Wir machen jetzt einen Stuhlkreis. Der alte Lehrer erzählt mal wieder. Ihr wisst, dass ich den Schoner Hamilton nachbauen möchte. In der Rubrik Recherche habe ich ja ausführlich über die Geschichte dieses versunkenen Schiffes berichtet. Ich habe den Seitenriss und eine Deckszeichnung. Die Bilder können durch Anklicken vergrößert werden.
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Was mir fehlt ist der Spantenriss. Solange die Hamilton nicht gehoben ist, wird es keinen authentischen Riss geben und jedes Modell der Hamilton wird vergleichbar sein mit dem einer Mayflower oder Half Moon. Eine nach den Möglichkeiten angenäherte Replik. Meine Kontaktbemühungen mit dem Military Museum in der Stadt Hamilton waren nicht von Erfolg gekrönt. An meinem Englisch kann es nicht liegen, die Idiomatik und Grammatik habe ich 40 Jahre mit Fleiss vermittelt. An einem Mangel an Höflichkeit auch nicht, ich bin eigentlich die personifizierte Höflichkeit. Haltet die Klappe da hinten, ihr Suppenhühner!
Also weiter. Vieleicht liegen die Mails bei einem alten, historisch interessierten Mitbürger in Hamilton, vielleicht ist die Stadt auch eingeschneit, die Museen geschlossen. Der Wintereinbruch hat ja den Norden dort kalt erwischt. Es müsste eigentlich Material z.B. der Beilbrief vorhanden sein. Der Eigner hat Jahrzehnte lang gegen die USA prozessiert und dabei sicher Unterlagen vorgelegt, die vielleicht in irgendwelchen Gerichtsakten schlummern oder sie sind im Familienerbe verschüttet. Wer weiss. Generell habe ich sehr gute Erfahrungen in Bezug auf die Hilfswilligkeit in den Staaten oder in Kanada machen können. Auch diesmal wieder entlang der Georgian Bay. Ich suchte in den öffentlichen Büchereien auch das Buch "Warships of the Great Lakes" und die Ladies waren so bemüht, obwohl ich ja kein Büchereimitglied war. Sie reichten mich auch telefonisch immer weiter und in der vierten Bücherei wurde ich schon mit "Hallo Jorg" und Knappergebäck empfangen. Das Buch von Malcomson hatte ich dann schließlich auch in den Händen. Bei seinen Spantenrissen war die Hamilton nicht dabei. Jedenfalls habe ich mir viele Kopien machen können, kostenlos. Nun verwende ich meinen eigenen Spantenriss. Ein vergleichbares Schiff ist der Topsegelschoner "General Hunter" von 1807. Von ihm gibt es Pläne, die der Baumeister William Bell gezeichnet hat. Die General Hunter wurde von der Marine in Auftrag gegeben. Die Hunter hatte wie die Hamilton eine Achterkabine, ein durchgehendes Hauptdeck, keine Bordwand, nur eine Holzreling, und ein Galionsscheg. Ich habe dann den Spantenriss der Hunter mit weiteren Rissen von Fahrzeugen dieser Zeit auf den Großen Seen verglichen und die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Ein Schiffbauer, der von England oder Schottland an die Großen Seen kam, mußte umdenken. Er baute nun ein Schiff für Süßwasser, es würde tiefer eintauchen, als ein Meeresfahrzeug. Bei der 1780 gebauten Brigg Ontario hatte man diesen Umstand wohl nicht genügend berücksichtigt. Ihre Geschützpforten lagen zu tief und trugen mit zum Untergang bei. Kollege Bradhower baut ja gerade dieses Modell und kann mehr darüber berichten. Die Schiffe auf den Großen Seen mussten dennoch alle flach gebaut sein. Ein geringer Tiefgang war die Grundvoraussetzung. Selbst die Haupthäfen am Ontariosee Fort Niagara, York (heute Toronto) und Cataraqui (heute Kingston) waren nicht ausgebaut, sondern es gab nur Anlegestege hinaus ins Wasser. Es gab Flussmündungen, die angefahren werden mussten, und Sandbänke. Als 1829 der Old Wellandkanal gebaut wurde und somit parallel zum Niagara River eine Verbindung zwischen Ontariosee und dem rund 100 Meter höher gelegenen Eriesee geschaffen wurde, musste man den flachen Schiffsrumpf beibehalten, die 80 (!) Schleusenkammern waren nicht tief. Um 1852, also lange nach der Hamilton, entwickelte der Schiffsbaumeister William Bates mit dem Schoner Challenge die sailing barge, einen Schiffstyp, der bis zum Ende der kommerziellen Segelschifffahrt auf den Großen Seen Verwendung findet. Er führte den Klipperbug auf den Großen Seen ein und setzte auch auf den flachen, fast u-förmigen Boden. Um die Abdrift zu verringern, verwendete er das Centerboard, das Mittelschwert. Es dient nicht dazu, den Schwerpunkt des Schiffes tiefer zu legen, wie bei meinen anschraubbaren Schwertern und der Bleibombe. Nein, es hatte die gleiche Funktion wie das Seitenleitwerk bei einem Flugzeug. Den Riss der General Hunter wollte ich so nicht übernehmen, da habe ich ja meinen Stolz. Ich scannte den Spantenriss des colonial schooners von H. Chapelle ein und stauchte ihn so, dass die Risse ähnlich waren. Die Übereinstimmung ist besonders im Heckbereich deutlich.
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Das Modell soll wieder im Maßstab 1 : 35 als Fahrmodell gebaut werden. Die Maximalbreite beträgt 16,5 cm.
Eine andere Baumethode habe ich verworfen. Vor einiger Zeit habe ich den Reichspostdampfer "Hedwig von Wissmann" gebaut. Er fuhr um 1914 auf dem größten See des Deutschen Reiches, dem Tanganyikasee. Das muss man sich vorstellen, sie wurde 1900 in Einzelteilen von 45 kg Gewicht auf den Köpfen von Trägern an den See gebracht, denn die Mittellandbahn existierte noch nicht. Der Werftplan enthält nur den Seitenriss, den Decksplan und den Hauptspant. Ich habe nach diesem Material einen Rumpf aus Styrodur gebaut. Dabei werden mehrere Styrodurplatten à 2 cm aufeinandergeklebt, also Schichtbauweise. Der Engländer nennt es bread and butter system. Nachdem der Rumpf geraspelt und geschliffen war, wurde er in Scheiben geschnitten, wie ein Laib Brot. Diese einzelnen Scheiben wurden dann abgezeichnet und ergaben den Spantenriss. Da hatte ich aber wenigstens den Mittelspant.
Muss ich eigentlich die Hamilton bauen? Ich habe ein schönes Fahrmodell des französischen Gaffelschoners Mosca (Fliege). Das Originalschiff wurde 1810 gebaut, war 21,13 Meter lang und der Eigentümer hatte einen Kaperbrief. Im Ärmelkanal und in der Karibik machte er Jagd auf britische Handelsschiffe.
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Die Mosca fährt sehr schön und ich könnte zufrieden sein. Nein, ich habe die Zeit, das Material, die maschinellen Hilfsmittel, eine warme verschließbare Werkstatt (Staub) und eine verständnisvolle Gattin. Die Blätter mit den Spantenrissen liegen bereit. Sie wollen beschnitten werden. Aber eine weitere Schwierigkeit tat sich auf. Was war die Länge der Hamilton? E. Cain gibt sie mit 75 ft an, die Breite mit 25 ft. Vergleichbare Schiffe, die Kriegsschoner Porcupine und Tigress von 1813, hatten eine Länge -on the deck- von 60,5 ft und eine Breite von 17 3/4 ft. Die schon genannte General Hunter hatte eine Länge von 54 ft. -on keel- und eine Breite von 18 ft.
Die Hausaufgabe lautet: Ist bei den 75 ft der Hamilton von einer length on keel oder von einer length on deck auszugehen? Cindy-Marielle, Du willst lieber über Justin T. schreiben? Dann mach´s doch!
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Soweit bin ich gekommen. Ich werde den Bau abbrechen. Die Proportionen stimmen nicht. Der Spantenbau -eigentlich sind es ja Mallen, denn die Spanten werden später entfernt und zurück bleibt die Rumpfschale- hat eine Länge von 60 cm und eine Breite von 20 cm. Das ergibt ein Verhältnis von 3 : 1. Das Modell wird entschieden zu breit. Die von E. Cain angegebenen Werte 75 ft length, 25 ft beam können nicht stimmen. Ich habe darauf hin die Maße zeitgleicher Fahrzeuge auf den Großen Seen auf ihr Längen - Breite Verhältnis geprüft. Brigg Niagara 3.7, Schoner Hunter 3.7, Brigg Moira 3.5, Schoner Nancy 3.7. Anschließend wieder im Internet gesucht. Bei Wikipedia wird die Länge des Schiffes mit 34 Metern angegeben. Das ist aber wohl die Gesamtlänge des Schiffes mit Bugspriet. Kann man Wikipedia trauen? In dem Buch "Warships of the World to 1900" von Lincoln P. Paine, 2000 fand ich die Angaben: Hamilton L/B 73 X 20 ft (22,3 m X 6,1 m). Hier ergibt sich ein Verhältnis von 3.6 und somit eine Übereinstimmung mit den oben genannten Schiffen. Die Länge in meinem Maßstab 1 : 35 bleibt, aber die Breite verringert sich auf 16.1 cm. Ich werde sehen, wie viele Teile ich retten kann -Kiel, aufgefütterte Bugpartie, Vierkanthölzer, vielleicht das Heck - und neu beginnen.
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So, jetzt mal ernsthaft: Welchen Angaben kann man wirklich trauen? Wie vielen Bauplänen kann man trauen? Wie viele "Spezialisten" haben sich geirrt? Photos gibt es natürlich nicht !!!! Es gibt eine Wahrheit, die nicht bewiesen ist ! Was bleibt übrig?: Bauen wie man es weiß! Das es nicht stimmt, kann Niemand beweisen. Denn sämtliche Recherchen stammen, teilweise, von Menschen, die Damals nicht gelebt haben.
