Diesmal werde ich einen Modellbaukasten pimpen. Es handelt sich um das sehr dekorative Modell der "Nellie & Leslie" von der renomierten Firma Weico. Das Schiff wurde 1911 von Walter Worfolk in King´s Lynn gebaut. Der erste Besitzer war Henry George Norris und er nannte die Smack nach seinen Kindern. Mit dem Schiff führte er Muschel und Krabben Fang durch. Dafür wurde das Grundschleppnetz eingesetzt. Das Boot fischte im Wash, einer ausgedehnten und fischreichen Meeresbucht an der Ostküste. 1934 wurde die Smack von einem niederländischen Dampfschiff gerammt und versenkt. Das Wrack wurde gehoben und repariert. In den 40 Jahren erhielt es den ersten Motor. Dabei handelte es sich um ein Aggregat aus einem Sherman Panzer. Die "Nellie & Leslie" war bis 1977 als Fischerboot im Einsatz, dann wurde sie nach Dänemark verkauft. Eine Gruppe von deutschen Schiffsenthusiasten interessierte sich 1981 für den zum Verkauf stehenden Oldtimer und überführte ihn nach Bremerhafen. In mühevoller Arbeit wurde das Schiff restauriert, Axel Strothmann, ein Mitglied der Eignergemeinschaft, hat darüber ein Buch geschrieben (1). Das Schiff segelt wieder und nimmt an Segelevents teil.
(1) "Schwimmende Museen", Bd. III, Axel Strothmann, Kiel 1989
Gruß Jörg
Egal wie leer du im Kopf bist, es gibt Menschen, die sind Lehrer!
Wenn das so ist, Willi, mit der Messlatte, wird es nix mit dem Baukasten. Dann bau ich doch wieder scratch und nach Plan. Die Pläne habe ich aus dem oben genannten Buch von Axel Strothmann und der ältere Sohn hat sie mir schon auf 1 : 35 vergrößert.
Man kann sich die Pläne auch vom Verlag zuschicken lassen. Für 40 deutsche Mark und im größeren Maßstab. Könnte/sollte ich investieren, denn die vorliegenden Mallenrisse haben Mängel. Der Planzeichner hat Malle 1 und die Mallen A und B einfach weggelassen. Sind aber wichtig. Ich habe sie nach Gutdünken eingezeichnet, das kann man in Bild 2, untere Abbildung sehen. Mit dieser Vorlage fahre ich morgen zum Copyshop, ich brauche 13 Mallen, also 7 Kopien. Die Aufsicht - erstes Bild - brauche ich auch, denn meist variieren die Mallenabstände. Es ist also wieder eine recht anspruchsvolle Aufgabe, so wie es mir gefällt. Im Gegensatz zu Gerold Schneppe will ich die Smack im Aussehen der 30er Jahre fertigen, also mit dampfgetriebenem Spill, fish tackle und oyster dredge. Für dieses Aussehen habe ich Zeichnungen und Abbildungen.
Die Eignergemeinschaft: Um 1980 waren da 4 Freunde des Gaffelriggs. Die hatten ihre Studiengänge beendet und befürchteten sich aus den Augen zu verlieren. So kauften sie das Schiff und wagten sich an die Restauration. Inzwischen ist die alte Dame weit über 100 Jahre alt und auch die Eigner sind nun Mitte 50. Das Schiff verlangt ständige Pflege, ist reparaturfreudig und belastet die Haushaltskassen. Da müssen auch die Ehepartner mitmachen, Freizeit und Urlaub werden von dem Schiff bestimmt. Immer wieder fallen Erhaltungsmaßnahmen an. Das Bild zeigt die "Nellie und Leslie" auf der Slipanlage in Glückstadt. Die Planken in Höhe der Wasserlinie sind teilweise abgenommen. Hier ist durch den ständigen Wechsel von nass und trocken der Verschleiß besonders hoch. Man sieht, dass viele Spanten aufgedoppelt wurden. Die Beplankung wurde hier mit Kupferblech ergänzt. Der Propellerschaft tritt seitwärts aus. Das Schiff hat seine alte Registrierung BN 27 für Boston, Lincolnshire behalten. Hier war es seit 1934 beheimatet.
