neben meinem aktuellen Projekt eines niederländischen Oorlogschiffes von 1613 bearbeite ich immer auch weitere Bestecke aus niederländischen Archiven. Nun habe ich seit einigen Tagen ein interessantes Besteck auf dem Küchentisch liegen. Es handelt sich dabei um ein Pinass-Schiff aus dem Jahre 1693, also in der Zeit des technisch/konstruktiven "Umbruchs". Ich möchte natürlich daran erinnern, dass die niederländischen Schiffbauer Neuerungen nicht unbedingt offen gegenüberstanden. Aber einige Entwicklungen fanden trotzdem oder gerade deswegen statt. Das betraf aber meistens die fünf Admiralitäten und die großen Handelskompanien. Die treibenden Kräfte gingen aber meist von den Handelskompanien aus.
Nun schwebt mir so vor, etwas mehr daraus zu machen.
Meine Frage an die Mitglieder des Forums lautet also: Besteht überhaupt Interesse an einer solchen Arbeit?
Kurz noch die wichtigsten Daten des Schiffes:
Länge über die Steven = 152 Fuß (Amsterdamer Maß) Schiffsweite = 39 Fuß innerhalb der Haut Raumtiefe = 17 Fuß von der Oberkante des Kiels bis zur Oberkante des unteren Decksbalken. Es wurde in diesem Fall im ersten Drittel von vorn gemessen. Das zweite durchgehende Deck lag 7 Fuß über dem unteren, durchgehenden Deck. Auch hier wurde von der Oberkante des unteren Decksbalken bis zur Oberkante des darüber liegenden Decksbalkens gemessen.
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Nun gut, beginnen wir mit der ersten Originalseite des 11-seitigen Bestecks. Im Laufe der Bearbeitung werden die einzelnen Textabschnitte näher erläutert und weitgehend ins deutsche übertragen. Das dieses nicht immer zu 100% gelingt, liegt auf der Hand. Texte vor 1700 sind gelegentlich sehr undurchsichtig. Ferner sollen Zeichnungen den Inhalt des Bestecks verdeutlichen.
Gruß Werner
Werner
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NOTA00260000136.jpg
Hier einmal losgelöst vom Besteck eine erste Übersichtszeichnung, ganz grob aber mit den Maßen aus dem Besteck. Die Qualität der Zeichnung muss noch verbessert werden. Da ich hier erst mal nur JPG-Dateien zeige, muss ich an der Auflösung usw. noch ein wenig arbeiten.
Es gibt noch eine kleine Ungereimtheit. Im Besteck wurde leider nur die Dicke der beiden Steven erwähnt. Länge bzw. Höhe und Breite hatte man verschwiegen. Es gibt aber genügend Vergleichsmaterial, um die Steven zu Rekonstruieren.
Der im Längsschnitt gezeigte Kiel ist daher temporär abgelegt. Er wird im Lauf der Zeit vermutlich noch ein wenig nach hniten wandern. Im Augenblick ist das aber nicht wichtig.
Die Verantwortlichen hatten dieses Schiff in dreit Abschnitte unterteilt. Im vorderen Drittel befand sich das größte Spant, das sogenannte Hauptspant. Hierzu gab es einige Maße: Die Schiffsweite wurde mit 39 Fuß (11037 mm) angegeben, die Raumtiefe mit 17 Fuß (4811 mm), Das Maß zum darüberliegenden Verdeck mit 7 Fuß (1981 mm). Das Backdeck war 6 1/2 Fuß (1940 mm), das Halbdeck im Bereich des Großmastes 6 1/2 Fuß (1940 mm), im hinteren Bereich 7 1/2 Fuß (2123 mm). Das Hüttendeck hatte vorne eine Höhe von 5 bis 6 Fuß (1415 mm bis 1698 mm), hinten 6 1/2 Fuß (1940 mm). Das Flach des Schiffes bekam eine Breite von 27 Fuß (7641 mm), es stieg zur Außenseite um 12 Daumen (309 mm) an.
