Wenn Deine Anmerkungen in #22 und #23 umgesetzt werden, sollten die Figuren der Wirklichkeit ziemlich gut entsprechen.
Aber Achtung – es fängt jetzt an, in eine völlig falsche Richtung zu gehen. Die erste Figur war eine, die in Punkto Uniformierung und Bewaffnung einen Übergangstyp darstellt, an der nichts mit der gültigen Uniformvorschrift für den betreffenden Zeitraum übereinstimmt. Der Leutnant trägt einen Rock, der modernen Einflüssen angepasst wurde, einen Säbel und Stiefel. Als Standardfigur, aus der weitere Figuren entwickelt werden könnten, ist sie demnach denkbar ungeeignet.
Die Uniform der Navy war immer Änderungen unterworfen, die in verschiedenen Uniformvorschriften zum Ausdruck kamen. Für das Jahr 1798 war die Vorschrift von 1795 gültig. Sie sah einen Rock mit einem für das 18. Jahrhundert typischen Schnitt vor und auf jeder Seite der Uniform jeweils 9 Knöpfe am Vorderteil, 3 am Rücken (1 in der Taille und 2 an den Seitenschlitzen), 3 an den Ärmelaufschlägen und 3 an den Taschen. Der Rock hatte einen mehr oder weniger hohen Stehkragen. Die Ärmelaufschläge waren rund für Admirale, Leutnante und u. U. auch für Kadetten (das ist nicht sicher belegbar) und hatten die als Navy-Patte bekannte Form für Kapitäne und Commander. Die Paradeuniform war reichlich mit Goldborten besetzt, die an der Dienstuniform (Undress) reduziert oder ganz weggelassen wurden.
Zu #22-5: Die Seitenwaffe ist grundsätzlich untergeschnallt und wird deshalb zu einem großen Teil vom Rockschoß verdeckt. Man sieht eigentlich nur den Griff und das untere Fünftel der Scheide mit dem Ortblech. In Ausnahmefällen konnte die Waffe, sofern es sich um einen Säbel handelte, auch über dem Rock getragen und dann war die komplette Waffe und auch das Gurtzeug mit den Riemen zu sehen.
Mir ist jedoch nur ein Gemälde bekannt, auf dem die Trageweise des Gürtels über der Uniform dargestellt wird und das wurde um das Jahr 1811 gemalt (Sir Thomas Cochrane von James Ramsay). Der Leutnant mit seinem modernen Uniformrock könnte seine Waffe so angelegt haben. Degen wurden jedoch grundsätzlich untergeschnallt getragen.
Dies bedeutet für Dein Diorama, daß vielleicht eine Figur eines Leutnants mit einem übergeschnallten Säbel vorhanden ist. Alle anderen Leutnante tragen jedoch ihre Waffen, sofern sie welche führen, vorschriftsmäßig untergeschnallt und die tragen dann auch die Uniform "alter" Form sowie Kniebundhosen und Schnallenschuhe.
Wenn Du größtmögliche Vielfalt an Figuren anstrebst, gibt es bei den Leutnanten sehr viele Varianten. Genau nach Vorschrift gekleidete, wie gerade beschrieben, aber auch "alter" Rock mit langen Hosen oder "neuer" Rock mit Kniebundhosen und natürlich unterschiedliches Schuhwerk. Auch bei den Kadetten gibt es Variationen, da auch ihre Uniform Rock und Kniebundhosen und auch den Dreispitz als Kopfbedeckung vorsah. Der runde Hut wurde eigentlich erst nach der Jahrhundertwende so richtig Standard.
Zu #22-6: Die Rockschöße sind vorn nicht in 90°-Winkeln geschnitten. Wie auf der Abbildung der Uniform aus "The Dress of Naval Officers" in #15 zu erkennen ist, bilden die Ecken der Schöße in der Taille etwa einen Winkel von 80° und am Saum einen von etwa 100°.
Für #23-5 und #23-6 gilt das eben beschriebene. #23-4 geht gar nicht - auch weil die Hosentaschen auch gar nicht so gearbeitet waren, daß man die Hand mal eben so locker hätte hineinstecken können.
Ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Uniform des Kapitäns seien mir erlaubt. Zur Verdeutlichung habe ich wieder eine Abbildung erstellt.
