Für die nicht unwichtige Sicht nach vorn genügte ja auch ein kleines Fensterchen. Btw., meine Signatur zeigt den berühmt-berüchtigten Film von der Versenkung des Schiffes...
@Eddie den Film hatte ich mir auf die Frage hin angesehen und bemerkt, dass in der Sequenz kurz vor der Sprengung die mittleren Fenster der Seitengalerie offenbar fehlen - was jetzt natürlich nichts über deren Beschaffenheit aussagt.
Habe ich mir auch gerade gedacht. Was wäre nun das Fazit? In der Toilette wurde die Privatsphäre gewahrt, aber zumindest das mittlere Fenster ließ sich zur Lüftung öffnen.
Die wichtigste Aufgabe dieser Seitentaschenfenster war wohl, die verglaste Heckansicht noch großzügiger und prachtvoller erscheinen zu lassen. Von weitem jedenfalls, weswegen man auch mit Fensterfakes arbeiten konnte. Ähnlich wie bei Peters HZM, dessen äußere Heckfenster auch nur die Rahmen derselben aufweisen, ansonsten aber zugeplankt sind.
Zitat von Olympic1911 im Beitrag #98Und da kann natürlich angenommen werden, dass sich das bis 1800 nicht geändert hat.
Denke ich auch. Wobei mir gerade noch eingefallen ist, daß die Seitentaschen-"Fenster" des HZM ja komplett zugeplankt sind. Man könnte also durchaus von einer schiffbaulichen Tradition sprechen. :-)
Passt zu den Bildern der Implacable. Die Seitengalerie scheint komplett ohne Fenster, In der kleinen Abbildung (zweite von rechts oben) sieht es so aus, als sei zur Abwechslung mal eine Öffnung in der zweiten Fensterreihe, bzw. mittleres Fenster unten ist geschlossen und sieht auch nach Attrappe aus. Und im Spiegel rechts, gerade noch zu erkennen, haben die Rückfenster der Seitengalerie - anders als die richtigen Fenster - eine ähnliche Struktur wie in der Abbildung ganz links.
Bringen wir es mal auf den Punkt. Wer sich die Mühe macht, in seinem Plastikbausatz die Fenster der Seitengalerien zu verglasen, dem ist leider nicht zu helfen. Es ist keine Schande, wenn es nur so aussieht als ob (Trompe-l’œil), sondern traditionsbewusstes Arbeiten.
Ich frage mich allerdings immer noch, weshalb man in der größeren Nähe der Zeit und dem Darstellungsziel, das Aussehen der Victory zum Zeitpunkt der Schlacht von Trafalgar (wieder)herzustellen, sich beim Thema Heckgestaltung so großen Gestaltungsfreiraum einräumte, wenn doch ein einfacher Verweis auf Tradition dem sinnlosen Tun Einhalt geboten hätte.
Dennoch, Tradition und falsch verstandene Tradition liefern ein gutes Stichwort für die nächste Skizze…
Diesmal stimmts mit den kleinen Fahrzeugen längsseits. Der Schiffsrumpf sitzt groß im Bild, wirkt kurz, und schon wieder! Bug und Heck sind nicht aus gleichem Blickwinkel gesehen. Die Seitengalerie am Heck in Aufsicht, während der Bug aus achterlicherem Standpunkt erfasst ist, aber wegen der Unordnung innerhalb der Umrisslinie, die volle Aufmerksamkeit fordert, war mir das Anfangs nicht klar.
Am Großstag ist ein Stag- oder Ladetakel angeschlagen. Ob eine Last daran hängt oder eine Person dort steht, ist unwichtig; Hier sieht man die Lücke, in der das Fallreep an Deck führen sollte; anstelle ist es leicht versetzt und endet unterhalb einer Öffnung im Schanzkleid des Achterdecks. Fehl am Platz erscheinen auch einige Luken und Geschützpforten, falls man das überhaupt so sagen kann, denn Turner lässt offen, woran sie sich ausrichten. Es bleibt dem Betrachter überlassen, die Wasserlinie mit Hilfe zweier Boote ins Bild zu denken. Überall ist Bewegung im Konzept, und am Ende hat man selbst zu entscheiden, was mit den drei Torpedoluken im Vorschiff anzufangen ist. Turner für Fortgeschrittene.
