In diesem Baubericht möchte ich mich mit einem der Airfix-Klassiker beschäftigen, der Saint Louis. Es scheint mir immer ein bisschen merkwürdig, dass ein Schiff des 17. Jahrhunderts, zu dem es eigentlich herzlich wenig historisches Material gibt, es tatsächlich zu drei verschiedenen Bausätzen gebracht hat (Pyro, Heller, Airfix). Ein Grund dafür könnte sein, dass die Saint Louis so etwas wie das französische Pendant zur schwedischen Vasa und zur englischen Sovereign of the Seas ist, also etwas wie die Mutter der (damals) modernen Flotte. Tatsächlich ist die Verwandtschaft zur Vasa ausgesprochen deutlich und sogar historisch verbürgt; es scheint, dass der holländische Schiffsbauer, der für die schwedische Krone arbeitete, den Bau des französischen Schiffes auf einer holländischen Werft beobachtet und von dort Anregungen für seine letztlich fatale Konstruktion mitgenommen hat. Die folgenden drei Abbildungen, zwei Kupferstiche und ein Gemälde, gelten als Beleg für die Existenz der Saint Louis als einer Art Typschiff für eine französische Flotte, die anfangs der 1620er Jahre neu aufgestellt werden sollte.
Der Airfix-Bausatz von 1973 ist der letzte in der Reihe und nach denen von Pyro und Heller sicherlich der beste, da er sich an dem zuvor konstruierten Bausatz der Vasa und damit an zuverlässigem historischen Material orientiert. Leider gehört der Bausatz nicht zu denen, die in letzter Zeit neu aufgelegt worden sind. Das liegt vermutlich an der, im Vergleich zur Vasa, geringen Popularität des Vorbilds.
Als Maßstab wird stets 1:144 angegeben. Sollte ich in einer schwachen Stunde mal Lust bekommen, zu messen und zu rechnen (was ich seit meiner Abiarbeit nur noch selten tue), werde ich versuchen, das nachzuprüfen, soweit das überhaupt möglich ist. Schließlich noch drei Fotos vom lose zusammengebundenen Modell. Es repräsentiert meines Erachtens sehr schön die Frühzeit jenes Schiffstyps, der in den europäischen Marinen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts Standard war. Das Heck ist noch sehr hoch und schmal, die namensgebende Galion flach und ausladend. Der holländische Ursprung ist mehr als deutlich.
Wunderschön, dass du dieses tolle Projekt auch hier zeigst. Und erst meine Überraschung, dass wir noch gar keinen Projektordner für dieses Schiff hatten. Haben wir gleich mal ergänzt!
Ein herrlicher Bausatz, an den ich wunderschöne Jugenderinnerungen habe, da er der erste war, den ich selber zusammenbappen durfte – ja, das war richtige Ausdruck dafür ;-)
Die Arbeit am Rumpf beginnt mit einer Standardmaßnahme an den Airfix-Kits, dem Öffnen der Stückpforten. Man braucht dazu eine viereckige Feile mit möglichst scharfen Kanten, also keine Diamantfeile. Die Arbeit ging ganz schnell von der Hand; den Kunststoff des Bausatzes empfand ich als recht weich und kein bisschen spröde. Wenn man mit großer Sorgfalt (und mit zwei übereinander getragenen Lupenbrillen) arbeitet, kann man sogar einen Trempelrahmen stehen lassen.
Anschließend habe ich eine Lafettenattrappe gebaut, die sich von hinten an die Bordwand kleben lässt.
Hier geht sie bereits in die Serienproduktion.
Und hier eine erste Stellprobe. Verwendet werden die Halbrohre des Bausatzes, die übrigens eine winzige Gravur besitzen, die sich womöglich mit Farbe ins Reich der Sichtbarkeit hervorlocken lässt.
Weiter geht es mit der Behandlung der Bordwand. Unterhalb der Rüsten sind sinnwidriger Weise Püttingeisen aufgraviert.
Die müssen natürlich weg. Bei der Gelegenheit habe ich die ganze Bordwand mit Schleifpapier und Glasfaserradierer behandelt, anschließend die Plankenfugen mit dem Scaler nachgezogen, sodass sie jetzt etwas schmäler sind.
Zitat von dafi im Beitrag #2Ein herrlicher Bausatz, an den ich wunderschöne Jugenderinnerungen habe, da er der erste war, den ich selber zusammenbappen durfte – ja, das war richtige Ausdruck dafür ;-)
wirklich Klasse, was Du da zeigst. - Aber gestatte mir die folgende ketzerische Frage (Ich bin hier bekanntlich der Ketzer vom Dienst...): Wenn die "Vasa" so große Ähnlichkeit zur "Saint Louis" hatte und der Bausatz der "Saint Louis" nicht der Beste ist, wieso schnappst Du dir dann nicht einfach den frischeren Bausatz der Vasa von Revell in 1/150 und machst daraus eine "Saint Louis"? - Nur mal so als Vorschlag.
