Hallo Rainer, Du hast vollkommen recht! Senten sind notwendig, um ein gutes Straken - besonders im Vor- und Hinterschiff - zu gewährleisten! Natürlich ist es jedem Modellbauer anheimgestellt, ob er Senten verwendet. Ein Modellbauer hat es ja im Gegensatz zu einem Schiffbauer, der ein richtiges Schiff bauen will, leichter, da er ja seinen Modellrumpf ja noch schleifen muss und damit etwaige Ungenauigkeiten ausgleichen kann. An einem Schiffsrumpf im Maßstab 1:1 geht das nicht....... Gruß Schiffbauer
Ich denke, die Senten haben eine großen praktischen Vorteil zum Straken, sie schmiegen sich beim Straken leichter an den Rumpf an als Wasserlinie, Längslinie und Spantlinie. Da das Straken ja mit biegsamen Latten erfolgte ist diese Linie einfacher zu finden als die anderen, bei denen die Latte oft gegen die Form des Rumpfes laufen muss.
Um richtig zu verstehen und auch nachvollziehen zu können, wie man einen Linienriss versteht und auch kontrolliert, ist es – so glaube ich – am besten, zusammen mit Euch einen Linienriss zu erstellen und dabei die einzelnen Schritte zu erläutern. Nun bin ich kein Spezialist im Bauen von Modellen nach Schiffen aus dem 16. – 18. Jahrhundert; mein Interessengebiet liegt eher bei maschinengetriebenen Schiffen aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 1. Weltkrieges, deshalb habe ich hier als Studienobjekt einen kleinen Frachter von 1899 gewählt. Ich habe von diesem Schiff ein Wasserlinienmodell im Maßstab 1:100 gebaut. Der Dampfer wurde von der Schiffswerft Henry Koch in Lübeck als Baunummer 107 für die Oldenburgisch-Portugiesische Dampfschiffsreederei gebaut und hat die folgenden Abmessungen: Länge zwischen den Perpendikeln = 41,15 m Breite auf Spant = 7,01 m Seitenhöhe bis Seite Oberdeck = 5,15 m Tiefgang = 3,35 m Einen Baubericht könnt Ihr unter diesem Link sehen:
Hier schon mal ein Bild des Modells, damit Ihr Euch das Schiffchen vorstellen könnt: aa 033.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) Den Generalplan des Schiffes ist in dem Buch „Die Schiffswerft von Henry Koch AG“ von Heinz Haaker aus dem Verlag Kabel abgedruckt. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages hier eine gescannte Kopie des Planes: viannaklein.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) In vielen Fällen hat man zwar einen Generalplan des Schiffes, das man nachbauen will, aber keinen Linienriss. Aber es ist möglich, mit Hilfe der Informationen aus dem Generalplan und ein wenig Erfahrung über die generelle Charakteristik der Rumpfform des betreffenden Schiffstyps eine vernünftige Annäherung an die tatsächlichen Linien hinzukriegen. Die generelle Charakteristik der Rumpfform eines solchen Dampfers zeigt typischerweise ein möglichst langes paralleles Mittelschiff mit konvexen Wasserlinien im Vorschiff. Die Hauptspantform besitzt einen relativ kleinen Kimmradius, d. h. die senkrechte (oder auch nach oben hin leicht einfallende) Bordwand verläuft unten mittels einer kleinen Rundung (genannt Kimm) in die Bodenplatte ein. Die Aufkimmung dieser Bodenplatte ist meistens sehr gering. Mit diesen Maßnahmen hat der Entwerfer erreicht, dass die so entstandene Rumpfform ein Maximum an Ladung tragen kann. Auf Geschwindigkeit kam es bei diesem Zossen (vulgo: Schiff) nicht an. Das Schiff lief die schwindelerregende Geschwindigkeit von 8 kn mit einer Dampfmaschine mit einer Leistung von 150 PSi. Das sind schon mal einige Fachbegriffe, die ich später an geeigneter Stelle näher erläutern werde.