Er trägt einen für 1798 vorschriftsmäßigen Rock mit zurückgeklappten Brustaufschlägen (Rabatten), runden Ärmelaufschlägen und einem Umlegekragen. Dieser und und die Ärmelaufschläge können bei einer Dienstuniform so getragen worden sein (es gibt leider keinen visuellen Beleg in Form eines Gemäldes oder einer Zeichnung dafür und schon gar keine Originaluniform). Dennoch fehlt bei dieser Ausführung des Rockes am Vorderteil jeweils 1 Knopf! Die 8 Knöpfe traten nur kurzfristig in einem Übergangsstadium auf, wie sie an der Uniform bei der Figur des Leutnants gezeigt wird. Der Frackschnitt für die Uniform wurde mit der Vorschrift von 1805 und dann erst recht mit der von 1812 auch offiziell eingeführt und danach hatten auch diese Uniformröcke wieder 9 Knöpfe an jeder Seite des Vorderteils.
Der obere Rand der Rabatten ist schräger geschnitten – parallel zu dem angedeuteten obersten Knopfloch – und unten fehlt der Rand der Rabatten, dessen Ecke tatsächlich rechtwinkelig geschnitten ist (hellblau).
Die Epauletten ragen etwas weiter über die Schulter hinaus und die Kantillen hängen relativ gerade herunter (gold). Die leichte Wölbung direkt am Ansatz der Kantillen kommt nicht daher, daß sie über die Schulter fallen, sondern von einem an der Außenkante der Epauletten angesetzten kleinen Polster, das ihnen mehr Volumen verleihen soll.
National Maritime Museum, Greenwich, London; UNI0098
Am Rücken fehlen die beiden Knöpfe an den Seitenschlitzen. Diese Seitenschlitze sollten eigentlich bei allen Figuren ziemlich gerade oder sogar schräg nach innen fallend dargestellt werden, etwa in die Position der angedeuteten Falte (grün). Der Mittelschlitz reicht natürlich nur bis zu den Schoßknöpfen - ich habe das jetzt nicht extra eingezeichnet.
Die Weste hat 9 Knöpfe und es sollte der Untertritt, an dem die Knöpfe angenäht sind, wahrnehmbar sein (grün).
Das Vorderteil der Hose sollte anglisiert (Klappe anstatt Schlitz) werden (blau).
Der Kapitän sollte Kniebundhosen und Schnallenschuhe tragen.
Der Degen sollte untergeschnallt und vom Rockschoß (rot) verdeckt gezeigt werden.
Ich habe mir mal die Figuren von L. Cryns angesehen. Die sind wirklich gut und in sehr dynamischen Posen modelliert. Insofern sollte es keine Befürchtungen geben, daß das Diorama nicht lebendig genug sein wird. Man kann bei solchen Figuren immer darüber streiten, wie exakt die Erscheinungsform sein soll. Das hängt ja auch stark von der Größe ab. Der Maßstab 1772 läßt aber sicher eine schöne Detaillierung zu und wenn die allgemeinen Grundlagen stimmen, kann von Fall zu Fall auch vereinfacht werden. Gut recherchierte Figuren sehen aber natürlich immer besser aus, als einfach ins Blaue hineinmodellierte.
Ich trage auch weiterhin gerne zu dieser Recherche bei und bin schon gespannt, welche Figuren Du uns noch präsentieren wirst.
Danke Jürgen für deine Expertise! Ich hatte vor den Kapitän in Fulldress-Uniform mit Kniebundhose, Strümpfen und Schnallenschuhen darzustellen. Ich habe quasi mehr Alternativen an Figuren in der Pipeline, als ich überhaupt brauche.
L. Cryns ist zurzeit dabei 4 Musterfiguren für die Ruderbänke der Beiboote der HMS Surprise zu modellieren. Es werden jeweils 2 extrem nach vorne und nach hinten ausholende Ruderer sein. Natürlich kommen später noch eine Menge Ruderer hinzu. Aber die 4 Musterfiguren werden zu Curro Agudo Mangas nach Badajoz geschickt. Curro baut ja alle Schiffe für das Diorama. Mit den Musterfiguren kann er dann den Platz und die Ruderbänke und die Riemen abstimmen. Leider funktioniert es nicht mit den Wasserlinien-Modelle der Beiboote. Wenn die auf der Wasserlinie abgeschnitten werden, hat man einen glatten Boden. Jetzt werden also Vollmodelle der Beiboote gebaut. Ich werde diese dann später beim Dioramenbau in meine Wasserplatte einlassen. Das wird keine große Probleme machen. So kann ich die Boote auch schön an die Dünung der Wellen anpassen. Es werden ja so einige qm Wasserfläche werden. Diese werde ich mit der Alu-Folien-Methode erstellen. Die Wasserliniemodelle der HMS Surprise und des englischen Kutter, die sind unkritisch, die kann ich so einbauen.
