Und weil es so schön ist, hier noch ein paar Detailschüsse.
Der für mich persönlich herrlichste Zustand der Victory :-)
Die Rüstbretter waren noch ein Deck tiefer, die Friese bemalt und der Rumpf mit Rosin gestrichen.
Der Marine trägt die Uniform von 1780, erkennbar am Dreispitz, den Frackstößen, den Umschlägen und den Kniestrümpfen. Die Seeleute beim Holystonen traditionell ohne bestimmte Tracht. Dies war die Zeit, in der das Waschen der Decks mittels der bibelgroßen spröden Sandsteine immer exzessivere Formen annahm.
Ob die Victory um 1780 noch die ursprünglichen Bronzekanonen besaß, oder schon auf die billigeren Gusseisengeschütze umgerüstet wurde, ist mir noch nicht klar. Ich habe zum Aufzeigen der Entwicklung des Schiffes exemplarisch die Bronzegeschütze dargestellt. Andere schöne Details sind die Ankerscheuer, die 4-gliedrigen Rüsteisen mit den Augbolzen dazwischen und das Futter für den Fischdavit zwischen den Timberheads. Auch das Pfortenreep des vordersten Geschützes der oberen Batterie geht elegant einfach hoch auf das Backdeck :-)
Grundlage zu diesem kleinen Display ist das zeitgenössische Modell der Victory von 1765 aus dem NMM.
Für den Nostalgiker in diesem Bereich -wozu ich mich auch zähle- gefallen mir die Rüsten am zweiten Battereideck auch besser ( noch wie bei PRINCE und ST. MICHAEL 1670 z.B. ) , obwohl beim ersten Eindruck dadurch eine gewisse Behinderung gegeben war, was den Bestreichungswinkel betraf. Die Franzosen hatten bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Rüsten höher gelegt ( SOLEIL ROYAL ). Aber bei dem relativ starren Aufeinanderlos- Geballere in Linie zu dieser Zeit dürfte es eigentlich unerheblich gewesen sein.
Das mit den Rüsten der Soleil müsste nochmals geprüft werden. Am Tanneron-Modell und vor allem Heller und allen anderen Derivaten hängen die evtl. zu hoch. Ich meine mich an die zwei zeitgenössischen Radierungen zu erinnern, wo die Rüsten auch tiefer hängen. Oder noch besser: Wie sieht es bei der ST. Philippe aus? Das müsste ja eine gute Referenz sein.
Herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung dieser Serie!
Hmm, könntest Du nicht auch mal sowas aus der Tudorzeit bauen, dann hätte ich was zum Abgucken, wenn ich mal wieder nicht weiß wie das damals gemacht wurde.😉🤓😉
Cheers!
Angarvater
To the optimist the glas is half full. To the pessimist the Glas is half empty. To the ingenieur it is twice. As big as it needs to be.
Auf der Helling „Witsen“, holländisches Pinassschiff,1671. Nach Plänen von Ab Hoving
Zitat von dafi im Beitrag #2480Das mit den Rüsten der Soleil müsste nochmals geprüft werden
Man kann davon ausgehen, dass dies so stimmig ist. Hier zwei Beispiele; Ein nicht näher bezeichnetes Linienschiff ersten Ranges aus der Zeit Duquesnes, also zweites Drittel 17. Jahrhundert, gezeichnet von Pierre Puget ( zeigenössisch ).
SAM_0105 (2).JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
und der Takelriss der ROYAL LOUIS, allerdings bereits 1730, aus einem der PARIS- Bände-
SAM_0106 (2).JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Gruß, Peter
Der mit Abstand am häufigsten dargestellte Zustand der Viktory ist der von Trafalgar. Der Zustand, der am kürzesten anhielt und am wenigsten dokumentiert ist.
Die Quellenlage ist extrem dünn, da wegen der Kriegszeit keine Dokumentation stattfand bzw. keine bekannt ist. Ziemlich sicher ist, dass die Rüsten oberhalb der Pforten des oberen Geschützdecks lagen.
Die beste zeitgenössische Quelle zu anderen Details ist hier Turner, der das Schiff nach der Schlacht skizziert hat. Diese Skizzen sind schwer zu interpretieren, dennoch erkennt man klar die gebaute Schanz der Back. Des weiteren legen die Skizzen die Vermutung nahe, dass die schwarzen Streifen dünner und die Deckel nicht schwarz waren.
