Zitat von Chapman im Beitrag #6Soweit ich weiß wurden Vollkugeln im Landkrieg so eingesetzt das sie mehrfach vom Boden abprallten und Schneisen in die feindlichen Reihen rissen. Dafür reichen aber sicher leichte bewegliche Geschütze, die schweren Kaliber, wie wir sie an Bord von Linienschiffen finden, gehörten wohl eher zur Belagerungsartillerie.
Die Geschosse waren nicht nur als Abpraller gefährlich. Beim Aufschlag auf dem Erdboden warfen sie eine Wolke aus Erdreich und Steinen auf, die, genau wie die Holzsplitter bei Treffern auf Schiffen, schwerste Schockwirkungen und Verletzungen hervorriefen oder unmittelbar tödlich waren. Zudem zerlegten sich die Geschosse noch beim Aufschlag auf harte Untergründe, was zu weiterem Splitterflug führte. Aus diesen Gründen war derartige artilleristische Infanteriebekämpfung am effektivsten bei flacher Flugbahn der Geschosse, die dann beim Aufschlag die vorgenannten Wirkungen sehr stark hervorriefen.
Insbesondere furchtbar waren diese artilleristischen Schläge solange die Infanterie in Peleotons kämpfte. Also dicht geschlossen und gestaffelt relativ unbeweglich wärend des Feuerns sozusagen am Ort blieb.
Diese Einsatzweise stellt Hardenberg in seinen Schulungsanweisungen für die Artillerie ( Feste Wilhelmsstein) als besonders zu schulen da besonders wirkungsvoll dar.
Kartätschen waren bei den Kanonen der napoleonischen Ära immer Nahdistanzwaffen. Im Flottengefecht insbesondere bei kürzesten Abständen und insbesondere zur Vorbereitung oder der Abwehr von Enterungen eingesetzt.
Bei der Feldartillerie wenig geschätzt, da sie sich dann der unmittelbar attakiernden Reiterei und der stürmenden Feindinfanterie gegenübersah, und dieser allein von der Anzahl her völlig unterlegen war. Daher wurde Feldartillerie ja im Wesentlichen als Distanzwaffe, die zudem von Infanterie geschützt wurde eingesetzt.
Die Vergrößerung der Kaliber der Schiffsartillerie als Flachbahnwaffe ergab sich aus dem Wechselspiel: aufgrund einer bestimmten gegnerischen Bewaffnung wurden die Bordwände verstärkt. Aufgrund dessen wurden die Kaliber vergrößert, usw.Hinzu kam die bei der Vergrößerung der Schiffe notwendige stärker werdende Konstruktion, was sie wiederum zumindest horizontal immer undurchdringlicher machte. ( Ein bekanntes Ereignis war die scheinbare Unverwundbarkeit der USS Constitution im Gefecht mit schwächer armierten englischen Einheiten, die ihr den Namen " Old Ironsides" eintrug)
Die späteren Panzerschiffe waren da nur die konsequente Weiterführung dieser Gedanken. Dabei blieb bei Ihnen das Deck die Schwachstelle, so wie es lange Heck und eingeschränkt der Bug der Segelkriegsschiffe waren.
Die dann immer größere Reichweite der Schiffsartillerie führte nach den Gesetzen der Ballistik zum Steilfeuer, sodass entscheidende Treffer durch fast senkrecht von oben einschlagende Geschosse erzielt wurden. Hinzu kam dann nioh die doppelwirkung der Geschosse. Durchschlag und nach dem Eindringen Sprengung.
Letztes, Furchtbarstes Beispiel war die Versenkung der HMS Hood, die durch einen solchen Treffer, der wahrscheinlich bis in die Munitionskammer durchschlug, innerhalb weniger Minuten erfogte.
Bezogen auf die Segelkriegsschiffe wird daher vielleicht auch deutlich warum Entscheidungen im Gefecht im Wesentlichen durch erobern (entern) des Gegners herbeigeführt wurden. Es war mit den Kanonen zu Nelson Zeit äußerst schwierig ein Schiff (zumindest gleicher Klasse) zu versenken. Sicherlich wenn z.B. wie bei Abukir ein Großkampfschiff in Brand geriet war das Schiff dann tödlich verwundet, da es nur geringe Löschmöglichkeiten gab.
In sofern sind m.E. die Schilderungen der Gefechte bei z.B. Forester, POB, Kent, und Quincy doch schon sehr korrekt.
