Die Marengo wurde als 74-Kanonenschiff der von Jacques-Noël Sané entworfenen Téméraire-Klasse gebaut. Diese Klasse stellte das Rückgrat der französischen Schlachtflotte in den Koalitionskriegen und den Napoleonischen Kriegen. Insgesamt 120 Schiffe dieser Klasse wurden bestellt, wovon 107 fertig gestellt wurde, so dass dies die umfangreichste Klasse von Schlachtschiffen, die bisher in der Neuzeit gebaut wurde, darstellt. Die Klasse wurde nicht nur in Frankreich gebaut, sondern auch in anderen von Napoleon eroberten Staaten, so dass nach den Napoleonischen Kriegen einige in Bau befindliche Schiffe auch für die österreichische und niederländische Marine fertig gestellt wurden. Während des Kriegs wurden außerdem zahlreiche Schiffe von der britischen und spanischen Marine erbeutet. Die britische Marine ließ dazu den Entwurf nachbauen (Pompée- und America-Klasse). Einige der Schiffe wurden von der französischen und österreichischen Marine zu schweren Fregatten rasiert und stellten in dieser Form die Ausgangslage für die Entwicklung der schweren 30-Pfünder-Fregatten der französischen Marine dar.
Die Marengo war 55,9 m lang, 14,9 m breit und verdrängte 2966 t (5260 t voll beladen). Der Antrieb erfolgte über eine Vollschiffstakelage mit bis 2485 Quadratmetern Segelfläche, womit etwa 11 kn erreicht wurden. Die Besatzung setzte sich aus etwa 680 Mann zusammen.
Bewaffnung 28 x 36-Pfünder (17,5 cm, auf dem unteren Batteriedeck) 30 x 18-Pfünder (13,1 cm, auf dem oberen Batteriedeck) 16 x 8-Pfünder (10,6 cm, auf der Back und dem Achterdeck) 4 x 36-Pfünder Haubitzen (auf der Poop)
Die Marengo wurde 1794-96 in Toulon (eventuell Rochefort) als Jean Jacques Rousseau (benannt nach dem Philosophen) gebaut. Sie war Teil des Geschwaders unter Villeneuve, das 1796 von Toulon nach Brest verlegt wurde. 1802 wurde sie in Marengo umbenannt - nach dem entscheidenden Sieg Napoleons über die Österreicher in dieser Schlacht in Norditalien am 14. Juni 1800 im Zweiten Koalitionskrieg; die Umbenennung reflektierte den politischen Wechsel von der französischen Revolution zur Herrschaft Napoleons.
Im März 1803 wurde die Marengo Flaggschiff eines Geschwaders unter dem Kommando von Konteradmiral Charles Alexandre Léon Durand de Linois, das die französische Kolonie Pondichéry (heute Puducherry) in Indien wieder in Besitz nehmen sollte. Die Kolonie war 1793 von den Briten im Ersten Koalitionskrieg erobert worden, wurde aber im Friede von Amiens 1802 wieder Frankreich zugesprochen. Das französische Geschwader traf aber erst im Juli 1803 in Pondichéry ein. Bereits im Mai 1803 hatte Großbritannien Frankreich erneut den Krieg erklärt, die Nachricht hatte aber die entfernten Kolonien noch nicht erreicht. Angesichts eines stärkeren britischen Geschwaders und ersten Nachrichten, dass der Krieg wieder ausgebrochen sein könnte, zog sich Linois in der Nacht von 12/13. Juli heimlich zur Isle de France (heute Mauritius) zurück - unter Zurücklassung von Beibooten, auf denen die Lampen der Schiffe gesetzt wurden.
