Dieser Baubericht war so nicht geplant. Das Projekt hat sich irgendwie selbst entwickelt. Am Anfang stand die Gelegenheit, mir Bauteile ausfräsen zu lassen. Was natürlich sofort zum träumen anregt: Komme ich so zu einem Spantmodell, das in einer Stadtwohnung gebaut werden kann? In einem Raum, der vor einem Jahr zum Homeoffice aufgerüstet wurde? Angeboten hat sich die "La Belle", ein einfach konstruiertes Schiff mit bewegender Geschichte einer tragisch gescheiterten Expedition.
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Aus Freude und Notwendigkeit verfolge ich hier im Forum den Baubericht von Oliver (La Belle 1684 (7)). Doch wie komme ich nur zu Bauteilen, die man auf Knopfdruck herstellen kann? 3D geht nicht - falsche Gene und falscher Bildungsweg. Aufbauend auf früheren Erfahrungen mit Lasercutting habe ich mich entschieden, diese Teile in 2D zu zeichnen. Ich verwende das Grafikprogramm Adobe Illustrator, das die für den Fräser notwendigen Dateien (dxf) exportieren kann (technisch kommen ganz schlimme Daten raus, aber dem Fräser ist das offensichtlich egal).
Jean Boudriots Rekonstruktion basiert auf archäologischen Funden sowie zeitgenössischen Archivquellen. Sie ist mittlerweile in Teilen überholt, die Stückpfortendeckel sind ein gut sichtbares Beispiel dafür. Auch die Bemastung und Takelung wird heute anders interpretiert, aufgrund von Funden, die Boudriot noch nicht zur Verfügung gestanden sind. Und die Dekoration ist frei erfunden und scheint mir etwas grosszügig - aber schliesslich muss ein historisch wichtiges Wrack auch etwas darstellen...
Das eigentlich spannende an diesem Schiff ist, dass es erstens wiederverwendete Bauteile beinhaltete, die ins 16. Jh. zurückdatiert wurden. Und zweitens, dass es ursprünglich "als Bausatz" hätte in die neue Welt transportiert werden sollen, wie Markierungen an den Spanten zeigen. Dazu kam es nicht, es wurde in Rochefort zusammengesetzt und ausgerüstet.
Wie komme ich jetzt zu den Teilen? Der Publikation aus dem Ancre-Verlag merkt man sein Alter an. Die Pläne wurden von Hand sauber gezeichnet, kleine Fehler sind drin. Der Papierdruck, obwohl sauber, ist nicht ganz verzugsfrei. @Oliver1973 hat sich entschieden, das ganze neu zu konstruieren. Ich kann seine Probleme nachvollziehen, denn CAD ist eigentlich zu präzise für diese Pläne.
Ich habe alle notwendigen Pläne (1:36) scannen lassen und auf einem virtuellen Tisch, in einer Datei, zusammengesetzt. Mit Hilfslinien, drehen und skalieren habe ich die Ansichten in (optische) Übereinstimmung gebracht. Das letzte ist wichtig: Illustrator ist ein Grafikprogramm und nicht fürs Konstruieren gedacht. Trotzdem, die gezeichneten Teile lassen sich so in unterschiedlichen Kontexten überprüfen. Grundsätzlich geht es darum, einmal bestimmte Grundmasse konsequent anzuwenden, auch wenn eine Detailzeichnung leicht abweicht.
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Jeder Plan und die gezeichneten Teile befinden sich auf eigenen Ebenen, hier sind einige eingeblendet.
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Sehr früh habe ich die Helling gezeichnet, denn sie gibt auf ihrer Wasserlinie die Spantenform vor. Das heisst, dass eine auf dem Plan gezeichnete Form "eingepasst" wird. Vielleicht sieht man das auf dem folgenden Bild: Unschärfen ergeben sich einmal aus der Linienstärke, dann aber auch durch Verzug und dadurch, dass die Zeichnung gespiegelt werden muss - wo ist da die genaue Mittelachse? Mit den eingeblendeten Hilfslinien wird also z.B. der Spant mit dem Kiel und der Helling in Übereinstimmung gebracht.
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Wie baue ich die Teile zusammen? Dass sie grundsätzlich zueinanderpassen, ist keine Überraschung.
