Eine normale Rackkonstruktion würde der Blinde nicht genügend Freiheitsgrade beim Anbrassen geben, da sie sich praktisch nur um den Bugspriet als Achse drehen kann. Wenn ein Rack verwendet wurde, dann muß es so ausgelegt sein, daß Bewegungen im Winkel zum Bugspriet zuläßt.
Wenn ein Rack vorhanden ist und ich die normalen Brassen zur Schanz nach hinten dichthole, hätte die Blindenrah eine Tendenz an der gegenüberliegenden Seite aufzusteigen, da der Zug der Brasse ja nach hinten-unten geht. Ich nehme an, daß die Konterbrassen zum Vorstag hin das kompensieren sollen, da ihr Zug ja nach hinten-oben geht.
Bei einer fliegend gefahrenen Blinde, die nur an den in einem Fall zusammenlaufenden Toppnanten aufgehängt sind dürfte das keine Rolle spielen.
Vielleicht muß man sich mal ein einfaches Funktionsmodell bauen und Versuche anstellen, um zu sehen was passiert wenn man wo in welcher Richtung zieht ...
Sorry, aber Curti scheint meinem Empfinden nach eher weniger Glaubwürdig als Vroom. Die perspektivisch völlig missratene Illustration wirkt auch nicht vertrauenserweckend.
Zitat von wefalck im Beitrag #106Eine normale Rackkonstruktion würde der Blinde nicht genügend Freiheitsgrade beim Anbrassen geben, da sie sich praktisch nur um den Bugspriet als Achse drehen kann. Wenn ein Rack verwendet wurde, dann muß es so ausgelegt sein, daß Bewegungen im Winkel zum Bugspriet zuläßt.
Wenn ein Rack vorhanden ist und ich die normalen Brassen zur Schanz nach hinten dichthole, hätte die Blindenrah eine Tendenz an der gegenüberliegenden Seite aufzusteigen, da der Zug der Brasse ja nach hinten-unten geht. Ich nehme an, daß die Konterbrassen zum Vorstag hin das kompensieren sollen, da ihr Zug ja nach hinten-oben geht....
Die Frage ist aber doch auch, wie wurde die Blinde angebrasst? In eher horizontale Richtung, ähnlich der anderen Rahen. Das wäre mit Achterbrassen möglich. Doch was sagt das Luvschothorn dazu, dass es von keinem Halstau gehalten wird? Oder doch in vertikaler Richtung mit Brassen zum Vorstag. Dann steht die Nock allein in Luv. Oder wurde die Blinde nur vorm Wind gesetzt? Mein Schifflein liegt hart am Wind. Blinde setzen oder nicht... Ich habe keine praktische Seerfahrung aber braucht Der achtern hohe Aufbau und der Besan kein Gegenspieler um nicht in de Wind zu schießen? Ich lerne gern dazu
Was würde denn passieren, wenn die Nock der Blinden an der Backbordseite wesentlich höher liegen würde als an der Steuerbordseite, oder umgekehrt? Muss denn eine Rah immer parallel zur Wasserlinie liegen? Die Menschen im 16. und 17. Jahrhundert hatten möglicherweis eine ganz andere Vorstellung davon. Die sind uns natürlich fremd und leider nicht bekannt.
Grundsätzlich würde ich mal davon ausgehen, daß die Blinde kein sehr effektives Segel gewesen ist, da sie doch ziemlich im Windschatten des Rumpfes bzw. der anderen Segel gestanden hat, jedenfalls bei Vorm-Wind- und Raumem-Wind-Kursen. Außerdem liegt sie ziemlich tief über der Wasseroberläche, woe die Windgeschwindigkeiten relativ gering sind.
Ansonsten würde ich sagen: erlaubt ist, was zieht. Es gab ja damals keine Marinedienstvorschriften, sondern das lag im Ermessen der Schiffsführung. Da wir keine schriftlichen Zeugnisse haben müssen wir uns and die mäßig zuverlässigen bildlichen Darstellungen halten oder vielleicht auch mit experimenteller Archäologie arbeiten, so wie z.B. für die Wikingerschiffe gemacht wurde. Wie gesagt, ich würde mir mal ein einfaches Modell mit ein paar Schaschlikspießen machen und ausprobieren, wie sich die Blinde mit den verschiedenen Varianten von Rack/ohne Rack, Toppnannten, Brassen usw. verhält.
Zitat von Werner im Beitrag #109Was würde denn passieren, wenn die Nock der Blinden an der Backbordseite wesentlich höher liegen würde als an der Steuerbordseite, oder umgekehrt? Muss denn eine Rah immer parallel zur Wasserlinie liegen? Die Menschen im 16. und 17. Jahrhundert hatten möglicherweis eine ganz andere Vorstellung davon. Die sind uns natürlich fremd und leider nicht bekannt.
Gruß Werner
Nach dem Bericht Kapitän Villiers, der die Replik der Mayflower Anfang der 50ziger Jahre zweimal nach Amerika gesegelt hat, zeigte die Blinde nur dann Wirkung wenn sie nahezu senkrecht stand. Villiers entdeckte das dadurch, daß sich die Blinde zu Anfang der ersten Reise ungewollt und unkontrolliert senkrecht stellte. Ab dem Moment ließ sich das Schiff leicht steuern und lief einen sauberen Kurs. Vorher war es mit dem relativ kleinen Ruderblatt und dem sehr kleinen möglichen Ruderausschlag kaum Möglichkeiten gewesen "geradeaus" Kurs zu halten. Villiers hat danach die Blinde auf beiden Reisen sozusagen als Teil der Steuerung gefahren. Vortrieb erzeugte das Blinde kaum.
Nachdem, was z.B. auf den Bildern aus dem 17.Jahrhundert zu sehen ist wurden die Rahen, je nachdem wie hart das Schiff überlag, allem Anschein nach durchaus parallel zur Wasseroberfläche getrimmt, also nicht im rechten Winkel zum Mast gefahren. Mit der Einführung der stählernen Masten und Rahen mit ihren festen Raggs entfiel dann diese Möglichkeit, und war bei den weiterentwickelten Rogge auch nicht mehr nötig.
To the optimist the glas is half full. To the pessimist the Glas is half empty. To the ingenieur it is twice. As big as it needs to be.
Auf der Helling „Witsen“, holländisches Pinassschiff,1671. Nach Plänen von Ab Hoving
Ich hatte die Blinde auch immer als Teil des Trimms verstanden und bei Halsen. Auch habe ich bei NAchbauten oft gesehen, dass das untere Schothorn hochgezogen wurde und so ein dreieckiges Segel entstand.
Ist das letztere in historischen Abbildungen belegbar?
Das klingt ja auch sehr einleuchtend die Rah in die Senkrechte zu bringen. Das Kopfliek wird dabei zum Luvliek. Aber mir fehlen eben bildliche Quellen, die das Vorhandensein geeigneter Takelelemente gleich zum Jahrhundertbeginn zeigen
Ich weiss nicht wie dass um 1600 gemacht wird. Rund 1700 wird das ding belegt am Fuss der Bugspriet, oder auf ein Klampe am Back-reling. Ich werde uebrigens dass Peller Modell ohnehin nicht als Vorbild folgen: die Takelage siehtnicht sehr glaubwuerdig aus: obermarsseegel an alle drei Masten. Das machte man in 1600 noch nicht so.
Danke Jan, du hast Recht. Die Takelage des Peller-Modells hat keinerlei historischen Wert. Aber am Rumpf haben sich eben keine Hinweise auf ein ehemaliges Vorhandensein von Belegstellen erhalten.