Zitat von Eddie im Beitrag #2670Ich denke einfach pragmatisch und frage mich, wozu ein Kubikmeter ungenutzten Raums auf einem (im Ernstfall) dicht belegten Kriegsschiff gut sein soll. Und ich weiß auch mein horizontal ausgerichtetes Bett (Baujahr 1890) zu schätzen. :-)
Dazu würde ich gerne ein kleine Story erzählen: Selbst als die Batavia in Lelystad noch nicht zu Wasser gelassen war bin ich mit meinem ältesten Sohn, oder meinem Bruder oder auch mit einem Kommilitonen mehrmals da gewesen. Auch öfters im Winter. Wir standen auf dem Hauptdeck vorne an der Ankerbeting und lugten vorne durch die Ankerklüsen, die im Original schon recht groß sind, ca. 40 - 50cm im Durchmesser. Der eiskalte Wind fegte nur so da durch, das ganze Hauptdeck entlang. Da kam direkt die Frage auf: wie wurden die Schiffe damals beheizt? Die simple Antwort: gar nicht. Die völlig unzureichend bekleideten einfachen Seeleute starben wie die Fliegen. An Kälte, Hunger, Krankheit, Mangelerscheinung etc. etc. Ein Menschenleben war damals nichts wert, und das eines einfachen Seemannes schon mal gar nicht. Wenn der Admiral hinten eine ganze geräumige Kajüte für sich hatte und am Hauptdeck die Seeleute sich stapelten, und wenn einer oder zwei und auch mehrere dabei auf Grund der desaströsen hygienischen Verhältnisse drauf gingen - ja dann war das eben so!
Ich würde das nicht ganz so drastisch sehen, denn diese Seeleute waren ja gut ausgebildete Fachleute und auch entsprechend wertgeschätzt, und bis auf die Walfänger wurde im eisigen Winter ja auch nicht gefahren. Und falls doch, dann ging die Freiwache eben unter Deck und wickelte sich in ihre Schafsfelle und wenn einer wirklich krank war, dann durfte er sich am warmen Backsteinherd wärmen. Keine anderen Zustände also als vor hundert Jahren bei den Kap Hoorniers, die im Schneesturm in die vergleichsweise doppelt so hohen vereisten Takelagen aufentern mussten.
Ich hatte die Batavia damals auch regelmäßig besucht. Etwa zwölfmal war ich auf der Werft und wohnte anfangs immer im "Langen Jammer", einer damaligen Billigabsteige, die heute keiner mehr bezahlen kann. Die ganze Gegend hat sich sehr zu ihren Ungunsten verändert, seit dieses Outlet Center vollkommen andere Leute als Schiffbaubegeisterte anzieht und auch der Anblick der Marina keine romantischen Gefühle mehr aufkommen lässt, wenn man sich der Batavia auf der der Uferstraße nähert. :-(
Habe mal den kläglichen Versuch unternommen, ein wenig Licht in die Angelegenheit mit den Offizieren zu bringen. Es ist so ganz auf die Schnelle nicht möglich, Zahlen auf den Tisch zu legen. Anfang des 17. Jahrhunderst war die Anzahl der Hauptoffiziere sehr überschauber. Die entsprechend Fachliteratur spricht von drei bis fünf. Um die Mitte des Jahrhunderts sieht es aber schon ganz anders aus. Durch die enorme Flottenrüstung und den ständigen Auseinandersetzungen mit den Engländern erhöhte man die Anzahl der Offiziere. Nun muss man aber unterscheiden zwischen fest angestellten (ordinaris) und in zeitlich begrenzten (extraordinaris) Offizieren. Dann kommt erschwerend hinzu, dass es fünf Admiralitäten gab, die die Anstellung der Mannschaften (inklusive Offiziere) sehr unterschiedlich handhabten. Generell kann man wohl davon ausgehen, dass die Anzahl der Offiziere in die Richtung 8 bis 10 ging. Genaues kann ich daher nicht liefern.
Vielen Dank @Werner Dann kann es ja sein, dass die Kajüte tatsächlich den Offizieren vorbehalten war. Ich habe versucht den Beitrag hier im Thread zu finden, ich meine @ara hatte es zuerst angesprochen. Es wurde auch erwähnt, dass es in diesem Raum sicherlich noch einen Tisch mit Stühle gab.
