genau das Detail meinte ich. Soweit ich weiß, wurde das Brocktau dann aber nicht mehr um das Muzzle gewickelt.
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Clarkson Frederick Stanfield war zum Zeitpunkt der Schlacht von Trafalgar noch keine 12 Jahre alt, also kein malender Augenzeuge. Ich erwähne ihn dennoch, wegen seines Gemäldes zur Schlacht von Trafalgar für den Klubraum des United Service Club. Interessanter Aspekt: dem exklusiven Offiziers-Klub (bzw. exklusivsten, was die Anforderungen an Rang und Geldbeutel anging) gehörten viele Trafalgar-Veteranen an, nicht zuletzt Thomas Mastermann Hardy, 1833, bei Auftragsvergabe, erster Seelord. Und so frage ich mich, von welcher Qualität eine Victory sein könnte, stelle ich mir den Maler als Medium ratgebender Augenzeugen vor.
Ihm eilte ein guter Ruf voraus; effektvoll in Szene gesetzte Bühnenbilder bewiesen sein Talent, und ähnlich wie Pocock hatte er eine marine Vergangenheit, teilweise sogar in der Royal Navy, wenn auch nicht freiwillig - denn anscheinend wurde er 1808 zum Seedienst gepresst und verdankte seine Entlassung nach sechs Jahren Dienst nur, wie es Queen Victoria ausdrückte, dem »Lucky Tumble«, dem glücklichen Sturz vom Mast.
Stanfield also war der Mann für den United Service Club. Auf die Ölskizze von 1833 folgte die Endfassung 1836, heute noch an Ort und Stelle - nur den Klub gibt es nicht mehr, er wurde 1978 wegen finanzieller Schwierigkeiten geschlossen.
Im Beitrag: Heller Victory Research - Clarkson Stanfields Trafalgar painting for the United Service Club 1833 auf cs.finescale.com erfährt man Wissenswertes zur Darstellung. Der Thread-Opener Force9 erwähnt viele Details des Gemäldes, die seiner Meinung nach über das Fachwissen eines Malers mit seemännischer Erfahrung hinausgehen und anscheinend Klubmitglieder bzw. Teilnehmer der Schlacht beisteuerten.
Allgemein als eines von Stanfields bedeutendsten Werken betrachtet, fragt sich Force9, weshalb diese stark protegierte und von der Fachwelt abgesegnete Arbeit nicht Nummer Eins in den Victory-Charts geworden ist. Es lohnt sich auf jeden Fall, dieser Frage nachzugehen.
Im Schritt von Skizze zur Endfassung ist eine Wandlung festzustellen, eine Konkretisierung der Situation und eine höhere Dichte genau wiedergegebener Einzelheiten. In der Ölskizze hängt die gebrochene Großrah mit zerfetztem Segel über Bord und verdeckt Vieles, ähnlich, nur nicht so ungestüm wie bei Turner, wo ja auch Segeltuch großenteils das Vorschiff verbirgt.
Gab es Einwande? Jedenfalls gibt Stanfield in der Endfassung den Blick aufs Poopdeck frei. Aber auch andere Einzelheiten sind hinzugekommen, so z.B. das Bergen des Ankers - ich hatte ja erwähnt, dass der Steuerbord-Kranbalken weggeschossen wurde - unerklärlicherweise ist er bei Stanfield unversehrt, während in Turners Skizzen, Fähnrich Roberts Schadensbeschreibung entsprechend, allein die Drückerkonsole übrig bleibt.
Prominent im Bild, Bug und Galion inklusive der über den Bug fortgesetzten Pfortenbänder. Auch andere Schiffe der Navy, wie die Royal Sovereign, die Temeraire und das Schiff, welches in der Lücke zwischen Victory und Bucentaure auftaucht, sind nach gleichem Muster gestrickt. Hier verändert Stanfield in der Endfassung das Galion der Victory, ein zusätliches Galionssims gibt ihr das Henslow-Gesicht.
Irritierend dieses Geschütz, welches den Betrachter ins Visier nimmt; dramatischer Kniff? In der Ölskizze sieht das noch anders aus. Zwar geöffnet, aber eher der üblichen Lüftungspforte gleichend - bei der Temeraire, auf der anderen Seite der Redoutable, hat Stanfield diese ebenfalls zur Geschützpforte erklärt.
