kurzen Krummhölzern passend in gebogene Form gesägt und lediglich verbolzt. Ein Widerlager (Sponung) im Vordersteven war daher nicht notwendig. In ihrer Endform werden werden die Hölzer natürlich noch an den Stevenverlauf angepasst. Dies geschieht allerdings erst nach der Dübelarbeit und dem Nachschleifen.
Vielen Dank für die erhellende Antwort, Volker. Ich hatte mich immer schon gewundert, wie man die gewaltigen Hölzer biegen konnte. Tatsächlich habe ich einige meiner Ebenholz-Berghölzer ebenfalls aus dem Vollen gesägt, weil 4-5mm Ebenholz auch seeeeehr widerspenstig ist und sich partout nicht um den Bug biegen lassen wollte. Aus Versehen alles richtig gemacht....
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.