Die größte Diskussion geht zur Zeit um den Farbton der Streifen. Heute im hellen Terrakotta, im Gegensatz zum yellow Buff (Ocker) wie üblich angenommen. Es geht die Vermutung, dass der Farbton daher kam, dass in den Werften die Werften die Farbe des yellow Buff etwas knapp war, und deswegen mit Rot und weiß gestreckt wurde. Da ich aber der festen Ansicht bin, dass die Schiffe im Einsatz durch regelmäßiges Nachpönen einem schönen Flickenteppich darstellten - wir waren in Zeiten vor industriell standardisierten RAL-Farbdefinitionen - so habe ich die Kollegen auf dem Bootsmannstuhl hier beim Einpönen mit dem neuen Farbton dargestellt.
Unser Marine trägt mittlerweile die ab ca. 1800 eingeführte Uniform mit rundem Hut und kurze Frackstöße. Die anderen Seeleute immer noch ununiformiert.
Schwierig zu erkennen ist in Turners Werk die Ankerscheuer. Deswegen entfällt der heute gezeigte Schweinsrücken.
Auf dem Rüstbrett befindet sich die Spur für den kurzen Davit.
Für die 68er Carronade, 1804 im Mittelmeer von der Kent übernommen, wurde die Pforte oben mit einer Klappe versehen, um das Querholz zu schützen und die Bedienung zu erleichtern
Im Umbau von 1814 - 1816 erhielt die Victory den neumodischen runden Bug und gebaute Finknetzkästen. Um 1837 kamen die noch heute sichtbaren Federn des Prinzen of Wales als krönender Abschluss auf des Heck. 1859 bekam das Schiff auch das letzte Mal Holzmasten. Irgendwann um 1860 wurde die äußere Beplankung ersetzt, glatt und ohne Berghölzer. Um diese Zeit kam wahrscheinlich auch die Heckdekoration, die auf den ersten Fotografien bis 1920 zu sehen war.
Doch dies waren nur die äußeren Anzeichen, die inneren Änderungen waren genauso umfänglich. Die hängenden Magazine wurden ausgebaut und das ganze Innere über die Jahre immer wieder den Bedürfnissen angepasst.
Insgesamt hielt dieses Aussehen über 100 Jahre und ist auf hunderten zeitgenössischer Bilder dokumentiert. Dennoch der am wenigsten als Modell gebaute Zustand der Victory ;-)
Die Bordwand war glatt, die Rigols winkelig, die Pforten mit Fenstern versehen. In der oberen Batterie befinden sich noch einige historische Trafalgar-Geschütze. Im Mitteldeck befinden sich einige Salutgeschütze moderner Bauart. Die Rüstbretter sind schon gekürzt, die Anzahl der Wanten ist bereits reduziert. Über den ganzen Rumpf verteilt sind Fallrohre zur Entsorgung angebracht. Pittoresk sind die ganzen Ofenrohre, die außen am Rumpf angeflanscht sind.
Die Uniformen sind von ca. 1910, der Offizier mit der flachen Kappe und kurzen Frackstößen, die Matrosen ihre Matrosenkappe und die typischen Krägen. Einer hell und einer dunkel. Die KAmera des Offiziers ist eine der damals üblichen Agfa-Photo-Boxes.
Anlass zu meiner Szene war ein Bild des U-Bootes C34, welches neben der Victory angedockt war. Klassischerweise übernahmen U-Boote eine Zeit lang mit ihren Generatoren die Stromversorgung der Victory.
Was der Matrose von C34 wohl sah? Es muss etwas ähnliches wie dies gesehen haben.
Und natürlich, das Museumsschiff, das wir heute kennen. Mit allen seinen Anachronismen, trotzdem faszinierend :-)
Damals todbringende Kampfmaschine, heute Touristenattraktion. Familien und spielende Kinder anstelle von Pulveraffen oder schruppenden Verschleißteilen.
Hier noch einige Nahaufnahmen zum Genießen.
