Dass es sich um die Darstellung der Kleider handelt war ja auch schon immer mein Eindruck. Aber eben nur ein Eindruck. Die Netz-Idee finde ich aber - da sie jetzt mal auf dem Tisch ist - dennoch sehr interessant und nicht abwegig. Auch wenn 500 Jahre dazwischen liegen ist es dennoch möglich, dass alte Ideen wieder aufgenommen wurden...
Vermutlich standen Seefahrer über Jahrhunderte vor dem gleichen Problem: nur eine wirklich feste Webung mit Garnen aus langen Fasern produziert formstabile und reck-arme Tuche. Ich bin kein Experte für die Wikingerzeit, meine mich aber zu erinnern, daß man im Norden vorallem Wolle zur Herstellung von Segeln verwendet hat. Was für Norweger-Pullover gut ist, gibt nicht unbedingt gute Segel. Deswegen macht es Sinn, die Formstabilität durch aufgenähte Seile bzw. diagonale Streifen zu erhöhen. Wollstoffe neigen zum Recken, wenn man diagonal zur Webung an ihnen zieht - und genau das passiert an den Schothörnern. Die Netzförmigen Strukturen übertragen diese Zugkräfte gleichmäßiger auf das Segel.
hast Du zufällig Altersangaben zu den von Dir gezeigten Steinen? Die Wikingerzeit umfasst, wenn den Beginn mit dem Überfall auf Lindisfarne gleichsetzt auch etwa 300 Jahre. Von daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich die Verwendung der Segel weiterentwickelt hat und Techniken von bereisten gebieten Einzug gefunden haben.
Ansponsten eine interessante Theorie, die ich bei meinen Überlegungen weiter ebrücksichtigen werde. Danke
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Ein Schnellschuß, ich habe so überhaupt keine Ahnung von Wikingern und Römern. Letztere verwendeten aber, wenn man den Mainzern Rekonstruktionen von römischen Binnnenschiffsegeln (Beitrag 25) http://www.modellboard.net/index.php?topic=13861.15 glauben darf, auf ähnliche Art verstärkte Segel. Von diesen Nachbauten müssten doch neuere Erkenntnisse u.a. zur Schotführung vorliegen.
Fortsetzung Warum ist die Wikinger Takelung so unbekannt ?
Nachdem ich meine vor 50 Jahren geschriebene Hypothese im Forum zur Diskussion stellte sind einige Fragen und Ansichten vorgetragen worden die mir einen Grund gaben wieder in das damals bei der Gestaltung des OSEBERGSCHIFF Baukastens aufgegriffene Thema hinein zu schauen und eine Verbindung zwischen der Netztheorie und den späteren Reffbändern zu suchen. Es waren besonders die Fragen nach dem Alter der Bildsteine und den horizontal/vertikalen Linien auf beiden Seiten der Großsegel von Mittelmeerschiffen bis ins 15. Jahrhundert die den Stein ins Rollen brachten.
Wie ich aus den mir zugänglichen Abbildungen ersehen kann gab es keine technische Weiterentwicklung der nordischen Netztakelung; der Übergang, oder besser gesagt der Untergang dieser, zu den Reffbändern des 13. Jahrhunderts muß von einem politisch/religiösen Sichtpunkt heraus gesehen werden. Das mag für einige genau so unglaubwürdig erscheinen wie die Netzhypothese, aber warum sollte eine sich bewährte Takelungsweise nach ein paar Jahrhunderten sonst nahezu spurlos verschwinden um einer im Anfang minderwertigen Platz zu machen?