Bugspriet ohne Außenklüverbaum und Oberblindenrah in einheitlich hellem Ton. Ebenso die Untermasten mit den übermalten Eisenbändern. Um die Marsplattformen herum kein Schwarz. Über die Farbe der Geschützpfortendeckel ließe sich streiten - zumindest bei den englischen Schiffen. Bei der Victory sieht man die Oberseite einiger Pfortendeckel, dennoch ist schwer auszumachen, ob es die Farbe oder ein Lichteffekt ist, der sie hell erscheinen lässt. Mit Gewissheit schwarz bei den gegnerischen Schiffen; ich meine die heruntergeklappten Pfortendeckel der rotgestreiften Santissima Trinidad am rechten Bildrand, und auch die geschlossenen Pforten der Redoutable sind dunkel abgesetzt.
Ich bin jetzt mal auf die Formulierung »hell« und »dunkel« ausgewichen, ein Kritikpunkt an diesem Gemälde ist nämlich die schwarz-weiß Bemahlung, ein Fehler, der zeige, dass Stanfield sich an dem zu seiner Zeit aktuellen Gestaltungsschema der Royal Navy orientiert. Geht man davon aus, dass sich die Farbtöne der englischen Schiffen glichen, kommt man sogar zum Schluss, alle Schiffe im Bild - die Santissima Trinidad ausgenommen - ähneln sich in dieser Hinsicht. Bei der Royal Sovereign ganz links wirkt der Ton aber wesentlich heller als bei der Temeraire neben der Redoutable.
Stanfield hebt Nelsons Flaggschiff im Zentrum des Bildes mit malerischen Mitteln hervor; Rückt es ähnlich wie Turner ins Licht, ich bleibe also bei »hell«.
Maltechnisch ist das in Szene setzende Schlaglicht auf die Victory ein gelungener Kunstgriff, schwierig und recht unnatürlich mischt sich aber die Wasserdarstellung ein. Schiffe augenscheinlich im falschen Maßstab wie ins Meerwasser gesetzte Modellminiaturen. In seiner vorbereitenden Ölskizze ist davon noch nichts zu spüren. Der Abstand von Menschen und Gegenständen im Vordergrund zu den Schiffen erscheint zu gering, um deren Kleinheit zu rechtfertigen. Was bei Turner zu viel ist und zu gigantischen Schiffsdimensionen führt, ist bei Stanfield zu wenig. Seine Wasserdarstellung mag ausschnittweise geschickt und wirkungsvoll erscheinen, insgesamt, in der unausgewogenen Betonung eines Effektes, aber störend. Vielleicht verrät dieser Effekt den Theatermaler, und ob die Wirkung anders ist, wenn man direkt vor dem 2,7m x 4,8m großen Gemälde steht, kann ich nicht beurteilen. Um zu demonstrieren, was genau ich meine, greife ich auf »On the Scheldt near Leiskenshoeck: A Squally Day« zurück, Stanfields abschließende Prüfungsarbeit zur Aufnahme in die Royal Academy of Arts von 1837.
Im Ausschnitt wirkt die Wasseroberfläche so glatt, dass sich die Bildgegenstände deutlich und unverzerrt darin spiegeln. Den Abstand zur Boje zu taxieren, finde ich schon schwierig. Erst recht schwierig ist es, die Szene ins Gesamtbild einzuordnen - zu ruhig neben der kochenden See. Eine ähnlich unräumliche Wirkung provoziert der Spiegelungseffekt unterhalb der bleichen Victory.
Der britische Marinehistoriker Andrew Lambert klassifiziert in seinem 2010 erschienenen »Nelson: Britannia's God of War« Stanfields Darstellung als hölzern und vertritt die Meinung, Stanfield opfere die Kunst geschichtlicher Genauigkeit. »Viele Schiffe im Bild, wenig Bedeutung«, seine scharfe Verkürzung.
Nelson: Britannia's God of War von Andrew Lambert, Faber & Faber, 09.12.2010 - 480 Seiten
Damit spricht er den Kontrast zu Turners romantischer Bildauffassung an und den Umstand, dass diese hölzerne Erzählweise 1836 bei Ausstellung in der Royal Academy mehr Anklang beim Publikum fand als ehemals Turners Werk.
