Hallo Wefalck, als ich derzeit deinen Metallmast und Metallspill sah, hatte ich ehrlich gesagt leichte Zweifel und hätte nicht gedacht, dass da so ein schönes Stück entsteht, das auch einer gewissen - wie soll ich sagen - Romantik nicht entbehrt. Gefällt mir sehr!
@bvl, man hätte diese Teile natürlich aus Holz machen können. Das einzige Holz das m.E. aber dafür in Frage kommt ist Buchsbaum und die Beschaffung von gutem Holz ist ja notorisch schwierig. Ich wüßte hier auf Anhieb keine Quelle. Mit anderen Hölzern ist keine wirklich maßstabsgerechte Oberfläche hinzubekommen. Ich habe mich u.a. auch deshalb aus dem Holzbau so ziemlich zurückgezogen. In den letzten Jahrzehnten habe ich auch eine größere Affinität zu Metallarbeiten entwickelt und mich entsprechend ausgerüstet (Uhrmachermaschinen sind ja ein weiteres Hobby). Metall staubt auch nicht so . Wichtig für die Materialwahl ist auch der Effekt den man erreichen möchte. Wenn ich gewissermaßen ein dekoratives Stück produzieren möche, das durch die verwendeten Materialien und die handwerkliche Qualität 'lebt' wäre Holz sicher die richtige Wahl. Für ein naturgetreues Modell kommt es vorallem darauf an, daß die Oberflächenstrukturen und Farben 'passen'. Das ist m.E. mit Holz selbst nicht zu machen. Kunstoff und Metall sind gerade bei kleinen Maßstäben da besser geignete. Vielleicht liegt das an meinen handwerklichen Fertigkeiten, aber bei diesen Materialien bekomme ich einfach schärfere Kanten und ebenere Oberflächen hin.
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Trotz der eher frühlingshaften Temperaturen hier in Paris ist die Eisbildung im Hafen von Volendam vorangeschritten. Es waren es nur kleine Schollen, die der NO-Wind dann am Deich zusammegetrieben hat – Pfannenkucheneis. Die Botter-Besatzung hat versucht das Boot vom Eis freizuhalten, denn Eis ist dem Wohlbefinden eines Holzbootes nicht so zuträglich. Daher der Wall von Eis rings um das Boot, der von der Arbeit mit Brechstange und Axt herrührt. Aber vergeblich ! Inzwischen hat sich eine geschlossene Eisdecke gebildet auf der der Wind auch ein paar Schneeflocken vertrieben hat.
Zur Gestaltung der Eisfläche wurde die Plexiglasplatte zunächst unter Zuhilfenahme eines Borstenpinsels mit Acryl-Gel betupft. Der nächste Schritt (eigentlich mehrere) war ein Experiment: in der Vergangenheit habe ich Schaumkämme und sich brechende Wellen mit einer Art Zuckerguß, d.h. einer Mischung aus Zucker und Tapenkleister, modelliert. Inzwischen gibt es ja Acryl-Gel und –Lack. Ich habe es also mal mit einer Mischung aus Acryl-Lack und Zucker probiert. Da bei uns in Frankreich der Zucker recht grobkörnig ist, habe ich ihn in einer Reibschale zermahlen. Wie schon bei der Mischung mit Tapenkleister löst sich zunächst ein Teil des Zuckers im Acryl-Lack und kristallisiert dann wieder aus. Die Mischung kann nach Bedarf in der Viskosität eingestellt werden und trocknet milchig-weiß auf. In mehreren Schritten wurden damit die Eischollen usw. modelliert. Mit einer solchen Mischung wurden auch die Pfähle ‚eingefroren’.
Eigentlich sind seit den Bildern im vorigen Beitrag mehrere Jahre vergangen, denn inzwischen sind die Pfähle und anderes Holzwerk weiter verwittert und vergraut. Na ja, Pastelkreiden und Deckweißlasuren haben diesen Prozeß etwas beschleunigt. Auch hat die Vegetation den Deich in Besitz genommen. An seinem Fuß wächst etwas Schilf und Gras hat in den Fugen Halt gefunden. Der strenge Frost hat das Gras allerdings vergilben lassen.
Angeregt wurde diese Gestaltung durch den relativ harten Winter 2008/2009 in Noord-Holland, wo ich im Februar 2009 ich solche Eisbildung selbst beobachten konnte:
Eberhard, DAS ist die große Kunst - Stimmungen zu erkennen, einzufangen und dann auch noch modellbautechnisch überzeugend rüberzubringen - einfach immer wieder eine Freude zuzuschauen!
"Was macht eine so große Schraube im See?!" dachte ich zunächst beim raschen Überfliegen der Bildansichten. Nähere Betrachtung ließ mich schließlich sprachlos werden! Unglaublich!
Zitat von Tarjack im Beitrag #64Also ehrlich, das ist Spitze
- Hhhmm, das Frühstücksei ist nicht richtig gekocht, es bewegt sich ja noch …
Danke für die Einladung und die netten Worte. Ich werde aber einen Trip in die Fugger-Stadt zwischen all meinen Dienstreisen (England, Türkei, Spanien, nochmal Türkei, Italien) vor Ostern nicht mehr 'reinquetschen können .