Der Linienriss enthält, wie wir in Teil 1 dieses Threads gelernt haben, Wasserlinien (horizontale Schnitte), Spanten (vertikale Schnitte in Querrichtung), Schnitte (vertikale Schnitte in Längsrichtung) und teilweise auch Senten (schräge Schnitte). Aus Symmetriegründen und wegen der besseren Sichtbarkeit stellt ein Spantriss üblicherweise nur eine Hälfte dar, das Hinterschiff links und das Vorschiff rechts. Als erstes, bevor wir mit den Schiffslinien beginnen, muss ein sogenanntes Netz aufgezeichnet werden, das sozusagen den „Hintergrund“ darstellt für die später zu zeichnenden Spanten, Wasserlinien, Schnitte und Senten. Das ist hier die generelle Anordnung der Ansichten:
Dabei wird das Schiff in Längsrichtung normalerweise in 20 gleich lange Abschnitte unterteilt, die dann die Konstruktionsspanten (nicht die Bauspanten!, davon gibt es wesentlich mehr) ergeben. Die Konstruktionsspanten sind von 0 (hinteres Lot HL) bis 20 (vorderes Lot VL) durchnummeriert. Hinteres Lot (HL) ist der Schnittpunkt der Konstruktionswasserlinie mit der Mitte des Ruderschaftes. Das HL hat im Laufe der Jahrhunderte seine Definition mehrfach gewechselt. Also genau hinsehen, welche Definition für das in Frage stehende Schiff gilt! Das vordere Lot (VL) liegt im Schnittpunkt der Konstruktionswasserlinie mit dem Einlauf der Beplattung in der Vorsteven (Sponung). Fragt mich bitte nicht, warum die Definitionen so gewählt worden sind! Sie sind nun mal so! Weitere Spanten werden im Bereich großer Formänderung, also Hinter- und Vorschiff, benutzt. Die sind in der Regel Spanten auf halbem Spantabstand mit der Nummerierung 18,5 und 19,5. Um das gesamte Schiff, also auch achtern vom HL und vor dem VL, darzustellen, werden weitere Spanten eingefügt. Diese werden dann entsprechend nummeriert (zum Beispiel −5, −4, 21, 22, …). Ziel des Entwurfs ist es, eine Schiffsform zu entwickeln, die den Vorgaben des Reeders entspricht und dabei die unterschiedlichen hydrodynamischen, konstruktiven, fertigungstechnischen Anforderungen einhält. Am Ende des Prozesses steht dabei ein Kompromiss aus allen Parametern zur wirtschaftlichen Nutzung des Schiffs. Die Erfüllung dieser Ziele sind ja nun für unseren Modellbau unwichtig; aber man sollte es trotzdem wissen.
sehr schön und übersichtlich wie du das machst. Ich hoffe, daß viele Modellbauer daraus lernen und vor allem verstehen denn dieser Beitrag von dir mit Schritt für Schritt-Erklärung und Anschauung ist essentiell und wichtig.
Also danke für die viele Arbeit die du dir da machst. Weiter so und gutes Gelingen !