Gruß Jörg
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Der Erbauer: Walter Worfolk wurde 1864 geboren und war der Sohn eines Bootbauers in Yorkshire, der viele Kanalschiffe wie Humber Keels, - Sloops und Billy Boys - baute. Diese befuhren die Kanäle im industriellen Herzen des Vereinigten Königreiches und die Humber Bucht. Es waren Plattbodenschiffe mit Seitenschwertern und niederländischen Wurzeln. Walter wurde ebenfalls Bootsbauer und zog mit der Familie nach King´s Lynn, wo es bislang keine Schiffswerft gab. Hier, unterstützt von seinen Söhnen Bill und Gerald, fertigte er ca. 600 kleinere Schiffe, meist Jachten, Kutter oder Smacks. Eine Anzahl dieser Schiffe existiert noch heute und ist wohl restauriert.
Bild 1 zeigt die Humber Sloop Amy Howson. Das Plattbodenschiff aus dem Jahr 1914 mit Gaffelrigg hat Ähnlichkeiten mit der ostfriesischen Schaluppe. Sie war aber ein Frachtschiff. Der Rumpf besteht aus Stahl. Bild 2 ist die Wiedergabe eines Billy Boys. Dieser segelte nicht nur auf dem Humber sondern entlang der Ostküste bis London. Er ist mit Sprietbäumen bestückt.
Gruß Jörg
Bildquelle: Text "Worfolk boats, classic craft from the Wash", fishing news, April 2021
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Zur Fangtechnik: Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Treibnetz- und Schleppnetzfang. Die entsprechenden Fahrzeuge nennt man drifter oder trawler. Während früher Seitentrawler im Gebrauch waren,- hier wurde das Schleppnetz über die Seitenreling ausgesetzt und eingeholt- haben sich heute Hecktrawler durchgesetzt. Eine Form des Schleppnetzfanges ist der Einsatz von Grundschleppnetzen. Die Baumkurre spreizt die Netzöffnung, Ketten und Kugeln an der Unterseite scheuchen die Fische auf und in das Fangnetz. Eine sehr wirkungsvolle und umweltschädliche Version des Grundschleppnetzes ist die Dredge. Diese hat eine gezackte Metallschiene an der Unterseite und "hobelt" über den Untergrund. Dabei wird die Flora nachhaltig zerstört. Der Einsatz von Grundschleppnetzen ist in vielen Bereichen der Ostsee wegen der Findlinge aus der Eiszeit nicht möglich. Das Einholen der Kurrleinen -an ihnen ist das tütenförmige Netz befestigt - ist sehr mühevoll. Bild 1 zeigt Pfosten, an denen entsprechende Seilwinden befestigt sind. Auch der Drehspill wurde zum Einholen eingesetzt. Eine erhebliche Verbesserung waren dampfbetriebene Winden. Bild 2 zeigt eine entsprechende Anlage aus der Zeit um 1900. Im Schiffsinneren befand sich ein stehender Dampfkessel, daneben eine zweizylindrische Dampfmaschine. Über Vorgelege wurde die Kraft auf den Drehspill geleitet. Dieses System war bei Holzschiffen wegen der Verwindungen nicht zuverlässig, daher wurde der Dampfdruck durch Leitungen bis zur Oberseite des Spills geführt. Hier waren zwei Kolben angebracht, die ihre Kraft auf Zahnräder oben am Spill leiteten. Die alte Fotographie aus Oregon zeigt eine solche Kombination von Dampfkessel, -maschine und Spill bei Rodungsarbeiten. Heute ist uns die bahnbrechende Wirkung von Dampfmaschinen nicht mehr bewusst.