Der spontane Ansatz, durch Turners Bleistift sehen zu wollen, war schlicht naiv und musste scheitern, warf aber die grundlegende Frage auf, ob ich Turners Zeichnung nicht ohnehin nur durch den Proxy »Victory in Portsmouth« wahrnehme. Soll heißen: wäre das Schiff 1922 abgewrackt worden, erschiene ein anderes in diesen Skizzen - die frühen Entwicklungsstufen verraten den Wahrnehmungsunterschied. 2014 war Serienstart…
Einen Container mit Fotoschnipseln auffüllen - und fertig! D.h., Wasserdarstellung kann nicht schaden, wenns doch ein Schiff ist. Südseeatmosphäre. Rum? Oder was verkaufen die aus dem Boot?
He, was machen sie da! Ich? Nichts, bin nur so dabei. Na dann unternehmen sie endlich etwas! Auweia, Bugwelle mal anders; sieht aus wie ein gebrochener Kiel. Kaum im Wasser, schon kaputt.
Linien geglättet, und jetzt sieht man auch, dass dieser fette Balken am Bug ein Ankerstock ist. Die Davits als Fotorest getilgt. Der Gaffelbaum muss auch noch weg, bei Turner gibts den nicht. Groß- und Kreuzmast sind arg schepp.
Masten aus der Skizze hervorgekramt. Das Kreuzstagsegel ist allerdings recht unauffällig. Gelb ist nicht mehr gelb, sondern bezieht Position Terrakotta im Großraum Ocker - Crick-like. Schwarze Pfortendeckel habe ich mir ausgeredet. Nachteilige Wirkung durch die Decksnivelierung in Stufe 2, das Heck klumpt. Leck geschlagen?
Ich muss das Schiff wohl oder übel von Portsmouth nach Long Reach verlegen und die Ergebnisse aus den anderen Skizzen einbeziehen. Zuviel schwarz, zu breite Streifen. Bei den Finknetzen muss was Weißes drüber, sagt Turner. Tja, er sagt so Einiges, langsam störts.
Minimal positiver Deckssprung, ganz anders als bei Turner, da hängt das Schiff in der Mitte richtig durch. Der Beleuchtungseffekt achtern ist nett, aber die Stimmung ist weg, nicht mehr so locker. Au Mann! Ich hab mich verzählt, eine Stückpforte pro Reihe zuviel.
Die Last am Ladetakel wieder sichtbar gemacht, und jetzt weiß man auch warum; Da ist nämlich die Öffnung über dem Fallreep zwischen dem Schanzkleid des Achterdecks und den Finknetzen um die Kuhl. Durch die Korrektur der Geschützpforten rutscht alles nach vorn, nur die Masten bleiben stur. Sieht jetzt endgültig albern aus; den gestreiften Kartoffelsack in ein gestreiftes Brett verwandelt - einen Kinderspielplatz aufzuräumen ist einfacher.
Krisensitzung. Wieso halte ich mich nicht an den Plan? Tu ich das nicht? Die Seitengalerie stimmt, der Bug stimmt - auf »Turners Knick-Mix« reingefallen.
Was ist dem Mann noch alles zuzutrauen? Ein gemeiner Spaß die Seitengalerie. Wie bei der anfangs gezeigten Seitenansicht bemängelt, widersprechen auch hier die Fensterreihen der falsch montierten Seitengalerie klar dem Verlauf der Decks - Ähnlicher Humor kennzeichnet übrigens den Revell-Baukasten. Halsbrecherische Architektur. Der Neue schlich des Nachts durchs Schiff und konnte nicht mal mehr »Au« sagen. Falsches Schiff, ich lege es unter V für Votivschiff ab.
Nachdem mir die Collage-Technik ein Bein gestellt hat, jetzt anders. Ich verzichte darauf und konzentriere mich von Anfang an auf Turners Vorgaben. Also bringe ich seine angefangene Ansicht von schräg achtern konsequent zu Ende. Das Fallreep muss etwas nach vorne wandern und die Kreuzrüsten gleich mit. Anker kann hängenbleiben, die Boote auch.