Man sollte den United Service Club als Auftraggeber nicht vergessen. Das Bild gegenüber, die Schlacht von Waterloo, ist gleichfalls nichts Übertriebenes. Die Auftraggeber, immerhin Mitgestalter dieses Abschnitts der Geschichte, sind nicht an einer bedeutungsüberfrachteten Darstellung und sensationell in Szene gesetzten Ereignissen interessiert, ihnen geht es um die Erinnerung an zwei wichtige Tage der Weltgeschichte in Bildern, an denen es nichts rumzunörgeln gibt. Was sie bestimmt nicht beabsichtigen, ständig etwas im Blick zu haben, was Turners 12 Jahre zuvor entstandenem Gemälde glich. Kam es gelegen, in Stanfield einen Maler zu engagieren, der noch kein Akademie-Mitglied war?
Was erzählt Stanfield denn so? Er gibt Hinweise auf den Zeitpunkt im Schlachtverlauf. Admiral Villeneuve schwenkt den Hut auf dem Achterdeck des französischen Flaggschiffs Bucentaure, 14:15 Uhr ergibt er sich, eine Viertelstunde später folgt die Santissima Trinidad, und 14:30 Uhr ist auch der Zeitpunkt als Kapitän Hardy dem tödlich verwundeten, unter Deck geschafften, Nelson Bericht erstattet und 12 bis 14 feindliche Schiffe als erobert meldet.
Konzentriert man sich bei Stanfield auf die Aktivitäten der Bootsmannschaften, könnte man meinen: 14:30 Uhr, Mittagspause.
Zu diesem Zeitpunkt war die Victory bereits mehr in Mitleidenschaft gezogen als abgebildet. Schon bevor man das erste Geschütz auf ihr abfeuerte, stand sie bereits geraume Zeit unter feindlichem Beschuss. Ein Treffer hatte die Ruderanlage zerstört und machte das Manövrieren schwer. Als weithin sichtbarer Schaden hätte im Gemälde der Großtopp fehlen müssen (In der Ölskizze stimmte das sogar). Den intakten Kranbalken dazugerechnet, ist Stanfields Arbeit also keineswegs geschichtlicher Genauigkeit verpflichtet - wie ich bereits zur Historienmalerei bemerkte, lag das wahrscheinlich gar nicht in seiner Absicht, weshalb Andrew Lamberts Urteil, Stanfield opfere die Kunst geschichtlicher Genauigkeit, dem Bild nicht gerecht wird; ich finde, man sollte in Lamberts Statement »Kunst« durch »Dramatik« entkräften, jedenfalls sehe ich keine Schiffbrüchigen, die mit Jubel inmitten von Tod und Elend Aufmerksamkeit erregen. Hier sind Handwerker mit Instandsetzungsarbeiten beschäftigt, dass rechts und links geschossen wird, kann sie nicht aus der Ruhe bringen.
Das Charakteristische an diesem Erzählstil ist nicht fehlende Bedeutung, eher die ausführliche Schilderung eines wenig spannenden Momentes.
Bei Stanfield stürzt kein Mast, und kein Lichtschein eines explodierenden Schiffes betont die Stelle, an der Lord Nelson niedergeschossen wurde. Bei ihm ist es ein abgeschossener Masttopp, der, wie das Kreuz auf einer Postkarte platziert, am Sterbelager im Orlopdeck vorbeitreibt.
Was den Eindruck von Passivität im Bildzentrum unterstützt, sind die geschlossenen Geschützpforten der Redoutable. Kapitän Lucas hielt sie nach einer einzigen abgefeuerten Breitseite geschlossen, um eine Entermannschaft zu verbergen (die großen Schäden auf der Steuerbord-Seite die Fähnrich Roberts in seinem Remarkbook erwähnt, müsste demnach diese Breitseite angerichtet haben). Lucas Taktik bestand nicht im Versuch mit den besser ausgebildeten Geschützmannschaften der Engländer zu konkurrieren; sein Ansinnen: für die Entfernung Scharfschützen, Entermannschaften zum Nahkampf. Doch die längsseits gehende Temeraire vereitelt seinen kühnen Plan in letzter Minute.