Ein Hinweis kam von J. von Fircks; er schrieb über die Bildsteine, die auch Bautasteine genannt wurden, daß diese im 8. Jahrhundert als Grabsteine auftauchten und auch zum Gedenken der in der Ferne Verstorbenen aufgestellt wurden. Ihre Fundstellen waren nicht der originale Standplatz. Sie waren umgeworfen, zerschlagen und zum Teil in Gebäuden und Brücken verbaut, sogar im Fundament eines alten Kellers fand man sie. Im einem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Gesetzbuch von Uppland vermerkte man: „Niemand soll an .... Steine glauben.“ Da liegt es auf der Hand daß die mit „Feuer und Schwert“ predigenden Verkünder der neuen Religion, des Christentums, alles Heidnische im Volke ausrotten und jedes Wissen daran zerstörten wollten. Man konnte doch als Christ nicht mehr auf Schiffen segeln die den Gedanken an Odin, Wotan oder Thor wieder aufleben ließen. Da man die Kunst des Schiffbaus selbst nicht so schnell umlernen konnte versuchte man zuerst die Segel der aus dem Süden kommenden christlichen Schiffe einzufüh-ren. So nimmt es auch nicht Wunder das die ersten Anzeichen dieses Wechsels aus dem seit dem 8. Jahrhundert christlichen Frankenland kamen.
1.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Aus einem Manuskript des 12/13. Jahrhunderts. Linien von Reffbändsel sind auf dem ganzen Segel erkenntlich.
Das älteste bekannte Stadtsiegel kommt ebenfalls von der französischen Küste. Es ist das Siegel von La Rochelle aus dem 13. Jahrhundert. Beide Abbildungen zeigen immer noch die Wikingerart des Schiffbaus, jedoch nicht mehr wie das Bergen Siegel mit Drachenköpfen, auch noch nicht als Neuerung die Kravelbauweise der Iberischen Halbinsel.
2.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Das Stadtsiegel von La Rochelle
Im Siegel von Hastings erkennt man zwei Schiffe in der gleichen Bauart. Sie haben bereits Achterkastelle, sind also etwas jünger wie das vorherige.
4.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Stadtsiegel von Hastings
3.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Aus einem englischen Manuskript von 1270. Die Nefs haben bereits aufgesetzte Kastelle und Mastkorb
5.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Stadtsiegel von Bergen 1278
Obwohl auch Norwegen sich schon von den alten Göttern losgesagt hatte lebt auf diesem Siegel der Stadt Bergen immer noch ein Teil der Wikingertradition. Das gilt auch für das dänische Kirchenbild des 14. Jahrhunderts im vorhergehenden Artikel. In den Stammländern der Wikinger scheint man trotz neuer Religion immer noch stolz auf die seefahrende Tradition hinweisen zu wollen. Wir sehen in diesem Übergang der Reffmethoden jedoch keine Veränderung des eigentlichen Segels, nur das Netz und die Unterliekschoten verschwanden. Die rechteckige Netzzeichnungen auf späteren Schiffen hatten aber einen völlig anderen Grund.
6.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Dänisches Kirchenbild des 14. Jahrhunderts
Der Unterschied zwischen den nordischen und südländischen Netzzeichnungen.
Soweit meine Idee des Wechsels der Wikinger-Reffmethode zur modernen. Diese eingangs und von Heinrich Winter angeführten rechteckigen Netzauflage hat einen anderen Ursprung.
7.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Römisches Handelsschiff aus dem 2. Jahrhundert AD.
Das schon einmal gezeigte Relief gibt uns des deutlichste Beispiel davon wie die Segel des Mittelmeerraumes geschaffen waren und warum diese netzartige Zeichnung auf beiden Seiten des Segels sichtbar wurde. Ein solches Segel bestand nicht aus langen Segelbahnen deren Nähte sich auf beiden Seiten abzeichneten, wie die atlantisch/nordischen, sondern aus kürzeren Stücken, wobei deren Überlappungen doppelte Nähte schufen die kreuzweise beidseitig gesehen werden konnten. Ich will mit den kommenden Abbildungen demonstrieren daß diese Zeichnungen bereits auf Darstellungen der Römerzeit gang und gäbe waren.
8.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Auf diesem Relief eines römischen Handelsschiffes an einem Sarkophag in Sidon, Libanon sind diese rechteckigen Verbindungen auf der Rückseite des Segels markiert.
Nicht nur als Reliefs sind die so markierten Segel erkennbar. Man fand sie auch als Mosaiks auf Fußböden und Wänden antiker Gebäude.