Zum Dioramenbau werde ich aber wieder ins spezielle Thema dazu wechseln, bei der Recherche zu den ganzen Figuren bleibe ich hier im Thema. Da kommt noch so einiges!
Die neuen Scans meiner in Auftrag gegebenen Offiziere sind angekommen. Ich bin da sehr zufrieden! Alle monierten Details wurden durch den Modelleur berichtigt.
Quasten an den Offiziershüten entfernt Gerader Offiziersdegen, verdeckt getragen, Aufhängung angedeutet Offiziersrock vergrößert, rechter Winkel an den Rockenden Talienlinie nach unten verschoben, Knöpfe und Klappen auch nach unten verschoben Hosen geändert von Französisch auf Englisch Weste 9 Knöpfe und länger gemacht Schnallenschuhe geändert
Jetzt bin ich auf die Drucke gespannt und wie die Proportionen wirken.
Hier als erstes der Kapitän (über drei Jahre Dienstzeit)in seiner Undress-Uniform mit Überhosen und Hessian-Boots.
1.) Kapitän relaxed auf dem Achterdeck stehend 2.) Kapitän nach oben in die Masten schauend 3.) Kapitän mit dem Teleskop suchend
Als nächste Figur, der Leutnant, ebenfalls in Undress-Uniform, mit Überhose und Hessian-Boots
1.) Leutnant relaxed auf dem Achterdeck stehend 2.) Leutnant nach oben in die Masten schauend 3.) Leutnant mit dem Teleskop suchend
Als nächste Figur der Midshipmen, Offiziersanwärter manchmal noch in jungen Jahren. Er ist mit dem Dolch (Dirk) bewaffnet
Da doch hier verschiedene Figuren gebraucht wurden, bei einer Fregatte waren ca. 7 Fähnriche vorgesehen, gab es auch 7 verschiedene Haltungen. Darunter nach oben in die Masten schauend, nach unten von der Reling ins Beiboot schauend, mit dem Teleskop schauend, gehend, zeigend, im Beiboot sitzend, etc.
Die Figuren sehen schon mal gut aus - allerdings kann ich zur historischen Korrektheit keine Aussage machen ...
Mir kommen sie allerdings immer noch irgendwie gedrungen vor, d.h. der Kopf zu groß/lang im Vergleich zur Körpergröße. Ich weiß, daß die 'war-gamer' das gerne haben, da dann das Bemalen der Gesichter vereinfacht wird. Es trägt allerdings nicht zum realistischen Erscheinungsbild bei, vorallem wenn das bei allen Figuren der Fall ist.
Zum Thema Proportionen z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Körperproportion. Aus dem Zeichenunterricht erinnere ich mich, daß der Kopf etwa 1/8 bis 1/7 der Körpergröße ausmachen sollte - bei gotischen Skulpturen/Gemälden ist er gar nur 1/10 der Körpergröße.
Im Maßstab 1:72 wird man die Gesichter nur skizzenhaft bemalen können, es wird also wesentlich weniger Details geben als auf den 3D-Darstellungen zu sehen sind. Ich habe mich immer von den Staffagen auf den Gemälden von Canaletto leiten lassen, der mit ein paar gezielten Farbtupfern eine hervorragende Animation erreicht hat.
Hallo Eberhard, ich werde die Probedrucke abwarten. Bisher sah es bei zu kleinen Köpfen immer sehr merkwürdig aus. Mir wurde versichert, dass die Köpfe nach dem Druck kleiner werden. Ich warte ab, wenn ich die Figuren in den Händen halte, kann ich es beurteilen.
Vielleicht könnten auch die Beine noch etwas Länge vertragen. Neben den etwas überproportionierten Köpfen empfinde ich zudem die Rümpfe als etwas zu massiv ausgebildet. So erwecken die Figuren latent den Eindruck von Zwergen oder Liliputanern. (ich weiß, beides keine politisch korrekten Ausdrücke mehr, aber da pfeife ich drauf 😉)
die Figurinen sind sehr gut geworden. Ich habe beim Kapitän noch vier Änderungsvorschläge, von denen einer nur deswegen sein muß, weil ich nicht aufgepaßt habe.