Turners gelegentliche Notizen sind sachlich und keine Spur selbstkritisch. Dadurch, dass er kommentarlos verschiedene Blickwinkel in der Ansicht vereint, schafft er ein interessantes Dokument, umhaucht vom unzeitgemäßen Gedanken, der Kubismus sei, wie Amerika, bereits entdeckt gewesen.
Alle Zutaten sind in der Skizze aufgeführt, nur, nach welchem Rezept sind sie zuzubereiten? Die Entscheidung, die Seitengalerie umzuinterpretieren, unterstellt Törner einen Fehler und fällt insofern nicht leicht, aber diese Geisterkontur am Achterschiff drängt sich mehr und mehr auf - eine Linie an passender Stelle, schlüssig und irreversibel wahr wie Zahnpaste; die bekommt man auch nicht mehr zurück in die Tube, versichert John le Carré.
Also klebe ich den Spiegel über die heimtückische Betrachterfalle, Farbe anknipsen - fertig! Die Victory 1805 zwischen den Jahren. Allgemeines Händeschütteln, Danke, ich war dabei! Wieso weht da Nelsons White Ensign? Ach was, tut es das? Ist mir gar nicht aufgefallen. Blödmann.
Dass man bei Turner gelegentlich über Eigenheiten stolpert, hatte ich schon in seiner Deckszeichnung »From Poop to Quarterdeck« demonstriert, der er seine fixe Idee aufdrängt - auch wenn der Sinn im Fall der aufgesetzten Seitengalerie nicht klar wird.
Doch bevor es weiter geht, noch Kleinigkeiten. Turner stellt in dieser Zeichnung erstmals den Mariners Walk zwischen Back und Bugspriet dar. Diese Linie als Kranbalken zu nehmen, widerspricht der Hängung des Ankers.
Beim Vollrumpfmodell von 1805 nicht darstellungsrelevant und im Trafalgar-Gemälde vier an der Zahl: Fender. Alle erwähnten Pläne zeigen nur welche vor dem Fallreep, und der letzte ist ein doppelter. Vor ihm ein einfacher, und ein weiterer, verkürzt, hinter den Fockrüsten, wobei das kein Fender im eigentlichen Sinne ist, in diesem Wulst sind Scheibgatts zum Fieren der Halsen eingelassen, aber eine Variante besteht darin, dieses kurze Holz in einem verlängernden Fender fortzuführen.
In den Beschreibungen von Turners Skizzen hatte ich schon darauf hingewiesen, ein wirklich einheitliches Bild ergibt sich nicht auf Anhieb. Am deutlichsten, und damit der gängigen Form widersprechend, äußert sich Turner in dieser Skizze hier. Ähnlich allenfalls Thomas Buttersworth; auch er lässt in seinen Schiffsportraits das in Plänen und Modellen standardisierte Schema vermissen, als beweiskräftige Quelle aber nicht zu gebrauchen.
Schauen wir genauer hin…
Insgesamt, wie erörtert, zusammen mit dem Fallreep innerhalb der Schiffssilouette verschoben, ist nicht nur Anzahl und Anordnung der Fender bemerkenswert, auch ihre Länge. Sie reichen nicht vom unteren Barkholz bis zum Oberdeck, sie sind kürzer und enden am Barkholz bzw. dem Streifen unter dem oberen Batteriedeck.
In der eröffnenden Gesamtansicht »Starboard Side« verkehrt sich die Anordnung. Dort folgen zwei unter den Großrüsten platzierte Fender auf das Fallreep, weshalb ich in den zusammengerechneten vier eine der seltenen Spuren sehe, die vom Schlachtengemälde zu den Long-Reach-Skizzen führen, auch wenn sie im Gemälde nicht direkt unter dem Barkholz ansetzen und die Abstände anders bemessen sind, was aber in der korrigierten Gesamtwirkung innerhalb der zusammengestauchten Form begründet sein könnte, wie ja auch das Fallreep im Gemälde zwei Pfortenabstände nach vorn gerückt ist.
