Das letzte halbe Jahr, in dem ich intensiv an der Restaurierung der Kaiser Franz Joseph I. gearbeitet habe, hat meine Einstellung zum Modellbau stark geprägt. Ich habe (fast körperlich) gespürt, was man fertigstellen kann - wie viel das ist - und wie wenig, gemessen an den Wünschen und Träumen, die man so hat. Ich habe mich gefragt: Wofür sollte ich mich engagieren, wofür besser nicht? Kein Wunder also, dass ich jetzt, da die KFJI. in ihrer Vitrine verschwunden ist, die Frage nach ihrer "Nachfolge" nicht leicht nehmen und erst recht nicht schnell beantworten konnte. Tatsächlich bin ich auch noch nicht so ganz entschieden, stelle aber schon einmal eine meiner Favoritinnen vor:
Das ist ein Modell der französischen Radkorvette Sphinx. Das Original wurde 1829 in Rochefort gebaut. Das Schiff hat eine gewisse historische Berühmtheit erlangt, weil es wohl das erste dampfgetriebene Schiff der französischen Marine war. Im Verlauf seiner Dienstjahre transportierte es den Obelisken von Luxor nach Frankreich, der seitdem auf der Place de la Concorde steht. Das war 1833. 1845 ist das Schiff im Mittelmeer gesunken.
Das Modell stammt aus der E-Bucht, wo einzukaufen ja bekanntlich manchmal bedeutet, die Katze im unscharfen Pixelsack zu kaufen. Ich selbst habe dort schöne Funde gemacht, bin aber auch schon mal auf die Nase gefallen. Im vorliegenden Falle war das Modell einwandfrei dokumentiert und wurde auch korrekterweise als beschädigt angeboten. Erstaunlich (für mich) die Menge der Mitbieter. Aus einem Bausatz stammt das Modell nicht, den gibt es nämlich nicht, dafür aber einen Plan, und zwar einen aus der Reihe, die das Pariser Marinemuseum herausgibt. Diese Pläne haben wohl dafür gesorgt, welches die in Frankreich am häufigsten gebauten Modelle sind: u.a. Schebecke, Napoleon, Reale etc. Der Plan (in 1:100) orientiert sich an einem zeitgenössischen Modell im Pariser Museum, das den Maßstab 1:40 hat und sehr gut erhalten ist. Es gib ein weiteres Modell eines "Schwesterschiffs", der "Meteore", das erst vor einigen Jahren restauriert wurde und sich heute in Rochefort befindet. Hier kann man ein Video dazu ansehen: http://dossiersmarine.free.fr/fs_av_AV4a.html Die Sphinx selbst hat einen Artikel in der englischen Wikipedia. Das von mir erstandene Modell ist nach dem o.a. Plan gebaut, allerdings in 1:75. Der Bau des Modells wurde wohl 1987 begonnen und offenbar mit Fertigstellung der Masten eingestellt, mglw. weil der Erbauer verstarb. Die folgende Zeit und der Versand sorgten für einige Beschädigungen.
Hier weitere Bilder:
Natürlich würde es mir nicht um eine Reparatur mit anschließendem "Zuendebauen" gehen. Vielmehr würde ich das Modell als Grundlage eines weitgehenden Neuaufbaus hernehmen.
Die Vorteile dieses Projektes sind so einige:
- interessantes Vorbild (Hybrid-Zeit) - Original gut dokumentiert - solide Grundlage - repräsentatives Holzmodell (ca. 80 cm lang) - gutes Objekt, um bislang wenig geübte Techniken besser zu lernen (Zweitbeplankung, gekupferter Unterwasserrumpf, avancierte Segler-Takelage)
wieder ein schöne Restaurationsprojekt - wenn noch mehr potentielle Projekte kommen, können wir ja eine Umfrage einrichten - lohnen wird sich aber gewiss jedes :o)
"Ich gibs so gut / als ichs errang / Drumb ist mir vor keim Momo bang. Wer bessers waist / und kans erweisen / Der gebs herfür: Ich will ihn preisen." (Joseph Furttenbach 1591-1667)
die Radkorvette LE SPHINX ist für mich ein äußerst interessantes Modellbauprojekt, was ich mit Argusaugen verfolgen werde. Meine La Creole kommt ja aus der gleichen Epoche und es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich die beiden Original-Schiffe irgendwann einmal getroffen haben. Die LE SPHINX wäre für mich auch eine Bau-Option. Es gibt reizvolle Details, u. a. auch mit viel "Metall" zum bauen. Es sind auch Carronaden vorhanden ...