Im Eifer des Gefechts habe ich an den Rabatten einen Knopf zu viel eingefügt. Das dürfte aber keine große Operation sein, da der unterste Knopf einfach entfernt und der untere Rand der Brustaufschläge nach oben gesetzt werden muß (hellrot).
Zudem sollte der obere Abschluß der Brustaufschläge spitz geschnitten sein, also parallel zu dem korrekt angedeuteten obersten Knopfloch (violett).
Außerdem benötigen die Knöpfe der Weste immer noch eine Unterlage, auf der sie festgenäht sind (grün). Ich habe den Verlauf der rechten (Knopf)Seite der Weste mal grün gestrichelt angedeutet.
Die Rückseite ist fein geworden, jedoch sollten die Knöpfe noch etwas weiter nach oben versetzt werden und der Schoßschlitz sollte nicht über die virtuelle Verbindungslinie der Knöpfe hinaus ragen.
Beim Leutnant schlage ich noch folgende Änderungen vor:
Wie schon beschrieben, handelte es sich bei der dargestellten Form des Uniformrockes um eine Übergangsform, bei der die Rockschöße einen modischeren Zuschnitt erhalten hatten, dem der unterste Rabattenknopf zum Opfer fiel. Deshalb hatte der Rock um 1798 tatsächlich nur 8 Knöpfe. Die Darstellung an der ersten Version war also durchaus korrekt.
Der Übergang zu den nach hinten geschnittenen Schößen war tatsächlich eckig (rote Pfeile) und nicht rund, auch wenn das ab und an auf Gemälden so zu sehen ist. Ich verweise dazu nochmal auf die Abbildung der Dienstuniform in #15.
Die Knöpfe am Kragen solten noch entfernt werden.
Die Taschen sollten nicht nach vorn und hinten wegkippen, sondern so wie an der Uniform des Kapitäns, waagerecht oder in den Ecken ganz leicht nach oben geschnitten dargestellt werden (rot).
Die Figurine des Midshipman ist ebenfalls sehr schön geworden. Jedoch sieht man manchmal Dinge erst beim zweiten Hinsehen und so ist mir nun erst aufgefallen, daß an der Uniform des Kadetten die Schoßknöpfe und die Knöpfe in den Seitenschlitzen fehlen. Diese sollten also noch ergänzt werden.
Wie an den anderen Figurinen auch, sollten die Seitenschlitze nicht so einen starken Schwung aufweisen, sondern etwas senkrechter und paralleler zum Rockschlitz verlaufen und auch hier sollte dieser dann nicht über eine virtuelle Verbindungslinie der Schoßknöpfe hinausragen (rotes X).
Ansonsten tip-top. Die untergeschnallten Degen und die darüberfallenden Rockschöße sehen nun sehr wirklichkeitsnah aus. Wenn der Modelleur bereit ist, die eben angesprochenen Änderungen auch noch durchzuführen, werden das sehr ansprechende Figuren und ich bin schon sehr gespannt, wie die ersten Drucke aussehen werden.
Schade, dass ihr die Seeleute klassisch modelliert. Bei 3D Drucken könnte man welche in 1/36 für eine kleine Battle Station erzeugen.
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
RIchtig, aber wenn ich die Infos richtig verstanden habe, sollen für die einfachen Matrosen konventionelle Urmodelle gebaut werden.
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Zitat von Wolfgang Meyer im Beitrag #36Hallo Eberhard, ich werde die Probedrucke abwarten. Bisher sah es bei zu kleinen Köpfen immer sehr merkwürdig aus. Mir wurde versichert, dass die Köpfe nach dem Druck kleiner werden. Ich warte ab, wenn ich die Figuren in den Händen halte, kann ich es beurteilen.
LG Wolfgang
Wie das technisch geht, ist mir gerade schleierhaft - einerseits wird der 3-D-Druck als extrem genau und vorlagengetreu angepriesen, aber hier schrumpfen die Köpfe? Bin gespannt.
Zitat von wefalck im Beitrag #43Glaube ich auch nicht ... die 'wargamer' mögen Wasserköpfe, weil die sich leichter bemalen lassen ...
Das ist so auch nicht richtig, dafür gibt es dann doch zu viele, recht populäre Spiele mit „in-Scale“ Figuren (Herr der Ringe z.B.) Hier geht es eher um die leichtere Erkennbarkeit auf dem Spielfeld und einen generell „cartoonigeren“ Charakter.
Der Szene Faulheit und Unvermögen zu unterstellen ist nicht angebracht - gerade malerisch ind diese Leute extrem fähig und technisch versiert.