Zwei Dinge noch. Zum einen die Öffnung im Schanzkleid über dem deplazierten Fallreep: quadratisch, wie die anderen Luken auch, keine länglich rechteckige mit Pollern oder Timberheads innenseitig. Und die Frage ist, weshalb man diese Öffnung überhaupt zu sehen bekommt, denn sie sollte sich über dem Großrüstbrett hinter den wantenhaltenden Rüsten verborgen befinden, auf jeden Fall nicht so deutlich sichtbar sein. Ein reduziertes Jury Rigg scheint mir wieder mal die passende Erklärung.
Anders, als auf Fotos der viktorianischen Victory, die nur noch vier Want-Taue beidseitig an Groß- und Fockuntermasten zeigen, entstünde die Lücke nicht hinter sondern vor den Jury-Wanten.
»Three-Quarter Stern View« verspricht viel, aber wer aus dem Titel eine detaillierte Darstellung des Heckspiegels herausliest, erwartet Anderes. Die Fläche des Spiegels wirkt leer, als hätte sich Turner bemüht, so wenig wie möglich preiszugeben.
Im zweiten Ansatz überwinde ich die anfängliche Enttäuschung. Auch der obere Bildabschnitt zeigt zunächst wundersam gekürzte Masten. Den Bleistiftausrutscher als Flagge zu erkennen, hat gedauert; wie durch Zauberhand wird der obere Teil mit seinen beschnittenen Masten erklärt. Ein beeindtuckendes Beispiel für Ökonomie im Bildaufbau.
Einfacher funktioniert die Bordwand mit den geöffneten Stückpforten. Man könnte auch sagen »allgemeinverständlicher«, denn im Grunde dient die Skizze Turners Zwecken und ist nicht der Öffentlichkeit angedacht. Entsprechend notiert er »White Cloth«, um sich zu erinnern, dass Finknetze bzw. Schanzkleider mit weißem Tuch abgedeckt sind.
Turners Sparmaßnahmen im oberen Teil werfen ein anderes Licht auf den Spiegel. Drei vertikale Linien, horizontal durchkreuzt, sind ein Fenster, andere vertikale Linien stellen es in die Reihe, und davon genügt eine. Lediglich zwei Andeutungen zur oberen Fenstereihe, aber woran sie den Zeichner erinnern sollen, bleibt offen. Die Stützenmuster der Scheinballustraden sind ein weiterer Knoten im Taschentuch. Vervollständigt man nun die Kürzel zu einem Gedankenbild, sähe der Spiegel etwa so aus:
Im Übrigen wird der Stenographie-Stil auch von anderen Zeichnern eingesetzt und scheint gängige Darstellungspraxis bei Mustern zu sein; die Livesay-Zeichnung spricht ebenfalls diese Sprache. Dennoch kann ich in der Vervollständigung kein widerspruchsloses Abbild des Spiegels anbieten, auf der konstruktionsbedingt mehr oder minder trapezförmigen Grundfläche wirkt Turners Umriss stark abgerundet und unregelmäßig ausgebeult.
Feine Linien, die an den Stellen, wo die Laternen befestigt waren, über das Hackbord wischen, könnten Reste der Laternenhalter sein. Ansonsten gibt sich Turner viel Mühe mit einer ungeklärten Form; die Halterung des Flaggenstockes oberhalb lässt sich isolieren, aber der Rest bleibt rätselhaft, zumal Turner in der kleineren und summarischeren Darstellung seiner Ansicht von steuerbord achtern auf die »Trophy of Arms« hinweist, und das vergleichsweise deutlich.
Anstatt näher dran konkreter zu werden, lässt er sie hinter einem Gegenstand verschwinden. Teil der Waffentrophäe können diese Linien m.E. nicht sein.
Der Bogen über der oberen Fensterreihe gewinnt Klarheit. Er sitzt nicht nur auf der Begrenzungslinie auf, sondern scheint aus einer glatten Profilleiste zu bestehen; Ich kann mir nicht vorstellen, dass Turner mit gleicher Linie die Struktur der Livesay-Form erfasst hätte. In der etwas dunkleren Schraffur unterhalb des Bogens ließe sich im Skizzenausschnitt die plastische Andeutung einer Bucht hineininterpretieren; in »Three-Quarter Stern View« nicht wirklich bestätigt, vorstellbar schon.