Hartmut
To the optimist the glas is half full. To the pessimist the Glas is half empty. To the ingenieur it is twice. As big as it needs to be.
Auf der Helling „Witsen“, holländisches Pinassschiff,1671. Nach Plänen von Ab Hoving
Es ist schon interessant, wie sich bei ganz verschiedenen Beispielen, der gleiche Prozess des Hochschaukelns von immer stärkerer Angriffswaffe und entsprechend immer stärkerer Panzerung wiederholt (vergleiche die vom Schifferlbauer so schön erklärte Entwicklung der Schwerter im Verhältnis zur Panzerung der Ritter, in der antike immer schwerere Infantrie, von Hopliten bis ziu Legionären oder eben Panzerung der Schiffe im Verhältnis zur Schiffsartillerie bis hin zu Giganten a la Iowa oder Missouri mit ihren drei Drillingstürmen und 44 cm Kaliber). Bis dann plötzlich etwas Neues aufkommt das die Spielregeln komplett ändert, wie z. B. die gut ausgebildeten Schweizer Pikeniere, Steppenreiter mit Kompositbögen oder eben (auch trägergestützte) Flugzeuge mit Torpedos. Da reichte dann auch ein einzelner Treffer um ein Monster wie die Bismark manövrier- und damit kampfunfähig zu machen.
Aber auch wenn es so aussieht: der Krieg ist nicht der Vater aller Dinge. Es gibt glücklicherweise jede Menge Beispiele, dass wichtige technologische Entwicklungen zunächst für ganz andere Zwecke gemacht wurden.
vielen Dank für deinen kurzen Abriss. Durch den Bau meiner kleinen französischen Kanone ist doch Interesse an der Feldartillerie der damaligen Zeit und deren Einsatz aufgekommen und ich musste feststellen, dass ich doch sehr wenig darüber weiss.
Grüßle vom schönen Bodensee
Matthias
Der Schlüssel zum Glück ====> EINFACH MAL ZUFRIEDEN SEIN
Zitat von DerDa im Beitrag #18 Aber auch wenn es so aussieht: der Krieg ist nicht der Vater aller Dinge. Es gibt glücklicherweise jede Menge Beispiele, dass wichtige technologische Entwicklungen zunächst für ganz andere Zwecke gemacht wurden.
Das kann ich nur unterstreichen! Zumal dieser bekannte Satz ja aus der altgriechischen Mythlogie herkommend, zu einem Olymp gehört, dessen Angehörige wenig schöpferisch ihre Dinge meistens mit Streit und Krieg regelten. Das spiegelt wohl auch die Lebenssituation der einzig " Freien" der griechischen Polis, den wenigen Prozent herrschende Bürger wieder. Dieses Patriarchat hatte nichts "richtiges" zu tun, ausser die Direktiven für ihr Haus zu geben ( Ausführung bitte durch einige Halbbürger und das Heer der Sklaven).Damit hatten sie auch genügend Zeit zu debattieren und insbesondere für den Krieg zu üben. Und natürlich auch die Möglichkeit durch ihre Autoren alle ihre "Heldentaten" glorifizieren und verbreiten zu lassen. Und so ging das ja (fast) bis heute weiter.
Diese Art des Broadcastings verdeckte leicht die alledem zu grunde liegenden Entwicklungsarbeiten des wirtschaftlichen/ zivilen Bereiches.
Für mich ist z.B. das populäre Bild des Wikingerschiffes ein probates Beispiel. Wikingerschiff = schnelles Langschiff mit furchtbar gefährlichen Kriegern, die raubend und mordent durch die Weltmeere kreuzen. Dass die Nordländer vor allem und zuerst sehr leistungsfähige Handelsschiffe entwickelt und zu hunderten betrieben haben, die aus Handelsinteresse ins Mittelmeer und bis nach Amerika reisten ist wenig bekannt. Und nur auf den konstruktiven und betrieblichen Erfahrungen der Handelsflotten beruhte die Konstruktion der im Bethältbis wenigen Königs/ kampfschiffe. Die waren zudem ja ausser zum Transport der Krieger auch zu nichts zu gebrauchen. ( entschuldigt bitte meine hanseatische Denkweise- eine Ladung aus so ein paar Männern ohne weitere nennenswerte Ladekapazität bringt keinen Gewinn, sondern im Regelfall nur Kosten mit sich)
Was zudem noch das Bild weiter verzerrt, ist m.E. nach, dass die Herrscher immer in der Lage waren, wenn sie eine Waffe haben wollten hier große Geldmittel in die Weiterentwicklung hineinzupumpen. Dabei spielte dann die Wirtschaftlichkeit keine Rolle. Ausserdem lies sich mit so "tollen" Waffen und Waffensysteme auch gut nach Aussen glänzen.Und diese Bilder prägten sich ein!