Wegen der um ein Deck niedrigeren Redoutable und der Gefahr des Friendly Fires - um den fürchterlichen Ausdruck nochmal zu bemühen - verbietet sich auf der Temeraire der Einsatz der oberen Batterie. Langsam löst sich die Victory aus dem Verbund, um das Schussfeld zu räumen. Die Spieren, mit denen man sich vom gegnerischen Schiff abgestoßen hat, ragen noch aus den Pforten - und alles unter Aufsicht des besonnenen Inspekteurs der Bootsmannschaft.
Die Richtlinien, von Dominic und John Thomas Serres im »Liber Nauticus« formuliert, stellen ein paar Standardanforderung an die Marinemaler: Kenntnisse der Schiffsarchitektur inklusive Propotionen von Schiffsrumpf, Masten und Rahen sowie Kenntnisse von Takelage und Segelschnitten - und wenn möglich, Vertrautheit mit Seemannschaft.
Kein Ding, wenn auch Stanfield kein reiner Marinemaler ist, die Voraussetzungen erfüllt er sicher. Aber kann er als Phantomzeichner aus den Einflüsterungen des Expertengremiums eine portraithafte Victory heraushören? Geschichtliche Ereignisse sind da weniger von Belang, die entscheidende Frage ist doch, schafft er eine Ähnlichkeit zum Gesuchten, und welche Hilfe können die Zeitzeugen dem Zeichner zu einem Gegenstand bieten, an dessen Aussehen sie sich 30 Jahre zurückerinnern müssen.
Ihr fachmännisches Urteil kann helfen, technisch unbedenkliche Schiffe zu malen, was aber nicht automatisch »zeitgemäß richtig« bedeuten muss. Spielten die Augenzeugen wirklich eine so große Rolle bei diesem Bild?
Diesesmal zeigt Schetky, was sich wahrscheinlich hinter der undefinierten grauen Fläche seiner drei jahre zuvor angefertigten Zeichnung verbirgt. Finknetze mit aufgesetzten Hängemattskästen, die Frontseite der Back abgerundet.
Bei Stanfield sind Turners weiße Tücher hochgeschlagen und offenbaren ein umlaufendes Schanzkleid. Um die Back bollwerkhaft, wie regelrechte Geschützpforten in einer aufgestockten Bordwand, jedenfalls sind das nicht die durch eine aufgelegte Planke nach oben hin abgeschlossenen Schanzkleid-Öffnungen des Vollrumpfmodells.
Um 1827 ist der Gesamteindruck des Schiffes ein Anderer. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Victory habe schon die glatte Außenhaut ohne Barkhölzer, wie sie auf den Fotos des frühen 20. Jahrhunderts aussieht, bei den Geschützpforten der unteren Batterie hat sich Schetky aber viel Mühe gegeben, die durch den Verlauf der Barkhölzer verformten Öffnungen darzustellen. An anderer Stelle ist er weniger ausführlich, was eventuell den Eindruck der Glätte unterstützt - wo sind denn die Ankerklüsen?
Was man in beiden Schetky-Skizzen erkennt, die erste Pforte im mittleren Batteriedeck war 1824 tatsächlich den anderen Pforten angeglichen und hatte nicht mehr die zur Seite aufklappbaren Halfports. Greift Stanfield auf ein zeitlich näher liegendes Detail zurück? Gegen die modern wirkende Bildzugabe gab es anscheinend keine Proteste.
Genausowenig wie beim achtern außenbords hängenden Beiboot, um welches Stanfield die Skizzenfassung ergänzt. Ob es, wie bei Schetky, durch fest installierte Davits gehalten wird, bleibt unklar, die wären auf jeden Fall neueren Datums.
Auf etwas anderes, bin ich schon in Turners Blick über das Schiff vom Hüttendeck aus aufmerksam geworden, schreibe es aber bei ihm dem Jury-Rigg zu, zumal Constables Gouache das gewohnte Bild bietet, nähmlich: Großstag und darübergespanntes Borgstag, beide auf der Steuerbord-Seite am Fockmast vorbeigeführt.
