Beim Betrachten der Bilder ist mir allerdings aufgefallen, daß die geklappten Bordwände nicht symmetrisch zu den Gefechtslaufschienen liegen oder sind die vorderen Segmente nicht als abgeklappt dargestellt? So jedenfalls wäre der Bestreichwinkel nach hinten größer, als nach vorn. Oder sind da die Rüsten des Fockmastes im Weg?
Es fehlt dann noch das vorder Gefechtspivot an der Bordwand, steuerbord- und backbordseitig.
Bei längerem Betrachten muß ich allerdings gestehen, daß die die Anordnung der Schienen nicht ganz verstehe. Auf Deinem Modell befindet sich das Geschütz in seiner Zurrstellung, die Unterlafette wir durch ein vorderes und ein hinteres Zurrpivot sowie den Zurrings, die zu den Augbolzen an Deck gehen, gehalten.
Um das Geschütz in Feuerstellung zu bringen, wird es aus dem vorderen Zurrpivot ausgehängt und dann um das hintere Pivot auf der großen Schiene bis zum vorderen Gefechtspivot geschwenkt und dort eingehängt. Dazu müßte die Schiene aber nur etwas über 180° abdecken und nicht 270°. Wozu die Extralänge?
In Gefechtsstellung rotiert die Lafette um das vordere Pivot und das hintere Ende läuft auf den beiden Laufschienen. Wozu ist dann das kurze Schienenstück innerhalb der Gefechtslaufschienen notwendig?
Es ist richtig, dass die Rüsten des Fockmastes und die Pardunen im Weg sind und damit den Bereich der Pforten begrenzen. Nach vorn ist der Bestrichungswinkel sehr klein.
Erst beim eingelegten Deck – also zu spät! - habe ich gemerkt, dass die Bordwand im Bereich der abgeklappten Pforten innen leicht nach oben ansteigt. Ich vermute, dass die Höhe überall gleich sein sollte. Es ist also mein Fehler (falls es ein Fehler ist?)
Das Gefechtspivot ist eine quadratische Platte mit mittiger Bohrung?
Ich muß mir das heute Abend noch einmal in Ruhe anschauen und auch nach anderen Beispielen suchen. Wenn ich aber Blatt 23 aus FUNKE (1861) mit dem Wolgaster Modell vergleiche:
dann habe ich den Eindruck, daß der Modellbauer (oder ein späterer Restaurator) die Oberlafette falsch herum auf die Unterlafette gesetzt hat. Unter der Unterlafette befinden sich nach der Zeichnung sechs Gleitplatten, zwei vorne, zwei hinten und ein weiteres Paar etwa unter der Mitte des Geschützes, wenn dieses in Schußposition ist. Das mach ja auch Sinn, wegen der Gewichts- bzw. Druckverteilung.
Wenn sich die Lafette in Schußposition befindet, muß es dann also auch entsprechende Gleitschienen zum Richten geben. Die Schienen müssen konzentrisch um das jeweiliege Gefechtspivot angeordnet sein: ein kleiner Halbring dicht beim vorderen Pivot an der Bordwand, ein etwas größerer Halbring unter der Mitte des Geschützes und ein großer Halbring für den Lafettenschwanz. Diese drei Ringe scheinen auf dem Wolgaster Modell nur rudimentär vorhanden zu sein.
Der große 270°-Ring dient dazu, das Geschütz aus der Zurr in die Feuerposition zu bringen. Die Pivotbolzen und Schienen müssen so angeordnet sein, daß das Geschütz in jedem Augenblick durch mindestens ein Pivot gesichert ist. Entsprechend müssen auch Augbolzen für die Takel zum Manövrieren des Geschützes strategisch verteilt sein.
Auch auf der Zeichnung für die Disposition der Schienen auf einem Kanonenboot auf Blatt 23 im FUNKE ist mir noch nicht die Funktion aller Schienen klar.
Ich werde heute Abend mal schauen ob ich noch andere Beispiele (Zeichnungen) für die Anordnung der Schienen bei Zurrung des Geschützes in Schiffsmitte finde. Sollte möglich sein, da das die übliche Zurrposition war.