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Es ist allerdings eine enorme Erleichterung, das Aussägen fällt weg, die Bruchgefahr wird vermindert (die Spanten sind in diesem Massstab knapp 2.5 mm stark). Verzichtet habe ich auf deren Aufbau aus Einzelteilen. Aufgrund der ersten Erfahrungen wäre das aber kein Problem. Das ganze Projekt läuft ja unter dem Motto "Ja, funktioniert das überhaupt?", ein Ausloten der Möglichkeiten, so solche (für mich) neue Techniken bieten.
Selbstverständlich ist das kein Legokasten, geschliffen wird trotzdem fleissig (nach Möglichkeit draussen), meist von Hand. Die Fräse bereitet gut vor:
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Von solchen Teilen lässt sich eine Steuer- und eine Backbordseite herstellen und zusammenkleben. Nachbearbeitung ist trotzdem Notwendig.
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Aber gerade beim "Sponungsproblem zeigen sich die Chancen - entweder durch Ausfräsen (Heck) oder durch den Aufbau in Einzelteilen (Bug).
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Nicht alles geht leichtfüssig vonstatten, ich muss stets überprüfen, ob ich den Plan auch richtig verstanden habe. Dazu helfen Papierschablonen.
Der Rumpf misst in diesem Massstab keine 30 cm. Alles ist etwas filigran. Was ich vielleicht doch hätte machen sollen: Spantenverlängerungen, um in der ersten Bauphase einen "stabilen" Rumpf zu erhalten. Doch im Moment lassen sich die Spanten gut auf den Kiel kleben, und halten da auch. Dabei hilft die Helling, und eine kleine Hilfskonstruktion. Diese hilft beim Einpassen. Offensichtlich habe ich mich vom grossen Vorbild leiten lassen, dass ja auch erst an der (nie gefundenen) Mündung des Mississippi hätte zusammengesetzt werden sollen.
Hier nun der aktuelle Zustand.
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Grundsätzlich lässt sich abschätzen, dass sich die Methode bewährt. Gerade am Heck wird sauberes Straken dann zur Herausforderung - viel Materialreserve besteht nicht. Aber das wollen wir ja herausfinden...
Hut ab! Meinen Respekt hast Du vor dieser "Streichholz-Konstruktion". 2,5mm starke Spanten? - Das ist wirklich nicht viel mehr als ein Streichholz.
Vielleicht solltest Du mal eine Münze daneben legen, damit man sieht, wie winzig dein Modell eigentlich ist.
Bis jetzt ein toller Einstieg! - Ich drücke dir die Daumen, dass es so gut weiter geht.
Beste Grüße, viel Spaß und Erfolg!
Herbert
It ain't a hobby, if you gotta hurry! -- Die Wahrheit triumphiert nicht. Ihre Gegner sterben aus. -- If you don't get older and wiser... then you just get older.
"In 20 Jahren wirst Du mehr enttäuscht sein, über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus aus dem sicheren Hafen. Erfasse die Passatwinde mit deinen Segeln. Erforsche. Träume." - Mark Twain
Eine Demokratie lebt von der Vielfalt der unterschiedlichen Meinungen. Das setzt aber voraus, dass man die Stärke besitzt, die Meinungen der anderen zu ertragen. - Ein totalitäres Regime ist immer ein Zeichen von Schwäche der Machthaber. - Ich liebe es, in einer Demokratie zu leben!
Schönes Projekt Gregor. Da schaue ich Dir gerne weiter über die Schulter
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Gratuliere zu der Wahl mal was zu bauen, was nicht jeder in dieser Form baut, Gregor. Mit welcher Fräse habt ihr das rausgeschnitten ?
"Tout le monde connaît le nom du Vengeur, combien peu connaissent celui du Redoutable!" -- Auguste Jal, 1867 ----------------------------------------------------------------------------------------------
in work: La Belle POF 1/36 Le Redoutable POF 1/48 ; 74-Gun Temeraire-Class by Jacques-Noël Sané Bucentaure, POF 1/48; 80-Gun Bucentaure/Tonnant-Class by Jacques-Noël Sané (Projektierungsphase)
@Sir T. Cochrane Für Herbert habe ich extra ein Artefakt zum Grössenvergleich gefunden, passend/unpassend gepresst von der Französischen Republik (stammt aus der Zeit, als man sich noch kleine Metallscheiben und bedruckte Papierstücke über den Tresen reichte, lang ist's her...). Die Spanten sind aus 2.5 mm Birnenbrettchen gefräst, und werden dann zu Doppelspanten (dreifach am Hauptspant 0) - nur um Missverständnisse zu vermeiden.