Es dürfte dem entgegen auch in vergangenen Zeiten seitens der zivilen Entwickler und Hersteller probat gewesen sein gute, marktgängige Produkte anzubieten. Eben so probat war und ist es die Herstellungsverfahren und Entwicklungen schön im eigenen Hause geheim zu halten um der Konkurrenz nicht auf die Sprünge zu helfen.
Noch so ein mögliches Beispiel aus unserem Bereich. Im 19. Jahrhundert hies es bei den britischen Seeleuten, dass die Hamburger Kauffahrteischiffe, insbesondere bei der Guanofahrt nur mit Hilfe des Teufels das Horn so schnell umsegeln könnten. Woran lags wirklich: zum einen waren deutsche Forschungsschiffe schon länger unterwegs um die Bedingungen insbesondere des Sùdatlantik zu untersuchen, und zum anderen hatte man frùhzeitig begonnen auf den Großseglern die Menschenkraft mit Hilfsmaschinen ( Dampfwinschen / -Winden) zu unterstützen. Beides geschah aus merkantilen Gründen, von der Kaufmanschaft veranlaßt. Kannte man die Wasser- und Windgegebenheiten waren effektivere Kurse möglich. Konnte man die Crew bei den Segelmanövern mittels Maschinenkraft unterstützen ( das verkürzte die Zeit für eine Wende z.B. auf fast die Hälfte) war diese auch bei der Knüppelei ums Kap dauerhaft in der Lage das Schiff schnell zu segeln. Zudem brauchte man weniger Hands an Deck. Das zusammen ergab wesentlich schnellere Reisen, und damit dauerhaft eine deutlich bessere Ertragslage des Schiffes. Die Kriegsmarinen machten diesen Schritt erst ganz am Ende der Segelschiffsaera. Wozu auch? dienstpflichtige Hands, die wenig kosteten gab es ja reichlich. Erst als die Panzerschiffe mit ihren Monstergewichten und Maschinenantrieben aufkamen bequemte man sich auch Hilfsmaschinen anstatt Menschen einzusetzen.
Nur noch ein kurzes Beispiel aus einem anderen Bereich, der Fliegerei. Diejenigen, die unter zum Teil sehr großen finanziellen und persönlichen Opfern die Fliegerei entwickelten, seien es beispielsweise die Brüder Wright, Otto Lilienthal oder O.Chanute waren Zivilisten. Sie hatten nach ihren hinterlassenen Schriften Luftverkehr und nichts anderes im Sinn. Erst als die Maschinen schon richtig flogen griffen die militärischen Planer zu und machten das Flugzeug zur Waffe.
Hartmut
To the optimist the glas is half full. To the pessimist the Glas is half empty. To the ingenieur it is twice. As big as it needs to be.
Auf der Helling „Witsen“, holländisches Pinassschiff,1671. Nach Plänen von Ab Hoving
Lieber Hartmut, dein letzter Absatz passt so gar nicht zu den überlieferten Einsichten. zumindest die Wrights hatten schon sehr früh eine militärische Anwendung im Blick, konnten aber bei den amerikanischen Streitkräften erst mal kein Gehör finden. Aber die Europatour ergab ein erhebliches Interesse beim Deutschen Hof, was dann schliesslich darin mündete, dass die erste Dependence der Wrights in Berlin Johannisthal gegründet und von dort die Vermarktung, Weiterentwicklung und Ausbildung von Flugzeugführern aktiv angegegangen wurde.
Auch beim Lilienthal stand die militärische Anwendung ganz zu Anfang nicht im Vordergrund, aber auch er erfreute sich einer deutlichen Aufmerksamkeit des Militärs.
