Nachdem in einem anderen Forum mein Baubericht zwar häufig 'angeklickt' wird, es aber so gut wie keine substantielle Diskussion gibt, dachte ich, daß ich diesen Bericht hier vielleicht doch einstellen kann.
Es erschreckt mich doch etwas, daß die Arbeiten an diesem Artitec-Bausatz schon Anfang 2012 begonnen haben. Offenbar bin ich nicht sehr produktiv. In den Jahren meines Aufenthaltes in Nord-Holland von 2006 bis 2009 habe ich viel Material über Botter und andere holländische Fahrzeuge gesammelt. Der Botter wird ein verspätetes Souvenir aus dieser Region sein, in der dieser Bootstyp einst vorherrschend war. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren rund um die Zuiderzee (heute Ijsselmeer) mehr als 300 Botter registriert
Ein restaurierter Botter aus dem Zuiderzee-museum in Enkhuizen
Auf dieser Internet-Seite werde ich Schritt für Schritt über den Bau des Modells und die geplante szenische Präsentation in englischer Sprache berichten. Auszüge daraus werden in diesem ‚Faden’ folgen.
Eigentlich habe ich mit Bausätzen nicht (mehr) so viel am Hut. Sie genügen meist einfach nicht meinen Qualitätsansprüchen. Ich weiß natürlich, daß den Reproduktionstechniken (wie dem Guß mit Harzen in Silikon-Formen) Grenzen gesetzt sind und deshalb Vereinfachungen notwendig sind. Es ist aber doch beachtlich, was an Details Artitec in einfaches Gußteil hineinpacken kann:
Das Hauptgußteil des Bausatzes
Im Maritiem & Jutters Museum in Oudeschild auf Texel gibt es ein großes Modell der Reede von Texel um das Jahr 1650 herum. Dieses Modell wurde von Artitec erbaut. Das Museum vertreibt eine nette DVD in der der Herstellungsprozeß der Artitec-Modelle erläutert wird.
Der Bau beginnt mit der Entfernung der Angüsse. Offensichtlich fand der Guß kopfüber statt, so daß sich der Anguß auf der Unterseite des Wasserlinien-Rumpfes befindet. Dieser Anguß wurde mit einer Trennscheibe in der Kleinbohrmaschine abgeschnitten und dann der Boden auf einem Stück Naßschliffpapier flachgeschliffen. Um Katastrophen zu verhindern, sollte man den Rumpf während aller Bauphasen sicher halten können. Deswegen wurden in den Bereich unter der Back, wo genügend ‚Fleisch’ vorhanden ist, zwei 2,5 mm Löcher gebohrt und ein M3-Gewinde eingeschnitten. Mit zwei Schrauben kann der Rumpf nun auf einer mobilen ‚Helling’ bzw. später in der Szenerie festgeschraubt werden.
Weitere kleine Fortschritte, oder vielleicht eher das Nachdenken über mögliche Fortschritte:
Zunächsteinmal wurde Gußteil für den Rumpf sorgfältig auf Gußmarken untersucht und diese mit Skalpell und Feile entfernt. Aber es gab eigentlich wenig zu tun, was für die Qualität der Arbeit von Artitec spricht. Als nächstes wurde eine Bestandsaufnahme vorgenommen und das Gußteil sorgfältig mit Zeichnungen aus der einschlägigen Literatur, vorallem VAN BEYLEN (1985) und DORLEIJN (2001) sowie den Photographien aus dem Zuiderzeemuseum verglichen. Hierbei wurde vorausgesetzt, daß es ein Modell eines Marker Botters werden soll. Botter aus verschiedenen Heimat- und Bauhäfen unterscheiden sich in manchen Details und diese Details möchte ich so gut es in diesem kleinen Maßstab geht wiedergeben. Bei der Inspektion fielen eine Reihe von ‚Problemen’ auf:
a) das Bratspill ist in seiner generellen Form gut wiedergegeben, aber einige Details nicht gut ausgeführt, so sind z.B. die Löcher für die Handspaken nicht quadratisch. Weiterhin hat Artitec einen Pallstamm installiert, während bei den meisten Bottern die Pallklinke auf dem inneren Bugband installiert ist.
