Ich möchte Euch zu einem kleinen Galeriebesuch einladen. Gastgeber ist das Modell einer Kogge nach dem Stadtsiegel von Elblag, im Mittelalter »Elbing«, von 1367. Die Basis zu meinem Modell aus Karton und Papier bildet ein uralter polnischer Baubogen von «Maly Modelarz» aus dem Jahre 1973 (Es gibt den Bogen inzwischen in weitaus besserer, überarbeiteter Form). Im Prinzip habe ich den Bogen von 1:100 auf 1:250 verkleinert und die Bauteile als Vorlagen zur Erarbeitung eigener Teile genommen.
Das Schiffsmodell hat eine Länge von 10,3 Zentimeter, eine Breite von 3,3- und eine Höhe (Kiel/Mastspitze) von 11,6 Zentimeter
Die ersten Koggen erscheinen etwa um 1200. Das aus dem germanischen stammende Wort »kok« für »Muschel« scheint der Ursprung der Bezeichnung zu sein. Diese einfachen, oft von Zimmerleuten aus dem Binnenland (die eher mit dem Hausbau beschäftigt waren), gebauten Schiffe, ermöglichten es maßgeblich dem Städtebund der Hanse zu expandieren. Da die Wasserstraßen im Mittelalter die Haupthandelswege darstellten, schufen sich die Kaufleute mit der Kogge ein für ihre Anforderungen ideales Gefährt. Die Schiffe konnten relativ einfach und fast schon standartisiert gezimmert werden. Pläne gab es sicher nicht, das Schiff entstand nach dem Gefühl und den Erfahrungen der Zimmerleute. Eine Kogge sollte wirtschaftlich sein. Wichtiger als die Reisegeschwindigkeit war der zur Verfügung stehende Laderaum. Wenige Leute sollten die Schiffe segeln um die damals schon herrschenden Personalkosten gering zu halten. Schon nach wenigen Fahrten hatte sich der Bau schon armortisiert.
Zu Anfang des 13. Jahrhunderts konnten Koggen vermutlich 70 bis 80 Tonnen laden. Um 1350 schaffte ein durchschnittliches Schiff schon 120 bis 150 Tonnen (bei einer geschätzten Länge von knapp 30 Metern, einer Breite von ca. 7 Metern und einem Tiefgang von 3 Metern).
Eine Kogge wie die, die in Bremen gefunden wurde, hatte vermutlich 11 Mann Besatzung. Das Schiffe konnte soviel Ladung beförden, wie an Land 44 vierspännige Wagen. Dem gegenüber standen also 44 Fuhrleute und 176 Pferde die aufgewandt werden mussten, um dieselbe Warenmenge wie die einer einzigen Kogge zu befördern.
Der Fund der erwähnten, sehr gut erhaltenen Kogge (von 1380) bei Baggerarbeiten in Bremen, schuf ab 1962 entscheidet unser Bild und Wissen der mittelalterlichen Hanseschiffe. Weitere Funde folgten in den Niederlanden, in Skandinavien und an der Deutschen und Polnischen Ostseeküste. Die Koggenforschung geht weiter und liefert laufend neue Informationen.
Etwas zum Leben an Bord: Die 11 Mann Besatzung arbeiteten wahrscheinlich in Wachen zu je fünf Mann. Eine Person bleibt bei der Rechnung übrig: der Koch. Tatsächlich – so bestätigen Funde und Untersuchungen - achtete man auf den Schiffen auf gute Ernährung die von einem Koch zubereitet wurde. Es gab wechselweise Fleisch- und Fischtage. Der Schiffer (Schiff-Herr: er war zugleich Eigner und Kapitän) führte sogar einen besonderen Geldbetrag mit um während der Reise »grüne Speise«, also Gemüse und Obst, frisch einzukaufen.
Warum weiß man heute davon? Weil seltsamerweise die Speisereste, statt aussenbords gekippt zu werden, in die Bilge, den tiefsten Schiffsraum, geworfen wurden. Ein Glück für uns, denn wir finden bei den Koggenwracks neben dem Kiel gleich die Überreste der Reiseverpflegung und können so Rückschlüsse ziehen. Ein Pech und eine Katastrophe jedoch für die Menschen des Mittelalters: Die Schiffe mussten bestialisch gestunken haben und - schlimmer - die Pest wurde durch Ratten in der Bilge nach Skandinavien gebracht: Die Nager hatten gute Nahrung und Lebensräume tief unten in den Koggen.
Die Kogge segelte mit ihrem Rahsegel hauptsächlich vor dem Wind. Anbrassen war bedingt möglich um Am Wind Kurse möglich zu machen. Das Warten auf guten Wind verzögerte Reisen immens. Der Wind entschied ob Fahrten Tage oder Wochen oder gar einen Monat dauern konnten.
Diese Kogge hat sich herausgeputzt. Wir stellen uns vor, dass sie unterwegs zu einem Hansetag ist und ihre Heimatstadt Elbing dort würdig repräsentieren soll. Farbige Segel und der Schmuck an der Bordwand waren etwas, was sich berechnende Kaufleute lieber sparten.
Rote- und weiße Farben waren jedoch damals schon gut und günstig herzustellen (Ochsenblut und Bleiweiß bzw. Kalkfarbe). Die Farbkombination »Rot/Weiß« steht noch heute für die Farben der Hansestädte.
Die Decksplanken waren zu guten Teilen lose in die Setzweger, quer zum Schiff eingelegt. Die losen Planken konnten zum Laden herausgenommen werden.
Das Kreuz auf dem Masttop lässt die Kogge als friedliches Handelsschiff erkennen (Wobei im Kampf das Kreuz auch als Symbol für den Kampf um die gerechte Sache gedeutet wurde!)
