ich sitz gerade vor dem Computer mit gefülltem Magen und lese ein wenig hier im Forum. Da geht mir doch eine Frage im Kopf um.
Auf den großen Kriegsschiffen wie der Sovereign of the Seas, der Soleil Royal oder der Victory u.a. waren ja 800 und mehr Matrosen/Soldaten an Bord. Wie lief da die Versorgung mit Nahrung ab? Waren die Kombüsen groß genug, um eine so große Menge an Menschen zu bekochen? Eine Kantine gab es ja wahrscheinlich auch nicht.
Hat sich jemand von Euch schon mit diesem Thema auseinandergesetzt und hat ein paar Antworten für mich?
Für die Mannschaften gab es Speisepläne, die für jeden Tag der Woche eine gewisse Variation vorsahen. Die Speisen bestanden hauptsächlich aus gepökeltem Schweine- und Rindfleisch, Hülsenfrüchten und Schiffszwieback. Das Fleisch wurde gewässert und dann gekocht. Dabei wurde die abgewogene Fleischmenge für jede Bankgemeinschaft (Backschaft) in ein Netz getan, das mit einer Marke versehen war, und dann in den Kessel geworfen. Die Hülsenfrüchte, vorallem Erbsen und Bohnen, wurden ebenfalls in Wasser weichgekocht. An Getränken gab es neben Wasser auch Bier, zumindest am Anfang nach einem Besuch in einem europäischen Hafen. Bei der englischen Marine gab es dazu noch die tägliche Rumration.
Im 19. Jh. wurde der Speiseplan etwas reichhaltiger, war aber von lang haltbaren Nahrungsmitteln und Kochen dominiert. In einigen Marinen gab es dann auch Backöfen zur Brotherstellung.
Frischfleisch gab es nur so lange, wie die entsprechenden Tiere an Deck gehalten werden konnten.
Wobei zumindest für das beginnende 19. Jahrhundert die Verpflegung an Bord fast schon als luxuriös angesehen werden muss. Die Marine warb sogar damit, dass man an Bord exzelent versorgt würde und es (fast) jeden Tag Fleisch gäbe. Solche Üppigkeit gab es an Land wohl nur in den besseren Kreisen.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Hallo, Boudriot hat in seinen 4 Bänden beschrieb, wie auf den franz. 74er die Versorgung um 1780 war, leider auf englisch beschrieben, dessen ich nicht so mächtig bin, ich werde mich mal dran machen und dieses übersetzen. Selbst damals wurde schon mit Kalorien gerechnet, bei den Franzosen gab es Wasser und dazu kein Bier sondern Wein, für die Offizieren natürlich die bessern Sorten.
Gruß Willy
"Le Superbe" 1785 1:50 "Soerlandet" in der Flasche Bark "Weser" Segelschiffmodellbau in der Flasche
Nicht zu vergessen, daß man seit Cook wusste, daß Skorbut von einem Mangel an frischer Nahrung her rührt. Also versuchte man die Schiffe, wo immer es ging mit Frischnahrung zu versorgen. Notfalls mit Versorgungsschiffen, wenn die Kriegsschiffe z. B. gerade an einer Blockade teilnahmen und sich nicht selbst versorgen konnten. Bier, Rum und Wein wurden deswegen gerne an die Mannschaften ausgegeben, weil Wasser schnell in den Fässern faulte, alkoholische Getränke dagegen nicht.
Grüßle vom schönen Bodensee
Matthias
Der Schlüssel zum Glück ====> EINFACH MAL ZUFRIEDEN SEIN
Es ist eben ein komplexes Thema und es gab große Unterschiede von Land zu Land, die die landesüblichen Eßgewohnheiten und Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln reflektieren.
Der Hinweis darauf, daß die Ernährung der untereren Schichten an Land oft deutlich schlechter war, ist wichtig, um das im Kontext zu sehen.
Seit dem zweiten Viertel des 19. Jh. kamen auch zunehmend Konserven auf. Daß das eine zweischneidige Sache sein konnte, zeigt das Schicksal der britischen Arktisexpedition in den 1840er Jahren, bei der mehrer Mitglieder an Bleivergiftung starben. Das Blei war aus der Verlötung der Dosen durch säurehaltige Nahrungsmittel herausgelöst worden.
Danke für die zahlreichen Antworten, die ich so noch nicht kannte! Eines interessiert mich aber doch noch:
In diesem Forum habe ich einen Beitrag zu unterschieldichen Kombüsen gelesen (leider finde ich ihn nicht mehr). Die dort gezeigten Herde waren alle nicht sehr groß und ich denke für eine Mannschaft von 800+ Mann nicht ausreichend.
