Die Bemerkung zu den Booten lässt vermuten, der Auftrag hänge mit der Schlacht von Trafalgar zusammen. Sollte die Zeichnung für Pocock bestimmt gewesen sein, sein Victory-Bild beeinflusste sie nachweislich nicht.
Im Zusammenhang mit der Christie's Auktion und den »Five unframed sketches« die Dafi u.a. in seinem Thread »Zeichnung von Livesay« vorstellt, ging es darum, ob Dezember 1806 nicht als Datumsfehler zu ignorieren sei. Ich finde es jedenfalls merkwürdig, dass sich Livesay ausgerechnet bei der einzigen Skizze dieser Folge, die er datiert, vertan haben soll - und dazu ist mir noch etwas dazu eingefallen.
Goodwin sieht in Livesay Pococks Außenmann und geht davon aus, dass die Skizzen der Heimkehrer für Pocock bestimmt waren. Den erwähnten Brief, in dem Livesay ihm über Schäden an Schiffen berichtet, schreibt Livesay aber nicht gleich nach Ankunft der Schiffe im Dezember, sondern erst am 17. Januar, und die Schiffe lagen ja bestimmt für längere Zeit im Hafen. Was, wenn die Zeichnungen auch erst im Januar entstanden? Die Victory hätte Livesay nicht zu Gesicht bekommen, weil sie bereits am 11. Dezember in Richtung Sheerness verschwunden war.
Dezember 1806 war das Thema Trafalgar keineswegs abgeschlossen, und so scheint es mir nicht abwegig, dass Livesay die Skizze der Victory nachreicht - allerdings nach der Renovierung, was das neuartige Aussehen des Hecks erklärte. Ließen sich Livesays Skizzen der Heimkehrer genau datieren, wäre die Frage vielleicht endgültig geklärt. Und sollte die Victory Dezember 1806 ihren Posten auf dem Medway für einen Abstecher nach Portsmouth verlassen haben, wäre ein Datumsfehler auf jeden Fall unwahrscheinlich.
Und um mich jetzt schnellstmöglich aus dem Spekulationssumpf zu booten, halte ich mich an der simplen Tatsache fest: die Zeichnung existiert - Richard Livesay zeichnet im Dezember 1806 das Heck der Victory.
Nicht reine Zierleiste sondern Begrenzung der Bucht unter dem wappentragenden Hackbord? Die starke Betonung abgeteilter Fenster hätte Sinn, wenn karyatidenartige Stützen den Zwischenraum besetzten. Im direkten Vergleich zeichnet sich Constables Linie aus diesem Blickwinkel auch auf dem Spiegel des Modells ab und lieferte eine entsprechende Erklärung. Bei den reinen Schmuckformen der Livesay-Skizze wären solche Stützen aller Funktion enthoben, folgerichtig sind dort die Zwischenräume unterschiedslos gleich.
Folgt man Constables Kontur des Spiegels, gleicht der Umriss des Hackbords Livesay, in der Oberkante der oberen Fensterzeile legt sich Constable aber nicht fest, eine entsprechende Begrenzungslinie ist nicht zu erkennen. Beim Caledonia-Spiegel ist es eine Profilleiste, anders als beim Vollrumpfmodell, wo die Oberkante in ein schmales Vordach verwandelt ist.
Wie sähe nun der Spiegel der Victory aus?
Ich stelle mir eine Mischung vor, in der Constables Zeichnung vorwiegend die Gestaltung der oberen Partie bestimmt. Blattspiralen, »Trophy of Arms« und Mannsbilder - sind zwar nicht wirklich zu belegen, nur reicht Constable hier näher an Livesay als ans reichverzierte Schmuckmodell.
V wie Vantomspiegel
Die Zierstützen an den Enden der unteren Fensterzeile reiche ich bei anderer Gelegenheit nach. Constable erwähnt sie nicht, aber sie sind da. Und nun mal sehen, wie sich das Spekulationsobjekt in der Anwendung macht.
In der oberen Fensterzeile Passgenauigkeit deutlich unter 100%, schlecht siehts aber nicht aus.
Kurze ketzerische Zwischenfrage: Ändert sich deine Argumentationskette, wenn die Beschriftung der Livesay-Zeichnumg nachträglich von dritter Hand hinzugefügt worden wäre? Passt sie zu den anderen Beschriftungen?
Der Schritt zum »Vantomspiegel« ist vielleicht etwas kurz geraten; dazu muss ich sagen, mir ist einfach das Material ausgegangen.
Dafi hat es mehrfach betont, die Zeit um Trafalgar bietet keine Quellen an, aus denen sich problemlos ein anschauliches Bild der Victory gewinnen lässt, obwohl es die Zeit ist, in der das Schiff zu dem wird, welches wir mit dem Namen Victory verbinden.