Mit der Insel als Basis führte die Marengo und das restliche Geschwader in den kommenden Jahren Handelskrieg im Indischen Ozean und im angrenzenden Südchinesischen Meer. So überfiel sie im Dezember 1803 die britische Basis in Bencoolen (heute Bengkulu) auf Sumatra, zerstörte die Lagerhäuser und erbeutete zwei Handelschiffe, während fünf weitere verbrannt wurden. Der Versuch die britische China-Flotte der East India Company zu erbeuten, scheiterte am 15. Februar 1804 in der Schlacht von Pulo Aura - Linois hatte die Handelsschiffe für Kriegsschiffe gehalten, da diese eine Schlachtlinie gebildet und teilweise Marineflaggen statt der Flagge der East India Company gesetzt hatten. Die großen Ostindienfahrer ähnelten vom Aussehen her 64- oder sogar 74-Kanonenschiffen, waren aber nur mit 30 bis 36 18-Pfündern Kannonaden (einer Kreuzung aus Kanonen und Karronaden) bewaffnet. Linois, der wegen seiner mangelhaften Ressourcen keine schweren Beschädigungen riskieren wollte, dachte, dass er Kriegsschiffen gegenüber stand und brach den Angriff ab - und wurde daraufhin sogar von den Handelsschiffen - wenn auch erfolglos - verfolgt! Trotz dieser peinlichen Niederlage bewirkte alleine die Anwesenheit des Geschwaders um die Marengo, dass der britische Handel im Indischen Ozean stark beeinträchtigt wurde, da Handelsschiffe kaum das Risiko wagten, ohne Geleitschutz zu fahren. Linois griff als nächstes im Golf von Bengalen an und erbeutete mehrere Handelsschiffe. Am 15. September 1804 griff er den Hafen von Vizagapatam (heute Visakhapatnam) in Südostindien an, der von dem britischen 50-Kanonenschiff Centurion verteidigt wurde. Eines der Handelsschiffe dort setzte sich selbst auf Grund, das andere wurde von den Franzosen erbeutet. Um schwere Schäden zu vermeiden, zog sich Linois zurück, ohne die schwer beschädigte Centurion zu versenken. Bei der Rückkehr zum Stützpunkt Grand Port auf Isle de France lief Marengo am 31. Oktober 1804 auf ein Riff und wurde schwer beschädigt. Die Reparaturen nahmen sechs Monate in Anspruch.
Im Mai 1805 lief Marengo zusammen mit der Fregatte Belle-Poule erneut aus und jagte im Golf von Aden und vor Ceylon (heute Sri Lanka) nach britischen Handelsschiffen. Vor Ceylon erbeutete sie ihre wertvollste Prise, den britischen Ostindienfahrer Brunswick. Im August 1805 traf Marengo auf einen britischen Konvoi, der von dem 74-Kanonenschiff Blenheim geleitet wurde. Angesichts des Geleitschutzes zog sich Linois, nach einigen Angriffsversuchen, auf die die Ostindienfahrer wie in der Schlacht von Pulo Aura mit der Bildung einer Schlachtlinie reagierten (nur dieses Mal mit einem echten Zweidecker in ihrer Mitte), zurück. Nach einem Aufenthalt in der niederländischen Hafenstadt Kapstadt im November (die kurz darauf von den Briten erobert wurde), fuhr Linois in den Atlantik, um dort britische Handelsschiffe zu jagen. Zu seinem Pech traf er am 13. März 1806 auf ein größeres britisches Geschwader unter Konteradmiral Warren, dass auf der Suche nach einem anderen französischen Geschwader war. Linois hielt dieses Geschwader ironischerweise für einen Handelskonvoi und griff an. Die Marengo und Belle-Poule wurden von dem 98-Kanonenschiff 2. Ranges London und der Fregatte Amazon gestellt. Beide französischen Schiffe wurden im folgenden Gefecht schwer beschädigt und kapitulierten, als das 80-Kanonschiff Foudroyant und die 74-Kanonenschiffe Ramillies und Repulse in das Gefecht eingriffen. Auf französischer Seite starben 69 Mann und 106 wurden verwundet, auf britischer Seite starben 14 und 27 wurden verwundet. Beim Einbringen der beiden Prisen geriet das britische Geschwader am 23. April in einen schwere Sturm, der Marengo und Ramillies entmastete. Trotzdem erreichten alle Schiffe den Hafen.
Nach der Erbeutung scheint das Schiff zwar für die Royal Navy ausgerüstet worden zu sein (die Bewaffnung wird in British Warships in the Age of Sail 1793-1817 als 30 32-Pfünder, 30 18-Pfünder, sechs 12-Pfünder und zwölf 32-Pfünder Karronaden angegeben), wurde aber nicht in Dienst gestellt. 1809 wurde sie Gefängnisschiff in Portsmouth, 1812-13 wurde sie an den Transport Board ausgeliehen. Marengo wurde 1816 in Portsmouth abgewrackt.
Das Modell
Auf die Idee, ein 74-Kanonenschiff zu bauen - nicht gerade ein typischer Kreuzer - bin ich gekommen, als mir der Bausatz der Redoutable von Skytrex angeboten wurde und ich mich an das Kapitel über die Fahrt der Marengo unter Linois in The Campaign of Trafalgar erinnerte. Beide Schiffe gehörten zur gleichen Klasse. Die meisten Schiffe dieser Klasse, darunter die berühmte Redoutable, wurden für den Zweck, für den sie entworfen wurden, d.h. als Schlachtschiffe, eingesetzt. Marengo ist für ihren Einsatz als Handelsstörer im Indischen Ozean bekannt, also für eine typische Kreuzer-Rolle, so dass sie in meine Sammlung passt.
