Wer sich mit dem Typ der Karacke auseinandersetzt, kommt nicht am Stich des Willem a Cruse von 1475 vorbei. Dieser Stich bildet Grundlage zur Rekonstruktion des Typs und Basis für viele Diskussionen.
Eine davon ist die Ladeluke im hinteren Teil des Schiffes. Gegner lehnen dies grundsätzlich ab. Ihre Begründung ist, dass es dabei zu Undichtheiten kommt. Ich sage aber, dass der Schiffbau zu dieser Zeit soweit entwickelt war, dass man dieses problemlos durch inneres Abdichten in den Griff bekommen hat. Weiterhin spricht für diese Luke ein schnelleres Laden und Löschen. Die Waren mussten nicht über die doch sehr hohe Bordwand gehieft werden. Mein Modell besitzt diese Luke und wird im geschlossenen Zustand dargestellt.
Ein weiterer Punkt ist die Größe der Karacke. Um diese Zeit war der Übergang von der Klinker- zur Kravelbauweise fast vollzogen, dass heißt die Schiffe konnten größer gebaut werden und waren damit auch stabiler. Bei den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen schwankt die Länge über alles von ca. 38 m bis ca. 50 m. Das ist für mein Modell im Maßstab 1:50 etwa 1 m.
Außerdem steht die Art der Takelage in der Kritik. Die Wanten sind nicht ausgewebt. Die Mattops waren nur über überdimenzional lange Strickleitern zu erreichen, obwohl es zu dieser Zeit bereits ausgewebte Wanten mit Püttingwanten gab. Wantenpaare waren ausreichend vorhanden: Fockmast 8 Paar / Großmast 18 Paar / Besanmast 6 Paar. Im Internet sind Fotos dieser Karacke, bei der die Wantenpaare reduziert wurden. Beim Betrachten der Besanwanten würde ich sagen, dass diese mit Blöcken und nicht mit Jungfern steif gesetzt wurden. Das war zu dieser Zeit noch eine weit verbreitete Technologie.
Das sind meine Gedanken zu dem von mir gebauten Modell. Ob diese nun der damaligen Zeit voll und ganz entsprachen, soll mal dahingestellt sein. Dass in der Kuhl Kammern eingebaut waren, geht aus dem Stich hervor. Wie viele und wie sie genau aussahen, ist der Phantasie des Modellbauers überlassen, solange sie mit der damaligen Zeit konform gehen. Da wir als Modellbauer ja eine reiche Phantasie besitzen, denke ich, dass der Innenausbau ein breites Betätigungsfeld für uns ist.
Schlussfolgernd kann man sagen, auch wenn vielleicht im Stich nicht alles genau dargestellt wurde, ist er doch ein guter Spiegel seiner Zeit. Willem a Cruce verfügte jedenfalls über sehr gute Kenntnisse der Schiffstechnologie oder ihm standen fachkompetente Berater zur Seite. Sein Stich stellt nicht nur ein stilisiertes Schiff (vorrangig auf alten Siegeln von Hansestädten) dar, sondern zeigt sehr viel Details der Takelage, die auch in späteren Zeiten noch so zur Anwendung kamen.
Wolf
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Die späteren Holztransporter (Langhölzer) der Niederländer hatten im 17. Jahrhundert im Heckbereich, und das in der Wasserlinie, auch diese Öffnungen. Sie wurden wie Stückpforten ausgeführt und während der Fahrt kalfatet.
Hallo Wolf, schönes Modell. Bei Modellen aus dieser Zeit bleibt immer viel Spielraum für die Fantasie des Modellbauers, es gibt nicht ausreichend Dokumentation. Das es eine solche Ladeluke gab kann ich mir durchaus vorstellen. Der Künstler der den Stich hergestellt hat wird wohl kaum Details hinein erfunden haben. Was bei solchen alten Zeichnungen immer mit Vorsicht zu geniesen ist sind die Dimensionen und die Proportionen. Zu dieser Zeit taten sich die Maler bzw. Kupferstecher noch schwer eine korrekte räumliche Darstellung zu erzielen. Aber bei einem Schiff aus der Zeit vor exakten Konstruktionunterlagen hat man halt dieses Problem, in der Regel wird keine exaktes Modell zu einem bestimmten realen Schiff. Trotzdem schöne Arbeit. Grüsse! Herbert
Im Bau: Bomb Ketch / Bombarde "Cacafuego" In Vorbereitung: Schärenboot Elgen
Hallo Wolf Das ist ein hochinteressantes Modell aus einer nicht minder interessanten Zeit. Vor gut einem Viertel Jahrhundert habe ich mich selbst sehr intensiv mit dieser Zeit auseinandergesetzt, mein erstes segelbares Modell war ein Hanseschiff aus dem ausgehenden 15. Jhdt.
Zwangsläufig stolpert man bei Recherchen über Schiffe dieser Zeit über Heinrich Winter, Professor Busley (beide habe ich versucht, aus meiner Rekonstruktion heraus zu halten) und natürlich auch den flämischen Stecher W.A., dem auch die Kraeck zugeschrieben wird. Ich bin sehr überrascht, dass Du ihm jetzt einen vollständigen Namen (Willem a Cruce) geben kannst, ich scheine da nicht mehr auf dem aktuellen Stand zu sein. Woher stammt die Erkenntis, dass es sich bei W.A. um jenen Cruce handelt?
Was Dein Modell angeht, finde ich es sehr gut gelungen. Ich halte es für eine gute Entscheidung, im Zweifel der Quelle mehr Glauben zu schenken, als ihren Kritikern. Wenn Du sagst, dass W.A. wohl entweder vom Fach war, oder gute Berater hatte, bin ich ganz bei Dir. Sicherlich ist einiges zeichnerisch vereinfacht, aber im Großen und Ganzen glaubhaft.
