Dieser Baubericht ist im Jahr 2019 ins Stocken geraten. Dafür gab und gibt es mehrere Gründe. Grund Nummer eins Am 3.9.2019 zogen in langen Kolonnen mittelgroßer, gut geformter Kumuluswolken auf satt blauem Hintergrund über unseren Garten. Also baute ich schnell meine neue große Wasserplatte auf, um ein Ensemble aus Ludwig und anderen kleinen Schiffen, die ich in der Zwischenzeit zu seiner Begleitung gefertigt hatte, für ein Foto zu arrangieren. Der erste Blick durch den Kamerasucher war grandios. Aber ich hatte zu schnell aufgebaut und die Halterung für die Wasserplatte nicht fest genug angezogen. Die Platte kippte nach vorne, ohne dass ich die Chance zu irgendeiner Reaktion gehabt hätte.
Ich hatte gedacht, so etwas würde immer nur den anderen passieren. Es ist mir dann in den nächsten Wochen gelungen, den geradezu explodierten Rumpf wieder zusammenzusetzen, wobei ich einige Techniken entwickelt habe, von denen ich hoffe, dass ich sie nie wieder anwenden muss. Das bisher angebrachte stehende Gut war natürlich verloren und musste komplett erneuert werden. Allerdings hat die eigentlich ganz gelungene Restaurierung (die einem Neubau beinahe gleichkam) nicht dazu geführt, dass ich mit neuer Energie an dem Modell weiterarbeitete. Ein Grund – und der Hauptgrund – dafür war, dass ich mit dem Umfang meiner Umbauarbeiten nun doch nicht zufrieden war. Eigentlich gefiel mir alles ganz gut, die neue Galion, die neue Reling, die veränderten Elemente am Heckspiegel – aber da blieb ein Stachel in Gestalt der Seitengalerien. Ich hatte schon zu Anfang des Baus beschlossen die nicht anzugehen obwohl aus der zeitgenössischen Abbildung und aus Landströms Rekonstruktionen Recht eindeutig hervorgeht, dass die beiden kleinen Türme auf den Galerien zumindest im oberen Bereich (der "Kuppel") freistehend waren. Dem entgegen hat das Modell nur „halbe“ Türme, die bis in ihre Spitze an der Bordwand anlehnen. Je mehr ich mich in der letzten Zeit mit der Architektur von Schiffen aus dieser Epoche beschäftigt habe, desto unangenehmer vielmehr immer wieder dieser Kompromiss der Formenbauer auf. Es wäre eigentlich nicht allzu schwierig gewesen, auf den eingespritzt Seiten Galerien zwei Plätze freizuhalten, auf die dann die Türme hätten gesetzt werden können. Das halb fertige Modell steht in meinem Arbeitszimmer, und ich sehe es täglich. So wurde mir im Laufe der Zeit immer klarer, dass ich es in dieser Gestalt nicht würde weiterbauen wollen. Es fehlte einfach ein für diese Epoche kennzeichnendes Element, das den Charakter des ganzen Schiffes nachdrücklich prägt. Also habe ich zum Dremel gegriffen, zunächst an dem baugleichen Modell, das ich parallel gebaut hatte, um daran Teile und Techniken erproben zu können, gewissermaßen Ludwig II.
Das folgende Bild ist nichts für empfindsame Modellbauer mit schwachen Nerven! Im Hintergrund übrigens das Deckelbild des Heller-Ludwigs, das an die erste Interpretation durch Björn Landström „angelehnt“ ist.
Da hieß es jetzt rasch, die schrecklichen Löcher zu schließen. Geschehen mit Abgüssen der Bordwand, die noch sauber eingepasst, bemalt und mit den Lilien bestückt werden müssen.
Hier klebt bereits eine zuvor abgegossene Galerie an der Bordwand. Sie ist verbreitert worden, so dass die Türme jetzt eine freistehende Rückseite haben.
So hätte ich es lassen können. die Kollateralschäden hatten sich in engen Grenzen gehalten. Aber die ganze Chose gefiel mir nicht. Die Bausatztürme sind doch mehr Bauhaus als Barock, daran konnten auch die Ornamente nichts ändern, die ich zwischen die Fenster geklebt hatte. An der Anmutung des Modells hatte meine Modifikation so gut wie nichts geändert. Also auf ein Neues. Fortsetzung folgt.