Bei Stanfield und Turner sieht das anders aus, hier gehen die Stage getrennte Wege. Denis Dightons Gemälde von 1825, »The Fall of Nelson at the Battle of Trafalgar; 1805« hatte ich schon verschiedentlich angesprochen und einige Details darin ausgemacht, die auch in Turners Decksskizzen auffielen. Die zwei Geschütze vor der Gangway zur Poop sind noch anzufügen, im Unterschied zur massiven Holzreling am Decksvorsprung, die nichts mit Turners einfacher Leine als Handlauf zu tun hat.
Die abgerundete Back und die Finknetzkästen; so sah offensichtlich das Deck 1825 aus, Schetkys Zeichnungen passen gut ins Bild, und als Stanfield seine Schlachtschiffe malte, entsprach die Takelung des Großstags wohl noch der Form, die Dighton zeigt (übrigens: Stag und Borgstag ungeschwichtet).
Die grüne Vorderkante der Poop rückt Stanfields Victory noch näher an Dightons Gemälde, und genauso sind die umgestalteten Lüftungspforten wie auch die dreieckigen Regenabweiser über den Pforten moderne Einbringsel.
Eines unterscheidet Stanfields Victory aber deutlich von Schetkys Zeichnung, der um ein weiteres Galionssims erhöhte Seppings-Bug ist nicht mit dem dreisimsigen Henslows zu verwechseln. Das bereits vorgestellte Caledonia-Modell vereint die Unterschiede.
Die meisten von Force9 angesprochenen Details sind technischen Charakters, so z.b. der Crowfoot, zu deutsch »Hahnepot«, an der Marsplattform des Fockmastes, sowie die dargestellte Gefechts-Beflaggung - wie bei Turner auch hängt allerdings nicht nur vom Vorbramstengestag ein Union Jack, sondern auch einer vom Großbramstengestag. Die Beflaggung ist bei beiden sogar noch umfangreicher. Außer an der Besangaffel, ist bei Stanfield noch ein White Ensign an einem Backstag des Kreuzmastes zu sehen, bei Turner ein Union-Jack in den Kreuzwanten.
1805 - genau so und nicht anders.
Zu diesem Gemälde nicht, aber zum 1853 in der Royal Academy ausgestelltem »HMS 'Victory' Being Towed into Gibraltar«, gibt es ein »so nicht!«, das Stanfields Victory aus den Charts holt.
Man sieht das zerstörte Schiff von steuerbord achtern vor der Kulisse des Felsens von Gibralta, mit gekapptem Vor- und Großmast sowie einem kläglichen Rest Bugspriet, abgeschleppt von HMS Neptune. Stanfield verarbeitet die Szene in mehreren Versionen, ich nehme hier also auf eine Serie Bezug.
Was die Schiffsform in diesem Bildmotiv auszeichnet, ist das extreme Stummelheck. Bedenkt man, dass Toiletten in den Seitentaschen eingebaut waren, hatten die Offiziere bestimmt schon Schwierigkeiten im Stehen zu pinkeln. Die Pfortenbänder eindeutig nicht weiß und die Pforten des unteren Batteriedecks mit schwarzen Deckeln verschlossen - in der gezeigten vorbereitenden Wasserfarbstudie sind die Pfortendeckel bei gleicher Rumpfform ockerfarben.
Auch wenn nicht feststeht, in wieweit das in der Schlacht von Trafalgar entworfene Schiffsbild für Stanfield verbindlich war, in diesem Bild fehlt es an Ähnlichkeit.
Nicholas Tracy erwähnt Lieutenant Nicolas von den Royal Marines, ein Trafalgar Veteran, der einem Freund und ehemaligen Offizier der Victory zu Stanfields Bild schrieb: »Alles in allem ein Bild wie man es von diesem talentierten Künstler erwartet, nur mit seinen Schiffen bin ich nicht so zufrieden; genauso wenig hätten sie ihr 'Gutes altes Schiff' in seiner Darstellung wiedererkannt. Er hat aus einem der elegantesten englischen Dreidecker einen buckligen Spanier gemacht«.
