Das hatte ich auch gesehen und war überrascht - aber: wir kennen ja die Situation nicht, in der diese kleine Zeichnung "spielt" .. Offenbar ist es eine Szene in einer Art "Alarm"-Situation - oder wurde zum Aufstehen eine Trompete (ganz links ist ein Offizier (?) der eine Trompete oder Horn bläst) geblasen?
Und auch die individuellen Vorlieben, die ein Kapitän so hatte. Vielleicht war das Schiff auf "Feindfahrt" und in feindlichen Gewässern und in gewisser Weise etwas präpierter für "Klar zum Gefecht". Auch ist nicht überliefert, für welchen Zeitraum genau die Skizze gelten soll - und ob sie aus der Erinnerung her - vielleicht auch erinnerungstechnisch "verwaschen" gemischt mit aktuelleren Details - enstanden ist? Die "Uniformen" der Seeleute deutet ja auf eher neueren Zeitraum, während die Kanone ja schon noch ein alter Vorderlader zu sein scheint?
Ich würde nicht nur wegen eines Bilders fragwürdiger Herkunft und Aussage gleich alles in Frage stellen.. Und: immer auch dem Individum (Künstler wie Agierenden) eine gewisse Freiheit einräumen. Aber ganz sicher: jedes Bild, jede Aussage sollte ins Gesamtgefüge der Informationen gesetzt und verglichen werden. Das gesamte "Puzzle", das sich daraus ergibt, dürfte der wahrscheinlichsten Antwort am nächsten kommen. Nicht ein einzelnes Puzzle-Teil alleine.
Ich denke, dass hier einige Aktionen und Ereignisse zusammengefasst sind, deswegen die Verwirrung um die Takel.
Neben der Alarmtrompete krabbeln die letzten noch aus der Hängematte - tolles Detail wie sich der eine an den Haken über sich herauszieht - gleichzeitig haben andere schon ihre Bündel geschnürt und aus 2 Richtungen laufen schon die Pulveraffen ein. Eine klassische Karrikatur.
Aber die Details sind schön. Die Degen unter der Decke sind auch in anderen Quellen zu finden, toll auch die aufgeräumten Taue an der linken Deckenseite.
Da die Rückholtakel auf allen anderen Bildern aber fehlen denke ich, dass diese im gezurrten Zustand abgenommen wurden.
im Nachbarforum, drüben, überm Teich beim MSW, hat ein geschätzter Kollege in einem alten Buche von 1897 "History of the Liverpool privateers and letters of marque with an account of the Liverpool slave trade" in dem ein "Captain William Hutchinson, an experienced privateer commander, originally trained in that finest of all nurseries for seamen, the Newcastle colliers, who afterwards became dockmaster at Liverpool" erklärt, wie er sein Kaperschiff auf ein Gefecht vorbereitet:
ZitatIn his observations on preparing for exercise or action, Captain Hutchinson says : "When all hands are called to quarters, every man should bring his hammock, well lashed up, and stow it to the greatest advantage, to give shelter from small arms, nearest to his own quarters ; or to give them to some of his messmates where they are the most wanted, that they may know readily where to find them when exercise or action is over.
Es wurden also die eigenen Hängematten in der Nähe der Station eines Mannschaftsmitgliedes selbst so gestaut, dass es ihm selbst oder einem Kameraden als Schutz dient.
ZitatSpeaking of fortifying the quarter deck, Captain Hutchinson says : Whatever may contribute to shelter and save the people must be allowed to deserve notice. Various methods and things have been tried for this purpose. I was in a ship that had bags of ox-hair that were said to resist even cannon shot ; but in fighting with a French frigate I saw one of her shot go through eighteen inches of hair, through the middle of an eighteen-inch mast, and a long way over our ship afterwards ; which proves no fence can be made about a ship against cannon shot ; but against small and musket shots a fence may be made many ways. However, this fence or breastwork may be made to shelter the people from small shot ; in common they are no more than breast-high, so that the musketeers can fire fairly over them upon the enemy. But from experience in fighting I have observed among new fighting men there will always be something to show that natural instinct of self-preservation ; and in order to keep their heads under shelter of the breastwork from the enemy's shot, they fire their muskets at random up into the air.
Hier berichtet er davon, dass die Matten und vergleichbare Materialien sich - entgegen einiger Aussagen der Zeit - eben nicht gegen Kanonenkugeln zu schützen vermag - beschreibt er doch auch, wie er mitansehen musste, wie sich eine Kugel durch die geschützte Reling und mitten durch einen Mast hindurch ungebremst bis zum Achterschiff durch schlug. Aber er wusste, dass die Hängematten in der Reling eben vor Musketenfeuer Schutz bietet - und dass das notwendig war, denn aus Erfahrung wisse er, dass Neulinge im Kampf sich instinktiv aus dem direkten Feuer hielten - und mit ihrer Muskete quasi blind über das eigene Bollwerk hinweg in die Luft abschossen.
ZitatTherefore, to remedy this defect which I perceived in fighting the small arms, in fitting out a privateer afterwards, we had a rail, as in common, breasthigh on each side the quarter deck, and on the rails were fixed light iron crutches, with the arms about a foot square, and a shoulder to keep the bottom of the crutches about six inches above the rails, and thin boards about six inches broad, laid upon the bottom of the crutches ; and netting with large square meshes were formed just to hold a hammock with its bedding longways; and from the gunnel to the rail was boarded up on each side of the stanchions, and filled up with rope shakings, cork shavings, etc., which are found sufficient proof against musket ball, which made so ready and good a fence for the quarter-deck musketeers that the most timorous could point his piece with the utmost confidence between the rail and the netting, and fire right upon the enemy, by having his head, as well as his body, under such secure shelter. For the same reasons, in clearing and preparing the ship for fighting, I used to make the forecastle and top-men lash the hammocks, to shelter them, horizontally on the outside of the fore and topmast shrouds, close to one another, breast high, and then a single hammock above, leaving a little vacancy to point and fire their muskets through, which guards that tender and most important seat of knowledge, the head, as well as the other parts of the body which it governs, from the enemy's small shot"
Hier nun der Eintrag, der im MSW eine weitere erklärende Quelle zu einer Frage darstellte: nämlich, ob das Verstauen von Hängematten "in the tops" - ein Logbucheintrag der frühen Constitution - sich wohl auf die Fighting Tops beziehen könnte, oder ein irgendwie anderes "Top" gemeint sein könnte. Wir lesen bei Hotchinson eindeutig, dass zumindest ab und an (vermutlich je nach dem Brauch des jeweiligen Kommandanten) auch die Wanten der Tops brusthoch mit Hängematten geschützt wurden.
Das wunderschöne Bild der Saint-Esprit in der Schlacht bei den Kitts, das @dafi an anderer Stelle gezeigt hatte, bestätigt zumindest mal auch die horizontale Anordnung von Hängematten an einem Französischen Kriegsschiff im Gefecht - und wenn man sich das Fighting Top des Vormastes ansieht, entdeckt man da die selben blau mit goldenen Lilien verzierte Plane, die auch entlang der Finkenkästen die dahinterliegenden Hängematten abdeckt. Der Verdacht liegt nahe, dass also auch im Fighting Top hinter der Plane Hängematten liegen könnten. Das nur als weiteres Indiz - ohne eine Beweiskraft natürlich.
Ist aber nicht mein "finding" - sondern das eines Modellbauerfreundes aus Südafrika, @The Bitter End , wellcome aboard this forum, Haiko, and thanks for this finding!