Gab es auf den größeren Schiffen auch größere bzw. mehr Kombüsen?
Zitat von Mr. Pett im Beitrag #5Nicht zu vergessen, daß man seit Cook wusste, daß Skorbut von einem Mangel an frischer Nahrung her rührt.
Und daher mochte Captain Cook Sauerkraut so sehr. Ich versuche das gerne mit einem schönen Bigosch nachzuempfinden. Schweinebauch und Zwiebeln anbraten, Sauerkraut drauf, (wenn man gerade vor Amerika kreuzt auch ein paar Tomaten und kleingeschnittene Kartoffeln rein) mit Brühe ablöschen und, nicht vergessen, ein Esslöffel Pflaumenmarmelade.
Nicht jetzt bei diesem Wetter aber ab Herbst immer wieder ein Vergnügen für meine Crew
ich habe nur Wissen über einen französischen 74er, an Bord waren 17 Offiziere, 585 Mann Besatzung, und 118 Soldaten im Kriegsfall = 720 Mann. Für das Essen zubereiten gab es einen Brotbackofen, in dem konnten 150 kg Brot gebacken werden, dieser Ofen wog 8000 kg. Für das Kochen von Suppen stand ein kupferner Kessel bereit, der war 720 Liter groß, doch durften nur 600 Liter eingefüllt werden, da er sonst überläuft, der war 1,30 m lang, 87 cm breit und 65 cm hoch, hergestellt aus 3 mm Kupferblech. beheizt wurde mit Holz. Dann war noch ein Backofen für Pasteten etc. an Bord, hier wurden die leckeren Sachen für die Offiziere gebacken, dies Ding wog an die 3500 kg. Ein kleine Holzkohleofen, auch für die Offiziere, da wurde gegrillt mit. Die berühmten Schiffszwieback wurden fertig an Bord geliefert, die waren 180 Gramm schwer, 17 - 18 cm im Durchmesser, 3,4 - 3,6 cm dick, pro Mann 3 Stück am Tag, dazu 0,7 Liter Wein der einfachen Sorte, und Wasser, der Wein verschönerte den Geschmack des manchmal brackigen Trinkwassers. An Bord waren 864 Fass á 242 Liter Trinkwasser und 417 Fass Wein á 242 Liter. Salzfleisch in Fässern, Schwein und Rind, dazu gesalzener Fisch, sowie Trockenfisch, Hülsenfrüchte, Reis, Käse, Olivenöl.
Das soll erst mal genug sein an Information.
Gruß Willy
"Le Superbe" 1785 1:50 "Soerlandet" in der Flasche Bark "Weser" Segelschiffmodellbau in der Flasche
Weiter einige interessante Sachen zur Verpflegung an Bord eines franz. 74er: Trinkwasser wurde ja in Fässern unten im Schiff gelagert. Frischwasser fängt nach wenigen Wochen an zu stinken. Bevor die Fässer gefüllt werden, mussten diese mit Seewasser gereinigt und gespült werden. Auch wurden die Fässer immer mit einer Kalklösung - 86 Gramm Kalk auf ein 242 Liter Fass, dies wurde 5 Tage lang eingeweicht. Diese Methode ist gut erprobt, muss aber oft wiederholt werden. Um fauligen Geschmack zu überlagern, wurde an der Trinkwasser Ausgabestelle neben dem Großmast etwas Wein oder Brandy beigemischt. Alternativ auch etwas Sahne oder Weinsteinsäure - 0,14 Liter auf 52 Liter Wasser. Der tägliche Wasserbedarf an Bord war 300 Liter pro 100 Mann, bei 720 Mann = 2160 Liter. An Bord eines 74er, wurde täglich 11 Fässer á 242 Liter Wasser und Wein geleert. Diese mussten danach mit Seewasser gefüllt in den unteren Laderaum gestaut werden, um den Trimm des Schiffes zu behalten.
Zum Schiffszwieback: der wurde in Säcken an Bord geliefert, per Segelboot oder anderen Fahrzeugen. Eingelagert im Brot Raum unter dem Kanonendeck im Heckbereich. Zuvor wurde dies Räume ausgeräuchert mittels einer Mixtur aus Rosmarin, Lorbeer, Lavendel, Wermut und Pfeffer. Nun konnte der "Zwieback" lose eingelagert werden, dabei gab 10 % Bruchstücke, diese wurden separat gelagert. "Zwieback" von guter Qualität konnte 18 - 24 Monate an Bord gelagert werden. Krümel, kleiner als eine Haselnuss wurden an die Hühner an Bord verfüttert.
