Im Falle des Ludwigs waren es mehrere Wochen, an die drei Monate. Das muss nicht sein, aber eine Woche scheint mir zu wenig zu sein, geschweige denn die kurze Zeit, die diese Farben brauchen, um grifffest zu sein. Ich habe im Zusammenhang mit dieser Technik die Unterscheidung zwischen staubtrocken, grifffest und durchgetrocknet, die ich bislang für nicht besonders wichtig gehalten hatte, ernst zu nehmen gelernt. Sehr ernst! Staubtrocken heißt, fliegende Partikel kleben nicht mehr auf der Oberfläche fest. Das ist bei den matten Humbrol Farben manchmal schon nach Minuten der Fall. Grifffest bedeutet, wie der Name schon sagt, dass man die bemalten Teile anfassen kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Bei den Humbrol Farben nach wenigen Stunden. Durchgetrocknet aber sind die Farben erst, wenn das Lösungsmittel sich vollständig verflüchtigt hat. Beim Überzug mit einer Ölfarbe gibt es chemische und physikalische Probleme. Die physikalischen bestehen darin, dass man durch das starke Abreiben der Ölfarbe die darunterliegende Farbe quasi mechanisch abträgt. Deshalb bedarf es eines nicht allzu dünnen Farbauftrags, denn ganz ist ein Abrieb nicht zu vermeiden. Gravierender sind die chemischen Reaktionen. Die Ölfarbe sollte möglichst unverdünnt aufgetragen werden, die darunterliegende Farbe möglichst stark durchgetrocknet sein, damit die beiden Farben einander nicht zu stark durchdringen, bzw. die Ölfarbe nicht zu stark in die Humbrol Farbe eindringt. Ich habe einmal den Versuch gemacht und ein grau gestrichenes Deck bereits am nächsten Tag mit Ölfarbe behandelt. Statt einer Abdunkelung und einem Hervortreten der Maserung war der Effekt der, dass das gesamte Deck einheitlich dunkelgrau wurde. Die Ölfarbe hatte sich mit der Humbrol Farbe verbunden, was gar nicht im Sinne dieser Technik ist. Es geht um einen Nachdunklung und ein Hervorheben der „eingeschliffenen“ Maserung. Abschließender Rat: zwei Wochen Trockenzeit für die Humbrol Farben sollten das mindeste sein. Ich weiß, das ist keine Technik für ungeduldige Menschen. Ich arbeite deswegen immer an mehreren Modellen gleichzeitig, um die Trocknungszeiten nutzen zu können. Kleiner Trost: nach einem vollständigen Abwischen der Ölfarbe kann das Modell bereits nach einem Tag weiterbearbeitet werden. Schmidt
Bislang war, von den Trockenzeiten abgesehen, der Bau des Modells zügig vorangeschritten. Ich hatte es ja begonnen, weil ich mich von einem vorerst gescheiterten selbst Bauprojekt (davon vielleicht an anderer Stelle mehr) erholen wollte. Dann musste ich feststellen, dass mir der kleine Ludwig zwar ganz gut gelungen war, sich aber vielleicht gerade dadurch das Bessere als der größte Feind des Guten in Erinnerung brachte. Könnte man nicht, dachte ich, hier und da mit wenig Aufwand noch ein bisschen mehr an authentischen Details hervorzaubern?
Nun, der Wahrheit die Ehre, schon vor dem Öldraken hatte ich eine "ästhetischen Sollbruchstelle" des Bausatzes heilen wollen. Es geht um den Galionskamm. Am Bausatzteil ist er geschlossen und hat ein todschickes, nein, trutschiges, einfallsloses Ornament. (Der zeitgleich entstandene Bausatz der Vasa kann da entschieden mehr!)
Ich dachte, ich könnte das mit etwas goldener Farbe aufhübschen, aber das war so gar nicht der Fall. Es gibt keine Fotos davon, weil ich mich der Maßnahme zu sehr schämte. Stattdessen habe ich zu einer radikalen Maßnahme gegriffen und den falschen Kamm sowie das untere Scheg abgetrennt, (hoffentlich vertue ich mich nicht mit der Terminologie).
Das untere Teil wurde dann neu aufgebaut.
Und hier mein Versuch, in Anlehnung an Meister Landströms Bild etwas passendes zu entwerfen.
Die Seemonster sind auf der Vorlage mit Magic Sculp geformt, dann abgegossen und dreidimensional ergänzt. Die Schlange ganz vorne ist ein Unikat, an Ort und Stelle modelliert.
Zwischen den Seemonstern werden die Zurrings des Bugspriets sitzen.
Der neue Galionskamm vor der farblichen Angleichung der Teile.
