Zum Modell der William Rex im Video: was mich bei diesem Modell wundert, ist der Verlauf der Planken im Vorschiff unter den Berghölzern, die nicht der Krümmung der Berghölzer folgen, sondern stärker als diese ansteigen. Das sieht aus als würden die Planken unter dem Bergholz verschwinden.
Zitat von Model Mariner im Beitrag #1176Zum Modell der William Rex im Video: was mich bei diesem Modell wundert, ist der Verlauf der Planken im Vorschiff unter den Berghölzern, die nicht der Krümmung der Berghölzer folgen, sondern stärker als diese ansteigen. Das sieht aus als würden die Planken unter dem Bergholz verschwinden.
Klaus
Das ist bei niederländischen Plattboden-Booten generell üblich und stammt wohl aus der mittelalterlichen Hulk-Bautradition. Soweit ich herausfinden konnte (die Quellenlage tendiert gegen null), handelt es sich beim Ur-Hulk um ein Rheinschiff, das später über Flandern auch nach England gelangte und heute nur noch auf Siegel- und Münzabbildungen (englischer Rosenoble) zu finden ist. Wrackfunde sind leider nicht bekannt, aber ab 1400 fusionierte dieser Typ mit der Kogge und wurde so zum späteren "Holk", der sich dann im 15.Jhdt. zur dreimastigen Karracke entwickelte. (Amsterdamer und Danziger Siegel von 1400) Und dort sieht man dann als letztes Überbleibsel des Ur-Holks die sichelförmigen Kastellwände des Vorderkastells (spätere Back), wie sie auch viele Abbildungen dokumentieren. Dieser mysteriöse Ur-Holk zeichnete sich jedenfalls dadurch aus, daß die neben der als Kiel dienenden verstärkten Kielplanke folgenden Gänge in keine Stevensponung führten, sondern diese nebeneinander halbkreisförmig nach oben gezogen und unter dem Kastell horizontal abgeschnitten wurden, was sehr füllige Rümpfe ermöglichte. Ich nehme an, daß die vorbildgebenden Rheinschiffe mit dieser Methode beliebig breit gebaut werden konnten, was ja durchaus seine Vorteile hatte.
Englischer Rosenoble
Siegel von Amsterdam von 1418. Die hochgezogenen Planken unter dem Bugkastell sind gut zu erkennen. Das sieht zwar sehr schön aus, machte dann aber praktisch wenig Sinn, als diese Sicheln später als reines Zierelement dem ansonsten eher waagrechten Plankenverlauf aufgesetzt wurden wie bei Mondfelds Santa Maria-Modell. Die Plankengänge im untersten Bargholz enden zu lassen, anstatt sie zum Bug hin zu verjüngen und somit auch zu schwächen, hat also eine lange Tradition. Jedenfalls ist die Herkunft dieser durchaus sinnvollen Bauweise nur so zu erklären, Literatur wird man dazu aber kaum finden...
Hier noch ein sogenannter Sussex Trug, erhältlich bei Amazon, dann ist dieser kleine OT-Exkurs beendet. :-)
Diese Bauweise ist bei den völligen Niederländischen Schiffen durchaus üblich gewesen. Habe sie auch bei der Rekonstruktion der Eendracht angewendet. Allerdings nicht bis unter die Berghölzer, sondern etwas tiefer.
Da war es bei der Vasa noch etwas einfacher. Da wurde am Vorschiff einfach bis zum ersten Bergholz hochgelattet. Etwa so wie bei Eddies Bildern und dem Brotkorb oben. Bei Bedarf hätte ich dazu auch noch ein Foto. Aber hier gehts ja um etwas spätere Schiffe.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
ich habe mittlerweile das Gefühl, und mehr ist es eigentlich nicht, dass die Vasa nicht so recht in das Schema des niederländischen Schiffbaus passt. Vieles an dem Schiff ist zweifelsohne Niederländisch. Aber ich denke, dass der Einfluss des Auftraggebers doch sehr groß war.
die Hypothese vom Einfluß des Auftragsgebers, der letztlich zur Instabilität des Schiffes geführt haben soll, wurde von Landström in die Welt gesetzt. Mittlerweise ist man da aber in Stockholm anderer Meinung. So schreibt Fred Hocker in "Vasa I" auf Seite 45, dass es keine Anzeichen für eine nachträgliche Verlängerung der Kiellänge gab und auch die Tatsache, dass es ein Zweidecker war, ist nicht einer nachträglichen Änderung geschuldet. Auch dafür konnten keine Anzeichen gefunden werden. Bei so untergeordneten Fragen, wie Details der Beplankung hat der Auftraggeber ebenfalls keinen Einfluß ausgeübt.
Inwieweit sich die Vasa in die niederländische Schiffbautradition einfügen läßt, dazu kann ich nur soviel sagen, dass es die holländische Schiffbauerfamilie Hybertsson war, die den Bau geplant und durchgeführt hat. Wo aus den Niederlanden er genau herstammte, ist unbekannt. Man weiß lediglich, dass er im frühen 17. Jahrhundert nach Schweden übersiedelte.
Insgesamt war die niederländische Bautradition in ihrer Vielfalt sicher enorm und die Vasa ist ja auch ein für ihr Baujahr eher altmodisch konzipiertes Schiff gewesen. Und das war ja schon eine Zeit größerer Veränderungen im Schiffbau, die sicher auch durch den Untergang der Vasa bedingt waren. In Schweden hat dieser Schock ein prinzipielle Umdenken in der Organisation des Werftbetriebs und der Auftragsvergabe bewirkt. Aber auch im Ausland hat man das Ereignis wahrgenommen und hat seine Schlüsse daraus gezogen. Danach wurden Schiffe z.B. nicht mehr so schwer gebaut - nach dem Motto: Weniger ist mehr.
Es kann aber durchaus sein, dass man wegen der Einzigartigkeit dieses Fundes geneigt ist, heute den holländischen Schffbau zu stark durch diesen Flaschenhals zu sehen. Mir geht das zumindest so, da ich mich um dieses Schiff besonders intensiv gekümmert habe.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Meine Untersuchungen haben genau die von dir angesprochene Einzigaritgkeit der Vasa mehr oder weniger bestätigt. Wir haben leider nur die beiden Bücher von Witsen und Van Yk. Meine Vermutung ist aber, dass es wesenlich mehr gegeben haben muss, als uns diese beiden Autoren vermitteln wollen. Der Kriegsschiffbau in den Niederlanden war wesentlich besser organisiert, als mache heute glauben. Ich gehe sogar soweit, dass es nach 1660 erste Bestrebungen gab, um ein Schiff theoretisch, sprich einfacher Zeichnung zu entwerfen. Diese Anfänge sind leider noch nicht endgültig untersucht.