Wieweit die Beschädigungen des Heckspiegels über Glasbruch hinausreichten, ist mir nicht bekannt, aus Turners Skizzen kann ich es nicht lesen. Zwar gehe ich fest davon aus, dass er sich vom flacheren und moderneren Livesay-Spiegel unterscheidet, die Frage, weshalb er bei der Renovierung nach Trafalgar entsprechend verändert worden sein soll, bleibt offen.
Insgesamt ist der Economy-Style wenig anschaulich. Das eingesparte Volumen im unteren Teil des Schiffsrumpfes macht einen Bus mit plattgestochenen Reifen draus.
Eine unerklärliche Wandlung hat der Anker durchgemacht. Die Fluke und der Ankerstock passen nicht zum provisorisch aufgehängten Gegenstand der beiden zuvor gesehenen Bilder. Unproblematisch der sichtbare Teil des Groß- und des Kreuzmastes. Jury-Masten, deutlich an den Wulingen um den Mast zu erkennen.
Kleine Korrektur am transplantierten Phantom-Spiegel: nach längerer Betrachtung des vervollständigten Skizzen-Ausschnittes sehe ich die untere Fensterreihe flankierende Zierstützen; damit weicht das auffällige Form-Vakuum einem Standardelement.
Eine Zeichnung Schetkys passt an dieser Stelle: »Queen Charlotte - Guns 110 - Portsmouth« vom 24. September 1824.
Ähnliche Situation von steuerbord. Keine Geschütze an Bord, deutlich aufschwimmend, und wieder: »Ship canted while being Sketch’d therefore all wrong«. Mann, Schetky! Durch Bewegung verzerrte Schiffsdarstellungen entwickeln sich zu seinem Steckenpferd, doch dadurch, dass er ehrlich sein Missgeschick einräumt, erspart er uns langes Herumirren auf falscher Fährte.
Anders als Turner hält sich Schetky mit Details auf: das Wappen von Einhorn und Löwe eingefasst, der Beschlag eines Pfortendeckels. Keine Kurzschrift, er bringt den Spiegel vollständig zu Papier, lässt kein Fenster aus und nicht die Seitengalerie. Turner drängt sie in einem etwas spitzeren Betrachtungswinkel aus dem Bild.
Die »Queen Charlotte« erwähnte ich ja bereits mehrfach, u.a. als Gegnerin der »Montagne« in De Loutherbourgs »The Glorious First of June«. Tatsächlich hat Schetkys den Namensnachfolger des am 17. März 1800 durch eine Brandkatastrophe zerstörten Schiffes gezeichnet. Diese Queen wurde 1801 geplant - John Henslow und William Rule haben den Plan unterzeichnet. Stapellauf 1810 in Deptford.
Ein interessanter Plan, stimmt er doch zeitlich ins Bild und erinnert in vielerlei Hinsicht an den Bauplan der Dreadnought. Allerdings ist die Queen Charlotte ein First Rate. Hat sich das Anrennen gegen Turners Mauer der Undeutlichkeiten gelohnt?
Bevor ich auf dieses Fundstück genauer eingehe, Schetkys Zeichnung geht scheinbar mit dem Plan der Queen Charlotte weitgehend konform - revolutionär nur seine unorthodoxe Positionierung der Fockrüsten. Zusammen mit der klaffenden Lücke zwischen den sieben Geschützpforten auf dem Achterdeck und dem darunterliegenden Batteriedeck erfahren wir das »alll wrong«.
Ansichtssache. Bedenkt man, dass Schetky den Monat zuvor die Victory im modernen Schwarz-Weiß-Gewand mit umoperierter Nase aufs Papier brachte, dürfte seine Queen Charlotte aus gleichem Blickwinkel ein ähnliches Bild abgegeben haben - im Umkehrschluss hieße das: keine Modernisierungsspuren am Spiegel. Der ist geschlossen und im Wesentlichen bereits beschrieben. Fensternischen und Bogen mit Bucht kombiniert überraschen nicht, hervorzuheben sind höchstens die hohen Halbsäulen, Transformationen, die auf die Form des Spiegels mit offenen Galerien anspielen.