Aber auch dieses Museumsschiff unterliegt dem ständigen Fluss der Veränderungen. Bei der Rückführung in den Trafalgar-Zustand gab es eine Missinterpretation der zeitgenössischen Farbangabe "Gelb". Es wurde ein grelles Kadmiumgelb gewählt und nicht der gemeinte "gelbe Ocker". Darauf beziehen sich noch heute viele Farbangaben in den Bausätzen. Später wurde im klassischen gelben Ocker nachgepönt. So wie man es von vielen historischen Gemälden kennt. Mal wurden die Rüsteisen mitgestreift, mal waren sie schwarz. Neuerdings im terracottartigen Farbton, da scheinbar zum Zeitpunkt des Neustreichen nach dem Great Repair 1803 der gelbe Ocker knapp war und die Farbe mit Rot und Weiß gestreckt wurde. Aber das muss nach meiner persönlichen Einschätzung noch gut geprüft werden.
Auch die Finknetze kenne ich dunkel und hell, den Namensschriftzug am Heck in drei Varianten. Auch kenne ich das Heck mit und ohne Sterndavits. Und vieles andere mehr.
Also selbst wenn man das Museumsschiff bauen will, sollte man sich entscheiden, welches Datum es darstellen soll ...
In diesem Sinne beende ich das kleine Kaleidoskop und wünsche euch einen guten Rutsch, bloibed gsond.
XXXDAn
PS: Und ich freue mich schon auf den Aufschrei, wenn die Federn am Heck und die Seitendavits abmontiert werden und die Back gebaut wird. Aber am meisten freue ich mich schon, wenn die Seitenpforte zugemacht wird ;-)
Seitenpforte schliessen? Aber wie soll Horation dann das Schiff betreten.....? Verstehe dass doch bitte: so ein Pforte war so normal, das sie nie beschrieben wird. Es muss deshalb da gewesen sein :)
Welche datum hast du gewaehlt fuer das grosse schiff? (lese: wird die gelbe farbe bleiben, oder wird auch da neu gepönt?)
Tja lieber Jan, es wird hard für dich - Pforte nööööööö...
Und das große schiff hat so viele Anachronismen, dass ich wahrscheinlich den Namen am Heck runternehmen werde und es in "anonymen englischen Dreidecker um 1800 umbenennen werde. HMS Unknown? HMS Anonymus? HMS TSFKAV***?
Vorgeschichte: Endlich hatte ich den Platz in der Männerhöhle soweit geschaffen, um mal richtig die Schnittchen durchbelichten zu können. Und um danach meine süße liebe Kleine mit den Streifen wo schlank machen wieder auf den Basteltisch bringen zu können.
Happy new year!
Und wie könnte man das besser feiern als mit einem standesgemäßen Abriss, den ich schon länger vor hatte. Im September 2010 war ich mal ganz froh, endlich wieder ein Teil vom Gussast kommend, so wie der Formengott es schuf direkt und ohne zu pimpen und ohne Umschweife an das Modell kleben zu können. Erinnert ihr euch?
Nuuuu...
... mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass da um 1805 kein so kleines Krönchen prangte. Wahrscheinlich eine Erfindung von 1920, beim Rückbau zum Trafalgarzustand, mangels damals besseres Wissens. Der Balken heißt im englischen ja Cathead, weil da in der Anfangsphase ein Katzen, bzw. Löwenkopf drauf prangte. Zum Zeitpunkt des Baus der Victory waren aber eine Art Windrose gebräuchlich, manchmal auch ein Anker. Da das Modell von 1765 der Vic diese Windrose zeigt und auch das fälschlich als "Vic" bezeichnete Modell von 1805 eine solche hatte, habe ich mich dann doch leichten Herzens von meinem süßen Krönchen trennen können.
Aus Modelliermasse eine Windrose gebastelt, und da es maßlich eng zugeht, hab ich die Außenrisse auf Backpapier gedruckt und konnte das fragile Gebilde so leicht lösen.
Einmal Passprobe auf einem Ersatzkranbalken mit einem etwas zu dicken Exemplar ...
... und mutig die Klinge geschwungen.
Am Platze war das neue Teil schnell ...
... noch ein bisschen Farbe drauf, feddisch und, tja, da hatten wir doch schon ganz andere Abrissorgien, man kommt halt doch aus der Übung ;-)
Und als gif gibt sich ein bisschen der Eindruck der Tiefenwirkung. Enjoy :-)