Britannia’s Palette: The Arts of Naval Victory, 1944, von Nicholas Tracy - Seite 366
So nicht, aber was genau ist falsch? Lässt sich aus der zeitgenössischen Kritik eine Art Mängelliste erstellen, aus der auf ein konkreteres Victory-Bild rückschließen ließe?
... The ex-curator of HMS Victory Peter Goodwin examined the carpenters records preceding the Battle of Trafalgar and he identified that there was no red paint used, the colours throughout the ship were black, yellow, white, verdigris and a very small amount of Prussian Blue, all of which would usually be cut with linseed oil. This was published in a 2013 article of The Mariner’s Mirror (journal of the Society for Nautical Reearch).
Going back to Goodwin's notes these are the paints supplied to Victory:
" The overall analysis of paint related issues recorded in the carpenter’s accounts in the Victory in 1805 conclude the following points:
1. Lime and glue were employed for whitewashing the ship internally along the ship’s sides along the middle and lower gundecks and equally extensively throughout the orlop and within the hold. 2. Black varnish was applied for yards, tops, cross-trees and quite probably on the topsail and sheet bitts of each mast. 3. Linseed oil was mixed with the paint pigments. 4. Tar was applied for blacking the wales, especially at the ‘bends’, such as the main wale near the ship’s water line. 5. Black oakum was equally applied.
The document is exceedingly thorough in accounting for all paint colours or pigments used. In this host of information there is a remarkable absence of reference to the red ochre paint that is supposedly synonymous with warships of the period. Red paint applied to the inner faces and edges of gun port lids, gun carriages, gun port sills, lintels and side facings is generally thought to be a predominant (and perhaps iconic) paint feature on the Admiralty Board ship models. Red is also evident in many paintings by recognized marine artists, for example, Brooking, Cleveley, Dodd, Loutherbourg, Luny and Pocock, to name but a few.
These are the relevant stores supplied to Victory at Portsmouth on 31 August 1805:
It may well be that they used the black varnish, which depending on dilution could be greyish and semi translucent, but who knows those gun carriage wheels have been replaced long since!
Just to correct my note on the red paint I mentioned above Goodwin also says "No evidence has come to light indicating when the Victory changed her original red-painted inboard works to yellow ochre, but it is considered highly likely that she had red inboard works when she was the flagship of Admiral Sir John Jervis at the battle of St Vincent on 14 February 1797. Although the Victory could have adopted whitewash or yellow ochre at any time between early 1803 and 1805, the change most likely occurred when Thomas Hardy superseded Samuel Sutton". Certainly Turner's paintings does not show red, just a dark yellow ocher, and Turner went on board the Victory in December 1805 and January 1806 and would have witnessed her colour scheme first hand.
Gary
Kurzfassung: roter Ocker fehlt komplett in den Lieferscheinen :-)
Gesamt: yellow 696 lb Black 295,lb White 422 lb Verdisgris 5 lb Prussian Blue 1 lb
Überraschend die im Vergleich zu Gelb geringe Menge Schwarz. Restbestände auf dem Schiff? Wurde ja vorher komplett ausgeräumt. Mehr Gelb wegen geringerer Deckkraft? Oder war Gelb die predominante Farbe?
Die Lieferfristen passen aber in die Timeline aus anderen Quellen: 24.08.1805 Refit in Spithead: Geschütze werden auf Leichter verladen zur Inspektion, die Last geleert, ... Kalfaterung erneuert, vor allem in der Admiralskabine und der Kombüse. Da die Last leer war wurde auch eine Grundreinigung durchgeführt. 27.08.1805 Säubern und wieder stauen des Eisenballastes. ... Danach wieder alles frisch gestaut, darunter 300 tons Wasser, was für 100 Tage reichen sollte. Danach kamen auch die Geschütze wieder zurück. 29.08, 02.09, 06.09 Farblieferungen 13.09.1805 wieder auf See 25.09.1805 Hängematten gewaschen und Bettzeug gelüftet 09.10.1805 Breadroom whitewashed ...
21.10.1805 Trafalgar
Interessant ist auch, dass die Crew bereits um den 08.08 auf der Heimfahrt nach Spithead (also vor dem Refit) Achtereck und Schiffsseiten gestrichen hatte.