Übrigens: Das Flugzeug zur Waffe, das kam erst deutlich später. Zunächst mal hat man die Aufklärung und Kurierdienste in den Vordergrund gestellt.
dass die Militärs vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert natürlich gleich bei den Erfindern auf der Matte standen ist natürlich unbestritten. aber es ging Hartmut ja drum, dass die Erfinder selbst zunächst an zivile Verwendung dachten. Der Krieg ist also nicht der Vater der Dinge, sondern er (zwangs-)adoptiert sie nur. Mein Großvater ist noch beim ollen Carl Benz selbst in die Lehre gegegangen und hat von ihm den Spruch: "Awwer dass die so dodemit rumrase, dozu hew isch des ned erfunne!" (Für eventuell anwesende Nichtkurpfälzer: "Aber dass die so damit herumrasen, dafür habe ich das nicht erfunden!"). Der zumindest dachte bei seiner Erfindung nicht an motorisierte Transportkolonnen oder Kampfpanzer, angeblich ärgerten ihn vor allem die Massen an Pferdeäpfeln auf den Straßen. Aber es ist erstaunlich für wie selbstverständlich es immer noch gehalten und auch gelehrt wird, dass Erfindungen aus der Not (ob militärischer oder wirtschaftlicher) heraus geschehen und wie selbstverständlich das auch schon den Kindern gelehrt wird. Dabei weiß man es inzwischen in vieler Hinsicht besser. Ich hatte es schon mal anderswo erwähnt, dass meinem Großen in der vierten Klasse von seiner Lehrerin beigebracht wurde, dass die Entdeckung des Feuers vor allem so wichtig war, weil dann die doofen Urmenschen endlich vernünftige Waffen und Geräte herstellen konnten. Das ist natürlich kompletter Quatsch. Das Feuer wurde jahrhundertausendelang weidlich genutzt, ohne dass jemand damit Waffen herstellen wollte. Die ersten Metalle (Kupfer) wurden viel später, so etwa ab 10000 v. Chr. benutzt. Und wofür? Um Schmuck herzustellen! Und dabei blieb es für fast weitere 4000 Jahre. Dann erst tauchen die ersten Geräte auf und etwas später vielleicht auch mal ein vereinzeltes Pfeilspitzchen. Nun mag man einwenden, dass Kupfer relativ weich und spröde ist und wenig für Waffen geeignet. Also braucht man Bronze. Die ersten Zinnbronzen tauchen so um 2400 v. Chr. von Vorderasien bis zum Mittelmeer auf. Zinnbronze ist von ihren Eigenschaften dem Kupfer zur Waffen- und Werkzeugherstellung klar überlegen. Aber wofür benutzt man sie? Zur Herstellung von Gefäßen, wofür das weiche Kupfer wesentlich besser geeignet wäre. Und warum? Nun, weil Bronze eben heller und gelblicher ist, und daher mehr so aussieht wie Gold. Ästhetik und Prestige schlägt technologische Vernunft. Es gibt noch eine Menge anderer Beispiele (Keramik ist seit dem Jungpaläolithikum bekannt. Aber sie wird zur herstellung von Figürchen benutzt. Bis die Technologie verwendet wird, um etwas "Nützliches", wie Gefäße herzustellen vergehen Jahrtausende. Eisen? Viel besser als Bonze! Wirklich? Bekannt ist es schon seit der Mittleren Bronzezeit. Aber nur als Prestigegut. Ich glaun bei Tut-Ankh-Amun lag ein Dolch im Grab. Griff aus Eisen, aber die Klinge aus der schönen schimmernden Bronze.) Natürlich haben die Militärs die bessere "Presse". Ich hatte das im letzten Post im "Seekrieg in der Bronzezeit" Thread erwähnt. Profanes, Alltägliches wird viel seltener dargestellt, als Kriegerisches. Dier ersten Schiffsdarstellungen aus der frühbonzezeitlichen Ägäis zeigen etwas, was ziemlich klar erkennbar Kriegskanus sind. Aber natürlich brauchten die Herrschaften lange vorher schon Bötchen, um die ägäischen Inseln überhaupt zu besiedeln. Die wurden aber leider nie dargestellt. Ich jedenfalls finde es eine tröstliche Erkenntnis, dass Vieles in der Menschheitsgeschichte nicht aus Not oder Notwendigkeit, sondern aus Spielerei und dem Willen etwas (oder jemanden) hübscher zu machen.
Mag ja alles sein, aber gerade bei den Wrights ist überliefert, dass sie knallharte Geschäftsleute waren und sehr früh an die kommerzielle Verwertung ihrer Aktivitäten gedacht haben. Die konnten halt bei den US Militärs nicht landen und brauchten eine Weile, um sich umzuorientieren (so viel Mittel hatten die kleinen Fahrradbauer aus dem Mittelwesten halt auch nicht).