9.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Eingelegter Fußboden des Handelsplatzes tunesischen Schiffseigner von Sullecthum im Handelsforum des Hafens von Ostia.
10.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ein Mosaik des dritten Jahrhunderts von Schiffen in Karthago.
11.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ulysses und die Sirenen. Ausschnitt eines Mosaiks des Ulysses Hauses in Dougga, Tunesien. 3. Jahrhundert.
Das die römische Weise des Segelnähens sehr langlebig war zeigen uns die weiteren Abbildungen.
12.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ein Mosaik des 6. Jahrhunderts von der Kirche Sant‘ Apollinare Nuovo in Ravenna, Italien.
13.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Venezianisches Schiff des 12. Jahrhunderts, Vocino, La Nave nel Tempo. Hier ist es wieder offenkundig das Lateinsegel nicht von diesen rechteckigen Linien unterbrochen wurden.
14.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Dieser Künstler war wohl ohne große Schiffskenntnisse, wollte aber auf die charakteristischen Eigenheiten der Quersegel seiner Zeit nicht verzichten und gruppierte die ihm fremden Rechtecke frei um die für ihm wichtigeren Segelbemalungen herum. Basilica St. Marco, Venedig. 13. Jahrhundert.
15.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Auf dem Gemälde aus dem 14. Jahrhundert mit dem windzerschlissenen Segel wird, genau wie bei dem eingangs abgebildeten römischen Relief, deutlich das diese für über ein Jahrtausend übliche Netzzeichnung auf querge-takelten Segeln kein Netz war, sondern die doppelten, vertikalen und horizontalen Nähte des Segels. Die Takelung des Großsegels ist auch gut erkennbar, sie wies auch eine Mastschot auf um das Unterliek besser zu regieren. Ausser dem Bonnet ist hier keine andere Verkürzungsmethode sichtbar.
16.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Diese Schiffdarstellungen auf der Seekarte von Pizigano 1367 sind wie Heinrich Winter vermerkte wohl die ältesten bekannten Beispiele von Schiffen auf einer Seekarte. Es war eine italienische Seekarte und die Schiffsdarstellungen erhielten ein heimisches Aussehen obwohl man sie in atlantische und nördliche Gewässer verpflanzte.
17.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ein Venezianischer Zweimaster des 15. Jahrhunderts mit einem Bonnet?
Wir sind nun in der Endphase dieser aus kleineren Bahnen genähten Quersegel auf Mittelmeerschiffen. Es erscheint mir von all den zugänglichen Abbildungen das nur diese so gefertigt wurden während die Lateinsegel am Besanmast und auch ansonsten aus längeren Bahnen bestanden. Waren es unterschiedliche Stärken für die Quersegel, die nicht in größeren Längen bei gleichbleibender Qualität hergestellt werden konnten ?
18.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Die Seekarte Grazioso Benincasa‘s von 1492 zeigt uns einen der Dreimaster des späteren 15. Jahrhunderts mit einem kleinen Großmarssegel. Wie viele dieser Fahrzeuge hatte auch dieses wegen der Größe des Segels eine Mastschot und ein Bonnet.
Dieses und die nächsten Abbildungen sind aus einer Übergangszeit welche, in Relief und Malerei des Mittelmeerraumes, auch teilweise schon die nördliche Herstellungsweise der Segel zeigt.
19.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Das Schiff in Breydenbach’s Pilgerreise von 1486 im Hafen von Modon an der Südspitze der griechichen Halbinsel Peloponnes. Das Großsegel weist zwei Bonnets (Bonnet und Drabbler) auf und das lateinförmige Besansegel ist, wie auf anderen Abbildungen auch erkennbar, nicht in der gleichen Weise genäht.
20.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Das Großsegel der türkischen Karacke aus Konrad von Grünenbergs Pilgerreise von 1487 ist gleichartig getakelt. Was hier bemerkenswert ist; wir sehen am Schothorn des Großsegels nicht nur eine Schot, sondern auch einen Hals. Über dem Unterliek des Bonnets ist eine Reihe von Löchern erkennbar die zur Befestigungs des Drabblers dienten. Die Großrah bestand, wie auch schon auf vorherigen Abbildungen erkennbar, wegen ihrer Länge aus zwei Teilen.