Das sind die neuen Rohfassungen der beiden Türme und der Abdeckung auf der Seitengalerie. Natürlich muss alles noch richtig zueinander ausgerichtet werden, und es bedarf noch einiger frei gestalteter Ornamente, um das Ganze eine einigermaßen harmonische Einheit im Sinne barocker Schönheitsvorstellungen bilden zu lassen. Ich weiß nicht, ob ich am Ende ganz zufrieden damit sein werde, aber da die Aufgabe selbst der einer Quadratur des Kreises glich, sollte ich mich vielleicht auch mit siebzig bis achtzig Prozent meiner Wünsche bescheiden. Schmidt
Schlimmer für dich als Abformer: Sollten die nicht nach hinten parallelogrammieren? Natürlich gibt es dann linke und rechte Türmchen, außer die sind hinten auch verglast.
Deine Methode die weichen flachen Abgüsse zu einer Rundung zu machen ist genial. Dabei gleich den Winkel einbauen? Oder die noch nicht aufgefüllten Türmchen (also noch mit Loch inner Mitte) nochmals in heißes Wasser legen und dann nach hinten biegen? Als Bildungsbürger weiß ich: "Earl grey, heiß" hilft immer ;-)
Zitat von dafi im Beitrag #51 Oder die noch nicht aufgefüllten Türmchen (also noch mit Loch inner Mitte) nochmals in heißes Wasser legen und dann nach hinten biegen?XXXDAn
Ha! Das ist wirklich clever. Da bin nicht einmal ich drauf gekommen. Ich würde auch glatt sofort in den Keller eilen, um das zu versuchen. In ihrem momentanen Zustand sind die Türmchen aus Gründen der Stabilität ausgegossen. Aber das lässt sich mit einem Bohrer rückgängig machen. Allerdings hege ich historische Bedenken. Haben die Schiffsarchitekten es tatsächlich riskiert, eine schräge Konstruktion herzustellen. Das würde praktisch bedeuten: kein rechter Winkel, starke Beeinträchtigung der Stabilität, und Fenster lassen sich nicht oder nur sehr schwierig öffnen. Ich glaube, wir wären ziemlich entsetzt, wenn wir die wunderschönen Barockschiffe im Original sähen. Da dominiert doch oftmals schlichte Handwerkskunst. Ich erinnere an die entsprechenden Stellen an und in der Vasa. Ich werde mal sehen, wie ein „gekippter, gerader Turm“ aussieht. Vielleicht ist der Anblick ja zu ertragen. Ansonsten ist noch nichts verloren. Schmidt
Also, die Vorstellung, daß immer alles gerade und rechtwinklig sein muß ist wohl dem Industriezeitalter mit seinen parallelgeführten Maschinenwerkzeugen geschuldet. Im Handwerk hat man zu allen Zeiten Dinge passend gemacht und sich nicht um rechte Winkel geschert. Dabei sind mir als karthesianisch vorbelastetem Längs- und Querdenker die barocken krummen Winkel und gebogenen Linien ein Graus ...
Mit der "Earl-Grey-heiß-Methode" habe ich immer meine gegossenen Anker ausgerichtet, falls es nötig war :-)
Die waren recht kritisch im Ausformen, eine Minute zu früh und sie haben sich noch verformt oder etwas zu spät haben sie sich in der Form festgekrallt trotz Silikonspray.
Ich hab's natürlich gemacht. Wie könnte ich widerstehen, einem Vorschlag nachzukommen, der aus dem engsten eigenen Hobbybereich stammt und dermaßen sophisticated ist. Also Turm abgegossen, aufgebohrt, erhitzt und verschoben. Hier das Ergebnis:
Eine noch weitergehende Verzerrung ist mir erst mal nicht gelungen. Da setzt die Physik ihre Grenzen. Jetzt hält der Turm die Mitte zwischen dem nach hinten geneigt Heck und der nach vorne geneigten Seitentasche.
@Schmidt, Du solltest auch in das 3D-Druckgeschäft einsteigen. Da gibt es in der Modelliersoftware Funktionen, mit denen man Formen einfach verzerren kann ... und dann neu drucken.