Übrigens: In der Zeit, als die Wrights "Pause" machten, ging das mit der Weiterentwicklung dieser Erfindung in Frankreich so richtig los. Etliche Prototypen aus der Zeit kann man heutzutage im Musée de l'Air in Le Bourget besichtigen: Da ging es zuerst mal um Rennen, Geschwindigkeit, Innovation. Die militärische Verwendung kam dort erst später.
Zurück zur militärischen Sicht: Waffenträger gab es in den 1910er Jahren ja reichlich, deswegen waren die Militärs vor allem an schneller, nicht aufzuhaltender Aufklärung interessiert und an Kommunikation. Funkanlagen waren zu der Zeit auch noch experimentell und riesengroß, Flugzeuge hingegen hatten offensichtlich das Potential, Personen (Kuriere) innerhalb kurzer Zeit über hunderte Kilometer zu befördern. Das waren zwei unschätzbare Punkte. Diese Verwendungen sind noch nicht per se militärisch. Die militärische Komponente daran war das Militär, das über Förderung, Ressourcen, etc. erheblich zum Wachstum dieser neuen Erfindung beigetragen hat. Die Verwendung dieser neuen Vehikel als Waffenträger kam ja erst um 1914/15 auf, dann aber rasant.
Die paar Motorsport-Verrückten, hauptsächlich in Frankrich, England und Italien, die um 1909 herum die Entwicklung vorangetrieben und Rennen veranstaltet haben, hatten gar nicht die Mittel, grossflächig zu agieren. Ohne die Geldspritzen seitens des Militärs hatte es noch viele Jahre dauern können, bis aus den Rennvehikeln zivil nutzbringende Flugzeuge geworden wären, zum Beispiel für den Passagierverkehr.
Beim Grafen Zeppelin und seinem Co Hugo Eckener, die ja den ersten zivilen Luftverkehr hochgezogen hatten, war es anders herum: Die hatten wirklich den zivilen Nutzen im Sinn und musste vom Militär "überzeugt" werden, bis er anfing, militärische Luftschiffe zu konstruieren. Das war aber für Zeppelin auch der Einstieg in industrielle Fertigung und seine Fluggeräte haben sich in der Zeit von der Größe her vervielfacht.
Zurück zur These, dass die Militärs immer erst später aufspringen: Heutzutage mischen die schon ganz am Anfang mit. Schon in die Grundlagenforschung fliessen militärische Mittel, viele Erfindungen, deren wir uns heute bedienen, sind eigentlich militärischer Natur. Vor kurzem ist mal eine Statistik über die Drittmittelherkunft der Europäischen Forschung erschienen. Darin wurde klar herausgearbeitet, dass die (z.T. auch sehr zivil erscheinende Forschun) vom militär initiiert wird, mit dem Ziel, Neues nutzbares zu entwickeln.
Nun: Solange es Menschen gibt, waren diese bestrebt. ihren Nachbarn mehr oder weniger gezielt den Schädel einzuschlagen, aus verschiedenen Motivationen heraus. Wir sind halt keine Friedenstäubchen. Hat sich mal jemand gefragt, warum Schiffe mit Kanonen hier im Forum um so vieles beliebter sind, als Schiffe ohne Kanonen ?
Zitat von Thommie im Beitrag #23Hat sich mal jemand gefragt, warum Schiffe mit Kanonen hier im Forum um so vieles beliebter sind, als Schiffe ohne Kanonen ?
Ja, habe ich. Und ich glaube nicht, dass diese Schiffe wegen der Kanonen so beliebt sind, sondern obwohl sie welche haben. Das ist jedenfalls bei mir so und ein Grund dafür, dass ich mein Lustfahrzeug baue, das zwar aussieht, wie die eleganten Militärfregatten seiner Zeit, bei der ich mich aber der Illusion hingeben kann, dass dafür eben keine militärische Nutzung vorgesehen war.
Dummerweise verfügt das Militär ja seit jeher über nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel und in der hier hauptsächlich behandelten Zeit war es nun mal so, dass die Staaten und Herrscher sowohl über die Zahl der Kanonen und der bewaffneten Schiffe, als auch über deren Schönheit zu imponieren hofften. Ein Denken, das zwangsläufig dazu führte, dass die schönsten Schiffe fast ausschließlich Kriegsschiffe waren.