Je 7 Mann der Mannschaft bildeten eine Gruppe, jeder hatte ein Messer, an Bord unverzichtbar, einen Becher für Wein oder Wasser, einen Blechlöffel oder aus Buchsbaum geschnitzt, gegessen wird aus Gemeinschaftsschüsseln (Holz). Der Zwieback wird entweder mit dem Fleisch oder in die Suppe getaucht, ist der Zwieback gut, ohne staubig in der Mitte, dann saugt er sich gut mit Suppe voll. Oft ist der Zwieback mit Maismotten oder Rüsselkäfer befallen oder Eier dieser Kreaturen. Dies ist zwar unangenehm aber nicht schädlich. Die Männer klopfen dann den Zwieback auf der "Back" = Tisch oder Decksplanke oder mit dem Messer aus, um die Käfer zum rauskommen zu überzeugen.
Trockenobst wurde lose oder in Säcken gelagert, Reis in Säcken, Mehl in guten Kastanienholzfässern, gestaut in oberste Lage im Weinfass Lager, hinter dem Großmast, Salzfleisch in 100 Liter Fässer, gestaut über der dritten Lage Wasserfässer vor dem Großmast.
Für eine 3 Monatige Seereise wurde auch 100 Schafe für die Mannschaft und 50 Schafe für die Offiziere an Bord genommen. Dazu gepresste Heuballen á 100 Kg, ein Schaf brauchte pro Tag 22 Kg Heu. Gestaut wurde das Heu, abgedeckt bei den "Chains" = Rüstbretter ??? Hühner im Hühnerstall, die Schafe in extra Boxen bei den Booten.
Während die Mannschaft billigen Wein und Wasser bekam, zu den Mahlzeiten Salzfleisch, Trockenfisch, etwas Käse, Bohnen- Erbsensuppe oder Reis. Da hatten die Offiziere es besser. Geschälte Gerste, holl. Graupen, Backobst, marinierten Thunfisch, Salzfleisch, Schinken, Gänseschenkel, eingekochtes Entenfleisch, Nüsse, Macaroni, Fadennudeln, Schweizer Käse, Edamer Käse, Parmesan, Linsen, Erbsen, Bohnen bester Qualität, Butter aus der Normandie und Irland, Essig in dunklen Flaschen, Gurken, Anchovis, Oliven, Kapern, Marinierte Trüffeln, Morcheln, Artischockenböden, Tee, Marmelade, Schokolade, Qualitätswein aus Montferrand, Margaux, Medoc, Graves und Sauterne. Likör, Brandy (Cognac)
Gruß Willy
"Le Superbe" 1785 1:50 "Soerlandet" in der Flasche Bark "Weser" Segelschiffmodellbau in der Flasche
danke für diese sehr ausführliche Auflistung der Verpflegung! Darf ich fragen woher du diese Informationen beziehst? Sieht ja fast so aus als hättest du das live miterlebt
Moin Da Norbert, ich besitze 4 Bände von Boudriot über den Bau eines franz. 74er, mit Detailzeichnungen von der Kiellegung bis zur Fertigstellung, mit Beschreibungen die sehr ins Detail gehen, wo unteranderem auch das Leben an Bord in allen Einzelheiten zu Worte kommt. Die Original Bücher sind in Französisch erschienen, die Bände die ich habe sind auf englisch. Es gibt auch eine Liste von den Mahlzeiten an Bord, wann an welchem Tag es was zu essen gab, mit Kalorienangaben.
Es gibt auch eine Beschreibung wieviel Männer nötig waren um einen Anker zu lichten, das werde ich mal später berichten.
Gruß Willy
"Le Superbe" 1785 1:50 "Soerlandet" in der Flasche Bark "Weser" Segelschiffmodellbau in der Flasche
Hier wurde ja schon einiges an Lebensmitteln aufgezeigt, danke dafür. Aber was war den mit Frischfisch? Man schwamm ja in dieser reichhaltigen Suppe von Meeresfrüchten herum. Wurde auch mit Netzen gefischt, also in dem Umfang einer kompletten Versorgung der Besatzung?
Nein. Frisch-Fisch rangiert ziemlich weit unten in der Liste. Wie auch hätte man von einem Dreidecker aus fischen sollen ? Das Ausstecken von Netzen wäre auch nicht ganz ungefährlich auf einem Schiff, das nicht dafür gedacht ist. Auf Handelsschiffen wurde gelegentlich von der Mannschaft mit Langleinen gefischt. Das geht allerdings nur in küstennahen Gewässern, in der Mitte des Atlantiks gibt es nicht viel in oberflächennähe zu fischen. In manchen Gegenden springen Fliegende Fische freiwillig an Bord, aber ich habe mir sagen lassen, daß die eher nicht so gut sind.