Leichter Morgenwind ? Zwei Nächte vorher hat ein eiskalter Nordoststurm den Marker Botter in den Hafen von Volendam getrieben und nun sitzt er hier im Eis fest. Heute ist schon Sonnabend und es ist knackekalt. Zum Glück sind die Fischer abgehärtete Burschen, die selbst im Winter ohne Mantel und Handschuhe gehen (kann man auf alten Photographien sehen). Die Mannschaft hat die paar Fische die sie noch fangen konnten in Volendam verkauft - daher die leeren Körbe, und kann sich nun nur noch die Zeit mit Unterhaltsarbeiten und Warten auf Tauwetter vertreiben ...
Also, ich bin ja ein klein wenig ein Fan vom Ijsselmeer und da ist der kleine Botter ja genau richtig und alles kommt einem gleich angenehm vertraut vor. Das ist in seiner naturgetreuen Art ein unglaubliches Meisterwerk! Wenn man da die letzten zwei Bilder betrachtet, würde man das für Aufnahmen eines richtigen Schiffes halten - in Originalgröße - so echt wirkt das. Ich kann mir das so richtig schön in Volendam vorstellen ... ich glaube da muss ich im Sommer auf meinem Segeltörn wieder hin...
Viele Grüße, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
Die Botter in Volendam sind übrigens meistens sogenannte Quakken für die Zeesen-Fischerei.
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Zur szenischen Gestaltung gehören natürlich auch verschiedene Figuren. Das ‚story-board’ für die szenische Gestaltung sieht in etwa so aus: ein Marker Botter (so um 1900 herum) hat es wegen Eisgang nicht bis nach Marken zurück geschafft und stattdessen Volendam angelaufen. Dort liegt er nun im Eis fest. Es ist Sonnabend-Nachmittag und die Besatzung vertreibt sich die Zeit mit Unterhaltsarbeiten, während die Volendammer das schöne, aber kalte, Wetter mit einem Spaziergang auf dem Eis bzw. dem Deich genießen. Inspiriert ist diese ‚story’ von einem winterlichen Besuch des Zuiderzeemuseums in Enkhuizen und anschließender Fahrt entlang des Deiches nach Volendam, wobei sich ordentlich Packeis auf dem Ijsselmeer (damals Zuiderzee) gebildet hatte. Ich finde die Tracht der Frauen von Marken ästhetisch nicht so ansprechend (sie trugen den Hinterkopf geschoren und lange Schläfenlocken, die unter der Haube heraushingen). Die Volendamer Männer und Frauen tragen hingegen, was die Nicht-Holländer als die holländische Tracht schlechthin betrachten – wer kennt nicht ‚Frau Antje’. Schuld daran sind die zahlreichen Maler, die Volendam besucht haben und das erfolgreiche Marketing der Niederländer selber. Diese ‚story’ erlaubt mir also einen Marker Botter in einem Volendammer Kontext zu zeigen. Außerdem, erlaubt die ‚story’ Zitate nach Winterbildern von Breughel et al., allerdings in einem moderneren Umfeld.
Zwischen den Arbeiten am Botter, habe ich mich dann einmal dem Skipper und seinem Knecht zugewandt. Zu diesem Zweck habe ich mir einen Satz unbemalter Preiser-Figuren ‚Verschiedene Berufe’ besorgt und zwei geeignete Figuren ausgewählt. Diese wurden zurechtgeschnitzt bzw. ‚putty’ aufgetragen, bis sie annehmbare Marker Fischer ergaben. Die traditionelle Marker Tracht besteht aus dunklen wollenen oder hellen leinenen Pumphosen, die bis unter das Knie reichen, einem kragenlosen Hemd oder ‚Buscherump’ oder Pullover mit Rundauschnitt. Darüber kann eine kurze Spenzer-ähnliche Jacke oder auch ein ‚Collani’ getragen werden. Die Fischer waren abgehärtete Menschen, so daß man auf winterlichen Photographien Jacken eher selten sind. Die Unterschenkel werden mit dunklen Wollsocken geschützt und die Füße stecken in Holzschuhen. Als Kopfbedeckung wird auf Marken ein runder Filzhut getragen oder auch eine Képi-ähnliche Mütze mit kleinem Schirm. Es gibt natürlich noch viel mehr Details der Kleidung auf die einzugehen hier aber zuweit führen würde.
Scan der Schachtel-Abbildung
Der Gutsverwalter, oder was auch immer die Profession des Herrn in Schaftstiefeln aus dem Preiser-Set sein mag, wurde also in den Fischer und Bootseigner mutiert. Der Spediteur mit Schürze und Schildmütze hingegen mußte für den Fischerknecht herhalten. In beiden Fällen wurden die Pumphosen anmodelliert und die Kopfbedeckung zurechtgestutzt. Die Hemdkragen fielen ebenfalls dem Skalpell zum Opfer, während der Modellierspatel Schuhe und Stiefel zu ‚Botten’ aufarbeitete. Der Fischerknecht trägt vollständige Arbeitskleidung einschließlich Botten mit Segeltuchschäften.