Nach Blatt 23 gab es mehrere Ausführungen der Pivotbolzen. Die festen Bolzen waren wohl an der Bordwand montiert, da sie dort niemanden im Weg waren. Die Rangierpivots dagegen waren u.U. den weiteren Bewegungen des Geschützes im Weg und mußten nach getaner Arbeit herausgenommen werden.
sieht es so aus, als ob am Lafettenschwanz eine klappbare Plattform angehangen ist. Die Scharniere deuten auf einen Klappmechanismus hin. Der Sinn dieser Konstruktion erschleißt sich mir nicht.
Konnte so eine Lafette auch auf vier Gleitplatten liegen? Dann würden »meine« Ringe wieder eine plausible Funktion bekommen. Bei den Funke-Zeichnungen bin ich auf solche eine Konstruktion nicht gestoßen.
Das Gechütz muß beim Schuss vorn eingehangen werden, um den Rückstoß nach hinten besser aufzufangen?
Es wäre natürlich interessant zu wissen, nach welchen Unterlagen das Geschütz auf dem Wolgaster Modell gebaut wurde. Es machen da ein paar Sachen nicht wirklich Sinn.
Es sieht in der Tat so aus, also ob der Modellbauer sich da eine klappbare Platform am Lafettenschwanz gedacht hat. Warum bleibt aber ein Rätsel. Das Brooktau ist auch viel zu kurz, da es praktisch in der Schußposition schon gestreckt ist. Die Idee der Schlittenlafette ist aber, einen großen Teil der kinetischen Energie des Rückstoßes durch Reibung zwischen den Kompressoren und der Unterlafette in Wärme umzuwandeln. Die Unterlafette nimmt also einen großen Teil der kinetischen Energie auf und muß deswegen mit dem Gefechtspivot verankert werden. Das Brooktau dient hier vorallem der Rücklaufbegrenzung, falls die Kompressoren nicht ausreichend angezogen wurden.
Dazu brauchte es wohl ein bißchen Erfahrung: sind sie zu fest angezogen, wird die kinetische Energie über die Unterlafette auf das Gefechtspivot übertragen anstatt in Reibungswärme umgewandelt zu werden. Sind sie zu lose, ruckt die Oberlafette in das Brooktau ein und kann es ggfs. aus den Augbolzen reißen. In beiden Fällen kann das zu Schäden an der Unterlafette führen.
Danke, Robert. Das Geschütz ist allerdings nicht der 30-Pfünder-Vorderlader, sondern ein eiserner Hinterlader mit Wahrendorff-Kolbenverschluß. Die Lafetten waren mehr oder weniger die gleichen.
Ich habe mir gerade mal ein paar von den sehr schön herausgearbeiteten dänischen Zeichnungen angesehen - die dänische und die preußisch-norddeutsche-kaiserliche Marine hatten z.T. sehr ähnliche Schiffe.
Z.B. das Dampfkanonenboot DIANA (1861) hat ein schweres Geschütz mit Mittschiffszurrung:
Je mehr ich mir die Schienen des Wolgaster Modells anschaue, desto mehr kommt es mir leider vor, daß da etwas nicht stimmt. Im Prinzip könnten die kurzen Schienenstücke Sinn machen, wenn es z.B. zwei Gefechtspivots an verschiedenen Stellen der herunterklappbaren Bordwand gegeben hätte. Auf diese Weise könnten die Beschränkungen des Bestreichungswinkels durch das Rigg umgangen werden. Es fehlen dazu allerdings verschiedene Schienen. Das würde zu einem ähnlichen 'Rangierbahnhof' wie für das Buggeschütz auf obiger Zeichnung führen. Dort kann das Geschütz an vier Pforten/Gefechtspivots eingesetzt werden.
Man kann das wahrscheinlich nur hypothetisch durch eine Zeichung lösen.
Danke für die schöne Zeichnung! Die macht gleich Lust auf ein weiteres Modell...
Ich habe gestern Abend das Skalpel gewetzt und Umbauten vorgenommen (Belegfotos folgen). Ich wage zu behaupten, dass auf dem Wolgaster Modell die kurzen Schienenbögen vorn beidseits beim Kombüsenaufbau sinnlos sind und mittig ins Drekreiszentrum gehören. Damit kann das Geschütz an der Bordwand angeschlagen werden und eben mittig auf jenen kurzen Schienenstücken laufen. Theoretisch ergibt es - für mich zumindest - einen Sinn.