Nun hatte ich, wie gesagt, diese kleine Veränderung bereits vor dem Öldraken vorgenommen. Das hatte eigentlich ausreichen sollen. Aber nach der Farbgebung erwachte der teuflische Ehrgeiz, auch andere Partien zu überarbeiten. Als erstes stach dabei natürlich wieder derdiedas Galion ins Auge. Bei der ersten Überarbeitung hatte ich freundlich darüber hinweg gesehen, dass die Seitenteile ein bisschen schwach detailliert sind. Ich dachte damals, die Flächen zwischen den senkrechten Figuren später auszufüllen. Da ich den Landström noch einmal sehr intensiv betrachtete, ging mir aber endlich auf, dass die Seitenteile der Galion nicht nur ein bisschen schwach detailliert, sondern darüber hinaus einfach zu niedrig sind! Es fehlt ihnen ein Bereich, der bei Landström zwischen den beiden Barkhölzern am Rumpf ansetzt. Beim Airfix-Modell endet das Seitenteil bereits am oberen Barkholz. Dadurch ergibt sich auch eine zu große "Durchsichtigkeit" der Galion
Hier drohten nun schwerst invasive Maßnahmen! Ich habe zunächst versucht, die Seitenteile der Galion vor Ort zu modifizieren. Das sollte ein minimalchirurgischer Eingriff werden, der aber gründlich misslang. Der Fräser, freischwebend gehandhabt, nahm sofort zu viel von den senkrechten Figuren mit. Also mussten die ganz weg.
Nach allerlei error and trial entstand schließlich auf Basis des Bausatzteiles eine neue, vergrößerte und besser detaillierte Galionsreling. Das Foto zeigt ein mittleres und ein spätes Stadium der Gussteile. Die Detaillierung erfolgte zum Teil durch abgegossene Figuren, zum Teil durch Profile oder kleine Ornamente aus Magic Sculp.
An der Galion mussten nun vier Teile (alle garantiert ohne rechte Winkel) aufeinander zu gearbeitet werden. Gräting, zwei Seitenteile, Bugschott. Da musste ich mich also überwinden und eines einkleben, damit ich die Maße für die anderen überhaupt ermitteln konnte. Ich entschied mich für die Galionsgräting, die immerhin waagerecht ausgerichtet werden musste. Sie liegt fest auf den Galionsspanten auf. Die Durchlasse für die Bugspritzurrings war bereits verändert worden (zwei statt einem) und saßen nun hoffentlich immer noch an der richtigen Stelle.
Um die Auflagefläche zum Seitenteil zu vergrößern, hatte ich unterhalb der Gräting eine Leiste angebracht.
Nun galt es, die Seitenteile anzupassen. Eine sehr vertrackte Arbeit, bei der ich wünschte, ich hätte vier Hände und einen ausfahrbaren zweiten Kopf, mit dem ich die Sache von der anderen Seite angucken könnte. Die neuen Spanten auf der Rückseite des Seitenteils markierten den Sitz auf der Gräting in der hoffentlich richtigen Höhe.
So sollte das Teil sitzen, mit einer ganz leichten Schräglage nach innen, die das Ganze meines Erachtens wesentlich eleganter erscheinen lässt.
Und zum Abschluss ein Bild vom farblich angepassten Bereich.
Ein Nachtrag. Das Bugschott des Bausatzes ist so gerade wie die Wand neben mir. Ich habe es in Resin abgegossen und das fertige Gussteil mithilfe von Föhn und Daumen so teilhalbrund geformt wie das Bugschott des Originals.
Zitat von Schmidt im Beitrag #16Im Falle des Ludwigs waren es mehrere Wochen, an die drei Monate. Das muss nicht sein, aber eine Woche scheint mir zu wenig zu sein, geschweige denn die kurze Zeit, die diese Farben brauchen, um grifffest zu sein. Ich habe im Zusammenhang mit dieser Technik die Unterscheidung zwischen staubtrocken, grifffest und durchgetrocknet, die ich bislang für nicht besonders wichtig gehalten hatte, ernst zu nehmen gelernt. Sehr ernst! Staubtrocken heißt, fliegende Partikel kleben nicht mehr auf der Oberfläche fest. Das ist bei den matten Humbrol Farben manchmal schon nach Minuten der Fall. Grifffest bedeutet, wie der Name schon sagt, dass man die bemalten Teile anfassen kann, ohne Spuren zu hinterlassen. Bei den Humbrol Farben nach wenigen Stunden. Durchgetrocknet aber sind die Farben erst, wenn das Lösungsmittel sich vollständig verflüchtigt hat. Beim Überzug mit einer Ölfarbe gibt es chemische und physikalische Probleme. Die physikalischen bestehen darin, dass man durch das starke Abreiben der Ölfarbe die darunterliegende Farbe quasi mechanisch abträgt. Deshalb bedarf es eines nicht allzu dünnen Farbauftrags, denn ganz ist ein Abrieb nicht zu vermeiden. Gravierender sind die chemischen Reaktionen. Die Ölfarbe sollte möglichst unverdünnt aufgetragen werden, die darunterliegende Farbe möglichst stark durchgetrocknet sein, damit die beiden