Beste Grüße, Herbert
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Nun, soweit gehen die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Schiffen nun nicht. Immerhin hatte die Vasa ein zusätzliches Geschützdeck, was sich ja auch als fatal erweisen sollte. Vom höchst differenzierten und individuellen Figurenschmuck einmal ganz abgesehen. Das alles macht einen Um- oder Rückbau m.E. vollkommen unmöglich. Und so schlecht ist der Airfix-Kit nun auch nicht!! Schmidt
Weiter geht es mit der Gestaltung der Seitengalerien. Im mittleren Bereich der Galerien befindet sich eigentlich eine Lüftungsöffnung, sinnvollerweise. Beim Modell ist dieser Bereich geschlossen und fast nicht graviert. Die Vasa zeigt hier einfache Stützen, die Referenzbilder der Saint Louis allerdings ein aufwändigeres „Lüftungsgitter“. Ich habe versucht, das mit Polystyrol-Streifen und kleinen Gussteilen aus Resin nachzubilden.
Im oberen Bereich der hinteren Bordwand befindet sich oberhalb der Vertuining noch ein Bereich, der mit königlichen Insignien geschmückt ist. Die Bausätze der Saint Louis von Pyro und Heller haben das richtig erkannt und versuchsweise nachgebildet, der Graveur bei Airfix scheint hier allerdings eine längere geistige Mittagspause eingelegt zu haben.
Ich habe die Bereiche zwischen den Schmuckfiguren plan geschliffen. Das war nicht so einfach, ich dufte ja die Figuren nicht beschädigen, allerdings sind die Bereiche ja auch wieder zu füllen. Nach den Eingriffen an der Bordwand habe ich die Rumpfhälften und das Heck zusammengeklebt. Es gibt hier verschiedene Philosophien. Ich persönlich scheue sehr davor zurück, bereits bemalte Teile zu verkleben. Außerdem braucht es für das Öldraken (Überzug mit dunkler Ölfarbe, die gleich wieder weggewischt wird) einen bereits weitgehend zusammen gebauten Rumpf, da der Effekt besonders an den Kanten und Übergängen von Bedeutung ist. Es gehört zu den traumatischen Erfahrungen meiner frühen Bastlerphase, an besagtem Zusammenbau der Rumpfhälften oft genug gescheitert zu sein. Tatsächlich „passen“ die Teile in der Regel nach ein bisschen Nacharbeit zusammen, aber sie tun das nur, wenn man sie von allen Seiten aufeinander presst, lange genug, damit der Plastikkleber seine Wirkung tun kann. Aber wer will schon 3 Stunden den menschlichen Schraubstock spielen? Früher bin ich manchmal darauf verfallen, die Teile von innen mit einer heißen Stricknadel zu verschweißen, weil das schneller geht. Im Prinzip keine schlechte Idee, nur bin ich dabei oft genug durch die Bordwand gestoßen oder habe schließlich doch keine haltbaren Verbindungen zustande bekommen. Kein Wunder, eine glühend heiße Stricknadel ist nun mal schwer zu händeln. So habe ich es jetzt gemacht. Geknebeltes Garn drückt die Rumpfhälften stundenlang zusammen, während der Bastler mit einem Bierchen vom Kamin sitzen kann:
Anschließend habe ich den Rumpf mit der Airbrush grundiert. Farbe: Humbrol 63. Dieser erste, ganz dünne Farbauftrag zeigt, wo gegebenenfalls noch zu spachteln und zu schleifen ist.
Nun ging es daran, den Unterwasserrumpf abzutrennen. Am Beginn stand die Überlegung, ob die Konstrukteure des Modells berücksichtigt hatten, dass der Kiel achtern für gewöhnlich etwas tiefer liegt als vorne. Ich habe mal entschieden, dass das nicht der Fall ist, und habe also die Wasserlinie parallel zum Kiel angelegt. Darüber kann man sicher streiten. Die Wasserlinie ist mit einem ziemlich professionellen Höhenreißer bestimmt und mit Bleistift angezeichnet. Dann habe ich ein 3 mm breites Klebeband darunter geklebt und an der unteren Linie des Klebebandes den Rumpf abgetrennt. So habe ich immer noch ein bisschen Spielraum, bzw. kann ein bisschen vom weißen Unterwasserrumpf zeigen, wenn das Schiff auf einer Wasserplatte liegt.
Beim Abtrennen des Unterwasserrumpfes hat sich mein Proxxon Mikromot 50/E mit einem kleinen Funken, einem Pluff und einer kleinen Rauchwolke verabschiedet, nachdem er mir viele Jahre lang gute Dienste geleistet hat. Vielen Dank. So viel tatkräftige Unterstützung für 30 €. Der Nachfolger ist gestern angekommen.