Das Achterkastell ist ringsherum durch Wände abgeschlossen. Eine kleine Öffnung für eine herausnehmbare Leiter bildet den einigen Zugang auf dieses Deck. im Falle eines Kampfes konnten sich die Verteidiger des Schiffes dort regelrecht verschanzen.
Es gibt bei der Gestaltung dieses Aufbaus auch die historisch richtige Möglichkeit, das erhöhte Deck als Manöverdeck zu zeigen. Das heißt, die Schiffsführung stand auf dem nach vorn offenen Deck und gab Anweisungen an der darunter stehenden Steuermann und die Mannschaften führten von dort Segelmanöver mit den dort auflaufenden Brassen aus.
Das Vorderkastell besaß die äusserst wichtige Funktion, als Plattform für den Lotgast zu dienen (Auf dem Elbinger Siegel ist deutlich zu sehen). Im Mittellater wurde mit dem Lot navigiert. Zum einen wurde die Wassertiefe ermittelt und zum anderen holte man Bodenproben vom Grund hervor. Dazu wurde das unten offene Senkblei mit Talg – der sog. »Lotspeise« – gefüllt damit Sand und Muscheln hängen bleiben. Der Schiffsführer konnte dann aufgrund der ermittelten Wassertiefe und den Bodenproben in seinen Segelanweisungen nachsehen, wo er sich befand. Navigation mittels Kompaß war im 14. Jahrhundert in der Ostsee noch unbekannt. Es war tatsächlich so, dass tagsüber die jeweilige Sandfarbe, die Bodenbeschaffenheit und die Wassertiefe zur Standortbestimmung reichte!
Das große Bratspill mittschiffs hielt das Fall und diente auch zum Ankerlichten.
Viel Freude bei der Beschau,
Klaus
Klabauter
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Hübsches kleines Schiffchen, erstaunlich, daß das nur 10 Zentimeter lang sein soll
Grüße, Joachim
Schöne Grüße Joachim
Mein neues Buch in Deutsch und Englisch erhältlich: "Die Farbe Blau im historischen Schiffbau - von der Antike bis in die Neuzeit" siehe dazu: http://www.modellbau-muellerschoen.de
ich muß zugeben, daß ich die Galerie nie soch richtig auf dem Schirm habe. Gewöhnlich stöbere ich eher in den Projektordnern. Daher sind mir auch deine Modelle hier bisher entgangen & Danke für den Wink an anderer Stelle.
Die Kogge ist ein herrliches Modell und der Maßstab ist schon eine Herausforderung
Hallo Klaus, toll, was Du auf 10,5 cm hervorzauberst! Interessant sind die Ausführungen dazu. Dieses Umfeld ist für mich immer sehr wichtig. Freue mich auf weitere Schöpfungen aus Deinem Fundus!
Gruß
Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Danke für Euren Zuspruch zu meinem kleinen Modell! Da sich bei mir zuhause niemand dafür interessiert, freue ich mich doch sehr wenn sich hier jemand mal genauer das Modell ansieht… und es dann auch noch gut findet…
nun auch von mir an dieser Stelle ein dickes Lob für Deine wirklich vorzügliche Arbeit. Und jetzt weiß ich auch noch mehr über den Alltag auf der Kogge, welche ich in die Buddel gebracht habe! Das mit der mangelnden Anerkennung kann ich nur bestätigen... Und wenn ich auf facebook meine Werke veröffentliche bekommen ich nicht einmal mehr ein einziges "like". Dort will man eben eher "coole" Sachen sehen, egal, ob dahinter auch nur die Spur einer Leistung steckt!
wenn man so landläufig erzählt dass man Schiffsmodelle baut, erntet man höchstens ein verständnisloses Augenbrauenheben… Und Zack: Dann kommt der Stempel »Langweiler«, »Stubenhocker« und seit neusten »Nerd«…. Naja, ich weiß was mir Spaß bereitet und kann eben nicht gut Fußballspielen oder den ganzen Abend vorm Fernseher hocken… Andererseits ist ein Schiffsmodell eines der wenigen Dingen bei denen selbst ein unbedarfter Betrachter auf einen Blick ermessen kann dass die Herstellung viel Arbeit war (was man einen gut gespielten Musikstück z.B. nicht unbedingt anhört wie viel Übungsstunden darin lagen). Insofern wirst Du bei Deinen Flaschenschiffen sicher oft hören wie irre es ist so ein Modell in Flasche zu bekommen…
tja, wenn man selbst von seiner eigenen Frau zu hören bekommt, dass man eben nicht erwarten kann, dass jeder so eine Begeisterung für das Steckenpferd eines anderen aufbringen kann, auch weil vielleicht nicht jeder so viel Zeit hat, denn ist das schon ein wenig ernüchternd... Ich entgegne dann, dass auf facebook auch jeder andere Mist "geliked" wird, dafür also die Zeit durchaus aufgebracht wird. Wir haben halt ein Hobby, das aus der Zeit fällt - und leider, so erscheint es mir, auch langsam ausstirbt, wenn ich mir die Altersstruktur der Aktiven ansehe. Was meine Flaschenschiffe angeht: Da kommt i.d.T. dann oft die "scherzhafte" Frage, warum man denn nicht einfach die Buddel unten aufsägt... Na, zumindest fragen viele, wie das Ding denn dann wirklich reinkommt.
Dir noch ein schönes Wochenende,
Matthias
P.S: Übrigens fahre ich kommendes Wochenende gen Heimat, also in den Norden. In Achim-Baden treffen sich nämlich am Sonnabend, 28.03., die Freunde des historischen Schiffsmodellbaus im Restaurant "Weserburg". Vielleicht sieht man sich ja dort?