21.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) Ausschnitt eines Bildes türkischer Karacken des späten 15. Jahrhunderts im Kampf mit den "Ungläubigen".
Diese Abbildungen von Quersegel getakelten, mit Netzzeichnungen versehenen Schiffen geben einen kleinen Einblick in die sich mehr als ein Jahrtausend gehaltene Eigenart römischer und späterer Fahrzeuge des Mittelmeerraumes. Auf spanischen und portugiesi-schen Darstellungen des 14. und 15. Jahrhunderts ist diese Herstel-lungsweise der Quersegel nicht erkennbar, sie war wohl haupt-sächlich auf den Mittelmeerraum begrenzt. Ich hoffe damit so manche diesbezügliche Frage beantwortet zu haben. Karl Heinz Marquardt
Hallo Karl-Heinz, vielen Dank für die sehr interessante Darstellung. Da auch in anderen Bereichen durch die Christianisierung/Missionierung gutes Wissen "verloren ging", finde ich deine Idee, warum die vermutlich bessere Art der Segelführung verschwand, sehr plausibel.
ZitatEin Hinweis kam von J. von Fircks; er schrieb über die Bildsteine, die auch Bautasteine genannt wurden, daß diese im 8. Jahrhundert als Grabsteine auftauchten und auch zum Gedenken der in der Ferne Verstorbenen aufgestellt wurden. Ihre Fundstellen waren nicht der originale Standplatz.
Hallo Karl,
nach dieser Aussage stammen die Bildsteine aus der Anfangszeit der "Winkingerzeit". Die entscheidenste kulturelle Änderung der nächsten 300-400 Jahre war die Übernahme des Christentums mit ihren Geboten. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bildsteine wieder abgebrochen wurden.
Von einem plötzlichen Übergang von einer Technik zur anderen gehe ich nicht aus; alle Vergleiche zeigen das jede technische Entwicklung eine Evolution voraussetzt. Wenn aufgrund der kulturellen Änderungen in Nordeuropa keine bildlichen Darstellungen der Änderungen überliefert worden sind, heißt es nicht, dass es sie nicht gegeben hat. Bei einem der frühen Schiffstypen -zu denen das Osebergschiff zählt- halte ich die Netze für möglich; bei späten Typen, wie den Skuldelev Schiffen, bei denen eine Spezialisierung für verschiedene Aufgaben erkennbar ist, glaube ich ist die Verwendung der Reffbänder wahrscheinlich.
Gruß Christian
in der Werft: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776 - 1:36 auf dem Zeichenbrett: Cutter Alert, 1777, HM Sloop Fly, 1776, HM Fireship Comet, 1783, HM Boomb Vessel Aetna, 1777
Pause: HMS Triton, 1771 - 1:48
"Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen." "Habe keine Angst vor der Perfektion - Du wirst sie nie erreichen" Salvador Dali
Ich habe mich nicht sehr intensiv mit der Materia beschäftigt, halte aber eine Verstärkung zur Verteilung der diagonalen Zugkräfte für wahrscheinlich. Wie diese Verstärkung aussah, ob Stoffstreifen, Lederstreifen oder Seil, kann man auf der Basis des Bildmaterials vermutlich kaum eindeutig festlegen. Es ist auch durchaus möglich, daß alle diese Materialien im Prinzip verwendet wurden, in Abhänigkeit ihrer Verfügbarkeit. Religiös-kulturelle Einflüsse können in der Tat sehr gravierend sein. Wir haben weltweit genügend Beispiele dafür, daß solche Einschränkungen oder Forderungen (z.B. in Form von Tabus) logisch-rationale Handlungsweisen überlagern. Das ist besonders evident, wenn durch kriegerische oder kulturelle Eroberungen eine fremde Kultur (mit anderen sozio-geographischen Wurzeln) einer