Die Mallen wurden ausgeschnitten und auf 5 mm starken Pappelsperrholz aufgeklebt. Matthias will sie nachher aussägen, ritze bi, ritze ba. @victory78
Gruß Jörg
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Die Smack "Nellie and Leslie" wurde zum Muschel- und Garnelenfang eingesetzt. Die Tiere leben im Wattenmeer in Bodennähe und ernähren sich von Plankton. Dieser ist durch den Gezeitenwechsel und durch die Einleitungen von Flüssen reichlich vorhanden. Im Wash, Norfolk beträgt der Tidenhub durchschnittlich 7 m, vor der Bretagne ist er mit 10 Metern noch höher. Die beiden Segler, ein Lougre du Légué und eine Biskine waren für den Jakobsmuschel- und Austernfang vor der Bretagne eingesetzt. Gefischt wurde mit dem Grundschleppnetz. Da sich die Tiere am Meeresgrund verhaken, wurde die Dredge verwendet und damit die Tiere vom Boden gerissen.
Bild 3 zeigt eine Dredge
Die Segler mussten über ein großes Segelareal verfügen um genügend Kraft zu entwickeln. Im Wash waren die Smacks in den Häfen von Boston, King´s Lynn oder Wisbach beheimatet. Hier fielen sie nicht trocken, denn die Ortschaften liegen an Flüssen. Die Schiffe liefen mit der Tide aus, brachten im Wash ihr Fanggeschirr in Position und segelten gegen den einlaufenden Tidenstrom an. Ihre Eigengeschwindigkeit war dabei 1 bis 2 Knoten höher als der Strom. Die Fangbedingungen hinsichtlich von Garnelen und Schalentieren haben sich heute sehr verschlechtert. Durch Überfischung wurde die Austernpopulation ausgerottet. Die Zeitung "Eastern Daily News" berichtete am 6. 9. 2024 dass Millionen von Austern vor der Küste Norfolks ausgesetzt wurden, um die Gattung wieder zu beleben. Durch den Einsatz von Saugbaggern wurde die Herzmuschel nahezu ausgerottet, durch restriktive Lizenzvergabe versucht man die Restbestände zu erhalten. Eine Bedrohung sind auch Zugvögel, die im Bereich des Wash überwintern. Inzwischen bleiben arktische Eiderenten das ganze Jahr über hier, da sie hier Nahrungsquellen gefunden haben. Bei Ebbe laufen sie über den Sand und picken die Tiere weg. Eine Bedrohung für die kommerzielle Fischerei sind auch die Kabel der sich verbreitenden Windparks, die die Grundnetzfischerei behindern. Auch die vielen Verordnungen aus dem fernen Brüssel waren für die lokalen Fischer ein großes Ärgernis. Die Fischerei nach Schalentieren ist generell erheblich zurück gegangen, der überwiegende Teil des Angebotes kommt heute aus Aquakulturen.
Gruß Jörg
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Ruhe ist eingekehrt auf der Werft. Der Rumpf muss durchhärten, da tut sich heute nicht viel. Das Bild oben zeigt eine Leith Smack. Sie war fast ebenso bekannt wie die fishing smack und gehörte zu den frühen Schnellseglern. Sie entwickelte sich um 1800 in Schottland vermutlich aus angekauften Zoll-, Marine- oder Schmuggelkuttern. Trotz ihrer völligen Form besaß sie gute Linien, einen flachen Boden und ein großes Segelareal. Sie konnte die 46o Meilen lange Strecke von Leith nach London in unter 50 Stunden bewältigen und war daher eine gesuchte Alternative zu den Pferdekutschen. Die Reise entlang der Küste war erheblich bequemer und schneller. Eine Leith Smack war für den Passagiertransport und für die Übermittlung von hochpreisigen Waren ausgelegt, z.B. Lachs. Die männlichen Passagiere verfügten über Kojen oder Kammern, die Damen über eigene Kajüten. Die Gruppe der Zwischendeckpassagiere musste sich einen Schlafplatz irgendwo zwischen der Ladung suchen. Die Besatzung bestand aus dem Kapitän, dem Steuermann , dem Steward und 11 geübten Seeleuten. Diese mussten die Segelfülle meistern, das gewaltige Gaffelsegel, die Breitfock, die Marssegel, die Leesegel und die Vorsegel. Immer wieder gab es "Alle Mann Manöver", wenn Richtungsänderungen oder Sturmfahrten stattfanden. Die Leith Smack erreiche eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 8,5 bis 9,5 Knoten und war stark gebaut, weil die Verbände hoch beansprucht wurden. Auf dem engen Fahrwasser der Themse waren diese schottischen Segler gefürchtet, da sie sich mit rabiaten Methoden Platz schafften. Ein herausragender Konstrukteur von diesen Smacks war Peter Hedderwich. Um 1850 war die Glanzzeit der Leith Smacks zu Ende. Reisende in den Süden des Vereinigten Königsreiches nahmen jetzt die Eisenbahn, Dampfer ersetzten die Segelschiffe. Manche Smack wurde verlängert und bekam ein zweites Leben als Schoner. Als Schnellsegler machte sich jetzt der Aberdeen Klipper einen Namen.
Die fishing Smack und Leith (1) Smack gehören zur Familie der Kutter, weisen aber große Unterschiede auf. Die Leith Smack entstand früher und hat noch die damals übliche Form, sie ist als Frachtschiff völlig gebaut. Die fishing Smack machte nur kurze Fahrten, hatte aber auch eine üppige Besegelung um das schwere Grundnetz ziehen zu können und um den Fang noch frisch anzulanden. Sie war ausschließlich zum Fang von Fischen und Schalentieren entwickelt worden. Die restaurierte Smack "Nellie and Leslie" kann eine Geschwindigkeit von 11 Knoten erreichen.
Gruß Jörg
Bildquelle: "Schnellsegler 1775 - 1875", Mac Gregor, Bielefeld 1974, S. 85 (1) Leith ist ein Stadtteil von Edinburgh. Hier liegt am Vergnügungszentrum Ocean Terminal die ehemalige royale Jacht Britannia als Museumsschiff vor Anker. An Bord ist auch ein total echter Rolls Royce.
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Du hast schon eine sehr interessante Bibliothek .. Deine "Fließbandarbeit" - im Praktischen aber eben auch im Theoretischen - ist bewunderns- und beneindenswert! Macht Spaß Dir in beidem zu folgen.
Zwei Fischerboote im Gezeitenstrom. Die Smack ist etwas länger als die Schaluppe. Sie ist viel schmaler und wirkt zierlicher. Die Mallen wurden entfernt, die Rumpfschale innen mit Polyesterharz eingestrichen - zur Härtung und Wasserfestigkeit - , der Segelverstellservo wurde eingebaut, die laminierten Decksbalken gesetzt und das falsche Deck eingezogen. Es fehlt noch eine Fläche im Heckbereich. Sie kann erst geschlossen werden, wenn morgen das Ruder und der Ruderservo eingebaut worden sind. Die Smack wurde im Gartenteich ausgewogen, sie braucht keinen zusätzlichen Innenballast. Das zweite Bild zeigt, wie hoch der Bugbereich aus dem Wasser ragt. Auch das ist eine Besonderheit dieses Schiffstyps. Alte Smacks werden gerne restauriert und als Freizeitjachten verwendet. Sie sind schnell und wirken elegant.
Bild 3: So sah die Smack aus, als die Eignergemeinschaft sie 1982 von Dänemark nach Bremerhaven überführte. Den Bugspriet gab es nicht mehr, der Mast war nur noch der Träger von Lichtern. Ein Steuerhaus war im Heckbereich errichtet worden.(S. 16) Bilöd 4: Aus diesem Buch habe ich die Risse, Angaben zur Besegelung und die historischen Fakten entnommen. (RKE Verlag, Kiel, 1989) Hier auf dem Foto wird das Heck neu gezimmert. Es war durch die jahrzehntelange Trawlfischerei krumm geworden.
Gruß Jörg
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