Für den genauen Bauzustand der Marengo habe ich mich primär an den Zeichnungen von Ducros-Legris, einem Bootsmann an Bord der Marengo während der Fahrt im Indischen Ozean, orientiert. Zahlreiche dieser Zeichnungen sind in The Campaign of Trafalgar und The Victory of Seapower abgedruckt. Für Details habe ich dazu Fotos eines Modells eines 74-Kanonenschiffs im Deutschen Museum in München sowie der Triomphant im Musée de la Marine zu Hilfe genommen. Für die Länge der Masten und Rahe habe ich einen Plan der Alger des Service historique de la Défense (leider aktuell nicht online erhältlich) als Quelle genutzt.
Der Skytrex-Bausatz (die Formen wurden inzwischen an Navy Models & Books verkauft) besteht aus dem Rumpf, Beibooten, Masten und Ankern aus Weißmetall. Dazu liegen Fotoätzteile für die Wanten und Segel bei. Verwendet habe ich von diesen Teilen nur wenige, darunter natürlich den Rumpf. Dieser ist relativ gut gemacht. Einzelne Teile sind, wahrscheinlich um den Abguss zu erleichtern, stark vereinfacht, z.B. die Galion (nur als Relief dargestellt) und die Stückpforten (nur auf der Außenseite angedeutet, aber nicht innen). Hier habe ich nichts verändert, Verbesserungen wären nur möglich, wenn man diese Teile komplett abtrennt und neu aufbaut. Zur weiteren Detaillierung habe ich ein aus einem Plastikstab geschnitztes Ankerspill auf dem Backdeck hinzugefügt (die Luke darunter hätte ich besser entfernen sollen!?). Laut den Zeichnungen lagerten die Beiboote der Marengo nebeneinander auf Bootsbalken über der Kuhl, d.h. nicht wie bei den meisten Schwesterschiffen in der Kuhl übereinandergestapelt. Entsprechend habe ich die Bootsbalken aus Plastikstäben ergänzt und statt der in einander gestapelten, als ein Teil gegossenen Beiboote aus dem Bausatz, habe ich welche aus dem British Harbor Set von Kombrig genommen. Ein weiteres Boot aus dem gleichen Set wurde achtern mit den entsprechenden Davits angebracht. Die Galion war laut den Zeichnungen verkleidet, was ich durch Plastikplatten dargestellt habe. Auf das Poopdeck kamen noch vier 36-Pfünder Haubitzen, deren Lafetten aus Plastikplatten und die Rohre aus Metallstäben angefertigt wurden. Zeichnungen dieser Geschütze findet man in The History of the French Frigate 1650-1850. Bei den im Bausatz enthaltenen Ankern aus Weißmetall habe ich den Stock durch einen dünneren Plastikstab ersetzt.
Die Weißmetall- und Fotoätzteile aus dem Bausatz für die Takelage habe ich verworfen. Diese waren mir zu dick. Bei den Masten kommt hinzu, dass sich die Weißmetallteile leicht verbiegen. Die Masten habe ich aus Metallstäben neu aufgebaut. Die Marsen und Salinge sind aus Plastikplatten und -stäben gebaut. Die Rahen sind wieder aus Metall, die eingeholten Segel sind aus Weißleim gemacht. Die Stage der Untermasten sind aus UNI-Thread 8/0 - der den Nachteil hat, dass man ihn nicht mit Hitze nachspannen kann! -, der Rest der Stage, Pardunen und Brassen sind aus Uni Caenis 20 Denier-Faden und wurden mit einem Heißwachsspachtelgerät gespannt. Die Wanten sind Fotoätzteile von Atlantic Models und Ocean Spirit. Die Takelage habe ich in dieser Reihenfolge angebracht: Stage, Wanten, Pardunen und Brassen. In dieser Reihenfolge wird das Anbringen der restlichen Teile der Takelage am wenigsten durch schon angebrachte Taue behindert.