Dass Preussisch Blau bei der Vic zum Einsatz kam, ist mir auch schon unter gekommen, ich konnte aber keine echte Quelle dafür finden. War wohl nicht selten der Fall, oft aber nur in vglw. geringen Mengen.
Grüße, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
@dafi sehr interessant, dass sich da noch unerschlossene Quellen auftun. Das betrifft dann den »Slight Refit« zu dem Lavery u.a. erwähnt:
Zitatwhitewashing the compartments on the orlop deck, and blacking the wales outside the hull.
Nelson's Victory: 250 Years of War and Peace von Brian Lavery, EAN: 9781612518671, U S NAVAL INST PR, April 2015 - Seite 128
Turner aus der Reihe der Maler herauszunehmen, die Rot für die Innenseiten der Geschützpforten verwendeten, nur weil es auf seinem 1806 gemalten Decksbild fehlt und weil er das Schiff im Dezember 1805 gesehen hat, finde ich allerdings nicht überzeugend begründet. In »The Victory Returning from Trafalgar«, der Schlacht von Trafalgar und »A First Rate taking in Stores« sind die Geschützpforten samt Innenseite der Pfortendeckel rot. Schon bei der Frage der Nelson Chequer, die laut Goodwin ja aus innenseitig schwarzen Portlids bestehen sollen, war klar geworden, dass kein einziger Maler dieser Beschreibung Entsprechendes zeigt. Gibt es nicht eine gleichwertige Aufstellung der Farbposten vom Great Repair? Ein direkter Vergleich wäre sicher sehr aufschlussreich.
Crick-Smiths Analysen folgend, wurden Nelsons Räume ja mittlerweile hellblau gestrichen; ist das eventuell Preußisch Blau mit Weiß gemischt? Auch hier natürlich die Frage: geschah das schon 1803 oder erst im September 1805.
Die einzigen in Diskussion stehenden Stellen für Blau sind ja das Frontschott, die Applikationen bei den Booten und die verweißlichte Fassung für die gehobenen Kabinen, wie ja auch schon am Modell von 1765 zu sehen.
Dass kein Rot geliefert wurde heißt ja auch nicht automatisch, dass es nicht benutzt wurde. Es fehlt halt nur der Nachweis.
Wobei hier die blaue Farbe des Frontschotts auch noch ein mal zu hinterfragen wäre. Die Modelle vor dem Great Repair haben ein blaues Frontschott, was aber zusammen mit den blauen Zierstreifen der Schiffsseiten Sinn macht. Das als Victory titulierte Modell von 1805 hat keine blauen Streifen und konsequenter Weise ein schwarzes Frontschott - und trotzdem die Rotüberbleibsel im den Pforteninnenseiten - sogar auf dem Achterdeck - wie Deckelaußenkanten (innen nicht sichtbar). Und das trotz gelber Deckelaußenseiten.
Zitat aus "Voices from Trafalgar" von Tom Pockock, Seite ix: "One of these, Edward Codrington, said that, above all, they all wanted to please Nelson; twenty-six of these captains repainted their ships´hulls before the battle in Nelson´s favourite colours - yellow and black bands - so that when the gun-ports were open the "Nelson´s chequer" effect was produced."
Das klingt so, als ob bei geschlossenen Deckeln keine Checker zu sehen waren. Leider fehlen an dieser Stelle Quellenhinweis oder Fußnote, so dass ich nicht abschätzen kann, ob dieses Zitat zeitgenössisch ist oder erst später in Codringtons Leben festgehalten wurde und auch nicht auf welche Art.
Ein Pfund Preußisch Blau scheint mir vergleichsweise wenig, wäre auch die Frage, ob das für die Farben an der Back und am Galion ausreichte.
Was den Bericht des Captain Codrington angeht; aus dem was Lavery schreibt, gehen gar keine Einzelheiten hervor:
ZitatCaptain Codrington of the Orion (which has just been commissioned after a refit) was impressed with the appearance of the ships after their long voyage. They seemed to be 'of a very high order indeed: and although their ships do not look so handsome as objects, they look so warlike, and show such high conditions, when once I think Orion fit to manoeuvre with them, I shall probably paint her in the same manner.'