Gruß Werner
Werner
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Uebersicht.jpg
Die Unterteilung des Rumpfes in 3 Abschnitte in 1693 ist sehr interessant. Ein paar Jahre später haben wir dann 9 Spanten als Unterteilung. Also ein Zwischenschritt?
die handschriftliche Transkription ist nun abgeschlossen. Einige Folioseiten habe ich auch schon abgetippt. Nun möchte ich damit beginnen, den Text nach und nach zu zeigen und natürlich auch verständlich darzustellen. Es sei noch erwähnt, dass dieses Besteck im Stadsarchief Amsterdam gefunden wurde. Thomas Feige hatte es vor gerauemer Zeit dort entdeckt. Verwendet wurde das Amsterdamer Maß. Der Fuß hatte 283 mm, der Daumen 25,73 mm.
Inventaris van het Archief vande Notarissen ter Standplaats Amsterdam. Die Zugangsnummer: 5075 174, Inv. Nr. 4160.
(1 - Kiel) De Kiel langh hondert twee en Dartich voet, diep twee en twintich duymen, Breet een en twintich duym de lassen langh tien voet van drie Stucken.
Die sinngemäße Übersetzung von Artikel 1 - Kiel:
Der Kiel wird 132 Fuß lang, 22 Daumen tief und 21 Daumen breit. Die Laschen bekommen eine Länge von 10 Fuß. Der Kiel besteht aus drei Einzelteile.
(2 - Vorsteven) De Steven dick aan de binnen cant sestien duym breet en langh naer den eysch van ’t Werck, de Voorsteven sonder las, met goede slemphouten boven toe daar de boegspriet in legt boven met twee Neus houten en onder met een Knie op de kiel en Steven, so wel agter als voor, en dik en lanck naar behooren en wel gesloten.
Die sinngemäße Übersetzung von Artikel 2 - Vorsteven:
Die Steven sind an der Innenkante 16 Daumen breit und lang nach der Umgebung der Schiffsstruktur. Der Vorsteven sollte aus einem Stück erstellt werden. Man benötigt gute Slemphölzer. Das Slempholz auf dem Vorsteven geht so weit nach oben, dass es möglich wird, das Bugspriet dort zu lagern. Das Bugspriet lagert in zwei vertikal angeordneten, starken Hölzern. Sie werden mit einem Band oberhalb der Anker-Klüsen verbunden. Unten gibt es Knie, die die beiden Steven mit dem Kiel verbinden. Alles wie es sich gehört und wohl miteinander verbunden.
Habe mal die Seitenansicht leicht weiterentwickelt. Die Vor- und Achtersteven sind noch Platzhalter. Es gibt für dieses Schiff keine genauen Angaben. Der Großmast ist gut überlegt platziert worden. Es gab in den Niederlanden keine bindende Regel, wo ein Großmast stehen sollte.
Der Großmast wurde 1621 mm hinter der Mitte des Schiffes gestellt.
Es gibt ja das umfangreiche Werk von Pieter van Dam (08.10.1621-17.05.1706) über die Ostindische Kompanie. Er hatte einige wichtige Informationen zu verschiedenen Schiffsgrößen veröffentlicht. Unter anderem auch die Lage der Masten bei drei Schiffsgrößen. Da wäre zum einen:
Ein 160-Fuß-Schiff. Hier stand der Großmast 6 Fuß hinter der Mitte des Schiffes. Ein 145-Fuß-Schiff. Hier stand der Großmast 5 Fuß 5 Daumen hinter der Mitte. Ein 130-Fuß-Schiff. Hier stand der Großmast 4 Fuß 10 Daumen hinter der Mitte.
Dieses Maß wurde auf dem unteren, durchgehenden Deck, dem overloop gemessen.
Hier haben wir eins der beiden neus houten (Nasenhölzer), die den Bugspriet oben einschließen. Also keine Twille mehr wie noch bei HZ oder Vasa. Und das schlemphout an dieser Stelle ist nichts anderes als der Binnenvorsteven.
So, die Transkription des Textes ist nun soweit abgeschlossen. Es kann also weitergehen im Text. Es geht weiter mit der zweiten Seite des Bestecks. Hier das Original (Kopie):
Es geht nun darum, den Inhalt der zweiten Seite zu zeigen.
Seite-02-01.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
(Seite 2 - das Flach)
Het Vlack wyt op de voorste derde part Seven en twintich voet ryst twaalf Duym of soo veel als de Heer. Besteders believen.