Bilder sind jetzt da. Es ist halt ärgerlich, wenn man nach zwei Tagen Sägens und Bauens feststellen muss: Das war`s nicht. Andererseits war es besser, jetzt abzuzbrechen. Was hab ich von einem Modell, das mir hinterher nicht gefällt. Die Angaben sind dürftig, unbestimmt und widersprüchlich. Ich werde meine Hamilton, ex Diana bauen! Jawohl Gruß Gebbi
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Heute war Großkampftag. Abbruch des Spantenbaus, Kofferpacken, Spanten aussägen, Einkaufen, Geld von der Bank, Spantengerüst aufstellen. Morgen geht´s für eine Woche nach Neapel, Standort wird Paestum sein. Mit dem Mietauto sind wir dann unterwegs; Amalfi, Pompeji, Salerno, Vesuv. Da ist es 20 Grad warm. Aber das Spantengerüst von Hamilton II ist aufgestellt und es sieht gut aus. Jetzt wird´s. Nach dem Urlaub wird gestrakt und dann beplankt.
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Du hast dir einen tollen Platz ausgesucht um Urlaub zu machen. Amalfiküste mit Mietwagen... achte drauf, dass du gut versichert bist. Ein paar italienische Flüche solltest du dir zurechtlegen. Aber ansonsten: Tolles Programm!
Das wäre was. Ich sitze abends im Hotelzimmer und schleife. Vom Staub geht dann noch der Rauchmelder an! Auf der Suche nach den Maßen der Hamilton ex Diana bin ich auf weitere recht interessante Fakten gestoßen. Es gibt wohl eine recht einflussreiche öffentliche Meinung, die sich gegen die Hebung der beiden Schiffe ausspricht und zwar aus ethisch-moralischen Gründen. Immerhin ist die Untergangsstelle und das Schiff selbst ein Grab. 2006 wurde ein Boot über der Untergangsstelle beobachtet, das mit Tauchgeräten ausgestattet war. Seitdem ist die Umgebung der Untergangsstelle mit Sensoren versehen, die unbefugtes Tun melden sollen. Furcht hat man auch vor den Ankern großer Frachter in dieser Bucht. Sie könnten große Schäden anrichten. Weiterhin hat eine US Gesellschaft angeboten, die Bergung durchzuführen und einen Teil der Kosten zu übernehmen. Die Kanadier sind auf dieses Angebot nicht eingegangen, denn diese US Gesellschaft würde eins der Schiffe für sich, d.h. für die USA fordern. So bleiben sie halt unter Wasser und die Quaggamuscheln wachsen und wachsen.
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Hallo Bodo, Die italienische Fahrweise ist uns vertraut. Da muss man ruhig bleiben. Waren auch schon auf Sizilien unterwegs. Noch grenzwertiger war Albanien. Rush hour in Tirana, das war der Hammer. Aber Du hast recht. An den Versicherungen soll man nicht sparen. Gruß Gebbi
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Bin wieder im Lande. Unser Leihwagen war ein Renault Twingo und ich habe die Hupe nicht gefunden. Großraum Neapel ohne Hupe ist garnicht gut!!. Diese Schiffe habe ich entdeckt.
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Von vht -Verlag habe ich den Plan der Gina ..... Die ist zwar größer, aber der Spantenriss ist wohl gleich. Das könnte ein neues Projekt sein. Die Hamilton habe ich inzwischen gestrakt. Musste an einigen Stellen auffüttern und der vorletzte Spant passte garnicht. Jetzt ist aber der Verlauf schön harmonisch und die ersten Planken sind schon dran. Morgen gibt es Bilder vom Baufortschritt. Gruß Gebbi
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Ich beplanke mit 2 mm Balsaholzsteifen. Sie sind etwa 1 cm breit. Ich wässere sie vorher im Gartenteich und biege sie dann. Geklebt wird mit Ponal wasserfest. Ich fixiere sie mit kurzen Stecknadeln. Sie haben größere Glasköpfe und tun nicht so weh beim Reindrücken. An den Enden schneide ich die Streifen oft längs ein. So lassen sie sich leichter biegen und brechen nicht. Das habe ich bei Originalschiffen gesehen. Beim Bau von Gulets in der Türkei machen die es auch so. Auf dem ersten Bild sieht man noch die Stringer. Sie geben der Spantenkonstruktion Halt. Die oberen Stringer sind schon verdeckt. Sie liegen in Höhe des späteren Decks. Auf Schönheit und Ebenmäßigkeit muss ich bei der Rumpfbeplankung nicht achten, es kommt ja noch eine Lage darüber, jedenfalls im Überwasserbereich. Nach den ersten drei Planken wurde die Krümmung zu stark und ich habe neu angesetzt. Vorn musste ich eine spitz zulaufende Planke einfügen. Jetzt konnte ich ohne Spannungen weiterplanken.
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