Die Schraube (die eine Rändelmutter ist) hält die Plexiglas-Platte temporär fest. Später wird mit der zugehörigen Schraube das Modell von unten auf der Grundplatte befestigt werden.
Das ist wirklich großes Kino, was Du uns hier zeigst. Meinen allergrößten Respekt Nicht nur dieser fantastische Botter, nun auch das angemessene Ambiente dazu. Werde mich sicherlich dran erinnern, wenn ich an Pfingsten wieder zu einem Segeltörn auf dem Ijsselmeer starte.
Beste Grüße, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
Inzwischen habe ich mit den ersten Takel-Arbeiten begonnen. Die Arbeiten werden aber nur langsam vorangehen, da alle Teile recht empfindlich und die Prozedur entsprechend nervenaufreibend ist.
Beim Vorbild würde man zuerst das Vorstag als einziges stehendes Gut setzen. Das Vorsegel würde dann mit den Stagreitern angeschlagen werden. Da hier aber die Stagreiter bereits am Vorsegel angenäht sind – vor Ort wäre das kaum möglich gewesen, muß das Vorsegel zusammen mit dem Stag aufgebracht werden. Vom modellbauerischen Standpunkt gesehen, sind Schiffe des späten 19. Jh./frühen 20. Jh. ziemlich kompliziert zu takeln. In den Zeiten davor wurden Taue häufig direkt in Augbolzen eingespleißt oder mit Bändseln festgesetzt, was sich recht einfach auch in kleinen Maßstäben im Modell nachvollziehen läßt. In späterer Zeit wurden stattdessen Schäkel und Haken verwendet. Das macht beim Vorbild zwar das Auf- und Abtakeln leichter, aber Schäkel von 0,5 mm Länge oder stabile Haken von 1 mm herzustellen ist eigentlich unmöglich. Nun wird beim Botter ausgerechnet das Vorstag mit einem Haken in den Mast eingehängt. Draht vorbildgerechter Stärke würde rasch wieder aufbiegen. Ich habe also hier ein bißchen gemogelt und das Stag mit einem Bändsel festgesetzt.
Einfädeln der Vorstag-Jungfer mit Hilfe eines Stativs
Es gab verschiedene Methoden, das Vorstag steifzusetzen, die sich bis gegen Ende des 19. Jh. gehalten haben. Ich habe die etwas altertümliche Methode mit einer Jungfer gewählt. Das Taljereep besteht aus drei Kardeelen Veevus Fliegenbindegarn der Stärke 16/0 in goldbraun, die ich auf meiner Reeperbahn zu einem Tau geschlagen habe. Goldbraun deswegen, weil das Taljereep im Zweifel geteert war. Eigentlich wollte ich den Tampen vorbildgerecht mit einem Taljereepsknoten versehen, doch das Fliegenbindegarn reagiert fast wie Draht und läßt sich praktisch nicht spleißen.
Die Vorstag-Jungfer
Auf dem ersten Photo sieht man meine dritte Takelhand. Um beim Durchfädeln kein Kuddelmuddel zu bekommen wurde die Jungfer an einem Draht aufgehängt, der seinerseits an einem Stativ hängt. Dieses Stativ gehört eigentlich zu einer Apothekerwaage, die aus dem Nachlaß meines Vaters stammt (bin mir nicht sicher, was er ‚da oben’ dazu sagen würde ...).
Das angebändselte Vorstag hat mir nun doch nicht gefallen und keine Ruhe gelassen. Deswegen habe ich nun doch einen Haken mit Ring fabriziert. Nachdem der Haken verzinnt ist, wird er ziemlich formstabil und biegt beim Aufriggen nicht auf.
Das nun vorbildgerecht eingehängte Vorstag
Zum Glück bin ich nicht dafi mit seiner VICTORY und brauche nicht Hunderte davon zu produzieren ...
Ein Kollege in einem anderen Forum bemerkte, daß richtigerweise das Vorstag aus einer Stange bestehen sollte und nicht aus Drahtseil. Ich war irgendwie davon ausgegangen, daß die Rundeisenstangen erst später eingeführt wurden und mit einer Bändselung bzw. einer Spannschraube festgesezt wurden und dachte, daß die von mir gewählte antiquierte Version mit Jungfer zusammen mit einem Drahtseil-Stag verwendet wurde. Mit dieser vorgefaßten Vorstellung habe ich die Zeichnungen in VAN BEYLEN (1985) und DORLEIJN (2001) falsch interpretiert. Habe mir nochmal meine und historische Photos genau angeschaut. Soweit erkennbar besteht das Vorstag überall in der Tat aus einer Rundeisenstange mit angeschmiedeten Augen.
Ich habe das nun korrigiert und das Vorstag aus 0,15 mm NiCr-Draht neu aufgeriggt.
