In der angegebenen Literatur geht die Tendenz bei einem Schiff dieser Größe, wenn ich das richtig sehe, in die Richtung der stärkeren Variante, für das erste Stag des Masters. Ich muss mir dais noch mal genau anschauen, wie sich das optisch macht. Historische Korrektheit ist bei diesem Bau nicht Priorität, aber ungefähr in die richtige Richtung könnte es ja schon gehen...
Jetzt, wo es so langsam an das stehende Gut geht, kommt mir auch der Gedanke, dass Wanten und Stage ja auch irgendwie am Mast befestigt werden müssen. Der Bauplan hat hier nichts vorgesehen - klar, mit viel Klebstoff geht's immer... Habe ein bisschen herumgeschaut, wie das so in der Realität und am Modell gelöst wird, und werde wohl am Mast noch entsprechende Befestigungen anbringen.
Gibt es eigentlich eine geschickte Reihenfolge für die Befestigung von Stag und Wanten? Ich tendiere zu Stag, dann Backstage, dann Wanten. Andererseits sind wohl die Wanten zuunterst am Mast, so daß es vielleicht geschickter wäre, mit denen zu beginnen.
Zu dieser Zeit wurden noch relativ wenige Eisenbeschläge zur Befestigung solcher Teile verwendet. Die Jachten einen Pfahlmast, d.h. ein Mast aus einem Stück. Ein charakteristische Besonderheit der holsteinischen Jachten war, daß der Masttopp leicht nach vorne gekrümmt war. Bei den dänischen, pommerschen oder schwedischen Jachten war der Topp gerade.
In den Mast war ein Absatz eingearbeitet, auf dem die zunächst die Wanten mit ihren Buchten auflagen. Dieser Absatz war entweder mit einer Kupferhülse gegen Einschneiden in das Holz geschützt oder der Mast wurde mit Backen versehen, auf denen hölzerne 'Polster' (ein Viertelstab) verbolzt waren. Das Modell der THETIS aus dem Altonaer Museum zeigt alle die typischen Anordnungen:
Als allererstes kommt der Stropp mit dem Block für das Falltakel der Breitfockrah über den Mast (auf dem Bild oben nur schwer zu erkennen).
Es gibt dann vier Wantpaare. Die Wanten werden paarweise hergestellt und aufgelegt und zwar in der Reihenfolge: erst die beiden vorderen Steuerbordwanten, dann die entsprechenden Backbordwanten, darauf die beiden hinteren Steuerbordwanten und dann die beiden hinteren Backbordwanten. Es ist wichtig, daß die Buchten dicht aufeinander liegen, sonst wird die 'Wuhling' zu hoch am Mast.
Auf die Wanten wird das Vorstag mit einem eingespleißten Auge wie ein Schal gelegt. Das andere Ende geht zum Steven. Am unteren Ende hat das Vorstag eine Jungfer eingebunden. Der Stevenkopf der THETIS scheint Bohrungen zu haben durch sie und durch die Stagjungfer wird ein Taljereep geschoren und damit das Stag festgesetzt.
Darüber kommen dann die stehenden Parten der vier Backstagen, die aber nicht als Paare ausgelegt sind, sondern jeweils ein eingespleißtes Auge haben.
Zum Schluß wird noch das Klüverstag darüber gelegt, daß zur Nock des Bugspriets führt (der mit dem Klüverbaum einem Stück ausgeführt ist). Dort befindet sich eine Scheibe durch die das Stag zurück zum Rumpf geführt wird, wo es in Stevennähe mit Hilfe eines Taljereeps festgesetzt wird. Die gleiche Anordnung wird für die anderen Stage verwendet.
Gestern Abend hatte ich mir mal kurz die Tabellen im Biddlecomb angesehen. Wenn man annimmt das die Jacht etwa 60 Tonnen verdrängt, dann sollte danach das Vorstag einen Umfang von 7,5" und die Wanten einen Umfang von 5" haben. Das würde einem Durchmesser von 60 mm resp. 45 mm entsprechen.
Es gibt im Internet übrigens eine Menge Abbildung von Jachten. Um die Mitte des 19. Jh. war die Takelung bei so ziemlich allen Nationen rund um die Ostsee sehr ähnlich. Da Schleswig und Holstein vor 1864 Teil des dänischen 'Gesamtstaates' waren, fuhren Schiffe aus diesen Landesteilen den Danebrog als Nationalflagge. Holsteinische Jachten kann man aber eben an dem gekrümmten Masttopp erkennen:
an dieser Stelle erst mal einen großen Dank - Deine Beiträge und Antworten sind eine unverzichtbare Hilfe beim Bau dieses Modells. Auch wenn ich vielleicht nicht immer so alles umsetzten kann, wie es sich gehört, gewinnt der Bausatz doch ungemein durch die vielen Tipps, die ich hier von dir lernen kann.
Ich denke, ich werde zwei schmale Backen wie beschrieben an dem Mast anlegen und vielleicht, wie bei der Thetis, auch grün anstreichen. Deine Hinweise zu den Stagen nehme ich gerne an. Das Modell wird, glaube ich, viel gewinnen, wenn man das Rigging nicht so grob und rudimentär ausführt, wie es die Bauanleitung vorsieht.
