Ich werde versuchen, in diesem Baurecht zwei Absichten miteinander zu verbinden. Erstens die Vorstellung dieses Bausatzes, der nach Batavia und Vasa von Revell nach über zehn Jahren ein neues Plastikmodell aus dem Bereich historischer Schiffe präsentiert. Gleichzeitig werde ich zeigen, wie sich der Bausatz meiner Meinung nach erweitern oder verbessern lässt. Grundsätzlich dies: Ich bin sehr glücklich darüber, dass sich ein neuer Hersteller gefunden hat, der sich an dieses Projekt wagt. In den letzten Jahren, besser: Jahrzehnten haben nur große Firmen wie Revell neue Modelle historischer Segler auf den Markt gebracht. Immer hatten sie bekannte historische/reale Vorbilder, sodass man sich viel Werbung sparen konnte. Auch HIS Model aus Tschechien ist diesen Weg gegangen, indem es den Nachbau, besser: Neubau der Statenjacht Utrecht zum Vorbild genommen hat. Nun ja. Besonders originell ist das natürlich nicht. Es existiert ein sehr liebevoll gestalteter Kunstharzbausatz der Firma Artitec aus Amsterdam im Maßstab 1:87, der allerdings schon lange nicht mehr im Handel ist. Die Firma Dusek bietet einen Holzbausatz im Maßstab 1:48 an. Das Vorbild ist also in Modellbaukreisen nun wirklich nicht unbekannt. Ich selbst habe das Artitec Modell schon mehrfach gebaut, war und bin aber trotzdem sehr gespannt darauf, wie Neukonstruktionen im Jahr 2023 aussehen. Nun bin ich nicht unbedingt ein Fachmann für Herstellungstechniken von Spritzgussbausätzen. Jemand, der sich besser auskennt als ich, vermutet angesichts dieses neuen Bausatzes, dass er aus einer Form stammt, die nicht wie üblich aus hochhartem Stahl besteht und deshalb in der Fertigung erheblich preiswerter ist. Ich vermute darüber hinaus, dass eine solche Short Run Form (der Name bezieht sich auf die kürzere Lebensdauer) quasi direkt aus der Entwurfszeichnung im Computer entsteht. Anders kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ein kleiner Anbieter wie HIS Model eine solche Investition stemmen kann. @wefalck kann sicher noch mehr dazu sagen. Ich habe vor ein paar Tagen mit dem Bau begonnen und werde meine Arbeit hier nach und nach vorführen. Schmidt
Na ja, ich kann nur mutmaßen, daß es wahrscheinlich biliiger ist, mit CNC-Fräsen oder EDM eine Form mehrfach aus nicht ganz so hartem, abriebfestem Stahl herzustellen, als eine solche aus dem sonst in der Branche üblichen Stahl. Wenn man die Chinesen gut instruiert und auch angemessen bezahlt machen die das sicher deutlich billiger, als die europäische Konkurrenz. Allerdings dürften die Tschechen selbst die Technologie haben und deren Stundenlöhne sind deutlich niedriger als hier im 'Westen'.
Die Maschinen lassen sich natürlich direkt aus dem 3D-Computer-Programm, wie eben auch ein 3D-Drucker ansteuern. Man muß dem Formenbauer nur die Datei schicken.
Ich beginne ohne weitere große Vorreden oder allgemeine Einschätzungen. Etliche meiner Beobachtungen an Details sollen und werden für das Ganze stehen. Die Rumpfschalen: Sie tragen keinerlei Holzmaserung, und das ist in meinen Augen auch gar nicht so schlecht. Schiffsrümpfe sind alle eher glatt, die Maserung ist ein Muster des Materials (Holz), keine Oberflächenstruktur. Es sei denn, der Pott verwittert bereits. Freilich werde ich die Oberfläche schon deshalb leicht aufrauen, damit die Farbe besser haftet. Ob und wie eine „Maserung“ eingeschliffen werden sollte, wird sich später zeigen.
Das sind die Kränze rund um die Stückpforten.
Ein Vergleich mit dem Original (aufgenommen 2014 in Utrecht) zeigt die Bemühung um Vorbildtreue.
Beim Artitec Modell (hier meine Halbmodell-Blankholz-Variante fällt der Kranz ein bisschen verwaschener aus, was sicher auch dem nicht unbedeutenden Maßstabsunterschied von 1:72 zu 1:87 geschuldet ist. Andererseits gut erkennbar, dass das Resinmodell von Artitec Details wie Nagelung und Plankenstöße (auch auf den Barkhölzern) aufweist.