Wenn man einem Plastikmodell den Unterwasserrumpf abgetrennt, beschädigt man massiv dessen Stabilität. Die galt es jetzt zurückzugewinnen. Erste Maßnahme war der Einbau des mittleren Decks, das später so gut wie gar nicht mehr zu sehen sein wird, da eine Mischkonstruktion aus Brücke und Gräting darüber liegt. Inzwischen sind alle vier Decks nachgraviert, lackiert und geöldrakt. Dabei habe ich übrigens ein weiteres Verfahren erprobt: nach dem Öldraken vorsichtig und nur in eine Richtung mit einem möglichst neuen Schleifschwamm (100er Körnung) über die Planken streichen. Aus der Elektromikroskopperspektive ergibt das eine noch authentischere Maserung.
Das Schanzkleid im Bereich dieses Decks ist von innen ebenso behandelt.
Doch damit nicht genug der Stabilisierung. Im unteren Bereich klaffte der Rumpf immer noch zu weit auseinander. Deswegen ist hier ein verstärkter Spant eingezogen, der das Ganze in Form hält.
Ein Blick auf die hinteren Decks, die aus zwei Bauteilen bestehen. Obwohl der Heckspiegel und das unterste Deck bereits fest eingeklebt sind, lassen sie sich widerstandslos und ohne jedes Klemmen und Spreizen einlegen und auch wieder herausnehmen. Auch die hier provisorisch angelegten Schotts passen einwandfrei. Wichtig, wenn man die Bauteile separat lackieren will.
Ich habe ja schon einiges an vertrackten barocken Schiffen (an)gemalt, aber der heilige Ludwig schlägt alles. Leider haben die Konstrukteure des Modells die Farbtrennkanten nicht so eindeutig markiert, wie das der bemalende Bastler gerne hätte. An sehr vielen Stellen brauchte es da (zumindest in meinem Fall): zwei Brillen, ganz feine, ganz neue Pinsel, spezielle Atemübungen und die dauernde Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und dabei Kompromisse in Kauf zu nehmen. Nach dem ersten Bemalungsdurchgang sah das Modell aus wie ein frischgestrichenes Kinderzimmer inklusive Sternenhimmel. Später soll ja das Öldraken dem Modell die Würde zurückgeben, die es eigentlich ausstrahlen sollte.
Und hier posiert der Ludwig bereits auf der neuen Groß-Wasserplatte. Bei der ist mir ein changierender Anstrich in Blau-Grün mit einem einzigen Farbauftrag gelungen. Möglicherweise hatte ich die Farben nicht ausreichend vermischt. Ein sehr schöner Effekt, den ich aber möglicherweise nicht gezielt werde wiederholen können.
Nach dem Auftrag der Humbrol Farben trocknete das Modell für mehrere Wochen. Mein Motto lautet: Jeder Tag der Trocknung mehr ist ein guter Tag. Durch den intensiven Abrieb der Ölfarbe wird der Untergrund schon ziemlich strapaziert. Je stärker die Farbe durchgetrocknet ist, desto besser hält sie das aus. Endlich war es soweit. Hier zunächst das aus Wattepads und Q-Tipps gebildete Schlachtfeld, das nach so einer Arbeit zurückbleibt.
Ich bin wieder wie üblich vorgegangen und habe das Modell in drei Abschnitten ge- und entölt, Heck, Backbord, Steuerbord. Hier das Resultat:
Es ist ausgesprochen schwierig, das Modell nach der Öl-Behandlung so zu fotografieren, dass die Fotos genug Ähnlichkeit mit dem Original haben, um Details der Farbgestaltung präsentieren zu können. Als letzten Schritt habe ich die Holzpartien des Rumpfes noch einmal mit stark verdünntem Vandyckbraun überstrichen, eine Lasur, bei der ich eine gewisse Unregelmäßigkeit in Kauf genommen, ja beabsichtigt hab, die sich beim Abwischen der Ölfarbe eher nicht ergibt. Aber ich kann das so lange fotografieren, wie ich will, man sieht es auf den Fotos schon deshalb nicht so gut, weil die Lasur nur langsam auftrocknet und zunächst noch starke Reflexionen produziert. Deshalb wanderte das Modell auch erst einmal n die Trockenkammer bis zum nächsten Bearbeitungsschritt.
Noch ein Wort zu den Ölfarben (Motto: lebenslänglich lernen): Wenn der Untergrund ausreichend präpariert ist, kann man auch mit SEHR stark verdünnten Ölfarben erstaunlich deutliche Resultate erzielen, ohne dass dicke Farbschichten die Oberfläche zukleinstern. Die Deckkraft der Farben ist selbst bei hoher Verdünnung groß.
Immer wieder beeindruckend und bewundernswert, wie Du es schaffst, den Plastik-Modellen dieses realistische Aussehen zu verleihen. Du hast es sicherlich schon einige Male beschrieben, aber an dieser Stelle sei trotzdem die Frage erlaubt: Wie lange müssen / sollen die Farben bis zur Ölbehandlung trocknen?
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner