Ich beschäftige mich derzeit mit der Besatzung meines Modells. Dabei sind mir in etlichen Zeichnungen auf der Back oder Achtern "Rohre" aufgefallen, wie hier im Ausschnitt der Brederode. Van de Velde Drawings National Maritime Museum
Auf diesem Ausschnitt der Walcheren erkennt man, daß es Gewehrläufe sind. Frank Fox A distant storm
Zunächst dachte ich an Musketen, allerdings erscheinen mir die Läufe doch recht dick. Hier sind sie nur schemenhaft zu sehen, aber man erkennt, daß sie zum Schuß auf der Reling aufgelegt wurden. Van de Velde Drawings Boymans Museum
Ich habe ein wenig gesucht und bin auf die Wallbüchse gestoßen. Diese waren wohl länger und schwerer als Musketen, hatten ein größeres Kaliber und eine bessere Treffsicherheit als diese. Sie konnten noch aus der Hand abgefeuert werden, mußten aber augelegt werden. Daher der Name Wallbüchse. Der Rückstoß war mitunter so groß, daß er über einen Haken (Hakenbüchse) ins Mauerwerk abgeleitet wurde. Ob alle Wallbüchsen auch Hakenbüchsen waren hat sich mir nicht erschlossen. Aufgrund der Größe wurde die Waffe defensiv zur Verteidigung von Gebäuden eingesetzt - Defensgewehr. Die Wallbüchsen waren ersteunlich lange im Gebrauch, bis ins 19. Jhd. hinein.
Hier die interessante Abb. eines "Doppelhakens", eine Replik einer Waffe um 1630. Neben dem Haken gibt es hier auch noch Schildzapfen, in denen die Waffe gelagert werden kann. Das Bild ist von dieser Seite, dort sind weitere Fotos und Infos zum Vorbild Coburger Doppelhaken
Der Einsatzzweck der Wallbüchse würde auch ganz gut zu Schiffen passen. Große Reichweite, Zielsicherheit, die mangelhafte Mobilität fiele nicht ins Gewicht. Bei diesem Gemälde aus dem frühen 17. Jahrhundert sind Handfeuerwaffen in der Kuhl aufgelegt und werden eher aus der Hüfte abgefeuert. Nicht wie eine Muskete oder ein Gewehr angelegt. Rijksmuseum - Battle of Cadiz 1608
Könnten das Wallbüchsen sein, die auf den zeitgenössischen Gemälden des öfteren zu sehen sind? Kennt sich da jemand aus? Auf den Zeichnungen tauchen auch äußerst selten Drehbassen auf, ich kenne nur eine Darstellung an einer Jacht. Im 18. Jhd. findet man dagegen häufiger Pfosten am Rumpf, in denen sie gelagert wurden. Bedenkt man die Schildzapfen am Doppelhaken oben, könnten Wallbüchsen Vorläufer der Drehbassen gewesen sein, bzw. durch diese in der Marine abgelöst worden sein?
zumindest auf der Vasa und auf der Mary Rose ist mir sowas noch nicht begegnet.
Allerdings hat man sicher alle möglichen verfügbaren Waffen auch verwendet. Das Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg und das Armeemuseum in Ingolstadt haben für das 17. Jahrhundert umfangreiche Sammluneng aller möglichen und unmöglichen Waffen, die es damals so gegeben hat. Vielleicht lohnt es, sich da einmal umzuschauen.
Grüße, Alexander
Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten. (Katharina von Siena)
Hallo Holger, bei meinen Recherchen zur Hardlooper Galiot habe ich darüber gelesen und für Dich nochmal rausgesucht: Im Krieg mit Bantam (1682 - 84) setzten die Javaner auf ihren Kriegsprauen gegen die holländischen Schiffe 40 "Doppelhaken" ein, können aber den eichenen Schiffsplanken ihrer Gegner (der Holländern) nichts anhaben. Die Doppelhaken werden beschrieben: Fast 2 m lange, 30 kg schwere Büchsen mit einem Geschoßgewicht bis 116 g. Sie wurden von zwei Mann bedient und auf Böcken oder auf die Reling aufgelegt.
Quelle: Die Reise nach Batavia, Peter Kirsch, 1994, S. 215
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Zum eigentlichen Thema kann ich nichts beitragen, möchte aber anmerken, daß Wallbüchsen eigentlich noch bis heute verwendet werden. Eine größere Renaissance fand statt, als die ersten Panzer auftauchten und man sie zur Bekämpfung leichtgepanzerter Fahrzeuge einsetzte (sog. Panzerbüchsen, Kal. 20 mm). Auch zur Ballonabwehr wurden sie auf entsprechenden Schießgestellen verwendet - das preußische Heer setzte im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 Zündnadel-Wallbüchsen M65 (Kal. 23,6 mm) ein, um Jagd auf Ballons zu machen, die das belagerte Paris verließen. Im heutigen Militär werden großkalibrige (12,5 mm) Schafschützengewehre taktisch in ähnlicher Weise eingesetzt, wie die alten Wallbüchsen.
Vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich habe ein pn an Willi geschickt, evtl. weiß er mehr zu diesem Thema. Die Reise nach Batavia von Kirsch kenne ich gar nicht, muß ich mal nach stöbern, klingt für mich jedenfalls interessant. Von der preußischen Zündnadel-Wallbüchse hatte ich gelesen. Zur Freude der süddeutschen Fraktion findet sich auch leicht eine bayerische & badische Wallbüchse. Waren mir aber allesamt zu modern Daß sich das Prinzip aber bis heute herüberretten konnte war mir neu.
Man tut gut daran, Waffen mit Wirksamkeit über verschiedene Distanzen und verschiedene Ziele vorzuhalten. In alten Zeiten waren das die Wallbüchsen für Entfernungen über 200 bis 300 m, Musketen/Luntengewehre für Entfernungen von 50 bis 100 m, und die Donnerbüchsen (blunderbusses - die klassische Piratenwaffe der Filmindustrie) für Entfernungen darunter.
Doppelhaken werden in Szymanskis Buch über die Kurbrandenburgische Marine auch als Teil der Bewaffnung der u.a Livländischen Schute genannten Schiffseinheit aufgeführt. Das Schiff/Schute, auch als "Fregatte" bezeichnet, führte neben 4 Dreipfündern eben auch 4 dieser Doppelhaken. Angekauft 1675 wird das Schiff 1678 zuletzt erwähnt. Doppelhaken wurden von den Brandenburgern auch während des 30-Jährigen Krieges eingesetzt.
Weiss jemand etwas verlässliches zu sagen, ob die Wallbüchsen auch noch während der napoleonischen Epoche verwendet wurden? Ich finde leider nur Beispiele bis zum siebenjährigen Krieg
Grüßle vom schönen Bodensee
Matthias
Der Schlüssel zum Glück ====> EINFACH MAL ZUFRIEDEN SEIN
Zitat von wefalck im Beitrag #11Ich sehe auf den Bildern keine Musketen und Schiießscharten, sondern nur Riemen und die dazugehörigen Riemenpforten ...
Dann sind die beiden oberen Bilder für dich unsichtbar. :-) Die unteren wohl auch, denn die Schießscharten sind unübersehbar. Einfach anklicken...