Die nächste Frage ist nun, wie das Geschütz auf Marschfahrt verzurrt war. Das Rohr weist nach achtern. Sichern die Seitentakel das Geschütz dann beidseits zu den Augbolzen? Gibt es dazu eine Abbildung oder Erklärung?
Es tut mir leid, falls ich da ein Schlachtfest angetreten haben sollte ...
Irgendwo gegen Ende im FUNKE gibt es ein oder zwei Seiten mit Zurrgerät. Das sind mehr oder weniger lange, gekleidete Stroppen mit Augen in den Enden, die an die Lafetten gelascht wurden. Wo genau kann ich aus dem Handgelenk nicht sagen, dazu muß man sich die Disposition der Ringbolzen an Deck und an den beiden Lafetten ansehen. Zusätzlich wurde die Unterlafette natürlich auch mit den beiden Pivotbolzen vorne und hinten gesichert.
Viele Zeichnungen, die ich gesehen habe, zeigen, daß das Geschütz mit der Mündung nach achtern gezurrt wurde. Das hängt wahrscheinlich davon ab, wo man das signifikante Gewicht des Geschützes relativ zum Metazentrum des Rumpfes haben wollte. Bei einem so leichten Fahrzeug dürfte die Trimm des Rumpfes merklich verschieden sein, je nach dem, ob das Geschütz so zwei Meter weiter vorn oder hinten gezurrt wird.
Die dänische DIANA (1861) ist in der Tat sehr ähnlich den preußischen Kanonenbooten I. Klasse, die auch schon lange auf meiner Wunschliste stehen. Ich warte darauf, daß Dr. Fischer seine abschließenden Erkenntnisse zu diesen Kanonenbooten vorlegt ...
Zitat von wefalck im Beitrag #55Es tut mir leid, falls ich da ein Schlachtfest angetreten haben sollte ...
...deshalb gehe ich mit meinem Werk ja u.a. ins Forum
Solche Logikfehler sind doch massiv ärgerlich und fallen sicher jedem auf, der sich halbwegs mit der Materie auskennt.
Die Laufschienen
Je länger ich mich mit der Sache beschäftige und den Beiträgen hier folge, desto mehr Korrekturen wurden nötig.
Das Geschütz hat nun Farbe bekommen, an der Lafette sind vorn und hinten Anschläge für den Drehzapfen angedeutet. Ebenso sind die Anschläge an den Bordwänden angedeutet.
Die Anschläge haben meine Lafette nun verlängert was eine Kürzung der Ladeluke vor dem Großmast nach sich zog . Und wo ich gerade beim Umbauen war, habe ich den beiden Lenzpumpen einen Schwengel aus Draht spendiert (anstelle den überdimensionierten Papierstücken vorher)
Eine Stellprobe sollte die Funktion der Schienen zeigen.
P1030146.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Siehe da, die halbrunden Stücke habe ich falsch herum "umgesetzt"
Mit dem Skalpel kratze ich wieder die Stücke vom Deck, vertuschte alles mit Farbe und legte die Halbkreise wieder neu auf (Kartonmodellbau machts möglich)
Meine "Hamiltion" ex "Diana" war ein Handelsschoner auf dem Ontario See und wurde im amerikanisch-englischen Krieg 1812-14 armiert. 8 Carronaden und eine long gun in Pivotaufstellung. Das Schiff war mit dieser Bewaffnung toplastig und ist in einer Bö umgefallen. Der Erhaltungszustand ist gut, die Bergungs- und Konservierungskosten wären immens. Was ich meine: Wenn man was macht, muss man es gut machen. Beim Original oder Modell.
Links mit nachgerüstetem Rahtopsegel.
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Ich habe mal eine grobe Skizze der Schienen in meinem 2D-CAD gemacht. Grundlage sind die Zeichnungen in FUNKE (1861), nach denen es sechs Gleitpolster unter der Lafette gab, nämlich zwei vorne, zwei etwa ein Drittel der Länge der Lafette von vorne aus und zwei hinten. Es ist eine Zurrung mit Mündung nach achtern angenommen, d.h. der Bug ist auf der Zeichnung rechts. Die grauen Streifen oben und unten sind die Bordwände. Die Zeichnung ist nicht genau maßstäblich, doch die Proportionen stimmen einigermaßen.
