(Quelle: "Der Segelschiffe große Zeit" Delius Klasing, ISBN 3-7688-0123-3)
Zur Segelstellung habe ich mir mal ein Bild vom Willi gekapert.
Es zeigt eine Karavelle bei rauer See welche sehr hoch im Wind fährt. Ein Bonnet sieht man nicht. Bonnets waren zu der Zeit Standard, und Platz für ein Bonnet wäre auch vorhanden.
Und das Großsegel ist ganz nach oben geheist...... isch lass das mal so stehen
Uwe vom Dunkelwald (lat.: Miriquidi)
Mitglied des Phantomprojektes Recherche: Fleute Zeehaen Kiellegung: Golden Hinde Fertiggestellt: Die Kolumbusflotte
... die Karavelle ist ganz sicher eine Karacke. Das Großsegel ist so angebrasst, dass es über die Leewanten dreht. Abgesehen davon, dass das Schiff nicht so hoch an den Wind gehen konnte, hätten die Wanten dieses extreme Anbrassen nicht zugelassen. Die Luvwanten reichen weit vor den Mast in den Kuhlbereich hinein. Auch da würde das Großsegel Stress bekommen beim Vorwindkurs. Die Brassen laufen völlig verkehrt (das könnte aber auch künstlerische Freiheit sein. Ebenso die nur teilweise durchgewobenen Wanten). Die Mittelschot des Großsegels fehlt, die »Falte« ist jedoch da und hängt in der Luft.. Der Kreuzmast hängt ausserhalb des Schiffes. Wie soll er bei gesetztem Segel dem Winddruck standhalten? Der Fockmast steht viel zu weit vorn. Er benötigt Widerlager unter Deck damit auch er dem Winddruck in der Fock bestehen kann. Das Sonnensegelgestell allein wäre zu schwach. Der Anker ist zu groß.
Der Meister W.A. (Willem a cruce) hat uns wunderbare Stiche mit detaillierten Schiffen hinterlassen. Gerade dieser hier ist ein Beispiel, an dem wegen der ganzen technischen und perspektivischen Unstimmigkeiten angenommen wird, dass es das Werk eines Kopisten war der wenig Ahnung von Schiffen hatte.
Gut möglich dass dies de Vorlage der Kopie ist:
Kogge.jpeg - Bild entfernt (keine Rechte)
Vielleicht wollte der Kopist durch den Anker und die Segelstellung eine eigene Note in sein Werk bringen?
Dein Modell ist toll! Lass' Dich nicht kirre machen
@Marten Oh je, habe ich so tief sitzende Zweifel gesät? Das wollte ich nicht und ich hätte sicher nichts geschrieben, wenn mir Dein Schiffchen nicht so gut gefallen hätte. Wie Klaus schon schreibt, lass Dich nicht kirre machen. Was die Stiche von W.A. angeht, so vermitteln sie eine Ahnung, wie die Dinger damals ausgesehen haben, viel mehr aber nicht. Man neigt dazu, bestimmte Details, für wahr anzusehen, andere aber als künstlerische Freiheit, oder Unvermögen des Autors anzusehen. Das hat dann wohl viel mehr mit Intuition und persönlichen Vorlieben, als mit fundierter Recherche zu tun. So kommt wohl bei jedem, der diese Stiche als Quelle versteht, etwas anderes heraus und bei keinem kann man sagen, das ist falsch oder das ist richtig.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Mir fällt dazu immer wieder das Beispiel meines Vaters ein:
Er hatte sich einst auf seinen VW-Bulli (T3) hinten aufs Dach einen Griff montieren lassen. Wenn jemand fragte was das solle, antwortete er lachend: »das ist der Griff zum Wegschmeissen«. Das Ding war aber ganz pragmatisch dafür da, um im Winter dem Lehrling Halt zu geben. Wenn er hinten auf der Stoßstange stand um mit seinem Körpergewicht der Antriebsachse auf Eis mehr Gewicht zu geben konnte er sich oben am griff festhalten. Ich muss mal gucken ob es noch ein Foto von dem Auto gibt. Wenn das Foto, oder sogar das Auto, mal in Jahrhunderten gefunden werden sollte, werden die Gelehrten grübeln was das für ein Griff ist und ihn vielleicht negieren. Ich glaube, so schauen wir heute auf die alten Abbildungen und wollen nicht glauben was wir sehen weil wie es nicht kennen (s. Willis Signatur), weil wir es nicht wissen oder weil wir es nicht wollen (weils anders besser aussieht. Hier: Der Bulli ohne Griff )
Ich sehe das Problem jeden Tag in meiner Zweierbeziehung: meine Frau ist ein richtiges 'gadget-girl', also durchaus nicht technik-avers, wenn es aber um technisch-mechanische Zusammenhänge geht, itst sie ziemlich hoffnungslos ... das ist im 21. Jh., in dem wir Bilder von allem und nichts haben. Man stelle sich einen Zeichner oder Holzschneider vor, irgendwo im Landesinneren, fernab sogar von einem ordentlichen Fluß, der nun ein Seeschiff darstellen soll. Der konnte nicht schnell mal nach einer Karacke oder Karavelle 'googeln'. Ohne die Funktion oder wenigsten das Aussehen eines Schiffes zu verstehen, mußte er ein solches Darstellen. Und wir betrachten das nun, mangels Alternativen als Quelle ...
Es ist auch immer riskant, mit unseren heutigen Erfahrungen und unserem heutigen technischen Verständnis technische Lösungen der Vergangenheit zu bewerten. Vieles erscheint uns bizarr, umständllich, ineffizient oder gar gefährlich. Objektiv war es das vielleicht auch, aber die Schiffbauer seinerzeit haben bestehende Lösungen angewendet und langsam weiterentwickelt, wenn es dafür ökonomische oder andere Anreize (wie Materialverfügbarkeiten) gab. Einen vorausschauenden Ingenieurentwurf gab es nicht und nur ganz Wenige haben das im Ansatz versucht. Die finanziellen und anderen Risiken waren einfach auch kaum kalkulierbar.
Deswegen werden wir wohl nie wissen, ob ein Segel ohne Bonnet nun ganz vorgeheißt wurde oder nicht. Das könnte auch mit den Wind- und Wetterverhältnissen unterschiedlich sein. Bei leichtem Wind unter Land macht es durchaus Sinn, die Segel so hoch wie möglich zu setzen, besonders dann, wenn der Wind bereits zu stark für Bonnets ist. Umegekehrt, bei kräftigem Wind wird das Schiff mit niedrig gesetzten Segeln stabiler.