Nelson's Victory: 250 Years of War and Peace von Brian Lavery, EAN: 9781612518671, U S NAVAL INST PR, April 2015 - Seite 127
Weshalb ich auch nicht verstehe, wenn Lavery anfügt: »This is the first sign of the 'Nelson Chequer'.«
8 NRNM 1064/83; Record number 2376. Another expense, entered by the Victory’s carpenter dated 18 August states: ‘To painting Boats the Quarter deck and Refreshing ye. Paint on the Ships Sides this Mo. [month]) 11’. The Paint and materials listed in the margin are as follows: ‘Paint White 95 lbs. Paint Yellow 24 lb. Paint Black 67 lbs. Oil 30 gallons. Brushes Six No.’
The carpenter’s entry dated 14 September reads: To painting the ships side after caulking, the Gunroom and Officers Apartments under the Awning and Quarter deck Waist &c. after Refitting and the paint and materials consumed for the above entry listed in the margin are given as: Yellow – 350 lbs; Black – 150 lbs; White – 450 lbs.; Oil – 47 gallons; Brushes – 20 in No.8
and
Concerning the yellow currently used for the ship’s sides and other applications in the Victory, a letter dated 6 December 1805 from William Marsden, Secretary of the Navy Board, states that Commissioner Middleton, ‘submitted a proposal from Lord Nelson that the private ships in the fleet are painted three times a year and the flagships four times a year. The proportion of white paint to yellow is to be 6 lbs to 1 lb’.14 In short Nelson authorised a six-to-one mix of white and yellow, which would be so light as to verge on the colour cream.
So the yellow / white mix must have been plastered on! Or the the black has better coverage. All above from Goodwin.
Meine Frage: Wenn das Mischverhälnis sogar 6 Teile weiß zu 1 Teil gelb gewesen sein soll, wofür dann diese ganze Menge gelber Farbe?
Kurze Hintergrundinfo: Captain Codrington war bei Trafalgar auf der Orion in Nelsons Kolonne, kam aber erst sehr spät ins Gefecht, hat dann aber ordentlich mitgemischt.
Bei Preußisch Blau bezieht man sich eindeutig auf ein Pigment aus anorganischen Stoffen und eine gut vorstellbare Farbe, aber mit »Gelb« bezeichnete man doch wahrscheinlich Ocker.
Zitat von wikipediaDas typische Ocker deckt ein weites Feld zwischen farbschönen aber nicht zu bunten gelben und rötlichgelben Nuancen bis zu warmem Braun ab.
ocker.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Ocker-Verlauf: in der Mitte reine Farben, darunter im Mischungsverhältnis von 1:6 mit Weiß, nach außen hin 25% und schließlich 50% Verschmutzung durch Schwarz.
Es gab allerdings keine normierten RAL-Karten, nach denen sich Farbmischungen exakt definieren liessen. Was es wohl gab, waren selbstgefertigte Farbproben auf Karton, die aber nur als Orientierungshilfe dienen konnten, da es auch auf die verfügbaren Ockerpigmente ankam, die je nach Bezugsquelle und Abbaugebiet variierten. Ein anderer Faktor ist die Qualität des Bindemittels Leinöl, das mit der Zeit ohnehin gelblich nachdunkelt...
Ich könnte mir vorstellen, daß die Mode des Ockeranstrichs ihren Ursprung in den Navy Board-Modellen des 18. Jahrhunderts hatte, die in ihrer ästhetischen Ausstrahlung sicherlich als unübertroffen galten und dadurch auch eine gewisse Vorbildfunktion für reale Schiffe gehabt haben dürften...:
Aber welcher genaue Farbton - ob nun eher gelb- oder orange-stichig - präferiert oder als allgemein verbindlich angesehen wurde, lässt sich ohne authentische Farbschichtanalysen wohl kaum noch konkret feststellen. Deshalb sollte man vielleicht von vorneherein eine gewisse Toleranz gegenüber mutmaßlich unhistorischen Anstrichen zeigen, zumal ein klar definierter Farbton im Modellbau eigentlich nicht 1:1 übernommen werden kann. Wegen der atmosphärischen Eintrübung, die die Farben eines tatsächliches Schiffes aus einer gewissen Entfernung blasser und kälter aussehen lässt als die seines Modells, das man direkt vor der Nase hat. :-)