Fischer im Rohzustand
Fischer nach der Grundierung
Ich habe mich seit Jahren kaum noch mit Figurenumbauten beschäftigt und deswegen war mein Arsenal an Materialien etwas beschränkt: eine Tube Britfix ‚customising body putty’, das auch nach 40 Jahren noch brauchbar ist und eine Packung Milliput ‚grey’, das aber nicht mehr ganz so fit war. Auf die modernen 2K-Modelliermassen hatte ich im Augenblick keinen Zugriff. Nach der ersten Spritzgrundierung mit terracotta-farbenem Mattlack sieht man dann all die Unsauberkeiten, die noch nachgearbeitet werden müssen. Besonders auf Photographien – immerhin erscheinen die knapp 2 cm hohen Figuren auf dem Bildschirm hier in etwa zehnfacher Vergrößerung.
Fischerknecht im Rohzustand
Fischerknecht nach der Grundierung
Demnächst wird es dann mit der eigentlichen Bemalung weitergehen.
Na, ja. Leider bringt die (fast) Macro-Aufnahme jede noch so kleine Unsauberkeit und jedes Staubkorn schreiend zu Tage
Die Bemalung erfolgte mit Acrylfarben, der Einfachheit halber mit Schmincke-, Vallejo- und Prince August-Farben, die eigentlich zur Verarbeitung mit der Spritzpistole gedacht sind. Damit kann man aber sehr lasierend malen.
Der bemalte Fischer von vorne
Dabei hatte ich mit den Pinseln zu kämpfen. Der Künstlerbedarf meines ursprünglichen Vertrauens im Kaufhaus BHV (www.bhv.fr, dessen Heimwerkerabteilung die Beste in Paris ist) war nach einer Re-Organisation äußert schlecht sortiert, sodaß ich dort keinen wirklichen Ersatz meiner abgenutzten Pinsel beschaffen konnte. Ich habe mir daher über die E-Bucht ein paar Pinsel der Größen 4/0, 5/0 und 10/0 kommen lassen. Die dreikantigen Pinselstile liegen eigentlich gut in der Hand, die Pinsel selber stellten sich als richtige Rattenschwänze heraus. Na ja, man bekommt das für das man bezahlt. Muß mich bei Gelegenheit mal wieder bei da vinci eindecken. Interessanterweise scheinen die meisten in Frankreich erhältlichen Künstlerpinsel aus Deutschland zu stammen.
Der bemalte Fischer von der Rückseite
Bei der Bemalung wurde in ähnlicher Weise, wie bei größeren Figuren vorgegangen. Im Maßstab 1:90 muß man natürlich die Gesichtsbemalung vereinfachen. So wurden die Augen nur durch den Schatten der Augenhöhlen angedeutet. Ich hatte mir das ursprünglich bei Canaletto abgeschaut, der die Figurenstaffagen seiner Bilder mit wenigen Pinselstrichen sehr lebendig gestaltet hat. Die Wirkung ist dabei in etwa auf Lesedistanz ausgelegt. Die Gesichtsbemalung mit Acryl war ein Versuch. Vielleicht werde ich doch dafür wieder zu Öl zurückkehren. Die offene Zeit der Acrylfarben ist mir für feine Nuancierungen einfach zu kurz, vorallem bei den mehr körperhaften Farben.
Der bemalte Fischerknecht von vorne
Die Photographien machen einem immer die Grobheit seiner Arbeiten bewußt. Man muß allerdings auch in Betracht ziehen, daß die Figuren in mehrfacher Vergrößerung auf dem Bildschirm erscheinen. In Wirklichkeit sind sie ja nur knapp 2 cm hoch. Aus normaler Lesedistanz sehen sie da schon ganz anders aus.
Der bemalte Fischerknecht von hinten
In nicht allzuferner Zukunft wird es mit einem Marker Schiffsjungen, einem Voldendammer Paar als Spaziergänger auf dem Deich und einem Volendammer Mann mit seiner ältlichen Mutter auf Schlittschuhen bzw. einem Schubschlitten weitergehen.
Ist es tatsächlich schon vier Monate her - und ich habe mich noch nicht für die Kommentare bedankt. Hatte viel Zeit mit der Reorganisation meiner Werkstatt und dem Bau der Mikro-Schleifmaschine verbracht, bevor es hier weiterging.
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Die Botter-Besatzung wird durch einen Jungen, einen Lehrling, komplettiert, der oft ein junger Verwandter des Fischers war. Das Preiser-Set enthält auch einen smarten Hotelpagen, der sich nun an ein weniger wohlriechendes Leben in der groben Kluft der Fischer gewöhnen muß. Anstatt die Hutschachtel einer modischen Dame wird er mit zwei Pützen an einem Tragejoch aus dem Dorf Wasser zum Boot bringen müssen.
Die Preiser-Figur wurde ein bißchen zurechtgeschnitzt und mit Milliput die weiten Kniehosen und natürlich die Holzschuhe anmodelliert. Die Spenzer-ähnliche Jacke konnte fast unverändert übernommen werden. Das Tragejoch wurde aus einem Streifen Hartpapier geschnitzt und geschliffen.
Tragejoch
Der grundierte Marker Fischerjunge
Die Makro-Aufnahme der mit Acryl-Deckweiß grundierten zeigt wieder einmal alle Unsauberheiten mit schrecklicher Deutlichkeit. Wenn man die Figur in der Hand hält sieht sie eigentlich ganz annnehmbar aus. An verschiedenen Stellen muß noch versäubert und nachgearbeitet werden.
Nach Friedrichshafen geht es dann mit den anderen Figuren weiter.