Hatte ich mich doch schon gefragt, wie wohl der Runderneuerungsplan des »Great Repair« ausgesehen haben mag - und vermutlich ergeht es jedem so, der sich mit dem Zeichen-Material auseinandersetzt - unbemerkt entfaltet sich ein Bauplan vor dem inneren Auge. Als ich nun, angeregt durch Schetkys Zeichnung, den der Queen Charlotte im NMM entdeckte, war der erste Gedanke: da ist er!
Das Schanzkleid um die Poop, vielleicht war das die Kleinigkeit, die den Funken überspringen ließ. Zwar wurde es bereits als »im Maßnahmen-Katalog des Great Repair« enthalten erwähnt, ansichtig wurde aber bislang nur das Gestell - ich denke da an das Vollrumpfmodell und den Plan der Dreadnought von 1802.
Ein Jahr zuvor entstand dieser Plan hier, und er zeigt erstmals die Verkleidung. Drei Öffnungen. Bei Constable sind es vielleicht nur zwei, als Bestätigung genügt das aber; zumindest unterscheidet sie sich deutlich vom Buttersworth-Standard, wo zum Schutz des Niedergangs vom Poop- zum Achterdeck die Vorderkante des Schanzkleides um einen abgerundeten Schild erweitert ist, eine Form, wie sie in Fotos der victorianischen Zeit nicht aber Constables und Turners Zeichnungen zu finden ist.
Das Rohmaterial ist nun vollständig, Zeit, den Backofen anzuwerfen,
Mein Rezept verlangt einen Plan der Queen Charlotte, einen Plan der Victory von 1765, und als Geschmacksverstärker einen Plan der Dreadnought - Henslow-Aroma.
Entscheidend für die Qualität des Blätterteigs ist die Victory-Lage. Es gibt ein Original vom 6. Juni 1759 aus der Hand Thomas Slades, allerdings recht unhandlich und zerfleddert, und eine brauchbare Kopie aus dem Jahr 1830. In der Beschreibung lese ich, die Pläne unterscheiden sich in der Anordnung der Geschützpforten; erste Maßnahme ist deshalb ein direkter Vergleich.
Im Hintergrund, das Slade-Fragment und in roten Linien darüber gesetzt die Kopie - und: passend gemacht. Tatsächlich gibt es hauptsächlich einen kleinen Unterschied in der Höhe. Verringere ich sie im Slade-Plan geringfügig, ergibt sich das gezeigte Bild der Übereinstimmung. Leichte Abweichung im Verlauf der unteren Barkhözer, aber die Geschützpforten sind nach der Bildoperation nahezu deckungsgleich. Für meine Zwecke reicht die Bestätigung, die Kopie von 1830 lässt sich als Zutat verwenden.
Der Vollständigkeit halber angemerkt, die Beschläge zur Aufhängung des Ruders weichen voneinander ab, und ein Unterschied, der in der Plankombination untergeht: das rot hervorgehobene Fallreep neben der Admiralspforte verläuft in der Kopie von 1830 über die gesamte Höhe der Bordwand bis zur Oberdeckskante, im Slade-Plan reicht es nur bis zu einer relingumsäumten Plattform unterhalb der Pforte, die allerdings an gleicher Position eingezeichnet ist. A Model of the Royal George, Öl auf Holz, 1779 von Joseph Marshall gemalt, zeigt in einem gemalten Modell die dem Slade-Plan entsprechende Form. Abweichend vom Plan hingegen ist die Lage der Rüsten, sie scheint bereits 1779 als bauliche Veränderung im Gespräch gewesen zu sein, wie das Gemälde beweist.
Nicht so deutlich wegen der überlagernden Ornamentik zu erkennen, die beiden Galionssimse sind in der Anlage relativ kurz.
Weshalb durch das Einziehen eines dritten Simses die gesamte Konstruktion höher gelegt wurde, kann ich nur vermuten; sollte es nicht bloß ein modisches Einbringsel in die Gestaltung gewesen sein, der Versuch das gesamte Galion durch Höherlegung permantenter Feuchtigkeit zu entziehen, leuchtete mir ein, passte zumindest zur ebenso begründeten Verkleinerung der Galionsfigur.