Frank, ich ein dezidiertes Interesse an diesen Schiffen aus dem Ostseeraum und beschäftige mich seit vielen Jahren damit. Mein eigenes Project in dieser Hinsicht ist leider nicht viel über das Planungsstadium und ein paar Zeichenarbeiten hinausgekommen: https://www.maritima-et-mechanika.org/maritime/models/Rahschlup/rahschlup.html.
Ein sehr interessanter Artikel. Es macht immer Spaß, etwas mehr über den Hintergrund seines eigenen Modells zu erfahren. Seinerzeit habe ich mir den Bausatz aus dem Bauch heraus ausgesucht, es war ein Schiffchen in angenehmer Größe und sah nett aus - ohne irgendetwas über den Schiffstyp zu wissen. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto interessanter wird es.
Für einen Überblick über diesen Typ und andere deutsche Schiffe sind die Standardwerke:
SZYMANSKI, H. (1929): Die Segelschiffe der deutschen Kleinschiffahrt.- Pfingstblätter des Hansischen Geschischtsvereins, Bl. XX: 81+XXI p., Hamburg (reprint 1977, Norderstedt, Verlag Egon Heinemann GmbH).
SZYMANSKI, H. (1934): Deutsche Segelschiffe.- Veröff. Inst. f. Meereskunde, N.F. B, H. 10: 167 p. + 92 Taf., Berlin (Nachdruck 1972 im Verlag Egon Heinemann).
Originale und Nachdrucke erscheinen immer mal wieder im Antiquariatsbuchhandel oder sind über die Fernleihe beschaffbar.
Es gibt auch noch einen speziellen Artikel zu diesem Thema:
SZYMANSKI, H. (1929): Zur Geschichte der schleswig-holsteinischen Jachten im 19. Jahr-hundert.- Der Kleinschiffbau – Z. f. Gebrauchs- u. Sportfahrzeuge aller Art, 1(15): 209-214, Berlin.
den ich aber leider bisher nirgends habe lokalisieren können.
Auf den Fotos der Bauanleitung scheinen die unteren Jungfern mit Metalldraht an den Rüsten befestigt zu sein. Macht das Sinn? Es würde zumindest die Verwendung des ominösen Drahts, der dem Bausatz beiliegt, erklären. Aber bei all meiner bisherigen Bauberichtlektüre ist mir so etwas noch nicht begegnet.
- den Rüstbrettern an der Bordwand um den Winkel zwischen den Wanten und dem Mast zu vergrößern, was der Verbesserung der mechanischen Effizienz der Abstützung dient.
- den Püttingseisen, quasi eine Kette aus zwei oder mehr Gliedern
- dem Beschlag der Jungfer, der eine Art Ring darstellt, der um die Jungfer gelegt wird und am unteren Ende in das obere Glied der Püttingseisen eingreift.
Wie das genau aussah hängt von der Zeit und der Größe des Schiffes ab. Bis am um die Mitte des 19. Jh. vermehrt Walzstahlbänder herstellen konnte wurden die Püttingseisen in traditioneller Schmiedetechnik hergestellt.
Hier ein Beispiel der etwa zeitgleichen portugiesischen Fregatte (die Details sind allerdings rekonstruiert):
Bei der modellmäßigen Gestaltung muß man sich natürlich am Vorbild orientieren. Die Glieder der Püttingseisen biegt man am besten über eine simple Vorrichtung, die aus Stiften mit passendem Durchmesser, die man im richtigen Abstand in ein Brettchen treibt. Man muß aber beachten, daß die Glieder nicht unbedingt alle gleich lang sind. Sie werden dann am besten hart verlötet, da doch ein gewisser Zug auf sie kommt.
Den Ring um die Jungfer biegt man auch über eine Schablone und sollte ihn auf jeden Fall hart verlöten, da bei Biegen der 'Taille' eine Weichlötung wahrscheinlich brechen wird. Der Ring muß stramm um die Jungfer passen.
es gibt noch zahlreiche klassische Jagten (mit 'g' statt 'ch'), die von der Größe und dem Typ deines Modell entsprechen. Zumindest fährt keines dieser ein größeres Rüstbrett, das u.a. die Aufgabe hatte, die Wanten vom Schanzkleid abzuspreizen, so dass das Schanzkleid nicht durch Druck und Scheuern der Juffern/Taljereeps beschädigt werden konnte. Da sich die Taljen eher über dem Schanzkleid befanden, muss auch nicht gespreizt werden.
Da immer mal wieder Zweifel zum maritimen Verständnis von GK angemeldet werden, könnte man hier ggf. entsprechend den Originalen "optimieren". Leider habe ich nicht allzu viele Nahaufnahmen vom Bereich der Püttingseisen, aber hier an paar Vergrößerungen derselben:
Rüsten kamen vermutlich mit dem Aufkommen von Flacheisen außer Gebrauch. Es hängt auch von der Größe des Schiffes ab. Flacheisen als Püttingeisen können direkt auf der Bordwand aufliegen, wobei dann die untere Wantjunger über der Reling sitzen. Bei den 'Ketten' als Püttingseisen sind Rüsten eigentlich zwingen notwendig.
Das Modell der THETIS (1842) zeigt jedenfalls Rüsten:
Wenn es bessere Quellen gibt, dann ist das immer von Vorteil, und zumindest ist dann das Modell der Thetis wesentlich näher dran, als das Original einer portugiesische Fregatte.