Die Artitec-Ausführung
So sollte es nach VAN BEYLEN (1985, S. 85) aussehen
b) Artitec hat einen ‚eisernen’ Bügel (ein Ätzteil) als Leuwagen für die Großschot vorgesehen, während Marker Botter (und solcher wird es werden) in der Regel einen solchen aus Holz führten.
Die Artitec-Ausführung
So sollte es nach VAN BEYLEN (1985, S. 35) aussehen
c) Artitec hat vorgesehen, daß die Seitenschwerter auf keilförmigen Auswüchsen der Schwertpoller festzukleben sind. In Wirklichkeit drehen sie sich um einen Schwertnagel der in einen eisernen Kragen eingehängt ist, der wiederum über den Schwertpoller gelegt wird.
Die Artitec-Ausführung
So sollte es nach VAN BEYLEN (1985, S. 81) aussehen
Detail eines Botters im Hafen des Zuiderzeemuseums in Enkhuizen
d) Das Schlempholz, ein horizontales Knie zwischen Steven und Bergholz, fehlt. Das ist aber kein Problem, da der Steven ohnehin neu gearbeitet werden muß. Ich hatte den Bausatz in zweiter Hand erworben und der Stevenkopf war abgebrochen.
Darüberhinaus müssen die Löcher für die Riemendollen u.a. durchbohrt werden. Diese Teile, die z.T. auch angegossen sind, werden durch Drehteile ersetzt werden. Es gibt noch mehr Kleinigkeiten zu verbessern, die nicht alle hier detailliert aufgezählt werden können.
Ja, u.a. dieses Buch ist ja neben dem von DORLEIJN die wichtigste gedruckte Quelle, siehe Zitate oben.
Irgendwie habe ich diesen Baubericht falsch angefangen, jedenfalls scheine ich jetzt keine Möglichkeite mehr zu haben, einen Unterfaden mit 'Recherche' anzulegen. Hier also eine Aufstellung von Unterlagen u.a. die beim Bau nützlich sind (vielleicht kann die Moderation das entsprechend verschieben):
NOOTEBOOM, C. (~1925): De inlandsche scheepvaart. Deel 11 van de gids in Het Volkenkundig Museum.- 79 p., Amsterdam (Koninklijke Vereeniging ‘Koloniaal Instituut).
OSTROM, C. van (1988): Ronde en platbodems schepen en jachten.- 144 p., Alkmaar (De Alk b.v.).
PEL, H. VAN (1956): How to tan nets, sails and lines.- South Pacific Commission Quarterly Bulletin, 6(3): 33.
SOPERS, P.J.V.M. (196?): Schepen die verdwijnen (bearbeitet von H.C.A. van Kampen).- 162 p., Amsterdam (P.N. Van Kampen & Zon).
VOORBEIJTEL, W. (1943): Bechrijvende Catalogus der Scheepsmodellen en Scheepsbouwkundige Tekeningen 1600-1900.- 191 p. Amsterdam (Nederlandsch Scheepvartmuseum).
Die meisten dieser Werke befinden sich in meiner Bibliothek.
"Ich gibs so gut / als ichs errang / Drumb ist mir vor keim Momo bang. Wer bessers waist / und kans erweisen / Der gebs herfür: Ich will ihn preisen." (Joseph Furttenbach 1591-1667)
ich freue mich, dass du hier dieses schöne Stück Kleinschiffahrt vorstellst. Ich denke ein solches Modell kann für viele Modellbauer, deren Zeit knapp bemessen ist, die aber dennoch in endlicher Zeit zu einem schönen Modell kommen wollen, eine ausgezeichnete Wahl darstellen, zumal man auch hier eine ganze Menge an Details zu beachten sind...
Angesichts der Probleme mit dem Spill habe ich dieses komplett aus dem Gußteil des Rumpfes herausgeschnitten, um es durch eine Eigenanfertigung zu ersetzen. Quadratische Löcher und eckige Einschnitte lassen sich maschinell nicht (so ohne weiteres) herstellen. Daher wurde das Spill in für eine maschinelle Bearbeitung geignete Segmente unterteilt.