Die grünen Schienen und Pivots dienen zum Rangieren des Geschützes in die Schußposition, die roten Schienen und Pivots dienen der Seitenrichtung in Feuerstellung. Ich habe angenommen, daß das Geschütz von 45° voraus nach 45° achtern gerichtet werden konnte, da ich keine quantitativen Informationen über die Breite der klappbaren Bordwand hatte. Die blauen Pivots sind die Zurrpivots.
Um das Geschütz aus der Mittschiffs-Zurrposition in Feuerstellung zu bringen müssen die Richttakel vorne eingehängt und die vorderen Pivots herausgenommen werden. Das Geschütze kann dann auf den grünen Schienen nach Steuer- oder Backbord geschwenkt werden bis es in die Gefechtspivots eingehängt werden kann. Dann können die Richttakel an den Lafettenschwanz umgehängt werden. Schließlich kann das hintere Pivot gelöst und das Geschütz auf den roten Schienen in die gewünschte Schußposition gebracht werden.
Nach FUNKE sind in der Unterlafette Aufnahmen für vier Pivotbolzen vorgesehen. Mir ist allerdings die Funktion der inneren Pivotbolzen in diesem Fall nicht klar. Mit dem Pivot in der Mitte der Lafette könnte diese um 360° um ihren Mittelpunkt geschwenkt werden (quasi als Mittelpivotlafette). Auf der FRAUENLOB macht das allerdings nicht viel Sinn, da von der Mittschiffsposition aus wohl kaum gefeuert werden konnte, da die Mündung innerhalb der Bordwände gelegen hätte und die Druckwelle diese vermutlich in Mitleidenschaft gezogen hätten. Außerdem wäre die Brandgefahr hoch gewesen, da bei einem Vorderlader halbverbrannte Verdämmung usw. aus der Mündung fliegt - die Mündung sollte daher immer außenbords sein beim Feuern.
Danke für die ausführliche Erklärung und vor allem für die Mühe, das in einer anschaulichen Skizze darzustellen Die Skizze hätte ich vor dem Modellbau benötigt (bzw. ich hätte mich darum kümmern sollen). Nun wird sie folgenden Modellbauern hoffentlich eine Hilfe sein (wie dieser ganze Baubericht und mein Modell hoffentlich auch. Am Ende werde ich eine Liste schreiben, auf der alle fraglichen Dinge genannt sein werden).
Meine Modelllafette ruht auf drei Gleitpolstern die vor den Schanzkleidklappen auch auf Schienen ruhen. Durch die Wegnahme des kurzen Schienenstücks und die ganzen Ausbesseungen hat das Deck eh schon arg gelitten. Ich muss das Arrangement mit den Schienen nun leider so lassen wie es ist. Das Deck komplett abzureissen und mit einem neuen Deck und damit neuen Schienen zu versehen, würde mehr kaputt machen als das es hilft. Das mein Modell fehlerhaft werden wird, wir mir von Anfang an klar. Schade nur, dass es ein Fehler ist der mit etwas mehr Recheche vermeidbar gewesen wäre
Ich habe lange überlegt, ob ich diese Skizze hier überhaupt zeigen sollte, da ich Dir nicht dieses Unbehagen bereiten wollte, aber irgendwie hat mich das Problem mit den Schienen beim Wolgaster Modell nicht losgelassen. Bei mir dauert das Bauen auch desegen so lange, weil ich immer wieder Vergleiche mit den Unterlagen mache, bis ich mich dann zur Umsetzung entschließen kann - und am Ende entdeckt man, daß man doch etwas falsch gemacht hat - eben genau das: .
Früher hat man viel als Titel eines Aufsatzes "Versuch über ..." verwendet und genau das ist es, was wir hier machen, der Versuch einer Rekonstruktion ...
Es ist hier umgekehrt, wie bei der Malerei, wo zumindest die Maler in der Tradition des Impressionismus propagieren, daß man etwas malen sollte wie man es sieht - ich kann nur wirklich bauen, was ich verstehe, d.h. dessen Funktion ich verstehe.