Ach, Eberhard! Na klar! Am besten, ich finanziere gleich die Entwicklung einer Software, die aus einer Zeichnung oder einem Gemälde von Willem van de Velde die Ornamente heraus stand und in Druckdateien verwandelt, die im beliebigen Maßstab und natürlich in alle acht Dimensionen verzerrt ausgedruckt werden können. Und das ist natürlich kein Quatsch. Wahrscheinlich gibt es das schon, und wenn nicht, dann wenigstens so ähnlich. Aber ist das dann noch unser Hobby? Und das frage ich jemanden, der eine besonders große Vorliebe für die Werkzeuge vergangener Jahrzehnte hat. Ich habe jetzt schon mehrfach im Netz verfolgt, wie historische Schiffe durch Zeichenprogramme „dreidimensional“ abgebildet wurden. Ich frage mich allerdings: Sind die Leute, die so etwas machen, überhaupt noch interessiert daran, die Ergebnisse ihrer digitalen Rekonstruktionen dreidimensional vor sich zu sehen? Für ein solches Unternehmen müssten wohl verschiedene Menschen mit verschiedenen Vorlieben zusammenarbeiten. Sicher nicht unmöglich. Allerdings hege ich eher eine Abneigung gegen Computerarbeit, nicht zuletzt, weil ich acht oder mehr Stunden am Tag vor so einem Ding sitze, schon zwei Spezialbrillen dafür habe und ständig Physiotherapie gegen meinen Mausarm machen muss. Zurück zum partiell verletzten Ludwig. in einem anderen Forum wurden meine bisherigen Anstrengungen zur Umgestaltung der Seitengalerien als „Bauklötze stapeln“ bezeichnet. Dabei hatte ich mich gerade bemüht, dem Turm, was Neigung und Anschmiegung angeht, möglichst viel Kontakt zur Bordwand zu verschaffen.
Aber die Kritiker haben ja leider Recht. Die barocken Baumeister werden sich doch vermutllichnoch irgendetwas überlegt haben, um das Heck ästhetisch „runder“ zu machen. Aber wir wissen nicht, was! Ich habe nachgedacht und als Resultat dieses Nachdenkens mir noch einmal die Vasa angeguckt, deren unmittelbares Vorbild ja der Heilige Ludwig gewesen sein soll. Ich bediene mich der Einfachheit halber eines schönen Fotos von einem fertigen Airfix-Modell aus einem Nachbarforum.
Was sieht man? Man sieht, dass die Erbauer der Vasa keine Probleme mit der Architektur der Türmchen hatten. Und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie in einem Anfall von Größenwahn zwei Seitengalerien übereinander platziert hatten, was bedeutete, dass von den unteren Türmchen nur die Dächer bleiben konnten. Die fügen sich nun einigermaßen harmonisch in die Gesamtkonstruktion ein. Toller Trick. Schaut man etwas genauer hin, dann bemerkt man noch einen zweiten Unterschied zum Ludwig, wie ihn die Leute bei Airfix konstruiert haben. Das Heck der Vasa ist nämlich gestuft, während das entsprechende Airfix-Teil, für das die Konstrukteure ja keinerlei zuverlässiges Vorbild hatten, vollkommen glatt ist. Also habe ich zunächst mal wieder den Abriss-Dremel und mit ihm die Fensterfront herausgeholt. Das war insofern leicht, als die Front ja bereits ein neu gebautes und eingesetztes Teil war.
Hier ist die Fensterfront wieder provisorisch an ihren Platz gestellt, dabei aber so weit nach innen verschoben bzw. gekippt,, dass die Falllinie der Fenster mit der der Fenster im Türmchen übereinstimmt. Zusätzlich habe ich ein Verbindungsfenster eingesetzt, das nun eine einheitliche Fensterfront herstellt, die Heck und Türmchen einschließt.
Stand der Dinge. Ich habe aber noch eine weitere Überraschung in petto. (Ab mit irrem Lachen.)
Hier noch einmal Landströms Interpretation des Hondius-Stiches. Landström hat etliche alte Abbildungen in kolorierte Zeichnungen umgesetzt, von denen wiederum viele als Vorlage für die Herstellung von Plastikbausätzen in den sechziger und siebziger Jahren gedient haben. Er zeigt die obere Etage des hinteren Turmes „durchsichtig“ und den Turm selbst etwa bis zur Hälfte an die Bordwand geschmiegt, im oberen Bereich der Kuppel aber vollkommen freistehend. Leider hat er sich an einen Entwurf des Hecks nicht gewagt.