Rundeisenvorstag (schon mit Fock)
Das Aufriggen begann dann ernstlich. Da unterschiedliche Stärken für die verschiedenen Taue des laufenden Gutes gebraucht werden, schlage ich diese nach Bedarf auf meiner Reeperbahn.
Ein spezielles Problem besteht darin, daß das Vorstag und die Fock gleichzeitig geriggt werden müssen: da die Augen des Stags nicht durch die Stagreiter passen, muß die Fock zunächst aufgefädelt, dann das Vorstag in den Haken der Jungfer eingehängt und anschließend das Auge gebändselt werden. Das ganze findet auch nicht auf dem Tisch, sondern freischwebend am Modell statt. Zunächst wurden aber die verschiedenen Blöcke, der Schafskopfblock am Kopf der Fock und ein einfacher Block mit Hundsfott am Schothorn befestigt.
Die Fock mit Fall und Schot fertig zum Setzen
Das Fall der Fock ist interessant geführt, denn es dient gleichzeitig als Niederholer, d.h. das Ende des Falls ist an einen der Haken des Schafskopfblock angespleißt. Eigentlich ist das Fall auch verjüngt geschlagen, das Niederholer-Ende ist dünner als das Ende, das an den Block angespleißt ist. Im Maßstab 1:90 ist das natürlich nicht nachzuvollziehen.
Kopf der Fock mit Fall/Niederholer
Die Schot ist ebenfalls interessant geführt: sie ist zwar als einfache Talje geführt, aber bordseitig gibt es keinen zweiten Block. Stattdessen läuft sie über die Halbklampe.
Schothorn der Fock mit angespleißtem Block (eigentlich ist der Block in das Liektau eingebunden, wie in alten Zeiten üblich, aber ich habe das bei der Segelherstellung übersehen)
VAN BEYLEN (1985) beschreibt verschiedene Variaten der Führung der Fockschot, äußert sich aber nicht dazu, was das Fehlen eines oder gar beider Blöcke an Vorteilen bringt. Wenn der Wind im Segel steht wird auf diese Weise durch die zusätzliche Reibung weniger Kraft zum Halten benötigt. Andererseit erschwert das Fehlen des oder der Blöcke das Dichtholen der Schot.
Das Riggen des Vorsegels hat mir diverse Bauchschmerzen bereitet. Meine Papiersegel haben sich als nicht ganz für den Zweck geeignet herausgestellt. Für sich im Wind blähende Segel ist die Technik wohl geeignet. Für Segel die schlaff auf dem Deck hängen ist das Material einfach zu steif, um sich schön in Falten legen zu lassen. In der Vergangenheit habe ich für den gleichen Zweck und nach der gleichen Methode Segel auf der Basis von feinster Flugmodell-Bespannseide hergestellt. Diese Segel ließen sich recht gut drapieren. Das Material wäre aber für den Maßstab 1:90 zu dick gewesen.
Das gesetzte, aber teilweise gefierte Vorsegel
Detail des Vorschiffs
So habe ich denn Blut und Wasser geschwitzt und bin trotzdem mit dem Ergebnis nicht so richtig zufrieden. Das Vorsegel sieht einfach zu steif aus. Auch mußte ich im unteren Bereich, da wo die Stagreiter sich über dem Auge des Stages zusammenschieben mogeln. Die Stagreiter sind durch die doch recht gewaltsame Prozedur des Faltens teilweise abgerissen. An vielen Stellen muß noch retuschiert werden.
Vorstag mit einer Jungfer steifgesetzt
Fall/Niederholer auf der backbordseitigen Mastklampe belegt
Auf den Bottern werden halbe Klampen verwendet. Das macht das Belegen etwas schwieriger, als mit den normalen Klampen und sieht irgendwie nicht ganz richtig aus, obwohl ich mich an die Skizzen in VAN BEYLEN (1985) gehalten habe.
Fockschot
Detail des Vorschiffs
Ein auf Schiffsmodellen häufig zu sehender Mangel ist, daß das Laufende Gut nicht sauber an den Scheiben der Blöcke anzuliegen scheint. Das liegt eben daran, daß meist nur ein Durchgangsloch gebohrt wird, ohne die Scheibe zu formen. Ich habe dem durch eine relativ aufwendige Prozedur auf der Fräsmaschine mit Hilfe eines Teilkopfes versucht abzuhelfen. Wie man sehen kann, war ich aber nur teilweise erfolgreich.
Fockschot
Masttopp mit Kopf der Fock am Schafskopf-Block
Hier noch eine Auswahl aus meinem Arsenal an Takelwerzeugen:
Takelwerkzeuge (von links nach rechts): gerade Uhrmacherpinzette, gebogene Pinzette, Briefmarkenpinzette zum Drapieren der Segel und Richten von Drähten, zwei (antike) Mikro-Häkelnadeln zum Halten und Ziehen, Nadel mit offener Öse in Nadelhalter zum Schieben und Halten, Nadelhalter mit Nadel zum Lochen, Nähnadel zum Herstellen von falschen Spleißen, Mikroschere, mikroskopisches Skalpell.
Als nächstes steht das Großsegel an. Noch so ein Problemfall ...