Einzig die Heckform hätte ich etwas runder gestaltet. Bei W.A. scheint die Krümmung der Planken am Heck über eine ziemliche Länge den gleichen Radius zu haben und so auch bis auf den Heckbalken und den Achtersteven beizubehalten, während Du ihnen einen vergleichsweise scharfen Knick gegeben hast, so dass fast die Anmutung eines Plattgatts entstehen könnte. Aber das ist sicher auch eine Interpretationssache.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Eins überrascht mich aber immer. Warum sollte ein Stecher, der sehr detailgenau arbeitete, ein Fachmann auf dem Gebiet des Dargestellten gewesen sein. Er war Fachmann auf seinem eigenen Gebiet, dem Kupferstich. Ich muss doch nicht spezielle Kenntnisse besitzen um sehen.
Aber das soll jetzt keine persönliche Kritik sein.
Zitat von bela im Beitrag #5 Warum sollte ein Stecher, der sehr detailgenau arbeitete, ein Fachmann auf dem Gebiet des Dargestellten gewesen sein. Er war Fachmann auf seinem eigenen Gebiet, dem Kupferstich. Ich muss doch nicht spezielle Kenntnisse besitzen um sehen.
Unser Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, exakt die Wirklichkeit wahrzunehmen, dafür reicht seine Verarbeitungskapazität nicht aus. Mit der Fülle an Informationen, die allein Visuell auf uns einprasseln, wären wir völlig überfordert. Aus diesem Grunde ist unser Gehirn darauf spezialisiert, Informationen zu filtern, Muster zu erkennen und zu interpolieren. Fehlen diese Fähigkeiten, ist der Mensch sehr eingeschränkt, verfügt aber unter Umständen über Inselbegabungen (Autismus).
Funktionieren diese Fähigkeiten, bringen sie oft Juristen und Polizisten zur Verzweiflung, weil sie täglich damit konfrontiert werden, wie wenig wir unserer Wahrnehmung trauen können. Menschen hören einen Knall, drehen sich um, sehen zwei zerstörte Autos stehen und schwören nachher Stein und Bein, dass sie den Unfall beobachtet haben, weil das Gehirn Muster erkannt und tatsächlich Gesehenes mit Erfahrungen ergänzt hat (Knallzeugen). Diese Menschen lügen nicht! Sie glauben tatsächlich, alles gesehen zu haben. Sie wurden von ihrer eigenen Wahrnehmung hereingelegt.
Eine Beobachtungsgabe, wie sie nötig wäre, um etwas komplexes wie ein Segelschiff auch dann präzise und richtig abzubilden, wenn man so ein Schiff noch nie gesehen hat, ist sehr selten und tatsächlich oft (nicht immer!) mit Autismus bzw. dem Aspergersyndrom verknüpft. Darum ist bei einer präzisen Darstellung eines Schiffes die Vermutung, dass der Künstler sich mit Schiffen auskannte nicht ganz abwegig.
Zitat von bela im Beitrag #5Aber das soll jetzt keine persönliche Kritik sein.
Habe ich auch nicht so aufgefasst. Ist ja eine interessante Frage. Alles jut.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
der Zeitschrift "Logbuch" des AK historischer Schiffbau Heft 3/2007 steht ein Artikel von Martin Koschwitz über die Kraeck. Da wird auf den Historiker André Wegener Sleewyk verwiesen, der über Willem a Cruce Nachforschungen angestellt hat. Seine Forschungsergebnisse haben nachgewiesen, dass sich hinter dem Kürzel WA Willem a Cruce verbirgt. Die Berichte in Heft 3 und 4 o.g. Zeitschrift können auch im Internet nachgelesen werden. Herr Koschwitz hat übrigens auch den Plan veröffentlicht. Seine Modelle stehen im Internationalen Maritimen Museum in Hamburg und im Schifffahrtsmuseum Flensburg. Dein Fahrmodell des Hanseschiffes macht übrigens auch eine gute Figur auf dem Wasser. An diese Art der Fahrmodellemodelle historischer Segler trau ich mich nicht ran. Meine Fahrmodelle sind ein Schlepper, Feuerlöschboot und ein 17m Kutter. Viele Grüße Wolf
Hallo bela, Unterschätze mal unsere Vorfahren nicht. Ihnen haben wir heute sehr viel zu verdanken. Wo und was wären wir heute ohne ihre Forschungen, Energien und ihrem Mut für Neues. Ob es natürlich auch auf Willem a Cruse zutrifft kann ich nicht beurteilen. Habe aber großen Respekt und Achtung vor ihren Taten. Viele Grüße Wolf ,
eine tolle modellbauerische Leistung zeigst Du Nach welchen Unterlagen hast Du gebaut? Nach dem Plan von zu Mondfeld? Oder dem Koschwitzplan aus dem LOGBUCH? Oder gar selbst gezeichnet?
Hallo Klaus, Den Plan von Koschwitz habe auch verwendet. Weiter war einer von Navimodellisti aus Italien. In der Rubrik Mitglieder und ihre Schiffe im AK historischer Schiffsmodellbauer war auch eine Abhandlung mit Fotos von Herrn Koschwitz. Bei der Takelage habe ich versucht mich an den Stich von Willem a Cruce zu halten, denn in den Plänen weicht diese etwas vom Stich ab. Mein Ziel war es aus allem das logigste zu verwenden. Viele Grüße Wolf