Selbst wenn das Toppkastell aufgefiert wurde, scheint mir für Wachwechsel, Munitionsnachschub usw. auch eine Leiter als sinnvoll. Ich tendiere eher zu einer etwas festeren Lotsenleiter am Mast, da die Kogge eben durch die Kastelle recht kopflastig gewesen war und somit seitliche Winde und Wellen mit einer ordentlichen Krängung quittiert haben dürfte. Das Topkastell bräuchte dann eine Tür oder eine Öffnung (wie beim späteren Marskorb) im Boden.
Allerdings ist es auch hier wie schon so oft: Es fehlt der Nachweis.
Oh Mann: Da ging der Koggenbau so flott los und kam dann doch ins stocken...
In den letzten Tagen habe ich aber endlich wieder Zeit gefunden, mein kleines Modell zu vollenden.
Als das Segel gesetzt und halbwegs getakelt war, kam ich auf die Idee eine passende Figur über das Modell "laufen" zu lassen. Das hätte ich mal viel früher tun sollen, die Probe wurde aber bestanden, es passt von den Höhen fast alles ganz gut. Mit Ausnahme der Pinne, die viel zu hoch hing. Ein kleiner Druck mit den Fingern half. Damit sich das Ding nicht wieder hochbiegt, kam gleich ein Steuermann ans Ruder.
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Das Segel wird mit einem Bügelrack am Mast gehalten (historisch genauso belegt wie ein Kugelrack), Das Rack wird mit Racktaljen bewegt. Die Bulin führen beiseits an die Bugsprietspitze. Dafür war das Ding eigentlich nur da, um einen möglichst hohen- und möglichst weit vorn liegenden Hohlepunkt für die Bulin zu schaffen.
Am Segelfuß greift mittig eine Mittelschot, aussen Schoten. Das Segel hat Geitaue und nach vorn Gordings. Brassen gehen ab, auf Toppnanten habe ich mangels historischer Nachweisbarkeit verzichtet.Nach vorn werden die Unterlieken mit Halsen geführt.
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Zu noch etwas war der Bugspriet gut: Er diente als Führung eines Draggen. Damit konnte sich die Kogge im Enterkampf an den Gegner klammern. Damit ein Seil nicht direkt zerhackt wird, hat mein Draggen eine Kette aus gedrehtem Litzendraht als Vorlauf bekommen.
Ich habe überlegt, zum Toppkastell eine Strickleiter hinauf laufen zu lassen. Die Frage haben wir hier ja auch disskutiert und die Antworten waren »pro Leiter«. Ich habe aber so etwas bei keinem mittelalterlichen Siegel oder einer ernst zu nehmenden Rekonstruktion beobachten können. Vielmehr ist auf dem Siegelbildern von Winchelsea und Dover (Normannenzeit) dargestellt, wie Männer sich mit Klimmzügen an den Wanten hinauf bewegen. Daher habe ich mich gegen eine Leiter entschieden. Im Mittelalter tauchen meines Wissens erst solche Leitern zum Mast auf.
Das Kreuz als Zeichen des friedlichen Handels - oder des gerechten Streits - kommt an die Mastspitze. Darunter flattert der Danziger Wimpel.
Das vorbereitete Achterkastell mit Leiter und Danziger Flagge vollenden das Bild.
Eine einsame Figur auf dem Kastell soll ein wenig die Größenverhältnisse schildern. Die Zinnen bieten guten Schutz vor feindlichen Bogen- und Armbrustschützen.
Tja, und damit ist meine Rekonstruktion einer Kogge nach dem Danziger Siegelbild von 1299 vollendet. Es heißt ja öfter, das Mittelalter sei so farbenfroh gewesen (eine Ansicht die ich teile). Ich denke, das finale Bild meiner Kogge kann durchaus das Adjektiv »farbenfroh« verdienen Bevor ich Galeriefotos mache, will ich das Resultat erstmal sacken lassen. So geht es mir immer, der "Neuzulauf" muss sich erstmal eingewöhnen...
Klabauter
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Das war jetzt Kogge Nummer Sieben! Und es hat mal wieder Spaß gemacht! Und Spaß hat es auch wieder hier im Forum mit Eurem Interesse, den Fragen und Tipps und Daumen gemacht! Vielen Dank dafür!
ich sehe auf den Fotos, dass die Leiter zum Vorkastell eine »Beule« hat. Das korrigiere ich. Ebenso habe ich schon die Flagge auf dem Achterkastell zu einem kurzen Banner gestutzt.