[b]Schlitzen der Spakenlöcher im Teilkopf auf der Uhrmacher-Fräsmaschine[/b]
Die 0.5 mm x 0.5 mm Löcher für die Spillspaken wurden als kleine Schlitze in Stückchen von 4 mm Rundmessing eingeschnitten. Das Pallklinkenrad wurde auf der Fräsmaschine mit Hilfe eines Teilkopfes gefräst.
Fräsen des Pallklinkenrad im Teilkopf
Durch alle Teile wurde ein 1 mm-Loch zur Aufnahme eines Ms-Draht als Achse gebohrt. Messing wurde wegen seiner Lötbarkeit gewählt, denn vor den nächsten Bearbeitungschritten wurden die einzelnen Teile weich zusammengelötet.
Einzelteile des Spillstammes
Das zigarrenförmige Profil des Spills wurde auf der Uhrmacherdrehbank mit dem Handstahlhalter geformt. Uhrmacher können so etwas freihändig mit einem Spitzstichel auf einer Handauflage, ich habe aber den speziellen Handstahlhalter für meine Drehbank von Lorch, Schmidt & CO. verwendet.
Andrehen der zigarrenförmigen Enden mit dem Lorch-Handstahlhalter
Wieder auf der Fräsmaschine, eingespannt in den (selbstgebauten) Teilapparat wurden die acht Seiten des Spillkörpers angefräst.
Fräsen des Spillstamms im Teilapparat auf der Uhrmacherfräsmaschine
Hier das fertige Spill vor seiner Installation auf dem Modell:
Die eigentliche Baustelle hat zwischendurch immer mal wieder längere Zeit geruht - nicht, daß ich dann untätig gewesen wäre: in der Werkstatt habe ich an der Verbesserung des Maschinenparks gearbeitet. Der Anlaß war folgender:
Der in Harz gegossene Mast des Bausatzes war eigentlich nicht schlecht gemacht, aber ziemlich verzogen und hatte auch nicht den richtigen Hummer für einen Marker Botter. Deswegen hatte ich mich zu einer Neuherstellung entschlossen. Holz wäre gegangen, aber ich hatte keinen geeigneten Stab aus Buchsbaum o.ä. Messing, Aluminium oder Plexiglas wären nicht steif genug gewesen für solch' einen dünnen Mast. Deswegen habe ich ihn aus Stahl gedreht. Die normale, feste Lünette, die zu meiner Drehbank gehört, ist aber für Durchmesser unter etwa 3 mm nicht geeignet. Deswegen habe ich eine neue Lünette in Miniaturausführung gebaut ( http://www.maritima-et-mechanika.org/tools/attachments/attachments.html#Miniature_steady ).
Einsatz der feststehenden Lünette auf meiner Lorch, Schmidt & Co. Drehbank
Lünette zur Unterstützung langer Teile im Teilapparat auf der Fräsmaschine
Allerdings federt der Mast so stark, daß er bei der Bearbeitung unterstützt werden muß. Zu diesem Zweck habe ich eine weitere Lünette gebaut, die Teile, wie den Mast, unterstützt und in ihrer Lage festhält. Dies ist auch für Bohrarbeiten am Mast nötig. Da das Bett der Drehbank und des Teilapparates den gleichen Querschnitt hat konnte das Unterteil der festehenden Drehbanklünette auch hierfür verwendet werden. Diese Lünette ist in ihrer Höhe verstellbar, so daß Teile unterschiedlichen Durchmessers unterstützt werden können.
Lünette im Einsatz bei der Bearbeitung des Botter-Mastes
Ich habe den Ehrgeizt alle diese Maschinenteile in einer Qualität und Anmutung herzustellen, die (hoffentlich) einigermaßen an die der antiken Originalteile heranreicht. Deswegen hatte die ganze Operation dann auch ein bißchen länger gedauert.
Demnächst wieder mehr über die Arbeiten am Modell selbst.
Ziehe meinen Hut vor Deinen metallverarbeitenden Künsten.
nur mal ne kleine Verständnisfrage, hab mal nach dem Wort "Lünette" gegoogelt und da nehme ich an, dass es sich um den Halter in der Mitte handelt, korrekt? (bin leider in Metallverarbeitung völlig unbelastet)
Grüße Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de