Hallo Victory78, die Arbeitsschritte sind die gleichen, ob das nun ein alter Dampfer oder ein alter Segler ist. Ich fühle mich bei den alten Seglern aber nicht so sattelfest und hier in diesem Forum gibt es eine ganze Reihe ausgewiesener Segler-Fachleute. Gruß Wolfgang
Und weiter geht es mit der Erstellung des Linienriss-Netzes. Um vernünftige jeweilige Abstände der Wasserlinien und der Schnitte hinzubekommen, sollte man sich die Hauptabmessungen des Schiffes noch mal vergegenwärtigen. Ziel ist es ja, die Rumpfform mittels des gesamten Linienrisses möglichst vollständig erfassen zu können. Deshalb sollten die Wasserlinienschnitte den Rumpf von der Basis bis zum obersten Rumpfdeck beschreiben, und die Schnitte die Rumpfbreite. Die Spanten natürlich die gesamte Rumpflänge. In unserem Falle wird die Länge des Schiffes zwischen den Loten aufgeteilt in 20 gleiche Abschnitte à 2,0575 m (= 41,15 m), wie oben schon mal erwähnt, und die Breite durch 3 Schnitte (I -III) im Abstand von 1,00 m zueinander und die 6 Wasserlinien (WL 1 - 6) haben ebenfalls einen Abstand von 1,00 m zueinander. Ich habe für die Abstände möglichst glatte Werte gewählt, um nicht zu viel Verwirrung zu stiften.
Ich habe auch schon mal die Konstruktionswasserlinie KWL eingezeichnet, die ja identisch ist (hier bei unserem Beispiel) mit dem max. Tiefgang.
Wo die Senten liegen, legen wir erst dann fest, wenn wir die Spantform im Bereich des Hauptspantes (Spt 10) kennen.
ich weiß, daß diese Spanteinteilung den Gepflogenheiten im richigen Schiffbau folgt. Wenn man sich aber an die Rekonstruktion (oder wie auch immer) eines Risses für den Modellbau macht, ist es vielleicht praktischer die Spantstationen von vorneherein so festzulegen, daß man die einzelnen Spanten direkt auf das geplante Material übertragen kann. Dementsprechend müßte man eventuell die Abstände verdichten oder erweitern.
Wirst Du dann später auch noch auf die Konstruktion von Kantspanten eingehen ? Das ist wohl weniger interessant für den Eisen- und Stahlschiffbau, aber im Holzschiffbau sehr wohl.
Eberhard, die Position und Anzahl der Spanten können natürlich auf die Bedingungen/Wünsche des Modellbauers angepasst werden. Das muss jeder Modellbauer selbst entscheiden. Wichtig ist m. E. jedoch, dass die Spantabstände äquidistant gewählt werden, um von vornherein eine gute optische Kontrolle der Spantverläufe zueinander zu ermöglichen. Auf die Konstruktion von Kantspanten werde ich nicht eingehen (können), da ich hierfür keine Erfahrung habe. Vielleicht kann ein Forumskollege dieses Thema übernehmen?
Werner, nur am Rande werde ich auf Verdrängung und Schwerpunkte eingehen, da ich mich in diesem Thread hauptsächlich um das Erstellen, das Lesen und die Kontrolle eines Linienrisses kümmere, sonst wird die Angelegenheit zu umfangreich und u. U. auch zu unverständlich. Falls jemand aber mehr über Schiffstheorie erfahren möchte, schlage ich die Lektüre eines Fachbuches vor.
Ich bin ja immer noch auf der Suche nach einem Programm, dem man einen Riss verpasst und das dann eine Umbasierung der Spanten machen kann... Kennt jemand so etwas ?
Alternativ würde eine Algorythmus für Splines auch helfen...
die Idee war, durch einen Fachmann zeigen zu lassen, wie man einen Plan unabhängig von Schiffstyp und Bauart, lesen und kontrollieren kann. Nicht mehr und auch nicht weniger. Wolfgang hat sich dankenswert dazu bereit erklärt und ich bin froh, dass ein Fachmann wie er, dieses Thema erläutert.
Also bitte liebe Kollegen.........lasst ihn doch erst mal den Artikel beenden.....................bitte
Grüße
Robert
Und wenn mich dann die Arbeitswut packt,....setze ich mich ganz still in eine Ecke und warte bis der Anfall vorüber ist.
In der Werft: Knochenmodell "Royal Caroline" 1749 M 1: 50 Spantmodell Engl. 74 Kanonenschiff 1781 M 1: 50 nach M. Stalkartt Projekt Phantom M 1: 50