Bemalt habe ich die Marengo überwiegend mit Vallejo Model Color-Acrylfarben. Der Anstrich der Marengo im Indischen Ozean entsprach nicht dem typischen Schema von damaligen Zweideckern, da nur eine der beiden Batterien mit einem hellen Streifen markiert war. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass versucht wurde, sie als kleinere Fregatte zu tarnen. Die Decks habe ich mit Revell 89 Beige gestrichen, der Großteils des Rumpfs, die Marsen, Salinge, Rahe, der Überwasserrumpf der Beiboote und die Geschützrohre sind mit 167 Anthrazitgrau bemalt. Der Batteriestreifen und einige andere Details sind mit 9 Sandgelb, die Innenseite des Schanzkleids und die Geschützlafetten mit 121 Ockergeld, viele Details an Deck wie Luken, Gangspill und Glockenstuhl mit 149 Schokoladenbraun, die Untermasten, Unterwasserrümpfe der Beiboote und die Verzierungen mit 4 Cremeweiss, die Spieren mit 120 Beige, die Innenseiten der Beiboote mit 110 Achatgrau und die Segel mit 4 Cremeweiss, das etwas mit 7 Heller Sand abgedunkelt wurde, bemalt.
Hier noch ein Größenvergleich mit dem etwa 100 Jahre jüngeren amerikanischen Geschützten Kreuzer Baltimore von 1890
und der etwa 200 Jahre jüngeren französischen Fregatte Surcouf von 1997, die nach einem erfolgreicheren Kaperfahrer im Indischen Ozean als Linois benannt wurde:
So sehe ich das auch. Zwei Fragen habe ich dennoch: 1. Fäden mit Hitze nachspannen? Diese Technik kenne ich nicht. Was hat es damit auf sich? 2. Gab es keine ausgewebten Wanten für die Besanmarsstenge?
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Beim Betrachten des ersten Bildes musste ich (mindestens) zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass dies eine Modellaufnahme ist und das Foto nicht irgendwo im Indischen Ozean geschossen wurde. Schiff, Wasser und Himmel schauen extrem realistisch aus. Ein wunderschönes Modell, gekonnt präsentiert!
Viele Grüße Ernst
Im Bau: Holländische Ketsch "Dolfijn" 1750, 1:50 (Corel)
@ Willi: der Großteil der Takelage besteht aus 0,05 mm dicker Angelschnur (fürs Fliegenfischen). Es ist einfacher, die erst relativ grob mit Weißleim anzukleben und dann mit Hitze nachzuspannen. Unter Spannung ankleben funktioniert nicht gut, da der Kleber nicht schnell genug fest wird. Das Material ist ein Thermoplast, der sich beim Erwärmen zusammenzieht.
Für die Besanmarsstenge habe ich keine passenden Fotoätzteile gefunden, deshalb sind dort nur die Wanten ohne Webleinen dargestellt.
Danke für die schnelle Antwort. Interessant, das mit der Angelschnur. Ich bin maßstäblich ziemlich weit weg von Dir, aber vielleicht ergibt sich ja doch irgendwann eine Gelegenheit, bei der man das brauchen kann.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Zitat von Carpenter im Beitrag #5Beim Betrachten des ersten Bildes musste ich (mindestens) zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass dies eine Modellaufnahme ist und das Foto nicht irgendwo im Indischen Ozean geschossen wurde. Schiff, Wasser und Himmel schauen extrem realistisch aus. Ein wunderschönes Modell, gekonnt präsentiert!
Dem ist nichts hinzu zufügen. Das ist Spitze Gruß Frank
Die interessante Geschichte - genauer der 210. Jahrestag der Schlacht von Pulo Aura (Dance's Action) am letzten Samstag - hat mich auch dazu motiviert, die Marengo mal endlich fertig zu stellen. Angefangen hatte ich sie vor fünf Jahren. Bei den hier im Forum häufigen Maßstäben sind fünf Jahre natürlich nicht so ungewöhnlich, aber in 1/700 wäre das extrem. Ich habe insgesamt an dem Modell auch nur wenige Wochen gearbeitet, die meiste Zeit lag es unbeachtet im Schrank.
An den Fotos arbeite ich noch. Das ist jetzt in einem Fotozelt mit einem groß (80 cm breit) ausgedruckten Foto als Hintergrund und meiner üblichen Wasserplatte als Untergrund aufgenommen (das Modell ist nur etwa 13 cm lang).
Hallo Lars, vielen Dank für diesen schönen Galeriebeitrag - damit meine ich nicht nur die Bilder (beim Maßstab kann ich wieder nur den Kopf schütteln und mich fragen wie sowas geht), sondern auch die ausführliche Beschreibung!