Später kam noch hinzu, dass für Kriegsschiffe Geschwindigkeit immer wichtiger wurde. Diese Anforderung brachte neue Rumpfformen, die von Menschen ebenfalls als schön empfunden werden. Überall dort, wo es in der Natur auf Geschwindigkeit ankommt, hat sie ebenfalls Formen hervorgebracht, die wir, losgelöst vom Lorenz'schen Kindchen-Schema als schön empfinden, man denke nur an die wunderbare Stromlinienform von Marlinen, Delfinen, den meisten Haiarten, aber auch an die schöne Gestalt von Geparden, Gazellen, Falken u.v.m. Ohne das jetzt genau überprüft zu habe, habe ich darüber hinaus auch noch den Verdacht, dass die Einteilung der Aufbauten, Mastposition etc. vor allem bei Kriegsschiffen (ob nun absichtlich oder zufällig sei mal dahingestellt) viel mit dem goldenen Schnitt zu tun haben. Und so kann es sein, dass Modellbauer, trotz ihrer evtl. pazifistischen Grundhaltung vorzugsweise bis an die Zähne bewaffnete Wooden Walls bauen, oder eine Bismarck oder Scharnhorst einer Cap San Diego oder Otto Hahn den Vorzug geben (um mal ein bisschen näher an die Neuzeit heranzureichen).
Im Einzelfall mag es auch ein morbides Faible für alles militärische sein, eine solche Geisteshaltung halte ich aber eher für eine Ausnahme.
bis denne Willi
Es ist nicht alles falsch, was man nicht versteht.
Zitat von Thommie im Beitrag #23 Hat sich mal jemand gefragt, warum Schiffe mit Kanonen hier im Forum um so vieles beliebter sind, als Schiffe ohne Kanonen ?
Viele Grüße Thomas
Weil die Entwicklungen der Militärs wesentlich besser dokumentiert sind als zivile. Wieviel brauchbare Unterlagen, Beschreibungen, Pläne etc. gibt es aus dem 18. Jahrhundert von zivilen Schiffen..........und wieviele von "Kriegsschiffen"?????
Grüße
Robert
Und wenn mich dann die Arbeitswut packt,....setze ich mich ganz still in eine Ecke und warte bis der Anfall vorüber ist.
In der Werft: Knochenmodell "Royal Caroline" 1749 M 1: 50 Spantmodell Engl. 74 Kanonenschiff 1781 M 1: 50 nach M. Stalkartt Projekt Phantom M 1: 50
ich glaube wirklich, dass wir hier gar nicht streiten müssen. "Zitat: Zurück zur These, dass die Militärs immer erst später aufspringen" Das war nie die These, denn von "immer" war nie die Rede. Ersetzen wir das "immer" durch "manchmal, oft, gelegentlich, meist" oder was auch immer, dann sehen wir dass unsere Meinungen gar nicht weit auseinander liegen. Das Kriegerische hat aber, ob es uns passt oder nicht, seine eigene Faszination. Man suche nur mal nach einem Modellbausatz für eine Blériot XI und nach einem für einen Fokker Dreidecker. Keine Frage welches Flugzeug für die Luftfahrtgeschichte wichtiger war. Und auch völlig klar von welchem man mehr Bausätze findet. O´Brian schreibt eben auch über einen Captain der Navy und nicht über Handelsfahrer. Ich baue deshalb auch eine Fregatte mit Kanonen und Karronaden. Und es macht mir einen Riesenspass die Dinger samt ihrer Lafetten und Takelung immer detailierter hinzukriegen und durch diesen Prozess immer besser zu verstehen. Ich würde auch zu gern mal dabei sein, wenn so ein Gerät abgefeuert wird (Buben jeden Alters lieben es halt, wenn es Bumm macht). Aber ich wollte nie und nimmer dabeisein, wenn irgendjemand im Ernst mit sowas auf andere Menschen schießt. Insofern finde ich (auch als Vater) die realistische Darstellung von Gefechten in Büchern oder auch Filmen durchaus sinnvoll, weil abschreckend. Mein schon erwähnter Großvater hat im ersten Weltkrieg sein Alter gefälscht um, im vollen Heldentumswahn, endlich an die Front zu dürfen. Das wurde genährt durch heroische Bücher, Berichte und Gemälde. Erstt vor Verdun hat er dann ganz schnell gelernt, dass die Realität ziemlich anders aussieht.