Zubereitung
In der zweiten Stufe werden jetzt alle Teigplatten übereinandergeschichtet. Technisch gar nicht so schwierig, da alle Pläne in 1:48 angelegt sind und im Wesentlichen der Maßbalken unter dem Kiel in Übereinstimmung zu bringen ist. Die vereinten Geschmacksrichtungen (ergänzt um die Längenangabe des unteren Batteriedecks) sind:
Grau - Queen Carlotte - 190 ft (umgerechnet: 57,91 m). Grün - Dreadnought - 185 ft (56,38 m). Rot - Victory - 186 ft (56,69 m).
Beim Bug sieht man eine nahezu identische Linie des Schegs bei den Henslow-Schiffen. Im Plan der Victory fällt der Winkel etwas größer und der Wellenschliff flacher aus, das obere Ende des Schegs niedriger.
Als ich zufällig mal »The Anatomy of Nelson's Ships« aus dem Regal zog und durchblätterte, stieß ich auf eine Anmerkung im Plan No. 1 zwischen Seite 20/21. »Present day contour of Stem; rabbed line etc., also fuller and lower.«
The Anatomy of NELSON'S SHIPS, by C. Nepean Longridge, Copyright 1955 Model & Allied Publications Ltd.
Ich dachte zunächst an ein ähnliches Bild des Unterschieds, die Longridge-Kontur (blau) ist aber nicht identisch mit dem Slade-Plan, genausowenig wie die eingezeichnete Abweichung zum Schiff in Portsmouth der Henslow-Form entspricht. Über richtig oder falsch anhand der Pläne zu urteilen, ist nicht möglich; ich entscheide mich einfach für die ursprüngliche Slade-Linie.
Was sich beim »Great Repair« mit Sicherheit verändert hat, sind Form und Anordnung von Galionsregeln und -spanten. Skizze »Fore Part of Starboard Side« folgend, sehe ich eine Übereinstimmung mit dem Galion der Queen Charlotte. Außer dem Umbau des Galions inklusive Entfernung der üppigen Figurengruppe, müssen bei der Victory die Ankerklüsen und die einfassenden Schloikniee nach unten verlegt worden sein. Augenfällig natürlich auch der fehlende rote Winkel der ersten Geschützpforte im unteren Batteriedeck, die um eine Etage tieferen Rüsten und, ein Überbleibsel, welches in den Turner-Skizzen verschwunden ist: die Timberheads um die Back.
Zweiter Kontrollblick: beim Heck gehen die Formen den Längenangaben entsprechend auseinander. Im Vergleich der Ruderblätter ist der Unterschied zwischen Victory und Dreadnought marginal. Die Seitengalerie der Dreadnought ist etwas weiter nach vorn geschoben und um eine Geschützpforte ärmer, aber die Längendifferenz macht beim unteren Batteriedeck nicht mal 30 Zentimeter aus - da das Heck steiler aufgerichtet ist, wächst sie jedoch nach oben hin, was die bulligere Form der Dreadnought, und parallel auch des Modells, erklärt.
Queen Charlotte und Victory sind sich im Formverlauf recht ähnlich, hier zeichnet sich allerdings ein Längenunterschied von Ein Meter Zwanzig ab. Gut zu sehen, die Wanderbewegung der Rüsten. Bei den Henslow-Schiffen wandern die Kreuzrüsten noch eine Etage höher, so wie Pocock das als Neuerung in seinem »Nelson´s Flagships at Anchor« verstanden haben muss.
Im achternen Abschnitt differiert der Schwung der Barkhözer; bei der Victory deutlich gebogener als in den Henslow-Plänen.
Der mittlere Rumpfabschnitt illustriert m.E. gut »blacking the wales outside the hull«.
Nelson's Victory: 250 Years of War and Peace von Brian Lavery, EAN: 9781612518671, U S NAVAL INST PR, April 2015 - Seite 128
Die Beschreibung der Reparaturarbeiten im September 1805 erwähnt noch die heruntergekommenen »Hammock Boards« auf der Poop - ich interpretiere das zumindest als am Gestell ums Hüttendeck angebrachte Finknetz-Vertäfelungen.