Am Modell geht es weiter @Arno sprach mit letztens daraus an, welche Farbe die Schotts wohl hatten. Mein Bauchgefühl sagte mir wohl dieselbe Farbe wie die Verteuning, also grün. Beim Brandt Modell scheinen die Schotts naturbelassen zu sein:
Beim Studieren des Wagner Aquarells fiel mir auf: die profilierten Leisten der Schotts scheinen rot abgesetzt gewesen zu sein:
Es wird auch mit Holz gearbeitet - das Schott der Hütte ist in Arbeit. Die Tür muss natürlich weiter nach vorne verschoben werden.
Bei der Farbgebung wird Brandt sich grundsätzlich am Originalmodell orientiert haben, wobei die dunklen Barghölzer möglicherweise durch andere zeitgenössische, aber überarbeitete Modelle inspiriert sind. In den 20er Jahren war man mit solchen Eigenzugaben wohl noch nicht so zurückhaltend wie heute.
Zitat von Eddie im Beitrag #2670Ich denke einfach pragmatisch und frage mich, wozu ein Kubikmeter ungenutzten Raums auf einem (im Ernstfall) dicht belegten Kriegsschiff gut sein soll. Und ich weiß auch mein horizontal ausgerichtetes Bett (Baujahr 1890) zu schätzen. :-)
Dazu würde ich gerne ein kleine Story erzählen: Selbst als die Batavia in Lelystad noch nicht zu Wasser gelassen war bin ich mit meinem ältesten Sohn, oder meinem Bruder oder auch mit einem Kommilitonen mehrmals da gewesen. Auch öfters im Winter. Wir standen auf dem Hauptdeck vorne an der Ankerbeting und lugten vorne durch die Ankerklüsen, die im Original schon recht groß sind, ca. 40 - 50cm im Durchmesser. Der eiskalte Wind fegte nur so da durch, das ganze Hauptdeck entlang. Da kam direkt die Frage auf: wie wurden die Schiffe damals beheizt? Die simple Antwort: gar nicht. Die völlig unzureichend bekleideten einfachen Seeleute starben wie die Fliegen. An Kälte, Hunger, Krankheit, Mangelerscheinung etc. etc. Ein Menschenleben war damals nichts wert, und das eines einfachen Seemannes schon mal gar nicht. Wenn der Admiral hinten eine ganze geräumige Kajüte für sich hatte und am Hauptdeck die Seeleute sich stapelten, und wenn einer oder zwei und auch mehrere dabei auf Grund der desaströsen hygienischen Verhältnisse drauf gingen - ja dann war das eben so!
Peter
Ich möchte ergänzen, dass sich eine beträchtliche Anzahl Besatzungsmitglieder an Bord befand. Große Menschenmengen produzieren eigene Wärme (durch ihre Körpertemperatur) und wirken selber wie Heizkörper. Dadurch entsteht eine gewisse "Grundtemperierung". Aus dem gleichen Grunde werden auch alte Kirchen nicht beheizt und auch moderne Versammlungsstätten werden von solchen Effekten beeinflusst. Natürlich ändert das nichts daran, dass das als "Heizung" nicht ausreicht - aber es hatte einen gewissen Effekt, sofern nicht allzuviel Zugluft hinzukam,
Verzweifle nicht, wenn du kein Profi bist. Ein Amateur hat die Arche gebaut, Profis die Titanic...
Weiter ergänzend möchte ich zu Bedenken geben, daß sich sowohl die angesprochenen großen Ankerklüsen wie auch eine nach achtern offene Back - also der Aufenthaltsraum der diensttuenden Wache - mittels Segeltuchplanen ganz gut vor kalter Zugluft abschirmen ließ. Zudem wurden Seeleute nicht gerade schlecht bezahlt und hatten also die Mittel, sich mit entsprechender Kleidung einzudecken oder sie auch selbst herzustellen. Die meisten konnten nämlich sowohl nähen wie auch stricken und wenn einer starb, wurden seine Kleider an die Bedürftigsten verteilt. Auch die Gräting des Backdecks konnte mit einer verzurrten Persenning abgedichtet werden, so daß ein einigermaßen windstiller und trockener Raum geschaffen werden konnte, der natürlich keinen modernen Energiesparrichtlinien entsprach, aber bei entsprechender Belegung doch eine gewisse "Nestwärme" gewährleistete.