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@Oliver1973 gefräst wird mit einer Maschine, die ähnlich ausschaut wie die, die du im Auge hast: https://www.sorotec.de/shop/CNC-Mills/p3...ade-by-sorotec/ Diese arbeitet mit Absaugevorrichtung sehr sauber (jetzt habe ich mich wieder als Laie geoutet). Gefräst wird mit einem 1 mm Frästeil, ganz ohne Feilen gehts also nicht.
Danke für das Feedback. Die Sorotec gefällt. Wäre von der Qualität her ein richtiger Kandidat. Nur die Steuerung macht mir Angst. Da ist die Stepcraft deutlich einfacher für Anfänger.
"Tout le monde connaît le nom du Vengeur, combien peu connaissent celui du Redoutable!" -- Auguste Jal, 1867 ----------------------------------------------------------------------------------------------
in work: La Belle POF 1/36 Le Redoutable POF 1/48 ; 74-Gun Temeraire-Class by Jacques-Noël Sané Bucentaure, POF 1/48; 80-Gun Bucentaure/Tonnant-Class by Jacques-Noël Sané (Projektierungsphase)
@Oliver1973, das mit der Steuerung kann ich natürlich nicht beurteilen. Ich habe nur das Programm gesehen, mit dem die dxf-Files nachbearbeitet werden, z.B. für die Stege. Das sah für mich dann wieder sehr wie ein Grafikprogramm aus: Schaltflächen, Mausklicks etc.
Hier ein paar Ansichten des Hecks (habe gerade bemerkt, dass der Schleifstaub einen etwas unvorteilhaften Effekt erzielt - nächstes Mal verwende ich einen Weichzeichner ).
Sieht gut aus, Du kommst gut vorran. Aber was Oliver nie nie niemals wieder machen würde, ist den Rohbau aus der Helling zu nehmen solange da keine Barkhölzer, oder zumindest Balkweger dran sind ! Irgendwas was den Rumpf einfach geschlossen in Form hält. Die Gefahr ist einfach sehr groß dass es Dir den Kiel verbiegt.
"Tout le monde connaît le nom du Vengeur, combien peu connaissent celui du Redoutable!" -- Auguste Jal, 1867 ----------------------------------------------------------------------------------------------
in work: La Belle POF 1/36 Le Redoutable POF 1/48 ; 74-Gun Temeraire-Class by Jacques-Noël Sané Bucentaure, POF 1/48; 80-Gun Bucentaure/Tonnant-Class by Jacques-Noël Sané (Projektierungsphase)
So macht Homeoffice richtig Freude (ich kriege aber eine Tapferkeitsmedaille, denn es ist kalt und windig).
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In der Zwischenzeit habe ich das halbe Heck etwas ausgebaut. Die Spanten scheinen zu passen (ausser der Bugspant Nr. 1, der muss mit mehr Überstand neu gemacht werden). Zum Schleifen hat sich das kleine Werkzeug von Proxxon gelohnt.
La Belle ist ja gerade wieder ein Thema - als Tribut an @Oliver1973 hier meine kleine Version:
Ich glaube, ich verbringe mehr Zeit mit Problemewälzen als mit Bauen. Aber ich weiss jetzt, was sich nicht so bewährt: Ohne Zwischenstücke in Längs- und Querrichtung bleibt dieser Rumpf lange "schwabbelig", das merkt man dann beim Straken. Hier sorgen erst die Balkenweger und das Kielschwein für etwas Stabilität. Ich würde mich künftig an etablierte Modellbaumethoden halten
Aber trotzdem konnte ich damit beginnen, den Rumpf auch aussen (vorsichtig!) zu schleifen. Im Moment wiegt die Kleine gerade 51 Gramm. Nun passen auch die neu gezeichneten Spanten am Bug. Knifflig war die Herstellung der Bughölzer. Ich habe mich dabei an die hier beschriebene Methode gehalten: http://modelisme-arsenal.hlt34.fr/r4___les_couples_1059.htm (einfach zum Bild R52 runterscrollen).
Hallo Gregor Sehr schön und interessant, was du hier baust. ...ich sauge im Moment alles was mit Spantbau zu tun hat mit großem Interesse auf. Grüße Jarno
Genauso habe ich es auch gemacht. Für die Stabilität sorgten bei mir auch zuerst nur die inneren Längsverbindungen (Kielschwein, Balkweger und zwei Wegerungen). Hatte abe keine Probleme mit der Stabilität.
Sieht sehr gut aus, dein Spantgerüst!
Grüße Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)