Ich besitze seit langem den ARTITEC-Bausatz und hatte vorgesehen, diesen als 'Modell eines Modells' zu bauen, d.h. im Stil alter Schiffsmodelle. Allerdings, haben die ARTITEC-Leute einen gewissen Hang zur rustikalen Gestaltung der Rümpfe und geben ihnen eine Anmutung jahrzehntelangen Gebrauchs, was für diesen Plan weniger geignet ist.
Dieser neue Bausatz scheint meinem Plan eher entgegenzukommen. Der Maßstab 1:72 ist allerdings weniger günstig.
Es ist wahrscheinlich der hier angewendeten Technik des Formenbaus geschuldet, dass kein Teil des Bausatzes Löcher oder Pins aufweist, wie man sie vom Plastikmodellen allgemein kennt und die den Zusammenbau organisieren und erleichtern. Da wo Ätzteile eingesetzt werden sollen, muss man diese Löcher nach exakten Hinweisen in der Bauanleitung selbst bohren. Man braucht also notwendig eine Kleinbohrmaschine und Bohrer in verschiedenen Stärken von 0,6 bis 1,3 mm. Bei meinen bisherigen Bohrungen hat sich gezeigt, dass das verwendete Material sehr weich ist und vom Bohrer auch auf kleiner Drehzahl schnell geschmolzen wird. Ich habe deswegen bei den Bohrungen ein dickflüssiges Öl verwendet, dass die Hitze ableiten soll. Trotzdem war immer allerhöchste Vorsicht geboten, damit aus den Löchern keine Krater werden. Plastikteile untereinander werden stumpf verklebt, was allerhöchste Aufmerksamkeit beim Klebevorgang und ein Sortiment von Klammern, Klemmen und anderen Haltematerialien erfordert. Das beginnt schon bei den Rumpfschalen. Da wo ich keine Klemmen einsetzen konnte, habe ich mit Klebeband gearbeitet. ,
Es werden drei Decksbalken eingesetzt. Hier gibt es zwar Pins und Löcher, aber die fallen sehr klein aus. Dabei haben die Decksbalken tatsächlich eine tragende Funktion, denn die Baueinleitung sieht vor, das Deck ohne Verklebung im Rumpf einzuklemmen, wobei die Decksbalken den unteren Anschlag markieren.
Das ist sehr optimistisch gedacht, zumal das Deck (in meinem Bausatz) ein wenig gewellt ist. Ich habe daher an einigen Stellen zusätzliche Auflagen in den Rumpf geklebt, hinten im Bereich der Kabine und, sehr wichtig, ganz vorne am Bug. Von letztere habe ich leider kein Foto gemacht, dabei sind es die wichtigsten, weil sie die leichte Steigung des Decks Richtung Buk unterstützen müssen. Passproben haben dann bewiesen, wie wichtig diese zusätzlichen Anschläge sind, denn das Deck lässt sich nicht, wie vorgesehen, bequem von hinten einschieben, ganz einfach, weil es an seiner breitesten Stelle erheblich breiter ist als der hinterste Deckbalken. Der hat sich bei jedem Versuch, das Deck einzulegen, wieder aus der Halterung gelöst, sobald die Bordwände gespreizt wurden. Ich will nicht so weit gehen, hier von einem Konstruktionsfehler zu sprechen. Jemand anderes wird das vielleicht hinkriegen. Das Einlegen der Decks ist bei praktisch jedem Segelschiffsmodell eine extrem heikle Angelegenheit und geht niemals ohne eine Belastung der Konstruktion ab. Die normalerweise innen an die Rumpfhälften gespritzten Auflagen scheinen mir da noch immer die beste Unterstützung dieses Vorgangs zu sein.
Zitat von Schmidt im Beitrag #5Bei meinen bisherigen Bohrungen hat sich gezeigt, dass das verwendete Material sehr weich ist und vom Bohrer auch auf kleiner Drehzahl schnell geschmolzen wird. Ich habe deswegen bei den Bohrungen ein dickflüssiges Öl verwendet, dass die Hitze ableiten soll. Trotzdem war immer allerhöchste Vorsicht geboten, damit aus den Löchern keine Krater werden.
Und ich sach noch: "Bohrt sowas immer von Hand !!! " (imperativus maximus!)
Ich würde da schon von einem Denk- oder Konstruktionsfehler sprechen ... In mechanischer Hinsicht führen die durchgehenden Decksbalken auch zu einer 'Überbestimmung' des Systems, d.h. es hat nicht genügend Freiheitsgrade, sich an Fertigungstoleranzen anzupassen. Die Paßgenauigkeit des Decks leidet darunter.. Es wäre in der Tat besser, innen umlaufend Auflagen vorzusehen und dann die Rumpfhälften beim Einkleben zusammenzuziehen.