Viele Grüße Johann
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Erich Kästner
Das (nicht zu Ende gebaute) Modell der Sphinx hat m.E. eine zumindest solide Substanz und ein paar kleine Besonderheiten, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Insbesondere die Schaufelräder, durchaus ein Blickfang, sind sauber und detailliert gebaut.
Es gab aber auch schwere Beschädigungen, die der Zeit und der Anwendung falscher Materialien geschuldet sind. So wellt sich der Abschluss des Schanzkleides (an mehreren Stellen):
Der Rumpf war mit Kupferplatten beklebt, die m.E. strukturell richtig verlegt waren, im Ganzen aber zu grob wirkten, insbesondere durch die "Nieten" (tatsächlich wurden die Platten ja genagelt, da stand also nichts über). Ich hätte dennoch gerne versucht, die fehlenden Platten zu ergänzen, doch bei Berührung fielen weitere ab wie Blätter vom herbstlichen Baum. Der Kleber hatte nach 25 Jahren aufgegeben.
(Spätestens, als mir die Kupferplatten entgegen regneten, war die Entscheidung über einen Neuaufbau von Grund auf gefallen. Ich wollte das damals aber noch nicht so recht wahrhaben. Dabei hätte ich es doch besser wissen müssen: Teilrestaurierungen sind nur selten möglich.))
Was mir auch nicht gefiel, war das Deck. Zwar haben die Planken eine passende hell-gelbliche Farbe und sind sie sauber verlegt, aber das Holz ist zu stark gemasert, so dass die Maserung präsenter ist als die Kalfaterung. Insbesondere aus der normalen Anguck-Entfernung produziert das die falsche Wirkung. Außerdem bin ich mittlerweile ja mehr für die tendenziell graue Deckoptik.
(Der Knubbel am unteren Bildrand ist übrigens eine der Karronaden, mit denen das Schiff bestückt war. Sicher nicht die Qualität von Johans Exemplaren, aber eher brauchbar als wegwerfwürdig. Dazu später mehr.)
Durchaus akzeptabel sind auch die schon gelobten Schaufelräder, wie alle Ausstattungsteile (sehr viele sind das nicht) nach Plan gebaut (nicht zugekauft).
Die gesamte Takelage ließ sich leicht abnehmen. Hier war nichts geklebt, das meiste haftete per Steckverbindung. Nach dem ersten Kontroll- und Demontagedurchgang sieht das Schiff dann so aus:
Ich hatte ja angekündigt, noch von einer kleinen Besonderheit des Modells zu berichten. Also: Während ich die Aufbauteile entfernte, war mir, als hörte ich plötzlich ein Rumoren im Inneren des Modells. Nun rumort es für gewöhnlich nicht im Rumpf von Seglerstandmodellen; und so war ich geneigt zu glauben, mein vor 10 Jahren kurz aufgetretener Tinnitus habe sich wieder gemeldet. Doch glücklicherweise war dem nicht so. Die weitere Demontage gab Aufschluss. Unter der großen Grätung hinter dem Großmast liegt ein Batteriefach verborgen,
während man unter den Oberlichten des Maschinenraums einen Motor und eine Antriebswelle erkennen kann.
Ich hatte also tatsächlich einen Antrieb in Bewegung gesetzt. Er trieb aber nichts an. Und war später auch wieder still. Bis ich herausfand, dass er mit der Lenzpumpe, die man am linken Rand des ersten Bildes vielleicht erahnen kann, ein- und ausgeschaltet wird. Dass sich die Schaufelräder (und um deren Antrieb geht es natürlich) nicht drehten, lag nur daran, dass der Federriemen von der Scheibe am Motor abgesprungen war. Das ließ sich zwar mit zwei Pinzetten reparieren, allerdings nur für kurze Zeit – offenbar hatte sich der Motor aus seiner Verankerung gelöst und stand jetzt schief zur Achse der Räder. Donnerwetter! (Dachte ich.) Da hat also jemand einen E-Motor im Rumpf einer Schraubenkorvette versenkt und dann: Nach mir die Sintflut? (Alles zugebaut und für immer verschlossen?) Eigentlich passte das nicht zum Charakter des Erbauers, so wie er sich mir in seinem Werk bislang präsentiert hatte. Als es mir später dann gelang, die Schaufelräder zu demontieren, wurde ich eines anderen belehrt. In der Bordwand befindet sich an Backbord hinter den Rädern eine Montageöffnung. Die war zwar nie benutzt worden und mit Farbe total verklebt, aber auch das ließ sich ändern. Und dann (Tusch!),
kam er zum Vorschein, der Herr von Motor, montiert auf einem Brettchen, dass sich wie eine Schublade seitlich herausziehen lässt. Der Motor wird sich mit 2K Kleber oder dergleichen sicher wieder fixieren lassen. Die Batterie war zum Glück nicht ausgelaufen, die Kabelverbindungen sind noch intakt. (Sonst ja auch kein Tinnitus.) Ach ja - ob es faszinierend, süß, kitschig oder peinlich ist, an einem Standmodell einer Radkorvette langsam schaufelnde Schaufelräder zu haben, möchte ich jetzt noch nicht entscheiden. Da warte ich mal, bis alles fertig ist. Immerhin ist es eine ambitionierte Bastelarbeit, die man würdigen kann. Und solange der Schalter funktioniert, kann man sie auch diskret halten.