Das Ausblenden der Victory in Portsmouth stellt die Frage, inwiefern man abhängig von einem Bild ist, das in etwa Douglas Adams' Antwort 42 entspricht.
Mich hat interessiert, was geschieht, wenn ich einem Augenzeuge wie Constable folge. Sind es Fehler, wenn das, was er zeigt nicht dem geschichtlichen Mainstream entspricht? Ich finde, seine Zeichnungen werden unterschätzt. Ihm treu zu folgen bedeutet, man hat die Nase immer an einem Primär-Dokument, aber wir leben in einer anderen Zeit und die Lücke zum aktuellen Bildverständnis kann nicht ohne Vermutungen und Spekulationen überbrückt werden. Das wird sich wohl auch nicht ändern, und insofern bleibt mein Ergebnis auch offen und ein Vorschlag neben anderen.
Es ist ein Spiel. Und bewege ich eine Figur auf dem Brett, sind vielleicht die Überlegungen, die dahinter stecken, das Wertvollste - ob der Zug gelungen ist, zeigt die Reaktion der Mitspieler.
Bis hierhin die kleine Hafenrundfahrt. Zum nächsten Teil muss ich etwas weiter ausholen…
@dafi gute Idee mit dem Schriftvergleich; interessant ist es, Livesays Bemerkungen auch inhaltlich zu vergleichen. Die Bemekungen zu Tonnant, Colossus, Africa und Revenge beschreiben Schäden an den Masten, bzw. verweisen auf Jury-Rigg. Bei der Victory nichts dergleichen, obwohl Ähnliches sicherlich angebracht gewesen wäre. Hier kein Hinweis zum Zustand des Schiffes, sondern eine Information zur Schlacht, Beiboote betreffend.
Waren mir vorher nur an einer Stelle aufgefallen: Skizze von Richard F. Roberts, midshipman on the Vic bei Trafalgar, mit seinen Hinweisen zu den Finknetrzen.
Rivers_1848.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Schwierigkeiten habe ich noch beim entziffern
"The Victory had white hammock cloth spread loosely over the others(?) and kept wet(?) until they (?) commenced firing.
Mit "others" könnten die Marines gemeint sein.
Ansonsten scheinbar Streifen mit Nelson Checkers und keine Seitenpforte. Die kleine Stufe zwischen Gangway und Back ist auch gezeigt. Die Finknetzhalter haben eine Querstruktur. Gibt es noch andere Belege dieser Konstruktion?
Zitat von dafi im Beitrag #37Mit "others" könnten die Marines gemeint sein.
… und was meinst du mit "Marines"?
Zitat von dafi im Beitrag #37Gibt es noch andere Belege dieser Finknetzkonstruktionen?
Bei Buttersworth, scheinen die Details auf Erfahrung zu beruhen, was nicht heißt, dass sie auch wirklich zum abgebildeten Schiff gehören; zumindest aber ist Sachkenntnis des Details anzunehmen; nur wird man aus anderen seiner Bilder vermutlich nicht viel mehr erfahren als aus dem Gezeigten.
Mit 'The others' können auch 'die anderen Hängematten' gemeint sein...
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Zitat von Sir T. Cochrane im Beitrag #41Mit 'The others' können auch 'die anderen Hängematten' gemeint sein...
Ich verstehe unter den »white hammock cloth spread loosely over the others« das, worauf William Turner in seiner Skizzen-Notiz »White Cloth« anspielt. Tücher, als Brandschutz nass gemacht, lose über die »anderen« gelegt, wobei hier, wie Herbert meint, die »anderen« in Bezug zur Finknetzkonstruktion stehen. »until we ? commenced firing«, was bedeutete, dass die Tücher vor Eröffnen des Feuers entfernt wurden.
18. August bis 14. September 1805
ZitatIn Portsmouth, the Victory had what Midshipman Rivers called 'a slight refit.' Bunce and his crew were hard at work on various jobs such as making new hammock boards for the old decayed ones on the poop…
Nelson's Victory: 250 Years of War and Peace von Brian Lavery, EAN: 9781612518671, U S NAVAL INST PR, April 2015 - Seite 128
Hammocks, Hammock Boards, Hammock Netting, Hammock Cloths… Was gibt es noch?
P.s.: Ich glaub, ich habs verstanden. Die Tücher wurden nicht entfernt, nur wurden sie nicht länger nass gehalten, weil die Geschützbedienung alle Hände forderte.
@achilles eine Skizze Constables (bei Christie's versteigert). Beim rechten Schiff sieht es so aus, als seien Fenster auf einem Tuch aufgemalt - allerdings hängt es über den Spiegel - seitlich keine Abdeckung. Die Geschütze sind ausgerannt. Keine Takelage.
@dafi woher hast du die Skizze; bzw., gibt es Fähnrich Roberts Remark Book irgendwo zu sehen? Ich lese »Poop« und »2nd Deck«, was steht über Kuhl und Back?