Ich bin kein Marinehistoriker. Meine Überlegungen sind die eines Amateurs und Dilettanten. Aber nach Durchsicht ich weiß nicht wie vieler Bücher und Internetseiten bin ich der Ansicht, dass diese hohen und freistehenden Türmchen kein besonders oft wiederkehrendes Element beim Bau der Schiffe in dieser Zeit waren. Vielleicht wollten die holländischen Schiffsbauer, die den Ludwig für Frankreich konzipierten und bauten, etwas tun, damit das Schiff schon von weithin als königlich wahrgenommen werden konnte. Im täglichen Gebrauch können diese Türme sich nicht bewährt haben. Man stelle sich nur vor, was mit ihnen passiert, wenn Sturm herrscht. Die Scheiben, so es denn welchesind, werden eingedrückt und der ganze Turm abgerissen! Ich habe die Türme an verschiedenen holländischen Schiffen zwarwiederfinden können, aber das sind es immer niedrige, halbe Türme, die sich in der Mitte der Galerie oder leicht nach hinten versetzt an die Bordwand schmiegen. Eigentlich sind es mehr Beulen als Türme. Hier ein Ausschnitt aus einem Gemälde, das ein englisches Schiff aus der Zeit des Ludwigs zeigen soll. Man erkennt eine gewisse Verwandtschaft, aber die Türme sind deutlich integriert.
Wer mir Abbildungen von anderen „Turmschiffen“ zeigen kann, möge das bitte tun. Ich wäre dafür sehr dankbar.
Hier die bereits eingesetzte neue, nach hinten gekippte Fensterreihe. Die Figuren, die die Fenster trennen, haben größere Köpfe bekommen, die auch als tragende Elemente dienen. Rechts und links habe ich mich zu einer Fortsetzung der seitlichen ornamentalen Begrenzung entschlossen. Ich denke nun doch, es hätte weder dem Geschmack der Zeit noch konstruktiven Anforderungen entsprochen, eine Panoramafensterreihe von Turm zu Turm laufen zu lassen.
Hier halte ich einen Teil des Hecks der Sieben Provinzen in der Hand. Ein typischer Vertreter der Lösung, die die barocken Schiffsarchitekten in den Niederlanden für das Problem des Übergangs zwischen Heck und Seitengalerie gefunden hatten. Das Türmchen rückt ein wenig nach vorne, und damit kann der hintere Abschluss der Seitengalerie in die Gestaltung des Heckspiegels eingeschlossen werden. So entsteht das mehrere Jahrzehnte lang für die niederländischen Schiffe typische und so in viele andere Länder exportierte Standardheck. Die im Laufe der Zeit größer (breiter) werdende Fläche über der Fensterreihe trug dabei meistens eine symbolische Darstellung des Schiffsnamens, was beim Ludwig mit dem Wappen des französischen Königshauses schon entsprechend realisiert wäre.
Hier nun die von mir immer als besonders mühsam empfundene Arbeit, eine (hoffentlich) gelungene Konstruktion der einen Seite auf der anderen möglichst identisch zu wiederholen. Ich wollte, mir würde endlich die Technik der seitenverkehrten Abformung gelingen. Leider bleibt das in 3-D schwierig. die Fensterreihe ist bereits passend koloriert. Ich empfinde den Übergang von vier auf fünf Fenster als gelungen. Die schmaleren höheren Fenster passen besser zum Stil des Hecks.
Die nächsten beiden Bilder zeigen einen Balkon vor der neuen Fensterreihe, der das Heck meines Erachtens nicht nur historisch authentischer, sondern durch seine Stufung auch ästhetisch ansprechender macht. Die seitlich über das Heck hinausragenden Teile der Balustrade müssen umständlichst an die Struktur der Seitentaschen angepasst werden. Dazu fixierte ich die Teile zueinander mit etwas Magic Skulp. Diese Verbindungen lassen sich später wieder einigermaßen leicht lösen. müssen sie auch, der die einzelnen Teile sollen ja wieder abgeformt werden, um an anderen Ludwigs, Karls oder Egons Dienst zu tun.
Das geklinkerte Dach der Seitengalerie ist zunächst mit Polystyrolstreifen hergestellt und anschließend abgeformt worden. Ein Abguss wurde wieder erhitzt und an Ort und Stelle in Form gebogen und gefeilt. Hier warten vier eigens dafür gezüchtete Seeungeheuer darauf, ansprechend darauf gruppiert zu werden. Auch das geschieht im erhitzten Zustand.