Nebenbei darf man natürlich nicht vergessen, dass wir in der heutigen Zeit sehr verwöhnt sind. Unsere wohltemperierten Räumlichkeiten tragen dazu bei, dass wir bei unseren winterlichen Temperaturen ohne eine Heizung gleich frieren. Die Menschen vergangener Jahrhunderte waren da etwas robuster. Als Darwin z.B. in den Wintermonaten mit den Ureinwohnern auf Feuerland zusammentraf, wunderte er sich, dass die Menschen im tiefen Winter völlig unbekleidet herumliefen.
In den langen Jahren, die ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, habe ich über die Lebensbedingungen der Besatzungen auf Segelschiffen die verschiedensten Berichte und vor allem Einschätzungen gelesen. Auf der einen Seite des Spektrums steht der Reisebericht eines jungen Journalisten und erfahrenen Hobbyseglers, der sich auf der weiland Bounty als Hilfsmatrose eingeschifft hatte und nach wenigen Tagen heulend vor Kälte und Erschöpfung in seiner Koje lag. Auf der anderen Seite steht ein Bericht über die Gesundheitssituation der Männer in der Royal Navy, in dem besonders hervorgehoben wurde, dass an Bord eines größeren Schiffes auf wenige 100 Männer ein Arzt kam, der sie auch behandelte, während an Land ein Arzt auf mehrere 1000 Menschen kam, die ihn in der Regel nicht bezahlen konnten. Zudem war die hygienische Situation an Bord (entgegen unserer heutigen Einschätzung) wesentlich besser als in den Städten und die Verpflegung noch besser. Mein Fazit nach all diesen Lektüren: Es bleibt extrem schwierig für uns Heutige, die damalige Situation (im Kontext ihrer Zeit) einzuschätzen. Ich denke, das Faktum, dass sich zu allen Zeiten genug Menschen fanden, die das Wagnis einer Seereise auf sich nahmen, spricht dafür, dass Aufwand und Ergebnis in einem akzeptablen Verhältnis gestanden haben müssen. Ende des Exkurses! Schmidt
In der Tat gab es im 17. Jahrhundert einen Grund, der für viele ein besonderer Anreiz war, die Strapazen einer langen Seereise auf sich zu nehmen: es gab an Bord eines Schiffes regelmäßige Mahlzeiten. Das war an Land für Mittellose noch lange nicht garantiert.
Jetzt sind wir aber mit der Farbgebung der Schotts leider nicht weitergekommen. Ich tendiere dazu eher die farbige Darstellung des Modells von Wagner zu glauben als das Modell von Brandt. Bei allen Bildern von Van de Velde d.J. sind die Vorderschotts holländischer Schiffe auch grün, vielleicht lag ich mit meinem Bauchgefühl gar nicht so daneben. Ich überlege bei meinem Modell die Schotts ebenfalls in grün zu streichen.
Obwohl die angehängte Datei nichts mit der HZ zu tun hat, möchte ich sie hier einstellen. Es handelt sich hier um eine 1591 erstellte Rechnung eines Malers. Er hatte mit seinen Gesellen ein großes Pinasschiff in Farbe gesetzt. Die Farbmenge deute aber eher darauf hin, dass wohl nur das Innere des Schiffes gestrichen wurde. Quelle: Zeeuws Archief Middelburg, Rekenkamer C. Zugangsnummer 808, Inv. Nr.: 6152
Werner
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Hier noch für den Ineressierten die erste Seite der Rechnung im Original:
Gast
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P1240677-b.jpg
Interessante Unterlagen Werner, danke dafür. Bei 17,3 kg Ocker wird meine nächste Frage direkt bestätigt: war alles an Gold beim HZM tatsächlich Blattgold? Mir kommt der Verdacht, dass einige der Goldenen Teile wohl eher mit Goldfarbe behandelt wurden anstelle von Blattgold. In diesem Bild sieht es so aus, als sei ein Pinselstrich Gold wohl danebengegangen (@Schmidt das ist das wovon ich letzten gesprochen hatte, als du hier warst):
Auch kann ich mir wirklich nur schwer vorstellen, das verzierte Leisten oder Hukmannen unter Deck wirklich blattvergoldet waren.
Die in der Tabelle gezeigten Farbtöne entsprechen natürlich nicht denen der Originalfarben. Unsere moderne Technik kennt diese alten Farben leider nicht.
Man bedenke bitte, dass der Maler nur ----? Gold verarbeitet hatte. Es gab also Bereiche, die wirklich vergoldet wurden. In diesem speziellen Fall war es der Galionslöwe und die Galerie. Da sind ----? Gold sicher nicht zuviel.