autochthonen überlagert wird. Das Christentum als Religion, die aus dem arid-mediterranen Raum stammt und in Nordeuropa akulturiert wurde, ist dafür ein gutes Beispiel. Das langsame Verschwinden der Verstärkungen würde ich aber vielleicht weniger einer solchen kulturellen Überlagerung zuschreiben, als verbesserten Produktionstechniken und verbesserten Rohmaterialien zur Gewebeherstellung. Es gelang einfach seit dem ausgehenden Mittelalter festere Gewebe herzustellen, die dieser Verstärkungen nicht mehr bedurften. Das Vereinfachte die Herstellung von Segeln. Durch den Wegfall der diagonalen Verstärkungen, fiel dann auch die Reffmöglichkeit weg und wurde durch Gordings o.ä. ersetzt. Wie in allen solchen Fällen, dürften sich neue Techniken und Materialien nur langsam durchgesetzt haben, so daß mit einer Koexistenz über Jahrzehnte oder Jahrhunderte zu rechnen ist. Wir sehen das ja heute auch noch, vorallem in den Entwicklungsländern, wo Computer per Eselskarren ausgeliefert oder Mikrowellenherde per Dhau transportiert werden.
Hallo Christian und W. Eberhard, Es mag vielleicht aus Euren Worten so klingen als ob hier von dem plötzlichen Übergang einer Segeltechnik zur anderen gesprochen wurde. Wenn auch das Wort „Evolution“ nicht gefallen war ist doch jedem verständlich daß die Welt zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert nicht stehen blieb. Dabei liegt es auf der Hand daß z.B. die im 8. Jahrhundert in einer kargen Landschaft gewebte Leinwand durch irgendwelche äußeren Einflüsse in den kommenden Jahrhunderten verbessert - und das von mir propagierte Netz dabei überflüssig wurde. Damit mußten neue Reffmöglichkeiten geschaffen werden. Aber welche? In meinem Bericht sind nur die mir zugänglichen Fakten genannt, die von den Steinbildern bis zu den ersten (nahezu 5 Jahrhunderte jüngeren) Bildnissen nordischer Reffbändsel führten. Die Abbildungen des Mittelmeerraumes zeigen nur Gordings für die Verkleinerung des Großsegels, die später durch Bonnets und Drappler ergänzt wurden. Der Nachweis dieser im englischen Raum geht auf 1338 zurück (Record office: Inventurlisten von Schiffen Edward III), während eingebundene Reffbänder erstmalig im Siegel von La Rochelle sichtbar wurden. Auch die Wikinger hatten bereits Knittels um ihre Reffe einzubinden, aber wann wurden diese zum festen Bestandteil eines Segels? Die handfesten Beweise stammen aus dem 13. Jahrhundert und ich kann nicht die dunkle Evolutionsperiode mit irgendwelche unbeweisbaren Mutmaßungen füttern. Man würde mich heute auslachen wenn ich zum Beispiel behaupten würde die ersten Flugkörper Otto von Lilienthal‘s oder der Gebrüder Wright wurden mit Düsen angetrieben; den Erbauern des SKULDELEV 2 Repliks glaubt man aber ohne zu zweifeln das der einfache Mast eines späteren Handelsschiffes der Wikingerzeit 2 Vorstage, 5 Wanten und zwei Backstage brauchte um im Schiff aufrecht stehen zu können, an einem einzelnes Quersegel 5 Reffbänder, dazwischen Seitenliekkauschen mit Aufholleinen, 4 Buggordings, 2 Bulins, 2 Schoten und 2 Halsen zur Bedienung benötigte und die Rah 2 Brassen und 2 Konterbrassen haben mußte um Balance zu halten. „Wissen“, das wurde mir schon als Kind eingetrichtert, „fragt nach Beweisen“, „Glauben“ jedoch „heißt nicht wissen“. Es ist leicht auf diese Weise die dunkle Periode unserer Segelschiffszeit zu