Sinngemäße Übersetzung:
Das Flach bekommt im ersten Drittel von vorne eine Breite von 27 Fuß (7641 mm). Die Höhe liegt 12 Daumen (309 mm) über dem Kiel. Ergänzend kam noch der Hinweis, dass der Kunde auch ein anderes Maß bekommen konnte. Der Schiffbauer und der neue Eigentümer stimmten viele Dinge beim Bau vor Ort ab.
(3 - boeyen)
Het Schip te boeyen vyff a ses voet hol, en op de voorste derde part, en agterste derde part een buyck= stuck te leggen, met Sitter daar by op en voor de boeyen met een piek.
Sinngemäße Übersetzung:
Das sogenannte "boeyen" wurde in 5 bis 6 Fuß Höhe über dem Kiel vorgegeben. Das waren 1415 bis 1698 mm. Auch diese Angabe bezog sich auf das vordere Drittel des Schiffes.
Im vorderen und hinteren Drittel wurden nun je ein Bauchstück gesetzt. In der Kimm kamen dann schon die Sitzer hinzu. Im hinteren Bereich (hier Piek genannt) wurde wohl noch ein Innenholz gesetzt.
(4 - Der untere Spiegel)
De Heckbalck langh negen en twintich voet, dick sestien en achttien Duym de Rantsoen houte dick twaalf en een half Duym breet twee en een half voet de wulpen Dartien en veertien Duym.
Sinngemäße Übersetzung:
Die Länge des Heckbalkens sollte 29 Fuß (8207 mm) betragen. Seine Dicke betrug 16 (412 mm) und 18 Daumen (463 mm). Die Randsoen-Hölzer bekamen eine Dicke in Schiffslängsrichtung von 12 1/2 Daumen (322 mm) und eine Breite in Schiffsquerrichtung von 2 1/2 Fuß (708 mm). Die Worpen sollten 13 und 14 Daumen (334 und 360 mm) betragen.
een broeck stuck dick twaalf duym breed na behooren langh achttien voet, de Heckstutten hoog na den eys boven wyd een en twintigh voet.
Sinngemäße Übersetzung:
Ein Bauer (Broeckstuck) sollte 12 Daumen dick, breit wie es sich gehört und 18 Fuß (5094 mm) lang werden. Die Heckstützen (oberhalb des Achterstevens) konnten die beteiligten (Schiffbauer und Kunde) vor Ort festlegen. Oben standen die Heckstützen 21 Fuß (5943 mm) auseinander.
(6 - Der Raum)
De Buyckstukken op de kiel dartien duym op de kimme gangh tien en een half duym op de boeygangh Negen Duym, op de Scheergangh acht Duym op de hoogte van ’t Deck ses en een half duym, die bovenenden vyff Duym De Buyckstukken Breed op de kiel elf a twaalf en dartien Duym de Enden op negen a tien duym toegehouden, en op de kiel van d‘ andere acht a acht en een half duym, ende de Sitters so breet, dat sy wel in de gaten sluyten, en langh naar behooren, om te verscherven vier en een half a vyff en ses voet
Sinngemäße Übersetzung:
Die Bauchstücke auf dem Kiel bekamen eine Höhe von 13 Daumen (334 mm), in der Kimm 10 1/2 Daumen (270 mm), am Boeygang 9 Daumen (232 mm), am Scheergang waren es noch 8 Daumen (206 mm). Im Bereich des unteren Decks reduzierte sich das Maß auf 6 1/2 Daumen (167 mm) und im Bereich der Bordwand 5 Daumen (129 mm). Die Breite der Bauchstücke betrug auf dem Kiel 11 bis 12 Daumen (283 bis 309 mm). Die Enden in der Kimm reduzierten sich auf 9 bis 10 Daumen (232 bis 257mm). Die Bauchstücke lagen 8 bis 8 1/2 Daumen (206 bis 219 mm) auseinander.
Die in der Kimm gesetzten Sitzer wurden so ausgeführt, dass die Hohlräume zwischen den Bauchstücken aufgefüllt wurden. Also Holz an Holz. Die Länge der Sitzer überließ man wieder den Werftleuten. Wichtig war aber, dass die Überlappungen mindestens 4 1/2 bis 6 Fuß (1274 bis 1698 mm) betragen sollten.