Nachtrag. So sehen übrigens die schon mehrfach gelobten Schaufelräder aus:
Ich mache dann mal weiter im Kapitel Demontage/Neuaufbau Rumpf. Der größte Fehler, den der Ersterbauer der Sphinx m.E. gemacht hat: Er hat offenbar die Spanten oberhalb des Decks abgeschnitten und dann die Bereiche des Schanzkleides zwischen den Stückpforten als "gerade" Teile separat gebaut. Eingesetzt hat er sie mit Metallstiften. Dabei ging für das Schanzkleid der Schwung des Rumpfes völlig verloren! Auf dem Bild (Draufsicht) sieht man es an der Innenkante des Schanzkleides.
Ich habe nun aber nicht die Schanzkleider einfach entfernt, weil ich Sorge hatte, dann keinen "Anhalt" für einen Neubau zu haben. Stattdessen habe ich zuerst die Außenplanken entfernt, dann auf die Stützen, die noch Verbindung mit dem Rumpf hatten, schmale Hölzchen geleimt und alles mit einer Straklatte kontrolliert, ob es den Schwung des Rumpfes fortsetzte. Dann folgte eine Neubeplankung von außen, die wieder für Stabilität des Ganzen sorgte. Danach konnte die innere Beplankung entfernt werden. Stück für Stück habe ich dann die alten Stützen und die neuen durch ganz neue ersetzt, die auch gleich die Trempelrahmen bilden. Hab ich mich jetzt einigermaßen klar ausgedrückt? Ich hoffe es. Und vielleicht hilft ja auch dieses Bild:
Ach ja, vergessen: Das Modell soll eine Zweitbeplankung erhalten.
Zitat von Schmidt im Beitrag #6Hab ich mich jetzt einigermaßen klar ausgedrückt?
Hallo Schmidt Die Sorge, die Du mit Deiner Frage zum Ausdruck bringst, ist wohl eher unbegründet. Es sind nicht nur die interessanten Projekte, die mich Deine Beiträge so gerne lesen lassen, sondern auch die Art und Weise, wie Du eben diese schreibst. Die Virtuosität, mit der Du die Modelle restaurierst, setzt sich in Deiner Ausdrucksweise fort. Weiter so und mehr davon.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Willi: Danke schön! Dafi: Ich habe das vorher nur einmal an einem sonst sehr schönen Modell der "Great Harry" gesehen, genau so. Offenbar gibt es Holz, das sich so immens ausdehnen kann. Leider reichen meine Holzerkennungsfähigkeiten nicht aus, um die Art zu bestimmen. Ich denke aber, Nussbaum und Ahorn werden nicht so "aktiv" sein. Schmidt
Kurz noch etwas zum Antrieb der "Sphinx". Ich konnte den Motor wieder auf der "Lade" befestigen:
Und da alle Kabel an ihrem Platz blieben, drehten sich nach einem provisorischen Zusammenbau die beiden Schaufelräder. (Zu erkennen an der Unschärfe auf dem Foto!)
Während ich immer noch am Neuaufbau des Schanzkleides murkse, habe ich schon einmal begonnen, über die Bemalung nachzudenken. An anderer Stelle hatte ich einmal gesagt, dass häufig nicht Originale, sondern Modelle nachgebaut werden. Bei der Sphinx ist das sicher der Fall. Das Pariser Modell, zeitgenössisch (und also authentisch?), ganz ausgezeichnet gebaut, ist als Vorbild schier erdrückend. Es hat den Plan des Marinemuseums aus sich entlassen, und es hält, was die Gestaltungsdetails angeht, die Modellbauer an der kurzen Leine. Praktisch alle im Netz dokumentierten Modelle sehen so aus: Rumpf und Radkästen: schwarz gemalt. Stückpfortenband und Schanzkleid von innen: Naturholz ohne Lack Ornamente: weiß.
Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Aber muss ich diesen Modellen ein weiteres ganz ähnliches hinzufügen?? Vielleicht nein. Aber was wäre dann zu tun? Ich habe mir Fotos von Radschiffen dieser Epoche angesehen. Oftmals wurden offenbar die Radkästen oberhalb des Schanzkleides weiß gestrichen, vielleicht um einen Gegner zu täuschen, vielleicht um die als hässlich empfundenen Kästen "unsichtbar" zu machen. Tatsächlich gibt es eine Zeichnung der Sphinx von dem franz. Marinemaler Antoine Roux, die das Schiff mit weißen Radkästen zeigt. Ich hatte allerdings immer den Wert dieser Zeichnung angezweifelt, da sie auch ein Stückpfortenband an einer Stelle zeigt, wo es gar nicht hingehört, nämlich knapp unterhalb des Decks, auf dem die (einzigen) Geschütze stehen. Freilich kannte ich diese Zeichnung nur in einer sehr reduziert aufgelösten Form:
Nun habe ich begonnen, erneut zu recherchieren, und habe dabei eine andere Version der Zeichnung gefunden. Hier zieht die Sphinx die Bark Luxor mit dem Obelisk an Bord, der heute auf der Place de la Concorde steht:
Man sieht: weiße Radkästen, bei denen die Farbtrennlinie sogar durch die Sphinx-Ornamente läuft, sowie ein gefaktes Stückpfortenband unterhalb der richtigen Pforten, zwischen denen die Bordwand schwarz gemalt ist. Und - ist das Unsinn? Nun, Roux war Marinemaler, ein großer Kenner, der sich keine Fehler erlauben durfte. Vielleicht hat man die Sphinx speziell für diesen heiklen Transport so bemalt, um Piraten abzuschrecken. Roux lebte in Toulon, wo die Sphinx von Ägypten kommend erste Station machte. Also: wäre das eine Bemalungsalternative: blindes Stückpfortenband, weiße Kästen und weißes Interieur? Was meint Ihr? Schmidt
diese Bemalvariante erscheint mir sehr interessant. Ich befürchte aber, daß Sie am Modell lange nicht so gut aussieht, wie auf diesem künstlerisch sehr gelungenen Bild. Das Bild lebt ja auch von der Dynamik die die schäumende Gischt vor dem Bug und um die Radkästen ausstrahlt. Dann die niedrige Perspektive und die leichte Schräglage des Schiffs. Dann wird ja auch eine Geschichte erzählt, die Du m.E. ganz gut interpretiert hast.
Ob das an einem Modell auf einem Ständer auch so wirkt?
Dafi würde davon einen Resinabguß machen und BEIDE Varianten realisieren.
Für ein Modell würde mir die traditionelle Variante mit schwarzen Radkästen besser gefallen. Meine Meinung.
oder aber man kombiniert bei der Aufstellung das Modell mit dieser speziellen Bemalung mit einer Reproduktion des Bildes. Dann wäre die Geschichte wieder präsent.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Zitat von Schmidt im Beitrag #11Während ich immer noch am Neuaufbau des Schanzkleides murkse...
Tiefstapler...
Hallo Schmidt Eine sehr interessante Fragestellung. Von A. Roux hatte ich jedesmal, wenn ich seinen Zeichnungen begegnet bin den Eindruck, dass sie mit einer fast fotographischen Genauigkeit gemacht worden sind. Ohne je tiefer in diese Materie eingestiegen zu sein, bin ich der Meinung, dass seine Bilder sehr glaubwürdig sind. Außerdem stellt das vorgestellte Farbschema eine schöne, belegbare Möglichkeit dar, Dein Modell zu individualisieren. Das Farbschema als solches ist ja z.T. heute noch in Gebrauch :klick.
Sollte es aber Dein Ziel sein, die Intention des ursprünglichen Modellbauers zu erhalten und fortzuführen, verbieten sich solche Abweichungen, denn dann kommt es nicht darauf an, wie Du das Modell zeigen willst, sondern wie der Urheber des Modells das wollte- ein Dilemma.
Ich persönlich würde mich wahrscheinlich für Roux' Version entscheiden. Die Zielsetzung einer getreuen Rekonstruktion des Modells als solchem stellt doch einen sehr großen Hemmschuh dar.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Vielen Dank für die Kommentare. (Weitere sind gerne erwünscht!) Nur eine kleine Zwischenbemerkung: An einer genauen Rekonstruktion des Ursprungsmodells bin ich diesem Fall nicht interessiert. Es handelte sich ja um ein nicht zu Ende gebautes Modells mit schwerwiegenden Fehlern und handwerklichen Zweitklassigkeiten. So war zum Beispiel das Wasserstag als unteres Ende der Galion interpretiert, und das Heck zeigte eine abenteuerliche Anbindung der Seitentaschen an den Rumpf. Niemand kann m.E. daran interessiert sein, das Modell in diesem Stil beendet zu sehen. Schmidt