Ich muss noch sagen: Wer nach den angegeben Plänen aus Polen oder der DDR ein größeres Modell als meines bauen möchte, sollte viel Vorarbeit in das Nachmessen der einzelnen Bauteile investieren. M.E. passt viel nicht zusammen. So müsste laut Plan das Heckkastell viel weiter achteraus ragen als es mir gelungen ist. Dazu ist aber laut Plan das Deck im Heckbereich zu schmal. Der Pinnenausschlag wäre sehr eingeschränkt worden wenn ich das Kastell noch weiter nach hinten gesetzt hätte. Ferner sollten die Belegpunkte der Takelage genau geplant werden. Bei meinem Modell in 1:250 »versendet« sich vieles, besonders im Bereich des Vorderkastells. Bei größeren Modellen kann die genaue Position der Belegpunkte aber schon zum Problem werden.
ich habe gerade das Achterkastell abgebaut und noch einen Stück weiter nach achtern gesetzt. In dieser Form kommt das Modell dann doch dem charakteristischen Detail auf dem Siegelbild näher. Und die Brassen scheuern nun auch nicht mehr... (Fotos folgen)
So wie ich die Zeilen oben geschrieben habe, bekam ich Besuch vom schlechten Modellbaugewissen und Admiral Selbstkritik:
Beide rieten mir, die Rechercheunterlagen nochmal anzusehen. Auf dem Siegel sieht man doch sehr deutlich den Überhang des Heckkastells über das Ruder gehend (s. vorran gehenden Beitrag). Also habe ich mir ein Herz und einen Cutter genommen und das Kastell vom Modell gelöst und mit viel Trickserei weiter nach achtern gesetzt. Das kommt dem Siegelbild nun nahe und die Leiter zum Kastell passt nun auch mittig zwischen Zinnen und Spill.
Die lange Fahne habe ich dabei auch gestutzt (siehe die Kogge auf dem Siegel von Elbing, 1380).
Der Wimpel im Topp wurde ebenfalls zum "Flögel" (einem Windrichtungsanzeiger) gestutzt (auch sowas zeigt das Siegelbild)
Tja, und wo ich so in Fahrt war, musste das Segel mit den Winkeln auch weg. Die Winkel waren mir zu aufdringlich und das rund geblähte Segel war mir zu gekünstelt. Ausserdem lag das Unterliek schon fast auf der Bordwandkante auf. Das neue Segel ist deutlich kürzer, hat kein Dekor und auch längere Reffbänsel.
Als nächstes kam das Schiff vom Rindensockel. Auch der gefiel mir nicht mehr. Zu dem dunklen Schiff wollte ich nun lieber etwas helles haben welches das Modell nicht "verschluckt"
Die Versuchung war auch kurz da, das Modell in eine Wasserfläche einzuarbeiten. dazu waren mir aber die Formen des Unterwasserschiffes zu reizvoll als dieses Verschwinden zu lassen.
Ich habe dann als Graupappe eine Plinte gebaut, die ich mit hellem Furnier beklebte.
Durch das zurückgerückte Achterkastell und das neue Segel hat das Modell seinen Charakter verändert (zum Guten, finde ich). Das Schiff wirkt nun viel schlanker und leichter als vorher. Es kommt vor allem dem Siegelbild näher. Das Bugkastell hat noch ein paar Danziger Wappen bekommen, an Deck sind noch drei weitere Figuren hinzugekommen. Ab und an liegt ein aufgeschossenes Tau herum und eine Kochkiste steht an Deck. Das war eine mit Steinen ausgemauerte Kiste in der bei ruhigem Seegang (sonst an Land) eine Feuer zum kochen entfacht wurde.
So, ich habe kein schlechtes Modellbaugewissen mehr und Admiral Selbstkritik ist auch ruhig. Jetzt bin ich zufrieden! Ich hoffe Euch gefallen die Änderungen ebenfalls. Es ist nun ein ganz anderer, freundlicherer Anblick des kleinen Kriegsschiffes.
Viele Grüße,
Klaus
Klabauter
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Hallo Herr Klausen, habe gerade die idyllische Hafenszenerie vor mir liegen. Bin sehr zufrieden mit der Ausführung. Und der Versprachlichung. Bin immer wieder erstaunt, was in so einem kleinen Maßstab möglich ist. Dagegen bin ich ein grober Motoriker.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!