überbrücken. Jochen von Fircks schreibt in seinem Buch ...und setzten zum Andenken Steine : Im Gesetzbuch aus Uppland wurde im 13. Jahrhundert vermerkt: „Niemand soll an ... Steine glauben“. Warum mußte ein Gesetzbuch des 13. Jahrhundert noch diese Bemerkung aufweisen wenn schon alle brave Christen waren? Es läßt doch die Vermutung zu das man diese Steine als gefährlich ansah und sie nicht nur zerstören ließ, sondern auch aus den Gedanken der Bevölkerung verbannen wollte. Vielleicht war diese Besegelung auch noch nicht ganz ausgestorben? Man muß schon etwas sparsam mit den erst im 13. Jahrhundert sichtbar werdenden Beweismitteln umgehen wenn man diese auf Fahrzeugen anwenden will die schon zwischen 1070 – 1090 versenkt wurden. Da würde selbst mein Beispiel mit den Düsen in ein paar Jahrhunderten glaubwürdig erscheinen. Ich glaube (!!!) das es noch viel Forschungsarbeit bedarf um den Übergang zwischen den Reffmethoden dokumentarisch zu belegen. Viele Grüße, Karl
Nur so ein Gedanke, der mir gekommen ist: Wenn es das Netz gab, und es dann aber irgendwann verschwunden ist, vielleicht hatte es ja dann überhaupt nichts mit der Segeltrimmung zu tun, sondern nur mit der Stabilität des Segelmaterials? Ich hab mal irgendwo gelesen, dass die Segel der Wikinger aus Wolle gewebt und damit nicht sehr dicht und evtl. auch elastisch waren. Vielleicht haben sie ja dieses Problem mit einem vor dem Segel angeschlagen Netz gelöst, welches das Segel quasi festhält und die Kräfte an Rah, Mast und Takelage weitergegeben hat. Also das Netz hatte die eigentlicher Segelfunkton und das Wollsegel war eigentlich nur eine "Abdichtung der Maschen". Das würde erklären, warum diese Netze später, als es bessere Segelstoffe gab, sang und klanglos verschwanden. Wenn die Wikinger Zugang zu besseren Segelstoffen bekamen, werden sie auf das Zusatzgewicht des Netzes bestimmt gerne verzichtet haben. Wie gesagt, nur eine Idee.
Hallo zusammen, der Thread ist vier Jahre alt... ob da noch jemand ein Auge drauf hat? Na, jedenfalls habe ich noch eine kleine Frage. Bin gerade die 'Roar Ege', das Skuldelev 3 Schiff, am Bauen. War das Segel eines so kleinen Lastenseglers auch mit Netz getakelt? Die Replik, auch das Museumsmodell, haben ja die wohl bekannten Reffbänder...
Zitat von Schbauz im Beitrag #28Hallo zusammen, der Thread ist vier Jahre alt... ob da noch jemand ein Auge drauf hat? Na, jedenfalls habe ich noch eine kleine Frage. Bin gerade die 'Roar Ege', das Skuldelev 3 Schiff, am Bauen. War das Segel eines so kleinen Lastenseglers auch mit Netz getakelt? Die Replik, auch das Museumsmodell, haben ja die wohl bekannten Reffbänder...
Die Netzhypothese von Karl wird im allgemeinen eigentlich selten angewandt, warum weiß ich nicht. Für mich sind die Schlussfolgerungen absolut logisch und nachvollziehbar. Und warum sollte es bei der Skudelev nicht so gewesen sein? Vielleicht kann Karl dir da eine Auskunft geben, ich habe aber z.Z. nur Kontakt über Whatsapp, er befindet sich im Krankenhaus. Er hatte aber Hoffnung diese Woche entlassen zu werden.
Hej Kay, vielen Dank für Deine Antwort! Hoffen, Karl geht es so weit gut! Ich sehe es jedenfalls genau so. Die Hypothese ist sehr schlüssig und für mich logisch nachvollziehbar. Wenn ich also kein STOP! Von Karl bekomme werde ich das mit den Netzen versuchen darzustellen. Gruß, Peter