In Polystyrol bohre ich nie mit der Bohrmaschine, sondern mit einem Uhrmacher-Drillbohrer (gibt's in der klassischen, einfachen Version oder mit Federrücklauf).
Ich habe das Teil Nr. 1 auf der Abbildung Ende der 1980er in Nottingham gekauft - damals gab es noch mitten in der Stadt einen alten (polnischen) Uhrmacher dessen (britische) Frau vorne einen Laden für Uhrmacherbedarf betrieb. Kriegt man aber heute leicht über das Internet. Diese Bohrer sind für Schaftdurchmesser bis 1 mm geeignet.
Die normale Plastikstärke wird bei einem Modell dieses Maßstabs nie ausreichen, um die Dicke der Bordwand wiederzugeben. Wir haben das Problem ja bei praktisch allen historischen Seglern und bringen zumindest in den unteren Decks Plastikstreifen an, die die Anmutung einer massiven Bordwand garantieren sollen. Schwierig ist das auf dem Oberdeck, wo bei dieser Methode Details verloren gehen würden. Die Konstrukteure bei HIS Model haben einen selten eingeschlagenen Weg gewählt. Hier gibt es insgesamt vier Teile, die die innere Bordwand darstellen und gleichzeitig das Deck in Position bringen sollen. Geschickter Weise ist der obere Handlauf an diesen Teilen angespritzt, sodass sie eine L-Form haben. In der Theorie ist das eine elegante Lösung, in der Praxis bedarf es etlicher Stellproben, bevor man einigermaßen sicher sein kann, dass die Teile wirklich passen. Ich bin dabei sehr vorsichtig vorgegangen, musste ziemlich viel biegen, aber schließlich kaum Anpassungen per Schleifen vornehmen.
Der Klebeprozess ist heikel, wie immer, wenn man größere Teile, die bei der Verbindung auf Spannung stehen, verkleben will. Die Stellproben mit Klammern und Zahnstochern haben dabei geholfen. Die Zahnstocher, durch die Stückpforten gedrückt, sind ein probates Mittel bei der richtigen Justierung der Teile.
Als nächstes wird der untere Teil des Heckspiegels eingeklebt. Auch hier keine Anschläge oder Klebekanten. Die Rumpfschalen und der Spiegel sind lediglich an den Kanten gebrochen, sodass es zu einer 45 an 45 Grad Berührung kommt. Mit Klammern kann man hier nicht arbeiten, deshalb mussten meine Hände ein paar Minuten lang als intelligente Zwingen fungieren. An Backbord wird etwas Magic Sculp die nicht besonders großen Ritzen ausfüllen. Eine andere Möglichkeit wäre es, von innen Magic Sculp in die Verbindung zu drücken; das würde überdies die Verbindung der beiden Teile dauerhafter machen.
Hätte man nicht Polystyrolstreifen, gewissermaßen als falsche Spanten, innen als Anschlag einkleben können, so daß es beim Zusammenbau einen Freiheitsgrad weniger zur Justierung gegeben hätte?
Ja, aber ich glaube, das hätte im schlimmeren Fall dazu führen können, dass die Rundung nicht perfekt gleichmäßig geworden wäre. Ich befürchte bei Polstyrol Verklebungen sowieso immer, dass die im Zuge des Vorgangs Verzerrungen bilden. Im vorliegenden Fall hätte man das auch nicht nachrüsten dürfen, weil der Handlauf außen ein ganz klein wenig über die Bordwand hinausragen muss. Dazu später noch mehr. Schmidt
Beim Einkleben des Heckspiegels gibt es wieder keinerlei Anschlagpunkte, und das, obwohl die Bordwand im Bereich der Kabine keinesfalls bereits die richtige Form hat, sondern stark nach innen gebogen werden muss. Ich habe dabei die Decke des Aufbaus als Maß genommen, obwohl auch die keine Anschläge besitzt. Ich habe sie bei der Gelegenheit gleich mit gefertigt, sich werden später noch von Bedeutung sein. Eine dritte und eine vierte Hand hätte ich beim Vorgang des Einklebens ganz gut brauchen können. Letzten Endes aber kein Teufelswerk, nur aufwendig und tricky, übrigens ebenso wie das Einkleben des Heckspiegels bei fast allen Airfix Segelschiffen.
Und nun wird ernst. Es mag sein, dass ich irgendwann einen Fehler begangen habe, aber ich finde ihn nicht, aber das Frontschot des Aufbaus ragt 1,5 mm über die seitliche Bordwand hinaus.
Ich hätte in diesem Bereich das Deck absenken müssen, aber dann hätte sich ein Spalt zwischen Deck und innerem Schanzkleid ergeben. Ich werde dieser Herausforderung begegnen müssen.