Anders als Constable gibt uns Turner in seinen Skizzen keinen direkten Hinweis auf diese Hammock Boards, zumindest bleiben sie dem Betrachter unter weißem Tuch verborgen. Im Bauplan der Dreadnought sehen wir das Gestell, beim Plan der Queen Charlotte sind die Hammock Boards angebracht, in Schetkys Queen Charlotte von 1824 steht das Gestell wieder entblößt - interessanterweise liefert er uns in seiner Zeichnung ein Bild, das im Gezeigtem bisher nur in Bauplänen oder Modellen erschien. Ob das zu dieser Zeit bekleidet alles noch genauso aussah, hätte er uns eigentlich in seiner einen Monat zuvor gezeichneten Victory verraten können, aber er lässt den fraglichen Bereich in einer unbestimmten grauen Fläche verschwinden.
In seinem Trafalgar-Gemälde reißt Turner die Schanz ein und zeigt, wie sich die Mannschaft um die herausfallenden Hängematten bemüht. Zwei Offiziere stehen auf dem Poopdeck, nicht nur proportional zwergenhaft, die Decksebene ist viel zu hoch angelegt. Zwar ragen Hängematten aus den Hammock Boards hervor, aber der Niveauunterschied des Decks erklärt sie schon aus statischen Gründen zur tragenden Wand.
Die Decksbesichtigung als Teil von Turners Mystery-Tour hatte ich vorgezogen, komme jetzt aber nochmal mit der Frage darauf zurück: wenn sich das Schiff äußerlich schon etwas anders darbietet als gewohnt, wie stehen die Decksbilder im Zusammenhang?
Als Ausgangspunkt das Oberdeck im Vergleich dreier Modelle:
Bei den ersten beiden Modellen fällt die lange Kuhl auf, der Großmast ragt aus ihr empor, beim späten Modell mit kürzerer Kuhl ist er vom Achterdeck umgeben; und hier ist auch die Beting, welche Turner in seiner Zeichnung »From Quarterdeck to Poop« zur Seite drängt.
Gemeinsamkeit besteht in den durch Grätings verschlossenen Öffnungen auf dem Achterdeck. Zwar fehlt beim Vollrumpfmodell von 1805 der Niedergang, Turner stellt ihn aber dar - ohne Reling, und, in der von Turner dargestellten Form, wiederholt ihn Denis Dighton 1825.
Weitere Übereinstimmungen zwischen Turner und Dighton: keine Grätings auf dem Achterdeck und, wie beim Vollrumpfmodell von 1805 auch, keinerlei Reling um die Kuhl, insbesonders nicht an den Strinseiten.
Belfried mit Glocke taucht nur in den beiden ersten Modellen auf, Grätings auf der Back mit Schornstein dazwischen, sowie Betings um den Fockmast sind in allen Modellen ähnlich. Bei Turner keine Hinweise, höchstens der Schornstein, der ließe sich eventuell in der länglichen Form beim Fockmast unterbringen. Dighton versperrt die Sicht auf die Details im Vorschiff vorwiegend durch die Boote auf der Kuhl.
Bei den Gangways zur Poop, braucht man nicht lange zu rätseln, ich denke, hier kann man Turners Zeichnung zugrunde legen. Hatte ich zunächst den Eindruck eines übermäßig leergeräumten Decks, stelle ich fest, dass die sparsame Ausstattung hauptsächlich den beiden Modellen widerspricht, die eine Victory vor dem »Great Repair« repräsentieren. Das Vollrumpfmodell von 1805 gleicht weitestgehend dem Zustand nach Trafalgar - die Unterschiede auf dem Achterdeck natürlich nicht eingerechnet.
Die Spurensuche dient mir vor allem, zu klären, in wieweit mein angefangenes Modell Constables Zeichnungen und besonders Turners abbildet, genauso wird sich jetzt die Gestaltung von Ober- und Hüttendeck an der beschriebenen sparsamen Variante orientieren.
Das von dafi entdeckte Axiometer findet man am frühesten Modell, welches ja beim Oberdeck - bis auf die Kuhl - in Wesentlichen die Vorlage der 1922 in Portsmouth aufgebauten Victory sein dürfte. Die Kuhl ist geändert, aber das Axiometer wurde nicht berücksichtigt.
P.s.: was ich noch erwähnen sollte, anders als beim Vollrumpfmodell von 1805 zeichnet Turner eine Beting vor und eine hinter dem Großmast - die Anordnung beim Fockmast wiederholt sich also.