Farben einander nicht zu stark durchdringen, bzw. die Ölfarbe nicht zu stark in die Humbrol Farbe eindringt. Ich habe einmal den Versuch gemacht und ein grau gestrichenes Deck bereits am nächsten Tag mit Ölfarbe behandelt. Statt einer Abdunkelung und einem Hervortreten der Maserung war der Effekt der, dass das gesamte Deck einheitlich dunkelgrau wurde. Die Ölfarbe hatte sich mit der Humbrol Farbe verbunden, was gar nicht im Sinne dieser Technik ist. Es geht um einen Nachdunklung und ein Hervorheben der „eingeschliffenen“ Maserung. Abschließender Rat: zwei Wochen Trockenzeit für die Humbrol Farben sollten das mindeste sein. Ich weiß, das ist keine Technik für ungeduldige Menschen. Ich arbeite deswegen immer an mehreren Modellen gleichzeitig, um die Trocknungszeiten nutzen zu können. Kleiner Trost: nach einem vollständigen Abwischen der Ölfarbe kann das Modell bereits nach einem Tag weiterbearbeitet werden. Schmidt
@Schmidt Danke für die ausführliche Erläuterung. Von diesem Ergebnis, wohl langjähriger Erfahrung und sicherlich der ein oder anderen Enttäuschung, kann man nur profitieren. Zumindest ein Teil der Erfolgsrezepte, die zu diesen herausragenden Modellen führen. Über den Holzbau von Modellen gibt es ja schon die ein oder andere Veröffentlichung. Aber über dieses Metier solltest Du ein Buch schreiben und natürlich mit vielen Bilder Deiner wunderbaren Modelle und Dioramen, als Motivation, selbst so etwas zu versuchen.
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner
Nach der Galion habe ich das Heck einer Überarbeitung unterzogen. Die historischen Abbildungen geben alle so gut wie keine Hinweis auf die Gestaltung des Heckspiegels. Allerdings kann man sich seinen Aufbau ungefähr vorstellen, schließlich ist das Schiff ja ein waschechter Holländer der 1620er Jahre. Von den drei Bausätzen ist der Airfix'sche ganz ohne Zweifel der mit der ambitionierten Heckgestaltung. Allerdings hat der Konstrukteur die beulenförmige Kontur der Ecken des Heckspiegels missverstanden und als barocke Säulen interpretiert, die ziemlich sinnloserweise auf das Heck gepappt sind. So hat kein Holländer je ausgesehen und auch kein Franzose! Hier beginne ich bereits, Hand anzulegen
Der Umbau des Hecks erfolgte dann in mehreren Stufen auf die schon mehrmals geübte Art und Weise. Ich habe Ornamente und Figuren aus anderen Modellen abgeformt und dem Ludwig aufgetragen. Ornamentspender war hier vor allem die Vasa (Airfix/Revell), für die Ludwig das direkte Vorbild gewesen sein soll. Heraldische Ungenauigkeiten oder gar Anachronismen habe ich in Kauf genommen. Hier Fotos von Baustufen:
Wobei es zwischenzeitlich auch zum Teilabriss kam, weil ich mich entschlossen hatte, auch die seitlichen Geländer zu erneuern. (Davon später.)
Schließlich sah das Heck so aus (hier noch vor der Ölbehandlung):
Diese Montage an einem anderen Modell illustriert das Vorher-Nachher:
Auf dem letzten Foto waren die neuen Schanzkleider bzw. Geländer bereits zu erkennen. Das Airfix Modell ist an dieser Stelle auffällig unterdetailliert, was möglicherweise der Gusstechnik geschuldet ist.
Hier mein erster Versuch eines Neubaus; die Teile sind von dem Pyro Modell abgegossen.
Man erkennt, dass die Dimensionen und die Fluchtlinien nicht stimmen! Also bin ich, ausgehend von der historischen Vorlage, einen kompletten Neuaufbau dieser Teile in Angriff genommen. Leider war es nicht möglich, ein Universalteil herzustellen. Auf jedem Deck verlaufen die Geländer anders und sind anders aufgeteilt. Der Neubau erfolgte ebenfalls nach einer bewährten Technik. Ich klebe die einzelnen Elemente auf eine Kunststoffplatte. Das gibt Ihnen festen Halt und sie können gut platziert werden. Später wird das Ensemble dann zum Urmodell für Abgüsse.
Hier sitzen bereits lackierte Teile an ihrem Platz.
Die Behandlung mit Ölfarbe (diesmal stark verdünnt aufgetragen und nicht weggewischt) macht die Geländer noch filigraner. Möglicherweise verändert dieser eigentlich unspektakuläre Umbau die Anmutung des Modells am meisten, weil er die obere Abschlusskante des Rumpfes komplett neu definiert.
Vielen Dank für den Hinweis auf die Lampe! Die ist noch nicht fest montiert. Ich sollte ihr tatsächlich einen höheren Sockel unterschieben. Sie wird auch noch zusätzliche Ornamente bekommen, die man auf den historischen Abbildungen erkennen kann. Die Geländer sind auf dem Foto noch nicht mit Ölfarbe behandelt. Später sah das dann so aus: